Spruch:
Der "außerordentliche" Revisionsrekurs des Antragstellers wird zurückgewiesen.
Dem Revisionsrekurs der Friederike L***** wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird im Umfang der Zurückweisung des Rekurses der Friederike L***** aufgehoben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluss unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Text
Begründung
Der Antragsteller - der trotz seiner behaupteten Gläubigerstellung gegenüber der Verlassenschaft nach Oskar H***** auch dessen Erbin, die Erstrevisionsrekurswerberin, vertritt - beantragte am 10. 5. 2002 beim Erstgericht die Eröffnung des Konkurses über das durch den Separationskurator Dr. Alfred Kobzina vertretene "Sondervermögen der zu 1 A ***** des Bezirksgerichtes M***** separierten Verlassenschaft nach Oskar H*****". Am 8. 1. 1999 habe das Verlassenschaftsgericht die Nachlassseparation beschlossen. Mit Beschluss vom 8. 6. 1999 sei die Verlassenschaft an die Erbin (die Erstrevisionsrekurswerberin) eingeantwortet worden. Gleichzeitig sei ausgesprochen worden, dass die Separation aufrecht bleibe. Die Verlassenschaft bestehe daher auch nach der Einantwortung als parteifähiges Sondervermögen fort, über das der Konkurs eröffnet werden könne. Dieses Sondervermögen sei überschuldet, weil einem Guthaben von EUR 75.747,52 Forderungen von Separationsgläubigern in Höhe von insgesamt EUR 134.468,78 gegenüberstünden. Der Antragsteller habe gegen die Verlassenschaft aus früherer Vertretungstätigkeit eine Honorarforderung von EUR 1.191,81.
Das Erstgericht wies den Konkursantrag mangels Konkursfähigkeit des separierten Nachlassvermögens ab. Der Nachlass sei nur bis zur rechtskräftigen Einantwortung als Partei und damit auch als konkursfähig anzusehen. Nach der Einantwortung sei die Eröffnung des Konkurses über den Nachlass nicht mehr möglich.
Dem dagegen vom Antragsteller erhobenen Rekurs gab das Rekursgericht nicht Folge und bestätigte den angefochtenen Beschluss mit der Maßgabe, dass es nicht "abgewiesen", sondern "zurückgewiesen" zu lauten habe. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei.
Den Rekurs der Erbin wies das Rekursgericht zurück, wobei es aussprach, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige. Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für nicht zulässig erklärt.
Rechtlich ging das Rekursgericht davon aus, dass die Verlassenschaft als solche auch im Falle einer Nachlassabsonderung mit der Einantwortung ihre Parteifähigkeit verliere. Sie sei als konkursfähige Vermögensmasse nicht mehr existent. Nicht jedes Sondervermögen, möge es auch mit zumindest eingeschränkter Parteifähigkeit ausgestattet sein, sei auch konkursfähig. Voraussetzung der Konkursfähigkeit sei, dass die Vermögensmasse unter eigenem Namen Rechte erwerben könne, die imstande seien, eine Konkursmasse zu bilden und dass sie unter eigenem Namen Verpflichtungen übernehmen könne. Das treffe auf den abgesonderten Nachlass, der lediglich den Haftungsfonds für die Absonderungsgläubiger bewahren solle, schon nach der Zielsetzung nicht zu. Zutreffend habe daher das Erstgericht die Konkursfähigkeit des Antragsgegners verneint.
Der Rekurs der Erbin sei unzulässig: Voraussetzung der Rekursberechtigung im Konkursverfahren sei, dass der Rekurswerber durch die angefochtene Entscheidung in einem Recht verletzt worden sei. Ein bloß wirtschaftliches Interesse genüge nicht. Der Zweck der Nachlassabsonderung im Sinn des § 812 ABGB und der Bestellung eines Separationskurators liege darin, Nachlassgläubiger vor der Gefahr einer Verhinderung der Befriedigung der Forderung durch eine Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen des Erben, insbesondere der tatsächlichen Verfügungsgewalt des Erben zu schützen. Das abgesondert verwaltete Vermögen diene ausschließlich der Befriedigung der Absonderungsgläubiger. Der angefochtene Beschluss greife in die Rechtssphäre der Erbin nicht ein. Die Verneinung der Konkursfähigkeit des abgesonderten Vermögens ändere nichts daran, dass nur dieses und nicht auch die Erbin persönlich den Absonderungsgläubigern hafte. Mit der befürchteten Ungleichbehandlung der Gläubiger und dem daraus abgeleiteten Erfordernis, die Eröffnung des Privatkonkurses über ihr gesamtes Vermögen beantragen zu müssen, werde ein rechtliches Interesse nicht dargetan. Das Rechtsmittel der Erbin sei daher als unzulässig zurückzuweisen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der "außerordentliche Revisionsrekurs" des Antragstellers und der außerordentliche Revisionsrekurs der Erbin.
