OGH 8Ob12/91

OGH8Ob12/9123.5.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter in der Konkurssache der Gemeinschuldnerin "W*****-Aktiengesellschaft, ***** infolge Revisionsrekurses des Konkursgläubigers Dr. Bernd S*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Mayr und Dr. Johann Eder, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 18. März 1991, GZ 2 R 82/91-351, womit der Rekurs dieses Konkursgläubigers gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes Salzburg vom 28. Jänner 1991, GZ S 24/90-316, 317 und 318, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Dr. Bernd S***** war Geschäftsführer der W*****gesellschaft mbH; diese GmbH wurde später in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und hat das Dienstverhältnis mit Dr. Bernd S***** übernommen. Im Ausgleichsverfahren dieser Gesellschaft, das zur AZ Sa 11/89 beim Landesgericht Salzburg anhängig war und zum nunmehrigen Anschlußkonkurs führte, meldete Dr. Bernd S***** Forderungen aus diesem Dienstverhältnis an und ist damit nunmehriger Konkursgläubiger; er ist nicht Mitglied des Gläubigerausschusses.

Am 24. Jänner 1991 beantragte Rechtsanwalt Dr. Herbert W***** als gemäß § 86 Abs 1 KO bestellter besonderer Verwalter des unbeweglichen Vermögens der Gemeinschuldnerin die konkursgerichtliche Genehmigung von drei den Verkauf von Liegenschaften aus der Konkursmasse an die I***** Gesellschaft mbH betreffenden Kaufverträgen. Er berichtete, daß der Gläubigerausschuß in der Sitzung vom 12. 12. 1990 diesen nach einer Ausschreibung unter präsumptiven Kaufinteressenten zugestimmt habe. Um einen möglichst hohen Verkaufspreis zu erzielen, seien zwar auch noch Verhandlungen mit dem von Dr. Bernd S***** gestellten Mitbieter, der H***** Gesellschaft mbH, geführt worden; auf Grund eines weiteren Beschlusses des Gläubigerausschusses vom 13. 12. 1990 sei es dann aber bei der Genehmigung der Kaufverträge mit der I***** Gesellschaft mbH geblieben.

Am 28. 1. 1991 beschloß das Konkursgericht, daß 1. der Beschluß des Gläubigerausschusses vom 13. 12. 1991 betreffend die vom besonderen Verwalter jeweils in Form einer verbücherungsfähigen Urkunde vorgelegten und von den Vertragsparteien am 11. bzw. 16. 1. 1991 unterfertigten Kaufverträge nicht untersagt und

2. diese Kaufverträge konkursgerichtlich genehmigt werden. Es begründete diese Entscheidung damit, daß der beantragten Genehmigung keine gemeinsamen Interessen der Gläubiger entgegenstünden, das Anbot auch im Interesse der betroffenen Wohnungsmieter stehe und dem nicht detaillierten und nur angekündigten Überbieten eines anderen Interessenten (gemeint der H***** Gesellschaft mbH) "verständlicherweise" das nötige Vertrauen nicht entgegengebracht werden könne.

