OGH 7Ob218/16h

OGH7Ob218/16h15.2.2017

Der Oberste Gerichtshof als Revisionsgericht hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** S*****, vertreten durch Mag. Erich Frenner, Rechtsanwalt in Saalfelden, gegen die beklagte Partei R***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger und Dr. Brigitte Piber, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 9.758,95 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 8. September 2016, GZ 53 R 167/16i-21, womit das Teil- und Zwischenurteil des Bezirksgeriches Salzburg vom 25. Mai 2016, GZ 32 C 1285/15s-12, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 6. Juni 2016, GZ 32 C 1285/15s‑14, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00218.16H.0215.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung nunmehr lautet:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 9.758,95 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. April 2015 zu zahlen, wird abgewiesen .

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.469,87 EUR (darin 411,65 EUR an USt) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.201,82 EUR (darin 382,84 EUR an USt und 1.906 EUR an Gerichtsgebühren) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte betreibt ein Reifen- und Autoservice in W*****. Der damals 49 Jahre alte Kläger ist Postzusteller und kam am 2. 1. 2015, einem winterlichen Tag, gegen 10:30 Uhr im Zuge des Postzustellvorganges auf dem asphaltbefestigten Parkplatz auf der an der I***** Bundesstraße gelegenen Liegenschaft der Beklagten auf einer Eisplatte zu Sturz, wodurch er schwer verletzt wurde.

Der Winterdienst bei der Beklagten ist so organisiert, dass ein Dritter mit der Schneeräumung des Betriebsareals beauftragt ist, der mit einem Traktor den Schnee vom Betriebsgelände entfernt und diesen auf große Haufen zusammenschiebt. Sofern es schneit, wird das Betriebsgelände jeden Tag, immer zwischen 6:00 Uhr und 7:00 Uhr geräumt. Gestreut oder gesalzen wird das Betriebsgelände nicht von jenem Dritten, sondern von Mitarbeitern der Beklagten. Nachdem in den Morgenstunden das Betriebsareal grob vom Schnee befreit ist, teilt der Lagerleiter der Beklagten bei Arbeitsbeginn gegen 7:30 Uhr Mitarbeiter – meist Lehrlinge – ein, restlichen Schnee wegzuräumen und anschließend das Betriebsgelände zu salzen, sofern es ihm notwendig erscheint.

Vor dem Unfall des Klägers war zuletzt am 31. 12. 2014 Schnee geräumt worden. Das Betriebsgelände der Beklagten war am 2. 1. 2015 von Schnee befreit. Es wurde am Unfallstag auch großflächig gesalzen, auch bei der konkreten Unfallstelle, dort aber nicht zusätzlich Splitt aufgestreut oder Eis abgetragen. Trotz Salzstreuung war es im Bereich der Unfallstelle zur Unfallszeit sehr rutschig, es war dort eisig. Der Unfallbereich ist eine etwas vertiefte Stelle im Bereich eines Kanaldeckels, wo das Wasser stehen bleibt und sich eine dickere Eisschicht bilden kann. Dass es an dieser Stelle im Winter vermehrt zu Eisbildung kommt, war für die Mitarbeiter der Beklagten erkennbar, dennoch wurde kein besonderes Augenmerk auf diese Gefahrenstelle gelegt.

Auf der Liegenschaft befindet sich kein Hinweis zur Einschränkung des Publikumsverkehrs. Auf der Nachbarliegenschaft ist ein Reisebüro etabliert, dem der Kläger ebenfalls Post zuzustellen hatte. Außerhalb der beiden Liegenschaften befindet sich an der Bundesstraße ein öffentlicher Gehsteig, der über die Ein- und Ausfahrt des Betriebsgeländes der Beklagten erreichbar ist. Der Zugang zum Reisebüro ist über diesen Gehsteig über einen Umweg gewährleistet.

Der Kläger, der festes Schuhwerk mit Profilsohlen trug, parkte sein Fahrzeug auf der Liegenschaft der Beklagten auf dem zweiten Parkplatz rechts neben der Einfahrt. Beim Aussteigen aus dem Auto bemerkte er bereits, dass es auf der Liegenschaft rutschig war und dachte sich „aufpassen“. Er stellte zunächst die Post im Verkaufsraum der Beklagten zu und wollte in weiterer Folge dem Reisebüro auf der Nachbarliegenschaft die Post zustellen. Er ging dazu – „nicht besonders vorsichtig“ – über die Liegenschaft der Beklagten an einer Lkw-Halle vorbei bis vor eine überdachte Hebebühne und wollte dann über die Liegenschaftsgrenze markierende Leistensteine auf die Nachbarliegenschaft steigen. Der Kläger handhabte dies so schon seit eineinhalb Jahren, was der Beklagten auch bekannt war. Nicht festgestellt werden kann, ob der Kläger über einen Schneehaufen zur Nachbarliegenschaft gehen wollte.

