OGH 9ObA57/16x

OGH9ObA57/16x28.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Mag. Matthias Schachner in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** K*****, vertreten durch Dr. Michael Kramer, Rechtsanwalt in Telfs, gegen die beklagten Parteien 1.  C***** H*****, vertreten durch Dr. Holger Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, 2.  G***** H*****, vertreten durch Köhler Draskovits Unger Rechtsanwälte GmbH in Wien, 3.  E***** T*****, vertreten durch Dr. Holger Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, wegen 62.678,59 EUR brutto sA (Revisionsinteresse: 31.670,59 EUR) und Feststellung (Revisionsinteresse: 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Februar 2016, GZ 15 Ra 70/15d‑89, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 15. Juni 2015, GZ 47 Cga 149/12p‑68, über Berufung der klagenden Partei bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00057.16X.1028.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Ersturteil einschließlich seines bereits in Rechtskraft erwachsenen Teils zu lauten hat:

„1. Es wird festgestellt, dass der Kläger gemäß Dienstvertrag vom 30. 6. 2009 in der Zeit vom 1. 7. 2009 bis 28. 10. 2013 zu den beklagten Parteien in einem ununterbrochen aufrechten Arbeitsverhältnis gestanden ist.

2. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 41.601,34 EUR samt 4 % Zinsen p.a. zu bezahlen, und zwar

aus 2.106,24 EUR von 1. 11. 2012 bis 30. 11. 2012,

aus 4.212,48 EUR von 1. 12. 2012 bis 31. 12. 2012,

aus 6.318,72 EUR von 1. 1. 2013 bis 31. 1. 2013,

aus 8.424,96 EUR von 1. 2. 2013 bis 28. 2. 2013,

aus 10.531,20 EUR von 1. 3. 2013 bis 31. 3. 2013,

aus 12.637,44 EUR von 1. 4. 2013 bis 30. 4. 2013,

aus 14.743,68 EUR von 1. 5. 2013 bis 31. 5. 2013,

aus 16.849,92 EUR von 1. 6. 2013 bis 30. 6. 2013,

aus 31.008,98 EUR von 1. 7. 2013 bis 5. 12. 2013,

aus 38.168,64 EUR von 6. 12. 2013 bis 12. 5. 2014,

aus 41.601,34 EUR seit 13. 5. 2014.

Das auf die Zahlung weiterer 21.077,25 EUR gerichtete Begehren einschließlich des Zinsenmehrbegehrens wird abgewiesen.“

Die Kostenaussprüche der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die Beschlussfassung über die Kosten der gesamten Verfahrenskosten aufgetragen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde mit Dienstvertrag vom 30. 6. 2009 von der gemäß § 4 Parlamentsmitarbeiterinnen- und ParlamentsmitarbeiterG (ParlMG) gebildeten Arbeitsgemeinschaft der beklagten Nationalratsabgeordneten für die Tätigkeit als parlamentarischer Mitarbeiter des Zweitbeklagten eingestellt und letzterem dienstzugeteilt. Vereinbarungsgemäß erhielt er dafür einen Bruttomonatslohn von zuletzt 2.106,24 EUR, 14 mal jährlich, ausbezahlt. Nach dem Dienstvertrag konnte das Dienstverhältnis beiderseitig während der Laufzeit zu den im Angestelltengesetz in der jeweils geltenden Fassung vorgesehenen Kündigungsterminen und -fristen sowie auch zum 15. oder Letzten eines jeden Kalendermonats gekündigt werden. Vereinbart war, dass die Kündigung in jedem Fall, auch während der Probezeit, schriftlich zu erfolgen hatte. Der Dienstvertrag sollte in jedem Fall mit dem Ende der Gesetzgebungsperiode – hier unstrittig der 28. 10. 2013 – enden.

Nach dem Ausschluss des Drittbeklagten aus seinem Parlamentsclub bestand die Arbeitsgemeinschaft nur mehr aus dem Erst- und dem Zweitbeklagten und wurde mit Ablauf des 30. 9. 2012 aufgelöst.