Das Rekursgericht wies die vom Konkursgläubiger Dr. Bernd S***** gegen diese Beschlüsse erhobenen Rekurse mit folgender Begründung zurück: Das Konkursgericht habe mit den angefochtenen Beschlüssen die freiwillige Veräußerung unbeweglicher Sachen aus der Konkursmasse genehmigt. Diesen Beschlüssen sei bereits eine Genehmigung durch den Gläubigerausschuß gemäß § 116 Z 1 KO vorausgegangen, die durch den Konkursrichter nicht im Sinne des § 95 Abs 3 KO untersagt worden war. "Unbestritten" sei, daß es sich um keine Veräußerung gemäß § 117 KO handle, denn nur eine solche bedürfe auch noch der ausdrücklichen Genehmigung des Konkursgerichtes. Hingegen werde die Genehmigung einer Veräußerung gemäß § 116 KO auch dann wirksam, wenn das Konkursgericht einen formellen Genehmigungsbeschluß unterlasse und auch nicht ausspreche, daß es die Ausführung des Beschlusses der Gläubigerversammlung vorbehalte (§ 95 Abs 2 KO) oder untersage (§ 95 Abs 3 KO). Zur Ausführung eines Genehmigungsbeschlusses nach § 116 Z 1 KO bedürfe der Masseverwalter (besondere Verwalter) nur deshalb eines formellen Zustimmungsaktes des Konkursgerichtes, weil das Grundbuchgericht dies verlangen müsse. Der normative Entscheidungsinhalt eines formellen Genehmigungsbeschlusses des Konkursrichters gemäß § 116 Z 1 KO beschränke sich auf die Feststellung, daß der Beschluß des Gläubigerausschusses formal rechtens zustande gekommen sei. Eine darüber hinausgehende Inhaltskontrolle - etwa, ob auch in Interessen des Gemeinschuldners unverhältnismäßig eingegriffen werde - sei nur gemäß § 117 KO möglich und dann auch Pflicht des Konkursgerichtes, anders bedürfte es gar keiner Unterscheidung der Tatbestände nach § 116 und § 117 KO. Daraus folge, daß der Gemeinschuldner zwar eine konkursgerichtliche Genehmigung gemäß § 117 KO, nicht aber eine solche gemäß § 116 KO bekämpfen könne. Betreffend die Rekurslegitimation gegen Beschlüsse nach § 116 KO sei zwischen den Konkursgläubigern im allgemeinen und den Mitgliedern des Gläubigerausschusses im besonderen zu unterscheiden, weil es nicht die Absicht des Gesetzgebers sein könne, daß die systematische Unterscheidung zwischen den §§ 116 und 117 KO im Wege des § 95 KO unterlaufen werden könne. Indem er in § 95 Abs 3 KO die Antragstellung auf Untersagung (der Ausführung) von Beschlüssen des Gläubigerausschusses auf den Masseverwalter und die einzelnen Mitglieder des Gläubigerausschusses beschränkt habe, habe der Gesetzgeber des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes (IRÄG) zu erkennen gegeben, daß er auch die Rekurslegitimation auf diesen Personenkreis beschränken wollte. Die Inhaltskontrolle nach § 95 KO sei gesetzlich mit dem gemeinsamen Interesse der Konkursgläubiger oder mit anderen gleich wichtigen Gründen abgesteckt. Die Wahrnehmung des gemeinsamen Interesses der Konkursgläubiger überlasse der Gesetzgeber aber aus gutem Grunde nicht jedem einzelnen Konkursgläubiger, sondern entweder der Mehrheitsbildung in der Gläubigerversammlung (§ 95 Abs 2 KO) oder dem für die Gläubiger repräsentativen Gläubigerausschuß. Daß der Konkursrichter gemäß § 95 Abs 3 KO sein Untersagungsrecht nicht nur auf Antrag, sondern auch von Amts wegen auszuüben habe, sage noch nicht aus, daß dadurch der Personenkreis der Rekursberechtigten über jenen der Antragsteller hinaus erweitert werde.

Seien auch die Materialien des IRÄG zur Frage der Abgrenzung der Antrags- und Rekursrechte spärlich, so sei doch aus dem Gesamtkonzept des IRÄG und vor allem den Eingriffen des Justizausschusses in die Regierungsvorlage die eindeutige Tendenz zu erschließen, den Ablauf des Konkursverfahrens zu straffen und dem (sogenannten) "besseren Zugang zum Recht" verfahrensökonomische Grenzen zu setzen. Das hiefür augenfällige Zeichen habe der Justizausschuß mit der Rechtsmittelbeschränkung des § 84 Abs 3 KO gesetzt, der von der Rechtsprechung durchaus extensiv interpretiert worden sei. Gerade dieser Rechtsmittelausschluß lasse in Verbindung mit den §§ 116 und 117 KO ein von der Verfahrenspraxis her wohldurchdachtes System einer abgestuften Entscheidungskontrolle bei der Masseverwertung erkennen: Gehe es um die Substanz des Unternehmens, dann sei die Entscheidungskontrolle weitestgehend garantiert (§ 117 KO); andere wichtige, in § 116 KO aufgezählte Fälle der Masseverwertung unterlägen im Umweg über § 95 KO der Kontrolle durch den Konkursrichter, aber auch noch durch die Rechtsmittelinstanz (bei sachgerechter Einschränkung der Rechtsmittelbefugnis); in den übrigen, vom Gesetzgeber nicht mehr so wichtig angesehenen Fällen der Masseverwertung habe es mit der Beschwerde an den Konkursrichter und dessen endgültiger Entscheidung das Bewenden. Zu diesem Ergebnis komme man auch im Rahmen einer zulässigen teleologischen Auslegung der Verfahrensvorschriften der Konkursordnung, weil der von den Lehrmeinungen Faschings (Zur Auslegung der Zivilverfahrensgesetze, JBl 1990, 749 ff) und Ballons (Einführung in das österreichische Zivilprozeßrecht2 306) angesprochene Zweifelsfall, der zum Vorrang der der Rechtsdurchsetzung günstigeren Auslegung führen müßte, gar nicht vorliege. Im Interesse der Rechtssicherheit sei der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zuzulassen.

