European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00058.23X.0626.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Der Oberste Gerichtshof hat die in der außerordentlichen Revision behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens geprüft, sie liegen nicht vor.
[2] 1.1. Das Berufungsgericht soll die Klägerin mit seiner Rechtsansicht überrascht haben, weil es ohne entsprechende Tatsachenfeststellungen von der Üblichkeit der von der Beklagten für die Vermittlung des Tilgungsträgers lukrierten Innenprovision ausgegangen sei. Dies stelle einen entscheidungserheblichen Mangel dar, weil die Klägerin die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Versicherungswesen beantragen und damit die Unrichtigkeit dieser Tatsachenannahme beweisen hätte wollen, wenn sie gewusst hätte, dass das Berufungsgericht dieser Frage Bedeutung beimessen würde.
[3] 1.2. Es trifft zu, dass ein Gericht die Parteien in seiner Entscheidung nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen darf, die sie nicht beachtet haben und auf die sie auch das Gericht nicht aufmerksam gemacht hat.
[4] Das ist aber nur dann der Fall, wenn die vom Gericht seiner Entscheidung zugrundegelegte Rechtsauffassung vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz von keiner der beiden Parteien ins Treffen geführt und damit der Gegenseite auch keine Gelegenheit zur Stellungnahme geboten wurde (RS0037300 [T16]).
[5] Die Beklagte hat hier bereits in ihrer Klagebeantwortung vorgebracht, dass die von ihr für die Vermittlung des als Tilgungsträger herangezogenen Versicherungsvertrags bezogene Innenprovision verkehrsüblich sei, und daraus abgeleitet, dass sie gegenüber der Kreditnehmerin nicht pflichtwidrig gehandelt habe. Der in der Revision ins Treffen geführte Beweisantrag hätte von der Klägerin daher bereits in erster Instanz gestellt werden können.
[6] Nachdem sie selbst ihren Anspruch (unter anderem) auf die Behauptung gründete, dass sich die Beklagte als Beraterin wegen der hohen Provisionssumme in einem Interessenkonflikt befunden habe, konnte sie auch nicht ernsthaft davon überrascht werden, dass diesem Beweisthema rechtliche Relevanz zukommen würde.
[7] 1.3. Die Frage der Beweislastverteilung ist keine Verfahrens-, sondern eine Rechtsfrage.
[8] Nach der allgemeinen Regel trifft jede Partei die Beweislast für das Vorliegen aller tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Rechtsnorm; derjenige, der einen Anspruch behauptet, ist für alle anspruchsbegründenden (rechtserzeugenden) Tatsachen behauptungs- und beweispflichtig (vgl RS0039939 [insb T3, T4, T6, T7]; RS0109832 [insb T1, T7]). Von diesem Grundsatz ist das Berufungsgericht nicht abgewichen.
[9] 2. Die Beurteilung, ob Beratungspflichten und Aufklärungspflichten von Kreditinstituten gegenüber Kunden verletzt wurden, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0029601 [T4, T7, T9]); eine solche Einzelfallentscheidung ist im Revisionsverfahren nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm korrigiert werden müsste (vgl RS0106373).
[10] Bewegt sich das Berufungsgericht im Rahmen der Grundsätze einer ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dann liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor (RS0044088 [T8, T9]). Dies ist hier der Fall.
[11] 2.1. Nach der im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Vertragsabschlusses im Jahre 1999 geltenden Rechtslage war ein Wertpapierdienstleister nach § 13 Z 2 und 4 WAG 1996 verpflichtet,
‑ sich bei der Erbringung der Dienstleistung um die Vermeidung von Interessenkonflikten zu bemühen und dafür zu sorgen, dass bei unvermeidbaren Interessenkonflikten der Kundenauftrag unter der gebotenen Wahrung des Kundeninteresses ausgeführt wurde (Z 2),
‑ dem Kunden alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen, soweit dies zur Wahrung der Interessen des Kunden und im Hinblick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte erforderlich war (Z 4).
[12] Diesen Grundsätzen folgend hatte ein Anlageberater den Anleger auf ihm von dritter Seite zufließende Provisionen hinzuweisen, wenn der Anleger – insbesondere wegen der Verrechnung eines Agios als Entgelt für die Vermittlung der Anlage – nicht mit solchen (weiteren) Zahlungen rechnen musste (RS0131382 [insb T1]; 6 Ob 110/07f, ZFR 2008/32, 64 [Knobl/Janovsky] = ÖBA 2008/1486, 505 [Koch 475]).
[13] 2.2. Eine solche Fallkonstellation liegt hier nicht vor. Die Kreditnehmerin hatte für die Umschuldung ihres Kredits über ursprünglich mehr als 350 Mio ATS ein Entgelt („Bearbeitungsspesen“) von 1.500 ATS zu bezahlen, das angesichts der Kreditsumme verschwindend gering war; dies stellt auch die Revision nicht in Frage. Für die Leistung der Vermittlung des zur Besicherung angebotenen Versicherungsprodukts hat die Beklagteder Kreditnehmerin überhaupt nichts verrechnet.
[14] Unter diesen Umständen ist die Beurteilung des Berufungsgerichts keinesfalls unvertretbar, dass auch das unter dem Schlagwort „Bestkonditionen“ zugesagte Entgegenkommen der Beklagten bei der Kreditnehmerin kein begründetes Vertrauen dahin erwecken konnte, diese werde auch von der Versicherungsanstalt keine Vermittlungsprovision erhalten.