Mit seiner am 19. 11. 2012 eingebrachten Klage begehrte der Kläger zuletzt die Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses bis 28. 10. 2013, in eventu die Erklärung der Unwirksamkeit seiner einvernehmlichen Auflösung, und Zahlung der offenen Gehaltsansprüche von 62.678,59 EUR sA. Zusammengefasst brachte er vor, das Dienstverhältnis sei mangels einvernehmlicher Auflösung nie beendet worden. Die Beklagten hätten ihm gegenüber nie die Auflösung des Dienstverhältnisses erklärt, auch er habe keine Äußerung in diese Richtung abgegeben. Seine Gehaltsansprüche seien nach dem ParlMG als Mindestlohntarif zu berechnen, der ihm in voller Höhe zustehe.

Die Beklagten bestritten und wandten im Wesentlichen ein, im Zuge der Auflösung der Arbeitsgemeinschaft seien alle in dieser befindlichen Mitarbeiter gekündigt worden. Es sei eine einvernehmliche Kündigung des Klägers unterschrieben worden, wobei dem Erstbeklagten versichert worden sei, dass dies mit dem Kläger abgesprochen gewesen sei. Der Zweit- und der Drittbeklagte bestritten überdies ihre Passivlegitimation. Die Höhe der ausbezahlten Gehälter entspreche der Vereinbarung.

In der Tagsatzung vom 24. 4. 2013 brachte der Erstbeklagte vor, dass er auch im Namen des Zweit- und des Drittbeklagten für den Fall, dass die Arbeitsgemeinschaft noch bestehen sollte – was bestritten werde – eine Eventualkündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt ausspreche, die der Kläger als sittenwidrig erachtet. Das Protokoll darüber wurde dem Klagevertreter am 12. 6. 2013 zugestellt (ON 17).

Das Erstgericht gab dem Begehren des Klägers teilweise statt, indem es den aufrechten Bestand des Dienstverhältnisses vom 1. 7. 2009 bis 30. 6. 2013 feststellte, das Leistungsbegehren im Umfang von 31.008,98 EUR sA für berechtigt erachtete und das Feststellungs‑ und das Leistungsmehrbegehren abwies. Es stellte fest, dass die Unterschrift auf der Abmeldungserklärung des Klägers manipuliert gewesen war und nicht von ihm gestammt hatte, konnte aber nicht feststellen, von wem die Manipulation vorgenommen worden war. Eine einvernehmliche Auflösung liege somit jedenfalls nicht vor, jedoch sei die Eventualkündigung der Beklagten mit Wirkung zum 30. 6. 2013 gültig. Sie habe ihren Niederschlag im von sämtlichen Parteien unterfertigten gerichtlichen Verhandlungsprotokoll gefunden und ersetze ein vertraglich vereinbartes Schriftlichkeitsgebot. Die beiderseitige Kündbarkeit sei wirksam vereinbart worden, weil in § 5 ParlMG als unabdingbare Voraussetzung für die Vergütungsfähigkeit von Dienstverträgen der parlamentarischen Mitarbeiter die Befristung und eine beiderseitige Kündbarkeit aufgenommen werden müsse und diese deshalb rechtlich nicht unzulässig sein könne. Es liege auch keine Sittenwidrigkeit der Eventualkündigung vor. Bei der Berechnung der Höhe der Ansprüche sei vom vereinbarten Gehalt auszugehen. Dem Kläger stünden für den Zeitraum bis 30. 6. 2013 noch Gehaltsansprüche in Höhe von insgesamt 31.008,98 EUR brutto zu.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

In seiner dagegen gerichteten außerordentlichen Revision beantragt der Kläger die Abänderung des Berufungsurteils im Sinn einer vollständigen Klagsstattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Erstbeklagte und der Drittbeklagte beantragen in der ihnen freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben. Der Zweitbeklagte hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf die Frage der Formwirksamkeit der (Eventual-)Kündigung zulässig und auch teilweise berechtigt .

1.1.  Der Revisionswerber stellt zunächst die Zulässigkeit der Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses in Frage, weil eine Befristung mit dem Ende der Legislaturperiode nicht ausreichend bestimmt sei, bei vorzeitigem Ende der Legislaturperiode auch ein kürzer befristetes Beschäftigungsverhältnis vorliegen könne und damit die Möglichkeit eines unangemessenen Verhältnisses zwischen Kündigung und Dauer der Befristung bestehe. Die Angemessenheit dürfe nicht jeweils im Anlassfall ex post beurteilt werden.