Der "außerordentliche Revisionsrekurs" des Antragstellers ist unzulässig.
Über den Konkurseröffnungsantrag des Antragstellers haben beide Instanzen gleichlautend - im Sinne der Verneinung der Konkursfähigkeit des Antragsgegners - entschieden. Das Rekursgericht hat keine inhaltliche Änderung des eindeutig erkennbaren Entscheidungswillens des Erstgerichtes vorgenommen (RIS-Justiz RS0044456; RS0111093). Hat aber das Rekursgericht den erstinstanzlichen Beschluss zur Gänze bestätigt, ist der Revisionsrekurs nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO iVm § 171 KO jedenfalls unzulässig, wie das Rekursgericht zutreffend ausgesprochen hat. Der Ausnahmefall dieser Gesetzesstelle, nämlich Zurückweisung einer Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen liegt nicht vor, zumal der Gesetzgeber verfahrenseinleitende Beschlüsse im Exekutions- und Insolvenzverfahren der Klagezurückweisung bewusst nicht gleichgestellt hat. Eine analoge Anwendung kommt daher nicht in Frage (3 Ob 109/99x; 8 Ob 271/99g; 8 Ob 64/00w).
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Erbin ist zulässig und berechtigt. Voraussetzung der Rekurslegitimation im Konkursverfahren ist nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0065135), dass der Rekurswerber in seinem Recht verletzt werden kann; ein wirtschaftliches Interesse genügt nicht. Dem Gemeinschuldner steht die Rekurslegitimation hinsichtlich des Eröffnungsbeschlusses zu (RIS-Justiz RS0059461; SZ 72/159); das gilt auch im Fall der Verweigerung der von einem Gläubiger beantragten Konkurseröffnung (RIS-Justiz RS0065111).
Ob der Erbin des Sondervermögens ein Rekursrecht zusteht, steht in einem engen Zusammenhang mit der Frage, ob das Separationsvermögen nach Einantwortung des Nachlasses konkursfähig ist. Bei Bejahung der Frage ist ein rechtliches Interesse der Erbin als Eigentümerin des Sondervermögens gegeben.
Die in der Konkursordnung nicht eigens geregelte Konkursfähigkeit ist nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Parteifähigkeit zu beurteilen: Wer parteifähig ist, ist grundsätzlich auch konkursfähig (§ 75 JN iVm § 171 KO [Buchegger in Bartsch/Pollak/Buchegger KO I4 § 1 Rz 4 f; Petschek/Reimer/Schiemer, 20;). § 75 JN zählt nun auch "Vermögensmassen" auf. Allerdings ist daraus nicht der Schluss zu ziehen, dass jeder Vermögensmasse Parteifähigkeit zukommt: Auf eine Vermögensmasse, die keine Rechtspersönlichkeit besitzt, ist - soferne ihr auch sonst Parteifähigkeit nicht zukommt - § 75 JN unanwendbar (SZ 28/66; Simotta in Fasching² I § 75 JN Rz 1).
Neben den physischen und juristischen Personen kommt die Parteifähigkeit auch all jenen Gebilden zu, denen das Gesetz die Fähigkeit zu klagen oder geklagt zu werden, verliehen hat, mag dies nun ausdrücklich erfolgt oder dadurch geschehen sein, dass sich aus ihrer von der Rechtsordnung geschaffenen oder gebilligten Funktion ein solcher Schluss notwendig ergibt (Schubert in Fasching² II vor § 1 ZPO Rz 65; SZ 41/132).
Es ist daher zu prüfen, ob der Zweck der vom Gesetzgeber geschaffenen Möglichkeit der Nachlassabsonderung gebietet, dem dadurch geschaffenen Sondervermögen nach Einantwortung Konkursfähigkeit zuzuerkennen:
Zutreffend und im Einklang mit Lehre und ständiger Rechtsprechung erkannte das Rekursgericht, dass die Nachlassabsonderung nach § 812 ABGB, die den gesamten Nachlass umfasst (RIS-Justiz RS0013086; zuletzt 6 Ob 191/02k), zugunsten jener Nachlassgläubiger, auf deren Antrag sie bewilligt wurde, ein Sondervermögen schafft, das auch noch nach Einantwortung als Haftungsgrundlage fortbestehen kann (Welser in Rummel³ Rz 1 zu § 812 ABGB; Schwimann/Eccher III² § 812 Rz 1; RIS-Justiz RS0008318; RS0008316). Zweck der Nachlassabsonderung im Sinne des § 812 ABGB und der Bestellung eines Separationskurators liegt darin, die Nachlassgläubiger vor den Gefahren einer Verhinderung der Befriedigung ihrer Forderung durch eine Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen des Erben, insbesondere der tatsächlichen Verfügungsgewalt des Erben, zu schützen (RIS-Justiz RS0013063; RS0013061; zuletzt 8 Ob 3/02b). Aufgabe des Absonderungskurators ist es, die Vermengung des Nachlasses mit dem Vermögen des Erben zu verhindern. In jenen Verfahren, die innerhalb des Bereiches jener Gefahr liegen, zu deren Abwehr er bestellt wurde, ist der Absonderungskurator prozessführungsbefugt (RIS-Justiz RS0013100).