Ungefähr im Bereich des erwähnten Kanaldeckels vor der überdachten Hebebühne – neben dem vierten und letzten der Parkplätze rechts neben der Einfahrt (wo er auch sein Fahrzeug abgestellt hatte) – rutschte der Kläger schließlich aus und stürzte.

Der Kläger begehrte zuletzt die Zahlung von 9.500 EUR Schmerzengeld, 158,95 EUR für Medikamente und Heilbehelfe sowie 100 EUR Unkostenpauschale. Die Beklagte habe es grob fahrlässig unterlassen, den Zugangsbereich von Eis zu befreien bzw zu streuen. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass der Kläger jahrelang stets dieselbe Wegstrecke von der Liegenschaft der Beklagten zur Nachbarliegenschaft benützt habe. Das Begehren werde auch auf vertraglichen Schadenersatz gestützt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Sie hafte weder vertraglich noch deliktisch. Sie treffe kein Verschulden am Unfall; keinesfalls sei ihr grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Das Betriebsgelände sei vor Betriebsbeginn um 8:00 Uhr ausreichend geräumt und gestreut gewesen. Der Kläger hätte bei ausreichender Sorgfalt den Sturz vermeiden können. Er habe beabsichtigt, auf einem Nachbargrundstück Post zuzustellen, wobei er eine Strecke gewählt habe, bei der es sich nicht um einen Zugang zum Nachbargrundstück und daher um keinen „Weg“ gehandelt hätte. Dem Kläger wäre zumutbar gewesen, den geräumten öffentlichen Gehsteig zu benützen; in Bezug auf die vom Kläger gewählte Strecke habe die Beklagte ihm gegenüber keine Verkehrssicherungspflicht getroffen.

Das Erstgericht erkannte das Klagebegehren als dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht bestehend und wies einen Teil des Leistungsbegehrens von 4.879,47 EUR sA ab. Es bejahte eine Wegehalterhaftung der Beklagten nach § 1319a ABGB, aber auch eine Sorglosigkeit des Klägers in eigenen Angelegenheiten und erachtete eine Verschuldensteilung von 1 : 1 für angemessen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers, nicht jedoch der der Beklagten Folge, und erkannte das Klagebegehren als dem Grunde nach zur Gänze zu Recht bestehend. Es teilte die Auffassung, der Kläger sei auf einem „Weg“ im Sinne des § 1319a ABGB zu Sturz gekommen. Die Beklagte treffe grobe Fahrlässigkeit an dessen Vereisung, den Kläger jedoch kein Mitverschulden am Sturz.

Die ordentliche Revision ließ es nachträglich nach § 508 Abs 3 ZPO zu, weil der Frage der Qualifikation des Parkplatzes als „Weg“ im Sinne des § 1319a ABGB über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme sowie, weil eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung bei der Annahme groben Verschuldens auf Seiten der Beklagten und bei der Verneinung eines Mitverschuldens des Klägers vorliegen könnte. Zudem könnte das Berufungsgericht vom festgestellten Sachverhalt abgewichen sein und darin eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens oder eine Aktenwidrigkeit liegen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten mit einem auf gänzliche Klagsabweisung zielenden Abänderungsantrag.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig und auch berechtigt.

Die Revisionswerberin hält daran fest, dass der Kläger keinen „Weg“ im Sinne des § 1319a ABGB benützt habe, dass ihr keine grobe Fahrlässigkeit anzulasten sei und dass den Kläger Mitverschulden treffe.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

1.1. Wird durch den mangelhaften Zustand eines Weges ein Mensch getötet, an seinem Körper oder an seiner Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so haftet nach § 1319a Abs 1 ABGB derjenige für den Ersatz des Schadens, der für den ordnungsgemäßen Zustand des Weges als Halter verantwortlich ist, sofern er oder einer seiner Leute den Mangel vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet hat.

