OGH 9ObA41/13i

OGH9ObA41/13i24.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Werner Rodlauer und Mag. Robert Brunner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei N***** H*****, vertreten durch Mag. Christian Schweinzer, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Ö***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Norman Dick und Dr. Michael Dyck, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Feststellung (Streitwert: 5.000 EUR) und 6.138 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 26. Februar 2013, GZ 7 Ra 12/13f‑31, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Entlassungsgrund der Arbeitsunfähigkeit iSd § 82 lit b GewO 1859 liegt vor, „wenn der Arbeitnehmer zu der mit ihm vereinbarten Arbeit unfähig befunden wird“. Der Arbeiter muss danach zur Erbringung der vertraglich vereinbarten Arbeitsleistung gänzlich unfähig und daher schlechthin unverwendbar sein. Eine solche Unfähigkeit zur Erbringung der vereinbarten Dienste kann bei einem Arbeitnehmer, der für seine Tätigkeit eine bestimmte Berechtigung braucht, auch dann eintreten, wenn er diese Berechtigung verliert (9 ObA 1/03t; 9 ObA 120/02s; 4 Ob 50/81 = Arb 10.108 ua). Eine solche „dauernde“ Dienstunfähigkeit nimmt der Oberste Gerichtshof bereits dann als gegeben an, wenn die Verhinderung des Angestellten nicht bloß kurzfristig und vorübergehend, sondern ‑ selbst wenn sie in ihrem zeitlichen Ausmaß vorhersehbar ist ‑ von so langer Dauer ist, dass dem Arbeitgeber nach den Umständen des Falls eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (8 ObA 218/94; 8 ObA 21/03a; 8 ObA 157/02z mwN = RIS‑Justiz RS0029336). Entscheidend ist, ob der Entlassungstatbestand nach objektiven Gesichtspunkten erfüllt ist (8 ObA 157/02z; 9 ObA 68/02v mwN; RIS‑Justiz RS0029107).

Die Vorinstanzen sind von diesen Grundsätzen ausgegangen. Deren Anwendung im Einzelfall stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar, soweit nicht eine Fehlbeurteilung vorliegt, die aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen ist. Dies ist hier nicht der Fall. Die Sicherheitsbehörde teilte der Beklagten, bei der der Kläger als Wachorgan beschäftigt war, gemäß § 130 Abs 10 GewO 1994 mit, dass die Zuverlässigkeit des Klägers iSd § 130 Abs 8 GewO 1994, die zu Beginn seines Arbeitsverhältnisses noch bestanden hatte, nicht mehr gegeben war, worauf die Beklagte die Entlassung des Klägers aussprach. Die Verpflichtungen gemäß § 130 Abs 8‑10 GewO 1994 treffen die Beklagte als Gewerbetreibende (Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO³ § 130 Rz 11). Sie begeht eine strafbare Verwaltungsübertretung, wenn sie Arbeitnehmer verwendet, die nicht die gemäß § 130 Abs 8 GewO 1994 erforderliche Zuverlässigkeit besitzen (§ 367 Z 50 GewO 1994). Die Gewerbeausübungsregel des § 130 Abs 8 GewO 1994 dient nicht nur dem Schutz des Gewerbetreibenden selbst, sondern auch dem Schutz der von der Gewerbetätigkeit unmittelbar betroffenen Kunden und anderer (etwa überwachter) Personen (VwGH 2002/04/0193; Grabler/Stolzlechner/Wendl aaO § 130 Rz 13 mH auf VfGH G‑212/02).

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass auch das Fehlen der „Zuverlässigkeit“ iSd § 130 Abs 8 GewO 1994 den oben genannten Dauertatbestand der rechtlichen Unfähigkeit zur Dienstleistung (4 Ob 147/81 = Arb 10.092) begründen kann, ist vertretbar. Der dagegen ins Treffen geführte Ansatz des Revisionswerbers, dass es sich bei dem an den Arbeitgeber gerichteten Beschäftigungsverbot um eine „Arbeitsunfähigkeit des Arbeitgebers“ handle, ist verfehlt. Richtig ist, dass es sich bei der Mitteilung der Sicherheitsbehörde gemäß § 130 Abs 10 GewO 1994 um eine Wissenserklärung, nicht aber um einen Bescheid handelt (Grabler/Stolzlechner/Wendl aaO § 130 Rz 20; Gruber/Paliege‑Barfuß, GewO7 § 130 Anm 22; Hanusch, GewO § 130 Rz 8). Mit seinen Ausführungen, dass das Berufungsgericht zu Unrecht von einer „Bindung“ der Gerichte an die (bloße) Mitteilung der Sicherheitsbehörde gemäß § 130 Abs 10 GewO 1994 ausgegangen sei, missversteht der Revisionswerber aber die Ausführungen des Berufungsgerichts. Die Vorinstanzen haben nämlich das Vorliegen des geltend gemachten Entlassungsgrundes ohnedies eigenständig geprüft und damit begründet, dass die „Zuverlässigkeit“ des Klägers im gewerberechtlichen Sinn, ausgehend von fünf strafgerichtlichen Verurteilungen wegen fahrlässiger Körperverletzung ‑ davon die letzte gemäß § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten ‑ sowie einer Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten wegen versuchter Nötigung, hier nicht mehr gegeben sei und die damit übereinstimmende Beurteilung der Sicherheitsbehörde nicht willkürlich erscheine. Diese Begründung ist vor dem Hintergrund der vom Kläger nicht bestrittenen Vorstrafen und der bereits dargestellten Bedeutung, die die GewO 1994 (ua auch) der Zuverlässigkeit von Arbeitnehmern im Bewachungsgewerbe gegenüber Dritten zumisst, nach den maßgeblichen Umständen des konkreten Einzelfalls nicht unvertretbar.

Insgesamt vermag die Revision der Beklagten keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.

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