European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0459:2025:00100R00012.25B.0219.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beitretende Partei G* Gesellschaft m.b.H. hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
BEGRÜNDUNG:
- Die Klägerin begehrt nach Aufhebung des Sanierungsverfahrens gegen die Beklagte am 30. Juli 2024 nach rechtskräftiger Bestätigung des angenommenen Sanierungsplans (Landesgericht Wels GZ2*) während des gegenständlichen Verfahrens einerseits (entsprechend dem rechtskräftigen Sanierungsplan) gesamt EUR 50.000,00 (3 Raten), macht ein Absonderungsrecht nach § 157 VersVG iHv EUR 250.000,00 (Ansprüche der Beklagten gegen die Haftpflichtversicherin C* AG) geltend und begehrt zudem die Feststellung der Haftung für künftige Schäden im Umfang der Deckungspflicht.
- Die Beklagte habe für die Klägerin als Werkbestellerin Fenster und Fenstertüren für ein Bauvorhaben geliefert und montiert. Die Leistungen der Beklagten seien mangelhaft erfolgt. Die Beklagte hafte für bestimmte Mangelfolgeschäden (Wassereintritt). Der Klägerin stehe im Konkurs der Beklagten ein Absonderungsrecht nach § 157 VersVG im Umfang von EUR 250.000,00 zu. Die Beklagte habe als Versicherungsnehmerin einen Deckungsanspruch gegen die C* AG aus einem aufrechten Haftpflichtversicherungsvertrag.
Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte zusammengefasst neben (teilweiser) Unschlüssigkeit der Klage eine nicht zeitgerechte Mängelrüge und den Ausschluss der Haftung für leichte Fahrlässigkeit und generell für Folgeschäden ein. Sie verkündete der Haftpflichtversicherin mit der Behauptung, diese habe für den Schaden einzustehen, den Streit.
- Die C* AG (idF „Nebenintervenientin“) trat dem Verfahren auf Seiten der Beklagten bei und brachte ua vor, die Beklagte bzw die vormalige Insolvenzverwalterin G* GmbH habe gegen die Obliegenheit des Art 8 1.4 AHVB verstoßen und sie sei daher leistungsfrei.
- Daraufhin verkündete die Klägerin der G* GmbH den Streit.
- In der Folge brachte die Beklagte vor, dass sie keine Obliegenheitsverletzungen begangen habe. Allfällige Obliegenheitsverletzungen würden zudem nicht von der Beklagten, sondern vom Insolvenzverwalter begangen worden sein. Auch dafür gebe es aber keine Anhaltspunkte. Die Klägerin erwiderte, dass die Beklagte damit das Vorbringen der Nebenintervenientin zur Obliegenheitsverletzung zurückgezogen habe, und eine allfällige Obliegenheitsverletzung daher nicht mehr Gegenstand des Verfahrens sei.
- Die G* GmbH (idF „Rekurswerberin“) trat dem Verfahren schließlich auf Seiten der Klägerin mit der Begründung bei, aufgrund der Behauptung der Nebenintervenientin, sie sei ua wegen einer Obliegenheitsverletzung der Rekurswerberin in ihrer Funktion als Insolvenzverwalterin im Sanierungsverfahren der Beklagten leistungsfrei, sei sie möglichen Schadenersatzansprüchen ausgesetzt.
- In der vorbereitenden Tagsatzung vom 7. November 2024 sprach sich die Beklagte gegen den Beitritt der G* GmbH aus und verwies nochmals auf ihr Vorbringen, dass keine Obliegenheitsverletzung vorliege, und zog zusätzlich ausdrücklich das entsprechende Vorbringen der Nebenintervenientin zurück.
- Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Beitritt der Rekurswerberin auf Seiten der Klägerin mit der Begründung zurück, dass Prozesshandlungen der Nebenintervenientin, die mit solchen der unterstützten Hauptpartei in Widerspruch stehen, unwirksam und zurückzuweisen seien, sodass eine vormals behauptete, nun aber nicht mehr prozessrelevante Obliegenheitsverletzung kein Streitpunkt mehr zwischen den Parteien sei.
- Dagegen erhebt die Rekurswerberin den fristgerechten und zulässigenRekurs, in dem sie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und die Zulassung der Nebenintervention beantragt. Dabei steht sie auf dem Standpunkt, die Prüfung des Absonderungsrechtes erfordere die Beurteilung des Deckungsanspruchs der Beklagten gegenüber der Nebenintervenientin als Haftpflichtversicherin. Es bestehe die Gefahr, dass sich die Nebenintervenientin bei der Beklagten regressiere, und die Rekurswerberin auch direkten Regressansprüchen der Nebenintervenientin ausgesetzt sei. Würde eine Interventionswirkung nur zwischen der Rekurswerberin und der Klägerin bestehen, sei die Rechtsansicht des Erstgerichts zutreffend. Würde allerdings eine Bindungswirkung (entgegen der herrschenden Ansicht und Rechtsprechung) auch darüber hinaus bestehen, wäre die Ansicht des Erstgerichts verfehlt. Da eine Streitverkündung auch dann Bindungswirkung entfalte, wenn ein Beitritt zu Unrecht zurückgewiesen worden sei, treffe sie die Obliegenheit, die Zurückweisung des Beitritts mit den zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln zu bekämpfen.
- Eine Rekursbeantwortung wurde nicht erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
- Die Klägerin macht ua auch Absonderungsrechte (Leistung und Feststellung) im Insolvenzverfahren der Beklagten geltend (zur Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens im Zusammenhang mit einem Absonderungsrecht vgl 4 Ob 125/12d). § 157 VersVG bietet dem Geschädigten in der Haftpflichtversicherung (neben anderen Bestimmungen [§ 156 Abs 1 VersVG]) einen besonderen Schutz im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Versicherungsnehmers. Der Geschädigte kann abgesonderte Befriedigung im Umfang des Deckungsanspruchs des Versicherungsnehmers verlangen. Der Deckungsanspruch fällt als Sondermasse nicht in die Insolvenzmasse (RS0064041). Die Absonderungsklage ist auf Zahlung des Schuldners bei sonstiger Exekution in den Deckungsanspruch zu richten (RS0064068 [T4]). Im Verfahren, in dem ein Absonderungsrecht nach § 157 VersVG geltend gemacht wird, ist auch zu prüfen, ob der Deckungsanspruch des Schuldners gegenüber seiner Haftpflichtversicherung besteht; dies deshalb, weil es sich nicht um einen reinen Haftpflichtprozess, der auf die persönliche Haftung des Schuldners gerichtet ist, handelt. Die Geltendmachung eines Absonderungsrechts beinhaltet den Anspruch auf abgesonderte Befriedigung aus bestimmten Vermögenswerten des Schuldners und erfordert bei Bestreitung durch den Insolvenzverwalter und/oder der als Nebenintervenientin beigetretenen Versicherung auch die Beurteilung des Bestehens der Sondermasse (Deckungsanspruch des Schuldners), weil die Absonderungsberechtigung Bestandteil des Streitgegenstandes des Absonderungsverfahrens ist (17 Ob 15/23i; aA Nunner-Krautgasser/Reckenzaun, Schadensversicherung und Schadensfälle in der Insolvenz, ÖJZ 2019/22).
- Der Masseverwalter ist gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners (RS0106041). Als Ausnahme vom im Versicherungsrecht bei Obliegenheitsverletzungen geltenden Selbstverschuldensprinzips, das die Zurechnung des Verhaltens Dritter zum Versicherungsnehmer grundsätzlich ausschließt, muss sich der Gemeinschuldner Fehler des Insolvenzverwalters zurechnen lassen (Fenyves in Fenyves/Perner/Riedler, § 6 VersVG Rz 46). Ist der Versicherer aufgrund einer Obliegenheitsverletzung durch den Insolvenzverwalter gegenüber dem Versicherungsnehmer leistungsfrei, wären Schadenersatzansprüche der Beklagten denkbar. Schadenersatzansprüche könnte aber auch der Geschädigte erheben, der wegen einer Obliegenheitsverletzung durch den Insolvenzverwalter des Rechts auf abgesonderte Befriedigung § 157 VersVG verlustig gegangen ist. Der Insolvenzverwalter ist gegenüber allen Beteiligten bei Verletzung der gebotenen Sorgfalt für ihre Vermögensnachteile verantwortlich (§ 81 Abs 3 IO). Bei einer Obliegenheitsverletzung der Rekurswerberin könnte sie daher Regressansprüchen sowohl der Klägerin als auch der Beklagten ausgesetzt sein.
- Besteht ein rechtliches Interesse am Obsiegen beider Parteien, kommt dem Nebenintervenienten ein Wahlrecht zu (RS0117330). Es steht dem Nebenintervenienten in diesen Fällen frei, einzuschätzen, welche Ansprüche ihm wahrscheinlicher erscheinen, und welche Partei er durch eine Nebenintervention aufgrund dieser Einschätzung unterstützen will. Dies gilt auch dann, wenn dem Nebenintervenienten bloß von einer der Parteien der Streit verkündet wurde. Ein Nebenintervenient darf aber nicht willkürlich auf Seiten der Gegenpartei der streitverkündenden Partei (mit der Folge, dass er sich so behandeln lassen müsste, als wäre er überhaupt nicht beigetreten) dem Verfahren zur Unterstützung beitreten (6 Ob 62/13f).
- Dass die Rekurswerberin dem Prozess auf Seiten der Klägerin und nicht der Beklagten beigetreten ist, ist auf Grundlage des soeben Ausgeführten nachvollziehbar.
- Es ist dem Erstgericht nun beizupflichten, dass im Widerspruch zur Hauptpartei gesetzte Prozesshandlungen (Vorbringen) des Nebenintervenienten unwirksam sind. Kann der Nebenintervenient eine Tatsache nicht wirksam bestreiten, schließt dieser Umstand eine Bindungswirkung in einem allfälligen Folgeprozess selbstredend mangels ausreichender Wahrung des rechtlichen Gehörs aus (vgl Schneider in Fasching/Konecny 3 II/1 § 19 ZPO Rz 34; ders aaO § 21 ZPO Rz 35). Hier zog die Beklagte das Vorbringen der Nebenintervenientin im Zusammenhang mit einer Obliegenheitsverletzung sogar ausdrücklich zurück.
- Die Eigentümlichkeit der Absonderungsklage nach § 157 VersVG besteht nun darin, dass nicht nur die Haftung der Beklagten gegenüber der Klägerin, sondern auch der Deckungsanspruch gegen die Versicherin zu prüfen ist, obwohl diese nicht Hauptpartei ist. Der Beklagten steht es als Hauptpartei dabei aber frei, ob sie die von der Nebenintervenientin nicht im Interesse der Hauptpartei eingewandte Obliegenheitsverletzung bereits in diesem Prozess geprüft wissen will.
- Wurde ein rechtlich selbständiger Aspekt mangels Vorbringes nicht der Entscheidung zugrunde gelegt, ist der Nebenintervenient daran auch nicht gebunden (RS0107338). Allerdings ist eine Bindungswirkung nur eine mögliche Folge einer Nebenintervention (oder ihrer Unterlassung), nicht aber Voraussetzung für ihre Zulässigkeit (RS0126074). Ob Obliegenheitsverletzungen daher streitgegenständlich sind oder nicht, ist vor dem Hintergrund der Bindungswirkung daher nicht allein ausschlaggebend. Das ist schon deswegen evident, weil es – wie bereits ausgeführt wurde – Konstellationen geben kann, in denen der Dritte ein rechtliches Interesse sowohl am Obsiegen der einen als auch am Obsiegen der anderen Partei haben kann, eine Bindungswirkung allerdings immer nur gegenüber der Partei eintreten kann, auf deren Seite dem Prozess zur Unterstützung beigetreten wurde. Eine Bindungswirkung besteht aber nicht gegenüber dem am Hauptprozess beteiligten Prozessgegner, weil keine Bindung an Feststellungen besteht, die der Nebenintervenient wegen des Vorbringens seiner Hauptpartei nicht bekämpfen konnte (10 Ob 144/05g; 8 Ob 85/21i).