„Weg“ im Sinn des § 1319a ABGB ist nach dessen Abs 2 eine Landfläche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen für den Verkehr jeder Art oder für bestimmte Arten des Verkehres benützt werden darf, auch wenn sie nur für einen eingeschränkten Benützerkreis bestimmt ist; zu einem Weg gehören auch die in seinem Zug befindlichen und dem Verkehr dienenden Anlagen, wie besonders Brücken, Stützmauern, Futtermauern, Durchlässe, Gräben und Pflanzungen. Ob der Zustand eines Weges mangelhaft ist, richtet sich danach, was nach der Art des Weges, besonders nach seiner Widmung, für seine Anlage und Betreuung angemessen und zumutbar ist.

1.2. Unter den Begriff des „Weges“ fallen daher nach dem weitem Begriffsinhalt auch von jedermann benutzbare Privatstraßen (RIS-Justiz RS0115172) und solche Wege, die von jedermann als Fußgänger unter gleichen Bedingungen benützt werden dürfen (RIS-Justiz

RS0029988). Innerhalb eines abgezäunten Grundstücks befindliche Wege sind vom Anwendungsbereich des § 1319a ABGB im Regelfall deshalb ausgenommen, weil ihnen das die sachliche Rechtfertigung für eine haftpflichtrechtliche Sonderbehandlung bildende Merkmal der Zulässigkeit der allgemeinen Benützung fehlt (RIS-Justiz RS0030061). Bei einer auf Privatgrund liegenden Fläche – etwa in Innenhöfen – ist daher im Allgemeinen, wenn sich aus den besonderen Umständen nicht das Gegenteil ergibt, davon auszugehen, dass kein „Weg“ im Sinn des § 1319a ABGB vorliegt (RIS‑Justiz RS0109222 [insb T3]). Im Anwendungsbereich der besonderen Verkehrssicherungspflicht des Wegehalters gemäß § 1319a ABGB bleibt für die Annahme allgemeiner Verkehrssicherungspflichten kein Raum (RIS-Justiz RS0111360; Harrer/Wagner in Schwimann/G. Kodek 4 § 1319a ABGB Rz 59).

1.3. Das Wort „Zustand“ im § 1319a ABGB bedeutet, dass nicht nur für den Weg selbst im engeren Sinn, sondern für dessen Verkehrssicherheit im weitesten Sinne gehaftet werden solle (RIS-Justiz RS0030088); die Vernachlässigung der Streupflicht ist nach § 1319a ABGB zu beurteilen (RIS-Justiz RS0030148), da zur Betreuung eines Weges im Sinne des § 1319a ABGB auch seine Säuberung und Bestreuung gehört (RIS-Justiz RS0030026).

Beurteilungsmaßstab für die Mangelhaftigkeit des Weges sind – wie sich aus § 1319a Abs 2 letzter Satz ABGB ergibt – das Verkehrsbedürfnis und die Zumutbarkeit entsprechender Maßnahmen (vgl RIS-Justiz RS0053423). Das Merkmal der Zumutbarkeit erfordert die Berücksichtigung dessen, was nach allgemeinen billigen Grundsätzen erwartet werden kann. Welche Maßnahmen ein Wegehalter im Einzelnen zu ergreifen hat, richtet sich danach, was nach der Art des Weges, besonders nach seiner Widmung, seinen geografischen Situierungen in der Natur und dem daraus resultierenden Maß seiner vernünftigerweise zu erwartenden Benützung (Verkehrsbedürfnis) für seine Instandhaltung angemessen und nach objektiven Maßstäben ( Reischauer in Rummel ³ § 1319a ABGB Rz 6; Harrer/Wagner aaO Rz 20 ff) zumutbar ist (RIS-Justiz RS0087605 [insb T2]; RS0029997; RS0087607 [T6]); das Gleiche gilt für die Streupflicht (vgl RIS-Justiz RS0023277). Es kommt jeweils darauf an, ob der Wegehalter die ihm zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um eine gefahrlose Benützung gerade dieses Weges sicherzustellen (RIS-Justiz RS0087607). Das Merkmal der Zumutbarkeit erfordert zusammengefasst die Berücksichtigung dessen, was nach allgemeinen billigen Grundsätzen vom Halter erwartet werden kann (RIS-Justiz RS0030180), wobei der Umfang der Sorgfaltspflicht nicht allgemein bestimmt, sondern nur im Einzelfall geprüft werden kann (RIS-Justiz RS0030202; RS0087607).

