OGH 8Ob100/24z

OGH8Ob100/24z26.8.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Insolvenzsache der Schuldnerin B* GmbH, *, vertreten durch die Muhri & Werschitz Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH in Graz, Insolvenzverwalterin Dr. Angela Steger, Rechtsanwältin in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Schuldnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 18. Juli 2024, GZ 6 R 206/24x‑62, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00100.24Z.0826.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 252 IO in Verbindung mit § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Das Erstgericht eröffnete am 27. 5. 2024 den Konkurs über das Vermögen der Schuldnerin. Dem von dieser dagegen erhobenen Rekurs gab das Rekursgericht am 5. 7. 2024, GZ 6 R 185/24f‑50 (Spruchpunkt I.), nicht Folge.

[2] Mit Beschluss vom 10. 6. 2024 ordnete das Insolvenzgericht der Insolvenzverwalterin auf deren Ersuchen einen Gläubigerausschuss mit zwei Kreditschutzverbänden, der Finanzprokuratur sowie zwei Banken (eine davon die Gläubigerin, welche die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt hatte) als Mitglieder bei. Den von der Schuldnerin gegen die Bestellung der beiden Banken erhobenen Rekurs wies das Rekursgericht am 5. 7. 2024, GZ 6 R 188/24x‑50 (Spruchpunkt II.), mangels Rechtsmittellegitimation der Schuldnerin zurück, sprach aus, dass der Wert seines Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

[3] Mit Beschluss vom 20. 6. 2024 erweiterte das Insolvenzgericht den dem Insolvenzverwalter beigeordneten Gläubigerausschuss um eine weitere Bank, deren Ersuchen folgend. Den von der Schuldnerin auch gegen diese Bestellung erhobenen Rekurs wies das Rekursgericht am 18. 7 .2024, GZ 6 R 206/24x‑62, ebenfalls mangels Rechtsmittellegitimation der Schuldnerin zurück, sprach aus, dass der Wert seines Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

[4] Die beiden den Gläubigerausschuss betreffenden Rekursentscheidungen sind wortgleich begründet; die vorliegende Entscheidung des Senats behandelt den außerordentlichen Revisionsrekurs der Schuldnerin gegen den rekursgerichtlichen Beschluss vom 18. 7. 2024, GZ 6 R 206/24x‑62 (zum früher ergangenen rekursgerichtlichen Beschluss vgl die Senatsentscheidung vom heutigen Tage zu 8 Ob 94/24t).

Rechtliche Beurteilung

[5] Die Zurückweisung eines Rekurses gegen einen Beschluss des Erstgerichts durch die zweite Instanz ist nur mit Revisionsrekurs nach den Voraussetzungen gemäß § 528 ZPO anfechtbar (RS0044501 [T18]); 8 Ob 60/18h); da die Anfechtungsbeschränkungen des § 528 ZPO auch im Insolvenzverfahren gelten (§ 252 IO; RS0044101 [T15]), bedarf es auch hier der Relevanz einer erheblichen Rechtsfrage. Der außerordentliche Revisionsrekurs der Schuldnerin zeigt jedoch keine solche erhebliche Rechtsfrage auf und ist folglich zurückzuweisen.

[6] 1. Allgemein steht ein Rechtsmittel nur demjenigen zu, der durch die Entscheidung in seinen rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigt ist (RS0006497). Zwar ist im Insolvenzverfahren grundsätzlich jeder zum Rekurs befugt, der sich in seinem Recht gekränkt zu sein erachtet. Voraussetzung der Rekurslegitimation ist jedoch auch hier, dass der Rekurswerber in seinem Recht verletzt sein kann; ein bloß wirtschaftliches Interesse genügt nicht (vgl RS0065135; 8 Ob 40/21x Rz 12).

[7] Daraus folgt nach der Rechtsprechung des Fachsenats, dass die Rechtsmittellegitimation des Schuldners in Angelegenheiten, die den Gang des Verfahrens oder die Mitwirkung am Verfahren betreffen, grundsätzlich dann anzuerkennen ist, wenn ihm ein entsprechendes Antragsrecht oder zumindest ein Anhörungsrecht zusteht. Die Möglichkeit zur Anregung einer gerichtlichen Maßnahme oder Verfügung genügt hingegen zur Begründung der Rechtsmittellegitimation im Allgemeinen nicht (vgl 8 Ob 97/10p; 8 Ob 96/10s).

[8] 2.1. Nach § 88 Abs 1 IO hat das Insolvenzgericht unverzüglich dem Insolvenzverwalter von Amts wegen oder auf Antrag der ersten oder einer späteren zur Verhandlung dieses Gegenstands einberufenen Gläubigerversammlung einen Gläubigerausschuss von drei bis sieben Mitgliedern (hiervon eines für die Belange der Arbeitnehmer) beizuordnen, wenn die Eigenart oder der besondere Umfang des Unternehmens des Schuldners dies geboten erscheinen lässt. Hierbei ist, wenn tunlich, auf Vorschläge der Gläubiger, der im Unternehmen errichteten Organe der Belegschaft sowie der gesetzlichen und der freiwilligen Interessenvertretungen der Gläubiger (einschließlich der bevorrechteten Gläubigerschutzverbände) Bedacht zu nehmen.