Der Umstand, dass im Fall der über die Einantwortung hinauswirkenden Nachlassseparation weiterhin ein vom Eigenvermögen des Erben abgegrenztes Sondervermögen besteht, rechtfertigt die Beurteilung der Konkursfähigkeit des Absonderungsvermögens: Letztlich wird durch die Einantwortung bei Aufrechterhaltung der Nachlassseparation nur die Rechtszuständigkeit verändert (der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger wird Eigentümer des Sondervermögens), nicht aber das Wesen der abgesondert verwalteten Vermögensmasse selbst: Sie umfasst auch nach Einantwortung sämtliche vermögenswerten Rechte, die dem Erblasser zustanden. Eine gesonderte Behandlung dieser Vermögensmasse im Hinblick auf ihre Konkursfähigkeit vor bzw nach Einantwortung lässt sich daher nicht mit dem Argument rechtfertigen, dass zur Konkursfähigkeit einer Vermögensmasse ein im Geschäftsverkehr derart selbständiges Auftreten Voraussetzung sei, dass die Vermögensmasse unter eigenem Namen Rechte erwerben könne, die imstande seien, eine Konkursmasse zu bilden und dass sie unter eigenem Namen Verpflichtungen übernehmen könne, die im Konkurs als Konkursforderungen zu berücksichtigen seien (vgl dazu Buchegger in Bartsch/Pollak/Buchegger4 § 1 Rz 39). Diese Voraussetzungen fehlen nämlich dem Separationsvermögen auch nach Einantwortung nicht denknotwendig: Umfasst das Separationsvermögen zwingend den gesamten Nachlass, so ist weder der Erwerb von der Vermögensmasse gehörigen Rechten noch die Übernahme von Verpflichtungen undenkbar: Gehörte zum Nachlass etwa ein lebendes Unternehmen, so umfasst die Nachlassseparation auch dieses Unternehmen, welches bei Fortführung geradezu typischerweise am Geschäftsverkehr teilnimmt und daher die Entwicklung der Vermögensmasse unmittelbar beeinflusst. Darin liegt auch der Unterschied zu dem vom Rekursgericht erwähnten Beispiel der Zwangsverwaltungsmasse, die auf die Liegenschaft bzw auf die Liegenschaftsanteile beschränkt ist.
Nach Lehre (Welser in Rummel³ Rz 5 zu § 812 ABGB; Knell, Die Kuratoren im österreichischen Recht 110 f) und Rsp (JBl 1957, 71; SZ 38/205; SZ 49/149) kann die Separation unter Umständen auch bei einem überschuldeten Nachlass bewilligt werden. Sie ist solange aufrecht zu erhalten, bis die Forderungen der Separationsgläubiger sichergestellt oder befriedigt sind (RIS-Justiz RS0013064). Bis zur Befriedigung oder Sicherstellung der Gläubiger hat daher keine Vereinigung des abgesonderten Nachlasses mit dem Vermögen der Erbin zu erfolgen. Da im Falle der Überschuldung eine gänzliche Befriedigung oder Sicherstellung der Gläubiger nicht denkbar ist, wäre die Separation solange aufrecht zu erhalten, bis das Separationsvermögen - durch Exekutionsführung einzelner Gläubiger - gänzlich erschöpft ist. Der Gedanke der Gläubigergleichbehandlung könnte dabei nicht berücksichtigt werden. Bereits dieses Argument rechtfertigt die Annahme, dass die von der Rechtsordnung gebilligte Funktion des Absonderungsvermögens - Bewahrung des Haftungsfonds für die Absonderungsgläubiger - die Notwendigkeit nach sich zieht, dem Absonderungsvermögen auch nach Einantwortung Konkursfähigkeit zuzuerkennen. Ein ausreichender Grund, dem im Fall der Separation auch nach Einantwortung zur Gänze abgesonderten Vermögen keine Konkursfähigkeit zuzuerkennen, besteht daher nicht (vgl dazu auch Kopiunig, Ausgewählte Fragen der Nachlassseparation [1993] 162 ff; Kralik in Ehrenzweig³ Erbrecht 362 f). Aus der Entscheidung 6 Ob 34/01w lässt sich das Gegenteil nicht ableiten: Der dort behandelte Fall, dass die Verlassenschaft als getrennte Vermögensmasse nach Einantwortung nicht mehr existiert, liegt bei Nachlassabsonderung nicht vor, weil im Fall der über die Einantwortung hinauswirkenden Nachlassseparation weiterhin ein vom Eigenvermögen des Erben abgegrenztes Sondervermögen besteht.
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