1.2.  Bereits die Vorinstanzen legten die maßgeblichen Bestimmungen des ParlMG dar:

Danach gebührt gemäß § 1 Abs 1 ParlMG jedem Mitglied des Nationalrats, das zur Unterstützung seiner parlamentarischen Tätigkeit einen Dienstvertrag unter Berücksichtigung der Erfordernisse des § 5 oder einen Werkvertrag mit einer physischen Person (parlamentarischer Mitarbeiter) abgeschlossen hat, nach den folgenden Bestimmungen eine Vergütung der aus dem Vertrag oder dessen Beendigung erwachsenden Aufwendungen.

Gemäß § 5 ParlMG sind Aufwendungen aus Dienstverträgen mit parlamentarischen Mitarbeitern nur insoweit vergütungsfähig, als die folgenden Vereinbarungen enthalten sind:

1. Befristung des Dienstvertrags längstens mit dem Ende der Gesetzgebungsperiode und

2. beiderseitige Kündbarkeit des befristeten Vertrags während seiner Laufzeit mit den im Angestelltengesetz, BGBl Nr 292/1921, vorgesehenen Kündigungsfristen und Kündigungsterminen.

Gemäß § 6 Abs 1 ParlMG findet auf die Dienstverhältnisse mit parlamentarischen Mitarbeitern das Angestelltengesetz Anwendung. Gemäß § 6 Abs 2 ParlMG ist die Befristung eines Dienstvertrags mit einem parlamentarischen Mitarbeiter mit dem Ende der Gesetzgebungsperiode ebenso zulässig wie der mehrmalige Abschluss solcherart befristeter Dienstverträge, wenn sie unmittelbar aufeinanderfolgen.

1.3.  Der Revisionswerber sieht die vorliegende Befristung des Dienstverhältnisses „mit dem Ende der Gesetzgebungsperiode“ als zu wenig bestimmt an.

Dem ist nicht zu folgen. Eine Befristung kann kalendermäßig fixiert sein, sie kann aber auch an ein objektiv bestimmbares Ereignis, das der willkürlichen Beeinflussung durch die Vertragspartner entzogen ist, angeknüpft sein, so beispielsweise für die Dauer der Saison, für die Zeit einer Arbeitsspitze, bis zur Beendigung der Karenzierung bzw der krankheitsbedingten Abwesenheit des Mitarbeiters, bis zum Erreichen des Pensionsalters eines Arbeitnehmers oder bis zum Tod einer Person ( Reissner in ZellKomm 2 § 19 AngG Rz 10 und 11 mwN; RIS-Justiz RS0028440). Danach ist aber auch die hier vorliegende Befristung „mit dem Ende der Gesetzgebungsperiode“ als ausreichend bestimmbar anzusehen.

1.4.  Soweit die Dauer der Befristung und die Möglichkeit einer Kündigung in einem angemessenen Verhältnis stehen müssen (RIS-Justiz RS0028428 [T1]), wurde diese Wertung hier bereits vom Gesetzgeber getroffen, indem er in § 5 ParlMG die Vergütungsfähigkeit von Dienstverträgen von der Vereinbarung einer Befristung des Dienstvertrags längstens mit dem Ende der Gesetzgebungsperiode und weiter von der beiderseitigen Kündbarkeit des befristeten Vertrags während seiner Laufzeit mit den im AngG vorgesehenen Kündigungsfristen und -terminen abhängig macht.

