OGH 1Ob209/65

OGH1Ob209/6526.11.1965

SZ 38/205

Normen

ABGB §812
ABGB §812

 

Spruch:

Die Separation kann nach Einantwortung des als überschuldet erkannten Nachlasses unter Umständen aufrecht erhalten werden

Entscheidung vom 26. November 1965, 1 Ob 209/65

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien

Text

Mit Beschluß vom 24. Juli 1963 wurde in der vorliegenden Verlassenschaftssache über Antrag der Nachlaßgläubigerin Erika II. gemäß § 812 ABGB. die Nachlaßseparation bewilligt und dem bedingt erbserklärten Erben Frederick S. die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses wieder entzogen; in der Folge wurde Rechtsanwalt Dr. Rudolf J. zum Separationskurator bestellt. Erika H. hatte auf Grund des Schuldscheines vom 25. Juni 1958 eine Forderung von insgesamt 288.588.99 S angemeldet, welche Summe auch Teilbeträge auf Grund einer im Schuldschein vereinbarten Wertsicherungsklausel umfaßte; unter 39 Cg ... /63 des Landesgerichtes für ZRS. Wien hat sie die Forderung in gleicher Höhe auch gegen die Verlassenschaft zu Handen des erbserklärten Erben eingeklagt. Der Betrag von 288.588.99 S wurde Erika H. rechtskräftig zugesprochen, was sich aus dem Beschluß des Bezirksgerichtes Baden vom 27. April 1964 ergibt, mit dem ihr zur Hereinbringung dieses Betrages samt Anhang die Exekution durch Zwangsversteigerung der Liegenschaft EZ. 254, Grundbuch R., bewilligt wurde. Ob dieser Liegenschaft war unter COZ. 118 auf Grund der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde vom 25. Juli 1958 auch das Pfandrecht für die Darlehensforderung der Erika H. in Höhe von 250.000S samt Anhang einverleibt worden, naturgemäß ohne Verdinglichung der Wertsicherungsklausel. Diese Liegenschaft wurde am 21. Jänner 1965 versteigert; der Meistbotverteilungsbeschluß vom 7. Mai 1965 wurde rechtskräftig.

Am 5. Juli 1965 erging in der vorliegenden Verlassenschaftssache der Beschluß mit welchem der Abhandlung eine Nachlaßüberschuldung von 127.453.18 S zugrundegelegt wurde (Punkt 1), eine Anzahl von (weiteren) Forderungsanmeldungen zur Kenntnis genommen wurde (Punkt 2), der Nachlaß eingeantwortet wurde (Punkt 3) und verfügt wurde, daß der Akt dem Gerichtskommissär bis zur Erfüllung der Verpflichtungen des Erben gegenüber der separationsberechtigten Erika H. übersendet werde (Punkt 4).

Gegen diesen letzten Punkt - gemeint war naturgemäß die damit ausgesprochene Aufrechterhaltung der Nachlaßseparation und nicht etwa die Verfügung der Übersendung des Aktes an den Gerichtskommissär - richtete sich ein Rekurs des Separationskurators, mit dem beantragt wurde, diese Verfügung aufzuheben oder dahin abzuändern, daß die Akten dem Gerichtskommissär "bis zur Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen des Erben gegenüber allen Gläubigern, deren Forderungsanmeldungen gerichtlich zur Kenntnis genommen wurden", zu übermitteln seien.

Das Rekursgericht hob Punkt 4 des erstrichterlichen Beschlusses auf.