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz gerichtete Revisionsrekurs ist zwar zulässig, weil die hier aufgeworfene Frage tatsächlich bisher nicht in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung seit der durch das IRÄG geschaffenen neuen Rechtslage beantwortet wurde; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Grundsätzlich ist die Verwertung der Konkursmasse Aufgabe des Masseverwalters: er ist das Verwertungsorgan

(§ 114 Abs 1 Satz 1 KO). In den hier in Betracht kommenden Fällen der §§ 116 und 117 KO sind jedoch die zur Verwertung notwendigen Rechtsgeschäfte mit Rücksicht auf ihre Eigenart und in ihrer Bedeutung auch danach abgestuft der Genehmigung weiterer Konkursorgane vorbehalten (§ 83 Abs 1 KO). In erster Linie und hauptsächlich ist das der als Repräsentant der Gläubigerautonomie anzusehende Gläubigerausschuß und, vor seiner Bestellung, das mit dessen Obliegenheiten betraute Konkursgericht oder die von ihm damit befaßte Gläubigerversammlung (§ 90 KO); in den Fällen des § 117 KO zusätzlich jedenfalls auch das Konkursgericht, das durch die KO 1914 anstelle der noch in der KO 1868 dafür vorgesehen gewesenen Gläubigerversammlung getreten ist (aus Zweckmäßigkeitsgründen, wie der Denkschrift zu entnehmen ist). Diesen Organen hat das Gesetz - aus § 95 Abs 3 KO ergibt sich das ganz unzweifelhaft und jedenfalls als exemplarische Regelung - die Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen der Konkursgläubiger und ihnen gleichwertiger anderer wichtiger Gründe zur Pflicht gemacht, es hat aber in der Neufassung des § 95 Abs 3 KO durch das IRÄG die Antragstellung auf Untersagung der Ausführung von Beschlüssen des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung durch das Konkursgericht auf die Person des Masseverwalters und des einzelnen Mitgliedes des Gläubigerausschusses beschränkt und damit unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, daß dem einzelnen Konkursgläubiger im Verwertungsverfahren kein Mitwirkungsrecht zusteht: nicht er, sondern nur die Organe des Konkursverfahrens und - zur Wahrung des Minderheitenschutzes im Kreis der Gläubiger (AB 1147 BlgNR 15. GP 24) - die einzelnen Mitglieder des Gläubigerausschusses sind im Verwertungsverfahren antrags- und mitwirkungsberechtigt (vgl. WBl 1989, 132). Im Verwertungsverfahren gibt es in der Tat keinen Individualrechtsschutz für den einzelnen Konkursgläubiger; dies würde, wie das Rekursgericht zutreffend bemerkte, zu unabsehbaren Verfahrensverzögerungen - so müßte etwa jedem einzelnen Gläubiger der andernfalls anfechtbare Beschluß zugestellt werden, denn eine Ediktalzustellung käme nicht in Betracht - führen, die mit dem Gesamtkonzept des IRÄG, den Ablauf des Konkursverfahrens zu straffen, nicht in Einklang zu bringen wären. Dem einzelnen Konkursgläubiger steht im gesamten Verwertungsverfahren nur das Recht zur Beschwerde gegen einzelne Maßnahmen oder das Verhalten des Masseverwalters gemäß § 84 Abs 3 KO zu, worüber das Konkursgericht endgültig und unanfechtbar abzusprechen hat.

Es kann auch keinen Unterschied machen, daß im Fall des § 117 KO das Konkursgericht anstelle der noch in der KO 1868 dazu berufen gewesenen Gläubigerversammlung getreten ist, denn es wäre ein nicht vertretbarer Wertungswiderspruch, ausgerechnet in diesem Fall dem einzelnen Konkursgläubiger eine andere Rechtsposition einzuräumen als sie ihm in allen anderen Fällen des Verwertungsverfahrens zukommt.

Mit dem Rekursgericht kommt daher der 8. Senat des Obersten Gerichtshofes zu dem Ergebnis, daß dem einzelnen Konkursgläubiger in den von § 116 KO betroffenen Fällen kein Rekursgericht zukommt; darüber hinaus ist der erkennende Senat aber auch der Ansicht, daß dies in den durch § 117 KO erfaßten Fällen nicht anders sein kann. Es erübrigt sich deshalb die Beantwortung der vom rekurrierenden Gläubiger aufgeworfene Frage, ob der vorliegende Fall nicht etwa doch nach § 117 KO und nicht - wie das Rekursgericht angenommen hat - nach § 116 KO zu beurteilen ist.

Das Rekursgericht hat also im Ergebnis mit Recht den Rekurs des Konkursgläubigers Dr. Bernd S***** zurückgewiesen. Diese Entscheidung ist daher zu bestätigen.

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