Zu dem vom Kläger im Hinblick auf die Möglichkeit kurzer Legislaturperioden befürchteten Missverhältnis zwischen einer kurzen Befristung und der Kündigungsmöglichkeit kann vergleichsweise auf die Wertung des § 25 TheaterarbeitsG verwiesen werden, nach dem eine Kündigungsklausel bei mehr als einjähriger Befristung des Bühnendienstvertrags wirksam ist. In der Rechtsprechung wurde auch die Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit mit 14-tägiger Kündigungsfrist bei auf sechs Monate befristetem, vom AMS geförderten Arbeitsverhältnis als zulässig angesehen (RIS-Justiz RS0028428 [T5]). Geist , Kündigungsklauseln bei befristeten Arbeitsverhältnissen, ÖJZ 2002, 405 ff, entnimmt § 5 Z 2 ParlMG überdies die Grundwertung, dass prinzipiell – also außerhalb von kurz befristeten Arbeitsverhältnissen und anderen sittenwidrigkeitsrelevanten Umständen – eine Kündigungsklausel, deren Kündigungsfristen und -termine den jeweiligen zwingenden Regelungen für unbefristete Arbeitsverhältnisse entsprechen, rechtlich zu tolerieren ist. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass eine nach Maßgabe des § 5 Abs 2 ParlMG vereinbarte Kündbarkeit des Dienstvertrags zulässig ist, ist danach nicht zu beanstanden. Die Bestimmung gab auch dem vom Kläger mit einem Normprüfungsantrag befassten Verfassungsgerichtshof in diesem Verfahren keinen Anlass zur näheren Überprüfung (Beschluss des VfGH vom 28. September 2015, G 349/2015-6, [ON 87]).

2. Warum die Kündigungsfrist nicht durch einen– hier im Dienstvertrag enthaltenen – Verweis auf die im Angestelltengesetz vorgesehenen Kündigungstermine und -fristen vereinbar sein sollte, ist nicht ersichtlich.

3.  Der Kläger erachtet weiters die in der Tagsatzung vom 24. 4. 2013 ausgesprochene (Eventual-)Kündigung als sittenwidrig. Eine Sittenwidrigkeit der Kündigung kann aber nur dann angenommen werden, wenn der Dienstgeber von seinem Kündigungsrecht aus gänzlich unsachlichen Motiven Gebrauch macht (RIS-Justiz RS0016839 [T2]). Die von Beklagtenseite gewünschte einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses mit dem Kläger stand offensichtlich in Zusammenhang mit der Auflösung der aus den drei Beklagten bestehenden Arbeitsgemeinschaft. Mit der Eventualkündigung sollte diese Auflösung jedenfalls wirksam vollzogen werden. Wie bereits die Vorinstanzen ausführten, kann darin noch kein unsachliches Motiv für die Ausübung des Kündigungsrechts gesehen werden. Die Urheberschaft der Manipulation der Unterschrift auf der Auflösungserklärung steht nicht fest und ist damit auch nicht den Beklagten zuordenbar.

4.  Zu Recht verweist der Kläger aber auf die Formunwirksamkeit der Kündigung, weil für diese Beurteilung nicht die – die Wirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs betreffende – Entscheidung 1 Ob 227/99k herangezogen werden könne.

Wie schon zuvor ausgeführt, haben die Streitteile im Dienstvertrag des Klägers vereinbart, dass die Kündigung in jedem Fall der Schriftform bedarf.

4.1.  Nach § 886 S 1 ABGB kommt ein Vertrag, für den Gesetz oder Parteiwille Schriftlichkeit bestimmt, grundsätzlich durch die Unterschrift der Parteien zustande. Die Bestimmung gilt nicht nur für Verträge, sondern auch für einseitige Erklärungen (zB Riedler in Schwimann/Kodek , ABGB Bd 4 4 §§ 885, 886 Rz 1 mwN). Die „Unterschriftlichkeit“ wird durch eigenhändige Unterfertigung unter den Text hergestellt (RIS-Justiz RS0078934; zuletzt 9 ObA 110/15i [zu einer „schriftlichen“ Kündigung per Whatsapp]). Die Unterschrift deckt in der Regel auch nur den darüber befindlichen Text, während unterhalb der Unterschrift stehende Textteile von ihr nicht gedeckt sind ( Riedler in Schwimann/Kodek aaO Rz 1 mwN).

