OGH 7Ob39/06w

OGH7Ob39/06w8.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf G*****, vertreten durch Dr. Mario Petutschnig, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagte Partei U*****, vertreten durch Dr. Elisabeth Messner, Rechtsanwältin in Wien, wegen (restlich) EUR 14.293,80 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 13. Oktober 2005, GZ 3 R 131/05t-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 18. Mai 2005, GZ 24 Cg 211/04t-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 812,52 (hierin enthalten EUR 135,42 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 508a Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs 2 Z 3 bzw § 508 Abs 3 ZPO nicht gebunden. Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Nach den maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanzen war der Kläger Geschäftsführer eines am Stadtrand von F***** gelegenen Bordellbetriebes. Er hatte seinen bei der beklagten Partei kaskoversicherten PKW regelmäßig und auch vor dessen Diebstahl hinter dem Haus abgestellt, wo der für ungefähr zehn Fahrzeuge reservierte Platz durch eine Plane so abgedeckt war. Der Kläger deponierte den Fahrzeugschlüssel in einer hölzernen, nicht versperrbaren Zigarrenkiste, die hinter der Theke in einem offenen Regal stand. Auf der Kiste lagen üblicherweise Zeitungen und Reklamematerial. „Normalerweise" haben sich die Gäste an die Anweisung des Kellners, dass sie im Thekenbereich „nichts zu suchen" haben, gehalten. Dass der Autoschlüssel in der Zigarrenkiste lag, wusste das Personal nicht. Zum Zeitpunkt des Diebstahls verfügte der Kläger für das Fahrzeug, das er erst im April 2003 mit zwei Schlüsseln angeschafft hatte, nur noch über einen Schlüssel. Der Zulassungsschein befand sich im PKW im Bereich der Sonnenblende.

Im Revisionsverfahren ist allein strittig, ob die Aufbewahrungsart des Fahrzeugschlüssels durch den Kläger den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit rechtfertigt. Diese Frage bildet bei Vertretbarkeit der immer von den Umständen des Einzelfalles abhängigen Beurteilung jedoch grundsätzlich keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (7 Ob 214/04b und 7 Ob 76/05k mwN); die Revision wäre daher nur dann zulässig, wenn der Sachverhalt auch bei weitester Auslegung den von der Judikatur für die Annahme grober Fahrlässigkeit aufgestellten Kriterien nicht entspräche (7 Ob 214/04b mwN), also nur dann, wenn dem Berufungsgericht eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (RIS-Justiz RS0026555 [T5], RS0087606).

Auch die Frage, welche konkrete Aufbewahrung von Kfz-Schlüsseln nicht als grob fahrlässig anzusehen ist, hängt - wie der erkennende Senat bereits wiederholt ausgesprochen hat (7 Ob 14/03i; 7 Ob 72/03v; 7 Ob 214/04b) - von den Umständen des Einzelfalles ab und lässt sich daher nicht generell, sondern immer nur einzelfallbezogen beantworten (so auch 7 Ob 8/99y). In der Ansicht des Berufungsgerichts, welches darauf hinwies, dass der anzulegende Sorgfaltsmaßstab „im Rotlichtmilieu um einiges höher anzusetzen ist als in anderen Lebensbereichen" ist ebenfalls keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung zu erblicken. Auch wenn der Kläger bei der Auswahl seines Versteckes um „Diskretion" bemüht war, so lag es doch letztlich im Bereich seines grundsätzlich „offenen" Hauses. Auch der fragliche Thekenbereich war für zahlreiche Personen (Gäste, Kellner und sonstiges Personal) frei zugänglich und bei Abwesenheit des Kellners überhaupt ohne Kontrolle und Überwachung. Dazu kommt, dass dem Kläger schon sein zweiter Schlüssel abhanden gekommen war, ohne dass er sich darum kümmerte und Maßnahmen gegen einen Missbrauch setzte. Schließlich war das Auto auch auf einem durch eine Plane nicht offen einsehbaren, aber allgemein zugänglichen Parkplatz abgestellt worden. Auf die Verhaltensweise des Klägers, den Zulassungsschein im Bereich der Sonnenblende aufzubewahren, braucht damit nicht zurückgegriffen zu werden.

Dem Kläger musste als Geschäftsführer des Etablissements klar sein, dass seine Verhaltensweisen (insgesamt) durchaus geeignet sein konnten, die Gefahr des Eintrittes eines Versicherungsfalles wie des vorliegenden herbeizuführen oder zu vergrößern (vgl RIS-Justiz RS0030324, RS0080414). Ob dies durch ein aktives Tun oder ein Unterlassen geschah, ist gleichgültig (7 Ob 14/03i - welche Entscheidung allerdings - entgegen der Argumentation in der Revision, vom Sachverhalt her mit dem hier zu beurteilenden Fall nicht vergleichbar ist).

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass das Verhalten des Klägers - insgesamt - als grob fahrlässig im Sinne des § 61 VersVG zu beurteilen ist, liegt im Rahmen der wiedergegebenen oberstgerichtlichen Rechtsprechung. Mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels ausdrücklich hingewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte