OGH 7Ob162/15x

OGH7Ob162/15x19.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. H***** H***** und 2. S***** H*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Leitner ua Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei R***** eGen, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, sowie die Nebenintervenientin C***** GmbH i.L., *****, vertreten durch Wess Kispert Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen Feststellung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Nebenintervenientin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 11. Juni 2015, GZ 1 R 55/15p‑15, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 10. März 2015, GZ 56 Cg 59/14y‑10, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.905,94 EUR (darin 317,66 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens sowie die mit 2.286,29 EUR (darin 381,05 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

Begründung

Die Kläger begehren die Feststellung, dass

1. ihre Kreditverbindlichkeit gegenüber der Beklagten aufgrund einer Kompensationserklärung um einen näher bezeichneten Betrag gesenkt worden sei und

2. ihnen die Beklagte für alle Nachteile hafte, die auf eine eventuelle Rückforderung der von ihnen als Kommanditisten einer bestimmten Beteiligungs-gesellschaft mbH & Co KG bezogenen Ausschüttungen zurückzuführen seien.

Die Beklagte habe sie betreffend die Kommanditbeteiligung falsch beraten und nicht oder unrichtig über die besonderen Risiken und ungewöhnlichen Umstände der Anlage aufgeklärt, insbesondere nicht darüber, dass die Ausschüttungen keine Erträge, sondern Teilrückzahlungen der Kommanditeinlage seien, welche die Haftung der Kläger als Kommanditisten gegenüber Gesellschaftsgläubigern wieder aufleben ließen und im Konkursfall eine Rückzahlungsverpflichtung an die Gesellschaft auslösen könnten. Sie seien nicht darüber aufgeklärt worden, dass die Kommanditbeteiligungen überdurchschnittlich hohe Organisations‑ und Vertriebsspesen aufwiesen. Die Beklagte habe verschwiegen, dass kein Kurswert bestehe, die Anlage überhaupt keine sinnvolle Veräußerung erlaube und das Risiko des Totalverlusts bestehe. Das von der Beklagten empfohlene Anlageprodukt sei für die von den Klägern angestrebte langfristige Vermögensanlage ungeeignet und die Beteiligung wertlos. Bei entsprechender Aufklärung hätten die Kläger das Anlageprodukt nicht erworben. Ihren bislang entstandenen Schaden hätten die Kläger gegen die Kreditforderung der Beklagten aufgerechnet. Die Beklagte bestreite Ansprüche der Kläger, was ihr rechtliches Interesse an den begehrten Feststellungen begründe.

Die Beklagte bestritt dieses Vorbringen, beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, sie habe den Klägern alle relevanten Informationen erteilt und sie anlage- und anlegergerecht beraten. Der Vertrieb der Kommanditbeteiligungen in Österreich sei durch die Nebenintervenientin erfolgt. Diese habe die Erstellung des Kapitalmarktprospekts beauftragt und die produktspezifischen Unterlagen erstellt. Letztere seien Grundlage für die Vermittlung der Kommanditbeteiligungen an die Kläger gewesen. Sollten die Behauptungen der Kläger zutreffen, hätte die Beklagte Regressansprüche gegenüber der Nebenintervenientin, falls sie in diesem Prozess ganz oder teilweise unterliege, weshalb sie ihr den Streit verkünde.

Die Nebenintervenientin erklärte ihren Beitritt auf Seiten der Beklagten unter Hinweis auf den von der Beklagten angekündigten Regress im Fall ihres Prozessverlusts.

Die Kläger beantragten die Zurückweisung der Nebenintervention, weil ein Regress nach ihrem Prozessvorbringen nicht denkbar sei. Eine Unrichtigkeit der von der Nebenintervenientin erstellten produktspezifischen Unterlagen werde nicht behauptet. In dem der Beklagten, nicht aber den Klägern bekannt gewesenen Kapitalmarktprospekt seien die maßgeblichen Produkteigenschaften offengelegt. Der Nebenintervenientin könne daher im Hinblick auf die Fehlberatung durch die Beklagte kein Vorwurf gemacht werden.

Die Nebenintervenientin verwies auf die Ankündigung des Regresses seitens der Beklagten. Es sei nicht erforderlich, dass die Kläger die Unrichtigkeit oder Irreführungseignung der Werbeunterlagen oder des Kapitalmarktprospekts behaupteten. Ein Regressanspruch wäre immer argumentierbar, falls die von der Nebenintervenientin zur Verfügung gestellten Produktinformationen falsch oder irreführend gewesen seien.

Das Erstgericht wies den Antrag der Kläger auf Zurückweisung des Beitritts der Nebenintervenientin ab und ließ den Beitritt zu. Maßgeblich sei die Behauptung der Beklagten, sie wolle die Nebenintervenientin in Anspruch nehmen, falls sich die von den Klägern kritisierten Eigenschaften der Anlageform herausstellen sollten. Schon dies rechtfertige das rechtliche Interesse der Nebenintervenientin am Streitbeitritt.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Kläger Folge und wies die Nebenintervention zurück. Eine allfällige Unrichtigkeit der Produktinformationen über die Kapitalanlage, für die die Nebenintervenientin einzustehen hätte, sei nicht Prozessgegenstand. Die Nebenintervenientin könne daher in diesem Zusammenhang ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Beklagten nicht plausibel darstellen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Ob ein Nebenintervenient das erforderliche rechtliche Interesse an einem Beitritt habe, könne nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beantwortet werden und bilde daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Nebenintervenientin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass ihre Nebenintervention zugelassen werde. Hilfsweise stellt die Nebenintervenientin auch einen Aufhebungsantrag.

Die Kläger erstatteten eine ihnen freigestellte Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag, den außerordentlichen Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt, weil das Rekursgericht von den zum rechtlichen Interesse an der Nebenintervention entwickelten Judikaturgrundsätzen des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist.

1. Bei der Beurteilung, ob die Nebenintervention zulässig ist, ist kein strenger Maßstab anzulegen. Es genügt, dass der Rechtsstreit die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berührt (RIS‑Justiz RS0035638; Schneider in Fasching/Konecny 3 II/1 § 17 ZPO Rz 1) und sich daraus ein rechtlich begründeter Anlass ergibt, das Obsiegen einer Partei herbeizuführen (RIS‑Justiz RS0035638 [T5]). Das rechtliche Interesse besteht, wenn die Entscheidung sich nicht nur wirtschaftlich, sondern zumindest mittelbar auch auf die rechtlichen Verhältnisse des Nebenintervenienten günstig oder ungünstig auswirkt (Fucik in Rechberger 4, § 17 ZPO Rz 3). Das rechtliche Interesse muss konkret sein und kann besonders im Fall drohender Regressnahme in einem Folgeverfahren bei Prozessverlust der streitverkündenden Partei im Hauptprozess zu bejahen sein (RIS‑Justiz RS0106173 [T2]). Es reicht aus, wenn der zu befürchtende Rückgriff plausibel, wenngleich nicht in allen Einzelheiten dargestellt wird (RIS‑Justiz RS0106173 [T7]). Das rechtliche Interesse muss grundsätzlich ex ante beurteilt werden und es ist dabei nicht vorrangig oder gar allein ‑ wie hier vom Rekursgericht ‑ auf das Vorbringen des (klagenden) Prozessgegners der streitverkündenden Partei abzustellen.

2. Die Nebenintervenientin hat der Beklagten die der Beratung und dem Verkauf dienenden produktspezifischen Unterlagen für die von den Klägern erworbenen Kommanditbeteiligungen zur Verfügung gestellt. Die streitverkündende Beklagte hat der Nebenintervenientin für den Fall des Prozessverlusts einen Regressprozess in Aussicht gestellt. Die Kläger haben, wie dem Rekursgericht durchaus zuzugestehen ist, ihre Ansprüche nicht auf eine Unrichtigkeit der (ihnen vor ihrer Anlageentscheidung auch gar nicht bekannt gewesenen) Produktunterlagen der Nebenintervenientin gestützt. Allerdings steht der Beklagten für den Fall ihrer Sachfälligkeit im bereits angedrohten Regressprozess durchaus die naheliegende und angekündigte Argumentation offen, die von der Nebenintervenientin zu Beratung und Verkauf zur Verfügung gestellten Produktunterlagen seien für eine sachdienliche Kundenberatung untauglich gewesen. Das rechtliche Interesse der Nebenintervenientin an einem Obsiegen der Beklagten liegt bei dieser Sachlage auf der Hand, würden doch dadurch gegen sie selbst gerichtete Ansprüche der Beklagten ausgeschlossen. Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Zwischenstreits gründet auf §§ 41, 50 ZPO (vgl 5 Ob 31/15t mwN).

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