Der Zweck der Schriftform liegt häufig im Übereilungsschutz und in der Beweissicherung (3 Ob 104/14m mwN; 9 ObA 110/15i). Für das für eine Kündigung erforderliche Schriftformgebot im Speziellen wurde in der Entscheidung 9 ObA 110/15i festgehalten, dass gerade auch die besondere Bedeutung eines das Arbeitsverhältnis beendenden Kündigungsschreibens für den Empfänger wesentlicher Zweck des (dort kollektivvertraglich festgelegten) Schriftlichkeitsgebots ist. Der Empfänger, sei es nun der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer, soll durch die geforderte Schriftlichkeit ein Dokument über die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den anderen Vertragsteil zum weiteren Verbleib bei ihm erhalten, damit er es einer Überprüfung unterziehen kann. Die physische Verfügungsmöglichkeit über eine tatsächliche „Hardcopy“ des Kündigungsschreibens ermöglicht dem Empfänger nicht zuletzt auch die Anfertigung einer Kopie und Übergabe derselben oder des Originals an eine Beratungsstelle (Gewerkschaft, Arbeiterkammer, Rechtsanwalt). Zudem besitzt die Schriftform einer Kündigung eine in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzende Beweisfunktion. Freilich kann nicht jede Vorgangsweise, die den gewünschten Formzweck erzielt, auch als Erfüllung des Formgebots angesehen werden (zB Zeugenbeweis).

4.2.  Im vorliegenden Fall scheitert die Formwirksamkeit der Kündigung schon an den Formalvoraussetzungen der Schriftlichkeit iSd § 886 S 1 ABGB: In der Tagsatzung vom 24. 4. 2013 wurde dem Kläger nicht etwa ein Kündigungsschreiben der Beklagten ausgefolgt, sondern die Kündigung vom Beklagtenvertreter nur mündlich „vorgebracht“, von der Beiziehung eines Schriftführers abgesehen, für den übrigen Teil des Protokolls ein Schallträger verwendet (Bd I AS 112) und das Protokollformular von den Streitteilen am Ende der Tagsatzung iSd § 212a Abs 2 iVm § 212 Abs 1 ZPO unterzeichnet. Da das Vollschriftprotokoll – und mit diesem die mündlich vorgetragene Kündigung – damit aber nicht in Schriftform vorhanden war, lag von den Beklagten keine in Textform erklärte Kündigung und keine darunter gesetzte Unterschrift vor. Das die Kündigungserklärung enthaltende Vollschriftprotokoll wiederum, dessen Zustellung hier erst am 12. 6. 2013 erfolgte, enthält keine Unterschrift der Beklagten.

4.3.  Die Beklagten – und ihnen folgend die Vorinstanzen – erachten das Schriftformerfordernis dennoch als erfüllt, weil auch gerichtliche Vergleiche, die im Rahmen einer Verhandlung nicht sogleich schriftlich im Volltext festgehalten und unterzeichnet werden, dem Schriftlichkeitsgebot hinreichend Rechnung tragen, wenn der eigentliche Inhalt der Verhandlung, insbesondere auch der Vergleichstext, nur mittels Schallträger erfasst wird, sodann das den Erfordernissen des § 207 ZPO genügende Verhandlungsprotokoll von den Parteien/ihren Vertretern eigenhändig unterfertigt wird und im Weiteren eine Protokollsabschrift hergestellt, vom Richter unterzeichnet (§ 212 Abs 5 iVm § 212a Abs 2 ZPO), dem Protokoll als Beilage angefügt und den Vergleichsparteien übermittelt wird. Diese Rechtsprechung zum Prozessvergleich (1 Ob 227/99k; 4 Ob 243/01s; 6 Ob 112/99k; 6 Ob 2285/96i ua) ist jedoch auf das vertraglich vereinbarte Formgebot für eine Kündigung nicht übertragbar:

Der Prozessvergleich hat zugleich den Charakter eines grundsätzlich formfreien zivilrechtlichen Rechtsgeschäfts und jenen einer Prozesshandlung, die aus verfahrensrechtlichen Gründen – Prozessbeendigungswirkung; Schaffung eines Exekutionstitels (§ 1 Z 5 EO) – bestimmten Protokollierungsanforderungen (§§ 204 ff ZPO) unterliegt. Wird zwar eine Vergleichsvereinbarung von den Parteien geschlossen, erfolgt aber keine Protokollierung, weil sie gänzlich unterlassen wird, oder ein Verstoß gegen die Protokollierungsvorschriften vorliegt, so ist nur die materiellrechtliche Vereinbarung aufrecht, es kommt aber kein Prozessvergleich zustande (s Klicka in Fasching/Konecny , ZPG II/3 3 §§ 204–206 Rz 26 mwN; Gitschthaler in Rechberger , ZPO 4 §§ 204–206 Rz 10 mwN).

Die Rechtsprechung, dass für den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs – materiellrechtlich – im Zweifel eine Schriftformvereinbarung vermutet wird (zB 1 Ob 227/99k), geht auf die Entscheidung 6 Ob 90/69 (SZ 42/61) zurück. In dieser wurde ausgesprochen, dass gerichtliche Vergleiche nach ständiger Übung von den Parteien zum Zeichen ihres Einverständnisses unterschrieben würden, sodass in der Regel eine Absicht der Parteien, auch bei einem gerichtlichen Vergleich nicht vor Leistung der Unterschrift gebunden sein zu wollen, unterstellt werden müsse (darauf Bezug nehmend 3 Ob 600/86; s auch RIS-Justiz RS0017207). In späteren Entscheidungen wurde differenzierend ausgeführt, dass aber die Unterschrift auf der Vollschriftübertragung des in Kurzschrift oder durch Magnetaufzeichnung protokollierten Vergleichstextes weder vorgesehen noch üblich ist und dass Parteien, die damit einverstanden sind, dass der Vergleichstext zunächst nur auf Tonband aufgenommen und erst nach der Verhandlungstagsatzung in Vollschrift übertragen werde, sofort an den Vergleich gebunden sein wollen und damit von der Schriftform durch Unterfertigung der Protokollsübertragung Abstand nahmen (3 Ob 64/90 mwN; s auch 8 Ob 579/87: durch Einverständnis mit der Tonbandprotokollierung schlüssiger Verzicht auf die Einhaltung der Schriftform; 1 Ob 227/99k zur Beteiligung eines prozessfremden Dritten: Reduktion der Erfordernisse der gewillkürten Schriftform auf die rein prozessualen Anforderungen eines gerichtlichen Vergleichs).

Diese Erwägungen gelten für die Frage der Formwirksamkeit eines Prozessvergleichs, sohin vor dem Hintergrund der Verhandlungs- und Protokollierungssituation vor Gericht, können aber für eine für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses vereinbarte Schriftform keine Geltung beanspruchen: Es bedarf keiner – den genannten Entscheidungen als Prämisse zugrunde liegenden – Vermutung, dass die Parteien vor Gericht vor Leistung der Unterschrift nicht gebunden sein wollten, weil sie für die Kündigung bei Abschluss des Dienstvertrags doch ausdrücklich die Schriftform vereinbart hatten. Ob auch die anlässlich einer Tagsatzung erfolgte Protokollierung einer mündlichen Kündigung vereinbarungskonform ist, richtet sich nur danach, ob ein solches Verständnis von Schriftlichkeit dem Parteiwillen entspricht. Dafür bestehen hier jedoch keine Anhaltspunkte. Es ist den Parteien auch nicht ohne weiteres zu unterstellen, weil sie ihren Vertragswillen fernab einer jeglichen gerichtlichen Verhandlungssituation gebildet haben. Die Beklagten behaupten auch nicht, dass die gerichtliche Protokollierung einer mündlichen Kündigung der Vorstellung der Streitteile zur Schriftlichkeit entsprochen hätte. Schließlich gibt es keinen Grund zur Annahme, dass der Kläger mit der Unterzeichnung des Protokollformulars iSd § 212a Abs 2 ZPO auf die Einhaltung des vertraglichen Formgebots verzichten hätte wollen. Das Erfordernis der Schriftlichkeit in der Bedeutung des § 886 S 1 ABGB ist danach nicht erfüllt.

4.4.  Auch mit der Bestimmung des § 886 S 2 ABGB, wonach der schriftliche Abschluss eines Vertrags durch gerichtliche oder notarielle Beurkundung ersetzt werden kann, wäre für die Beklagten nichts gewonnen. Denn unter gerichtlicher Beurkundung ist die Beurkundung einer Willenserklärung zu verstehen, die – als Pendant zur notariellen Beurkundung (§§ 76 ff NO) – den formalen und inhaltlichen Anforderungen einer außerstreitigen gerichtlichen Beurkundung entspricht ( Gschnitzer in Klang , ABGB 2 IV/1 § 886 S 272 unter Verweis auf die §§ 281 bis 293 AußStrG aF; nunmehr §§ 186 ff AußStrG 2005), nicht aber das nur nach Maßgabe der §§ 207 ff ZPO grundsätzlich als Resümeeprotokoll (§ 209 Abs 1 ZPO) zu errichtende Verhandlungsprotokoll über den Gang und den Inhalt der mündlichen Verhandlung, das hinsichtlich der wechselseitigen Vorbringen, Sachdispositionserklärungen und Anträge den Vorgaben der §§ 208 f ZPO zu folgen hat.

4.5.  Da die zur Wirksamkeit des Prozessvergleichs entwickelte Rechtsprechung daher nicht auf ein gewillkürtes Formgebot für die Beendigung eines Dienstverhältnisses übertragbar ist, ist die mündliche Eventualkündigung der Beklagten in der Tagsatzung vom 24. 4. 2014 formunwirksam. Sie entspricht nicht der Vereinbarung der Parteien im Dienstvertrag, dass die Kündigung in jedem Fall schriftlich zu erfolgen hat.

5.  Die Gehaltshöhe wurde von den Vorinstanzen mit der dienstvertraglichen Vereinbarung begründet. Die Revision des Klägers richtet sich in diesem Punkt im Wesentlichen gegen die berufungsgerichtliche Behandlung seiner Beweisrüge zu mehreren bezughabenden Feststellungen des Erstgerichts. Denn er meint, auf Basis einer Vollzeitbeschäftigung Anspruch auf 100 % des im ParlMG vorgesehenen Vergütungsanspruchs als Mindestlohntarif zu haben, den die Beklagten für ihn als parlamentarischer Mitarbeiter erhielten, während das Erstgericht davon ausging, dass der Zweitbeklagte neben dem Kläger einen weiteren Mitarbeiter in Wien beschäftigte und der vollausgeschöpfte Vergütungsanspruch zwischen ihnen im Verhältnis 70 : 30 aufgeteilt war. Eine (angeblich) mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren jedoch nicht mehr angefochten werden. Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst, ist sein Verfahren mangelhaft (RIS-Justiz RS0043371). Das ist hier nicht der Fall (s Berufungsurteil S 40 ff). In rechtlicher Hinsicht betrifft der monatliche Vergütungsanspruch des § 3 Abs 1 ParlMG auch nicht den Anspruch eines Mitarbeiters, sondern die Deckelung der monatlichen Aufwandsvergütung von Mitgliedern des Nationalrats gegenüber dem Bund.

6.  Für den Fall, dass das Dienstverhältnis des Klägers bis zum 28. 10. 2013 angedauert haben sollte, errechneten die Beklagten ausgehend von der vereinbarten Entgelthöhe von 2.106,24 EUR brutto die Entgeltansprüche des Klägers für den Zeitraum 1. 10. 2012 bis 28. 10. 2013 mit 34.796,57 EUR brutto sA (s Bd II AS 6), die vom Kläger insoweit nicht substantiiert bestritten wurden. Im Revisionsverfahren nicht weiter strittig ist auch die vom Kläger geltend gemachte Urlaubsersatzleistung für einen Urlaubsrestanspruch von 72 Werktagen in Höhe von 6.804,77 EUR brutto (inkl Sonderzahlung), sodass das Klagebegehren insgesamt im Ausmaß von 41.601,34 EUR brutto berechtigt ist.

7.  Danach war der Revision des Klägers hinsichtlich des Feststellungsbegehrens (zur Zulässigkeit s RIS-Justiz RS0039159) im Umfang des Revisionsinteresses zur Gänze sowie hinsichtlich des Leistungsbegehrens im Umfang von 41.601,34 EUR brutto sA Folge zu geben und das Mehrbegehren abzuweisen. Der Beginn des Zinsenlaufs folgt dabei dem geänderten Klagebegehren Bd I ON 36 S 4 (= AS 246), das von der Klagsausdehnung Bd I ON 46 S 4 (= AS 316) insoweit unberührt blieb, im Zusammenhalt mit dem bereits in Teilrechtskraft erwachsenen Ersturteil.

8.  Die Übertragung der die Verfahrenskosten betreffenden Kostenentscheidung an das Berufungsgericht in sinngemäßer Anwendung des § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO folgt dem Rechtssatz RIS-Justiz RS0124588, zuletzt 1 Ob 17/16f (hier zahlreiche Klagsausdehnungen und beidseitige Einwendungen gemäß § 54 Abs 1a ZPO).

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