- Nicht erst die Bindungswirkung, sondern schon die Gefahr der künftigen Inanspruchnahme im Wege eines Regressprozesses bildet daher ein ausreichendes rechtliches Interesse für den Beitritt als Nebenintervenient. Dies ist bei einer ausdrücklichen Ankündigung einer Partei begründet, weil der Nebenintervenient dann jedenfalls mit der ernsthaften Möglichkeit einer künftigen Inanspruchnahme rechnen muss (2 Ob 39/22g; 6 Ob 140/12z; 5 Ob 67/10d). Ein Interventionsinteresse ist nämlich schon dann zu bejahen, wenn der Dritte durch den Ausgang des anhängigen Rechtsstreits in seiner Rechtssphäre berührt wird und sich daraus ein rechtlich begründeter Anlass ergibt, das Obsiegen einer der Parteien herbeizuführen. Ein rechtliches Interesse hat der Nebenintervenient bereits dann, wenn die Entscheidung auch nur mittelbar auf seine privatrechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig einwirkt. Das wird in der Regel dann bejaht, wenn das Obsiegen der Hauptpartei die Rechtslage des Dritten verbessert oder durch deren Unterliegen verschlechtert. Insbesondere im Fall drohender Regressnahme in einem Folgeprozess wird nach ständiger Rechtsprechung ein solches rechtliches Interesse bejaht (5 Ob 67/10d).
- Auch wenn auch ein Nebenintervenient selbst zur Streiverkündung berechtigt ist (4 Ob 252/03t), ist für die Beurteilung der zivilrechtlichen Wirkungen nur das Verhältnis zur Hauptpartei maßgeblich (Schneider in Fasching/Konecny 3 II/1 § 21 ZPO Rz 5). Ein Nebenintervenient hat immer ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Partei darzutun, auf dessen Seite er beitritt. Der Prozesssieg der Hauptpartei muss die rechtliche Situation des Nebenintervenienten (wenn auch nur mittelbar [vgl 5 Ob 67/10d: Beitritt auf Seiten des Beklagten trotz Regressankündigung des Klägers wegen Verfristung einer Erbrechtsklage]) verbessern.
- Es ist nun nicht erkennbar, wie sich die rechtliche Position der Rekurswerberin durch einen Prozessgewinn der Klägerin verbessern könnte, wenn in diesem Prozess eine allfällige Obliegenheitspflichtverletzung nicht zu prüfen ist. Auch wenn die Klägerin obsiegte, könnte die Nebenintervenientin in einem Folgeprozess (mit der Klägerin oder der Beklagten) weiterhin Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung einwenden. Dieser Einwand wäre (in einem Prozess mit der Klägerin als Geschädigte) nur bei einer Pflichthaftpflichtversicherung ausgeschlossen (§ 158c Abs 1 VersVG). Dass die gegenständliche Haftpflichtversicherung eine Pflichtversicherung sei, behaupteten die Parteien nicht. Das reglementierte Gewerbe eines Baumeisters, zu dem die Demontage dauerhaft mit am Mauerwerk verbundenen Gegenständen wie Fensterstöcke gehört (§ 150 Abs 2a Z 2 GewO), erfordert zwar eine Pflichthaftpflichtversicherung, allerdings behauptete die Klägerin nur, dass die Beklagte mit der Lieferung und Montage von Fenstern beauftragt worden sei, nicht aber mit einem Abbruch.
- Wenn eine Obliegenheitsverletzung nicht Gegenstand des Verfahrens ist, ist ein rechtliches Interesse nicht am Obsiegen der Klägerin, sondern am Prozesserfolg der Beklagten denkbar. Würde die Klägerin nämlich schon mangels Haftungsanspruchs unterliegen, oder würde ein Absonderungsrecht aus anderen Gründen als einer Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung scheitern, würde dies die Erfolgschancen der Rekurswerberin in einem Folgeprozess gegen die Klägerin ohne Zweifel erhöhen (vgl zum rechtlichen Interesse der Nebenintervenientin am Obsiegen der Beklagten auch ohne Behauptung einer Haftung der Nebenintervenientin durch den Kläger bei einer Anlageberaterhaftung: 7 Ob 162/15x).
- Nicht ohne Grund behauptet die Rekurswerberin im Rekurs, die Nebenintervenientin könne sich bei der Beklagten bzw direkt bei ihr regressieren. Ein Folgeprozess mit der Klägerin wird im Rekurs gar nicht mehr in den Raum gestellt.
- Dem Rekurs ist im Ergebnis daher kein Erfolg beschieden.
- Mangels Rekurserfolgs hat die Rekurswerberin ihre im Rekurs verzeichneten Kosten selbst zu tragen.
- Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO).
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