[15] Entgegen den Revisionsausführungen bezeichnen vereinbarte „Konditionen“ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch die Bedingungen, unter denen ein Unternehmer seinem Kunden die eigenen Leistungen anbietet, nicht aber Vertragsbedingungen von Drittparteien, auch wenn sie in deren Leistungskalkulation berücksichtigt sind und sich dadurch mittelbar auf den Kunden des Unternehmers, dem die Drittleistung zukommt, auswirken.
[16] 2.3. Soweit die Revision nur die absolute Höhe der von Dritten bezahlten Vermittlungsprovision mit der niedrigen Gebühr für die Umschuldung in Relation setzt, aber das Verhältnis zur Prämien- und garantierten Versicherungssumme außer Acht lässt, lassen sich daraus keine nachvollziehbaren Schlüsse, insbesondere nicht die gewünschten auf eine Unangemessenheit der Provision, ziehen.
[17] 2.4. Mit ihrer Behauptung, dass die Beklagte die Versicherung ohne Innenprovision nicht vermittelt hätte, weshalb zwingend von einer Interessenkollision auszugehen wäre, weicht die Revision unzulässig vom in dritter Instanz nicht mehr anfechtbaren Sachverhalt ab.
[18] Das Erstgericht hat zu diesem Thema eine Negativfeststellung getroffen. Diese bedeutet, dass zwar nicht erwiesen ist, dass die Beklagte die vermittelte Versicherung angeboten und vermittelt hätte, wenn sie dafür keine Innenprovision erhalten hätte, aber auch nicht feststeht, dass sie es dann nicht getan hätte. Der Nachweis einer tatsächlich vorhandenen Interessenkollision ist damit nicht gelungen.
[19] 2.5. Nicht nachvollziehbar ist es, wenn die Revision ausführt, dass die höheren Zinsen, die die Beklagte aus dem auf endfällig umgestellten Kredit gegenüber dem vorherigen Abstattungskredit lukriert hat, ex ante einen Verzicht der Beklagten auf die Vermittlungsprovision nahelegen hätten können.
[20] Den höheren Zinsen eines endfälligen Kredits steht die Gegenleistung der Bereitstellung und Bindung des vollen Kapitalbetrags über die gesamte Vertragsdauer gegenüber. Die einmalige Vermittlung eines fremden Versicherungsprodukts ist eine davon völlig verschiedene Leistung.
[21] 2.6. Soweit die Revision die gesamten Weichkosten des Versicherungsprodukts mit der Höhe der Innenprovision gleichsetzt, ist auch dies feststellungsfremd.
[22] 3. Das Klagebegehren stützt sich auf eine Forderungsabtretung. Durch eine Zession darf die Rechtsstellung des Schuldners nicht verschlechtert werden (RS0032793).
[23] 3.1. Bei der Zedentin und Kreditnehmerin handelt es sich um eine dem Kreditvolumen entsprechend finanziell ausgestattete schweizerische Beteiligungs- und Investmentgesellschaft. Bei der Klägerin als deren Vertretungsberechtigten und nunmehrigen Zessionarin durfte die Beklagte voraussetzen, dass sie über die in dem betreffenden Geschäftszweig und nach der Unternehmensgröße üblicherweise vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie entsprechende Beratung beim Abschluss des Geschäfts verfügte.
[24] 3.2. Soweit die Revision von einem besonderen Eigeninteresse der Beklagten an der Durchführung der Umschuldung des Kredits ausgeht, argumentiert sie feststellungsfremd. Nicht die Beklagte hatte eine Änderung angestrebt, sondern die Kreditnehmerin selbst, die primär ihre monatlichen Belastungen reduzieren wollte.
[25] Darüber hinaus wollte diese nach den Feststellungen mit der Wahl des abgeschlossenen Finanzierungsmodells ein Spekulationsgeschäft eingehen. Es kam ihr darauf an, nicht nur dank der Kapitalgarantie des Tilgungsträgers am Ende der Laufzeit sicher den Kredit abdecken, sondern zusätzlichen Gewinn aus einer erhofften, allerdings ihr nicht als sicher zugesagten günstigen Fondsentwicklung lukrieren zu können. Diese Aussicht – sowie Steuervorteile – zog sie bei Abschluss des Vertrags der ebenfalls angebotenen Möglichkeit einer Laufzeitverlängerung des ursprünglichen Kreditvertrags vor.
[26] 3.3. Ob eine Anlegerin bei sorgfältiger Beratung einer vertieften Aufklärung über die Struktur des konkret als Tilgungsträger angeschafften Anlageprodukts bedurft hätte, ist eine Frage des Einzelfalls (RS0029601 [T4, T7, T9]; RS0026135 [T5]).
[27] Auf Grundlage des festgestellten Sachverhalts ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts durchaus nicht unvertretbar, dass bei der beschriebenen Kreditnehmerin, welche zudem offengelegt hatte, dass sie von einem Universitätsprofessor für Finanzrecht beraten wurde, von einem ausreichend qualifizierten Kenntnisstand über Wesen und Besonderheiten einer fondsgebundenen Lebensversicherung ausgegangen werden durfte und das Unterbleiben einer detaillierteren Aufklärung durch die Beklagte keinen Beratungsfehler begründete.
[28] 4. Einer darüber hinausgehenden Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).
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