[9] Aus dieser gesetzlichen Beschränkung des Antragsrechts auf die Gläubigerversammlung in § 88 Abs 1 IO und die Beschränkung der Gläubiger in Bezug auf die Auswahl der Ausschussmitglieder auf ein bloßes Repräsentationsrecht (vgl RS0116022) ergibt sich, dass nicht einmal ein einzelner Gläubiger die Änderung der Zusammensetzung des Gläubigerausschusses beantragen kann. Fehlt einem Rechtsmittelwerber die Legitimation zur Stellung eines Antrags, so steht ihm auch kein Rekursrecht in diesen Fragen zu (RS0126390; vgl schon 8 Ob 281/01h).

[10] 2.2. Entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerberin besteht vor diesem Hintergrund auch bereits Rechtsprechung des Fachsenats zur hier relevanten Frage (vgl 8 Ob 97/20b unter Hinweis auf RS0126390 und RS0116022): Da die Insolvenzordnung dem Schuldner weder im Zusammenhang mit der Bestellung noch mit der Enthebung einzelner Mitglieder des Gläubigerausschusses ein Antrags- oder Vorschlagsrecht, ja nicht einmal ein Anhörungsrecht einräumt (anders als etwa nach §§ 116 ff IO [RS0081665] oder bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens [§ 71c IO; RS0059461]), steht ihm in diesen Angelegenheiten auch kein Rekursrecht zu.

[11] 3.1. Die von der Rechtsmittelwerberin für ihre gegenteilige Ansicht ins Treffen geführte Schrifttumsstimme (Reisch in Koller/Lovrek/Spitzer, IO2 [2022] § 88 Rz 20), wonach gegen den Beschluss über die Beiordnung und auch bezüglich der Auswahl von Gläubigerausschussmitgliedern der Schuldner und jeder Insolvenzgläubiger, nicht aber der Insolvenzverwalter Rekurs erheben könnten, begründet dies nicht näher inhaltlich, sondern begnügt sich mit Hinweisen auf Oberlandesgericht Linz 6. 2. 1995, ZIK 1995, 190, sowieeine weitere Kommentarstelle (Hierzenberger/Riel in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze, § 88 KO [1997] Rz 4), welche sich jedoch ebenfalls ohne nähere Darlegungen wiederum auf ZIK 1995, 190 beruft (ebenso wie Feil, IO8 [2014] § 88 Rz 3).

[12] 3.2. Bereits das Rekursgericht hat aber schon zutreffend darauf verwiesen, dass der Fachsenat bereits zu 8 Ob 281/01h das von ZIK 1995, 190 bejahte und als Stütze für die dort bejahte Rechtsmittellegitimation des Schuldners herangezogene Rekursrecht des einzelnen Gläubigers verneinte, sodass die vom Oberlandesgericht Linz, ZIK 1995, 190, gebrauchte Begründung nicht mehr tragfähig ist. Dass sich älteres, in ähnliche Richtung argumentierendes Schrifttum (vgl etwa Petschek/Reimer/Schiemer, Insolvenzrecht [1973] 193 f) auf die Rechtslage vor dem IRÄG 1982 bezog und dies seit Abschaffung der Wahl des Gläubigerausschusses nicht mehr aktuell ist, hat der Fachsenat ebenfalls bereits ausgeführt (8 Ob 97/10p; 8 Ob 96/10s; vgl in diesem Sinne auch schon Chalupsky/Duursma-Kepplinger in Bartsch/Pollak/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht4 [2002] § 88 KO Rz 8 und 18, unter ausdrücklicher Ablehnung von OLG Linz, ZIK 1995, 190, sowie der Äußerungen von Hierzenberger/Riel und Feil [oben Pkt 3.1.]).

[13] 3.3. Der Revisionsrekurs führt – außer dem Hinweis, dass dem Gläubigerausschuss die Wahrnehmung des gemeinsamen Interesses aller Gläubiger sowie auch der gemeinsamen Interessen der Verfahrensbetroffenen, die nicht Gläubiger seien, obliege – sonst keine eigenen inhaltlichen Argumente ins Treffen.

[14] Nach der Rechtsprechung ist dem als Repräsentant der Gläubigerautonomie anzusehenden Gläubigerausschuss die Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen der Insolvenzgläubiger und ihnen gleichwertiger anderer wichtiger Gründe zur Pflicht gemacht (8 Ob 12/91; vgl auch Chalupsky/Duursma-Kepplinger in Bartsch/Pollak/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht4 [2002] § 89 KO Rz 4 mwN: „Wahrnehmung des 'allgemeinen Konkursinteresses'“). Warum vor diesem Hintergrund dem Schuldner Interesse an der Auswahl der Mitglieder des Gläubigerausschusses und eine diesbezügliche Rechtsmittellegitimation zukommen sollte, legt das Rechtsmittel nicht nachvollziehbar dar.

[15] 4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 528a in Verbindung mit § 510 Abs 3 ZPO).

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