Es begrundete diese Entscheidung wie folgt: Gemäß § 811 ABGB. sei für die Befriedigung der Gläubiger des Erblassers vom Gericht nicht weiter zu sorgen, als sie selbst verlangen; wenn der Kurator auch infolge der Separationsbewilligung im Interesse aller Gläubiger tätig geworden sei, könnten doch jene Gläubiger, die nicht um Separation ansuchten, nicht Befriedigung ihrer Forderungen im Verlassenschaftsverfahren verlangen; den Separationsantrag habe aber nur die Gläubigerin H. gestellt; gleichwohl sei Punkt 4 des erstrichterlichen Beschlusses aufzuheben, weil die Forderung der allein separationsberechtigten Erika H. im Zwangsversteigerungsverfahren, betreffend die EZ. 254, Grundbuch R., befriedigt worden sei; in diesem Exekutionsverfahren sei auch der Widerspruch des Separationskurators gegen die Anmeldung der betreibenden Partei Erika H. zurückgewiesen worden.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Nachlaßgläubigerin Erika H. Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die von Erika H. angemeldete Forderung umfaßte auch eine Tangente, die nicht auf der Liegenschaft EZ. 254, Grundbuch R., pfandrechtlich sichergestellt war, nämlich Beträge, die sich aus der Wertsicherungsklausel ergaben. Gerade diesen Umstand hat das Rekursgericht seinerzeit in seinem Beschluß vom 28. August 1963, mit dem es die Separationsbewilligung bestätigte, besonders hervorgehoben, mit vollem Recht übrigens, weil derjenige, dessen Anspruch zur Gänze dinglich gesichert ist, nicht separationsberechtigt wäre (vgl. dazu auch Weiß in Klang[2] III 1022 unter IV a. E.). Diese Tangente der Forderung der Rechtsmittelwerberin, deren Berechtigung der Erbe nicht einmal in seinem Rekurs gegen die Separationsbewilligung grundsätzlich bestritten hatte, blieb von der Zuweisung aus dem in der Zwangsversteigerung der EZ. 254, Grundbuch R., erzielten Meistbot unberührt, mag auch die pfandrechtlich gesicherte Forderung, genauer also: die pfandrechtlich gesicherte Tangente ihrer Gesamtforderung, durch die Zuweisung zur Gänze getilgt worden sein.

Die Rechtsmittelwerberin kann also nach wie vor eine offene Forderung dartun, deren Befriedigung aus dem Nachlaß erfolgen soll (§ 812 ABGB., Schlußsatz). Allerdings hat der Erstrichter im Punkt 1 seines Beschlusses ausgesprochen, daß der Abhandlung laut Inventar zufolge des Aktivstandes von 1.589.352 S und des Passivstandes von 1.716.805.18 S eine Nachlaßüberschuldung von 127.453.18 S zugrunde gelegt werde, und es darf nicht übersehen werden, daß das Hervorkommen einer Nachlaßüberschuldung Anlaß zur Aufhebung der Separation geben kann (vgl. Weiß in Klang [2] III 1025 unter VIII a. E.), wie ja im allgemeinen ein aktiver Nachlaß schon Voraussetzung der Separationsbewilligung überhaupt ist (vgl. dazu SZ. XXIII 105 und die dort zitierte Lehre Ehrenzweigs). Daß aber in besonders gelagerten Fällen die Voraussetzungen für eine Separationsbewilligung auch gegeben sein können, obgleich der Nachlaß überschuldet ist, hat Weiß (a. a. O. unter I dargetan. Wie immer nun bei Hervorkommen der Nachlaßüberschuldung nach einer Separationsbewilligung vorzugehen sein mag, solange noch nicht eingeantwortet wurde und deshalb auch die Konsequenz der Eröffnung des Nachlaßkonkurses gezogen werden kann (vgl. dazu Weiß in Klang[2] III 134 unter III, 2, e; ZBl. 1938, Nr. 153), so ist im vorliegenden Fall der Erstrichter auch schon mit Einantwortung des Nachlasses vorgegangen (Punkt 3 seines Beschlusses). Die Separation, die nach ständiger Judikatur dessen ungeachtet weiter gilt (Slg. 10.992 u. a., zuletzt etwa EvBl. 1961 Nr. 513 = NotZ. 1962 S. 62), wäre nun nur dann aufzuheben, wenn sie geradezu zwecklos geworden oder die seinerzeit angenommene Besorgnis einer Vollstreckungserschwerung weggefallen wäre. Daß letzteres nicht angenommen werden kann, ergibt sich schon daraus, daß der Erbe seinen Wohnsitz weiterhin in Amerika hat. Daß die Separation ihren Zweck überhaupt nicht mehr erfüllen könnte (vgl. dazu die Entscheidung vom 9. September 1930, NotZ. 1930 S. 263) läßt sich schon deshalb nicht sagen, weil die bisher hervorgekommene Nachlaßüberschuldung relativ gering ist und die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen ist, bei der Verwertung des Nachlaßvermögens könnte auch mehr erzielt werden als im Inventar bewertet wurde. Dies gilt etwa für die damals noch nicht versteigerten Anteile an der Liegenschaft EZ. 3697, Grundbuch L., die mit dem Einheitswert von 353.906 S aufscheinen, allenfalls aber auch für die Schmuckstücke, Brillanten und sonstigen Edelsteine, die zusammen auf zirka 180.000 S geschätzt wurden.

Für Punkt 4 des erstrichterlichen Beschlusses besteht unter diesen Umständen nach wie vor eine rechtliche Grundlage, weshalb er wieder herzustellen ist.

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