1.4. Generell gilt, dass die Anforderungen an Verkehrssicherungspflichten nicht überspannt werden dürfen (RIS-Justiz RS0023487; RS0023950; RS0023893), sollen sie keine in Wahrheit vom Verschulden unabhängige Haftung des Sicherungspflichtigen zur Folge haben (RIS-Justiz RS0023950;

RS0023893 [T2, T3]). Ihr Umfang und ihre Intensität richten sich dabei vor allem danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen können (RIS-Justiz RS0023726). Voraussetzung ist immer, dass die Möglichkeit der Verletzung von Rechtsgütern Dritter bei objektiver sachkundiger Betrachtung zu erkennen ist (vgl 4 Ob 55/12k mwN).

1.5. § 1319a ABGB normiert zum einen Teil ein Haftungsprivileg, nämlich die Nichthaftung für den bloß leicht fahrlässig verursachten Wegezustand, zum anderen Teil jedoch eine Haftungsverschärfung im Sinne der Haftung des Wegehalters für grob fahrlässiges Verhalten seiner Leute auch außerhalb einer vertraglichen Sonderbeziehung. Dies bedeutet eine Erweiterung der Gehilfenhaftung, da ansonsten im deliktischen Bereich nach § 1315 ABGB nur für untüchtige Gehilfen einzustehen ist (vgl Reischauer aaO Rz 12). Der Wegehalter, der seine Pflichten nach § 1319a ABGB auf andere überträgt, haftet dann nach der Rechtsprechung grundsätzlich nur mehr für Auswahlverschulden oder Verletzung einer etwaigen Überwachungspflicht (RIS-Justiz RS0124737). Der weisungsfreie Unternehmer zählt nicht zu den Leuten des Halters (RIS-Justiz RS0029995; Reischauer aaO Rz 12).

§ 1319a ABGB betrifft nur Pflichten, die nicht vertraglich übernommen wurden (RIS-Justiz RS0023459), und begründet demnach eine deliktische Haftung. Liegt ein Weg im Sinne der genannten Gesetzesstelle vor, genießt der Halter des Weges das Haftungsprivileg außerhalb vertraglicher Beziehungen gegenüber allen Benützern unabhängig von der Benützungsart (RIS-Justiz RS0029988). Den Geschädigten trifft die Behauptungs- und Beweislast für Haltereigenschaft und Verursachung der Schädigung durch einen mangelhaften Zustand sowie für das Vorliegen eines extremen objektiven Sorgfaltsverstoßes ( Reischauer aaO Rz 18; Harrer/Wagner aaO Rz 48; dazu unten Punkt 2.). Das Verschulden bezieht sich auf den Zustand des Weges, nicht jedoch auf die Herbeiführung der Schädigung als solche ( Reischauer aaO Rz 17). Gemeint ist damit der Beweis eines Sachverhalts, der als grob fahrlässig im objektiven Sinn qualifiziert werden kann; gelingt dem Geschädigten dieser Beweis, so kann sich der Wegehalter nur noch durch den Beweis der fehlenden subjektiven Vorwerfbarkeit der objektiv groben Fahrlässigkeit von der Haftung befreien (RIS-Justiz RS0124486).

2. Grob fahrlässig handelt, wer im täglichen Leben die erforderliche Sorgfalt gröblich, in hohem Grad, aus Unbekümmertheit oder Leichtfertigkeit außer Acht lässt, wer nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten musste, also schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzungen setzt, die das gewöhnliche Maß an nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens ganz erheblich übersteigen (RIS-Justiz RS0030303). Es muss ein Verhalten vorliegen, bei dem die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt wurde und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im konkreten Fall ohne besondere Aufmerksamkeit und ohne besonders gründliche Überlegung jedem einleuchtet (RIS-Justiz RS0022430). Es handelt sich um Versehen, die sich über alltäglich vorkommende Fahrlässigkeitshandlungen erheblich, außergewöhnlich und auffallend herausheben, bei denen der Eintritt eines Schadens als wahrscheinlich voraussehbar ist (RIS-Justiz RS0030477; RS0030171; RS0030644;

RS0030359), und die mit Rücksicht auf ihre Schwere oder Häufigkeit nur bei besonderer Nachlässigkeit und nur bei besonders nachlässigen oder leichtsinnigen Menschen vorkommen können (RIS-Justiz RS0038120). Grobe Fahrlässigkeit erfordert, dass ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falls auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist (RIS-Justiz RS0030272; RS0031127).

Keine grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn auf Hindernisse nicht aufmerksam gemacht wird, die bei Einhaltung der Verkehrsvorschriften nicht zum Unfall führen, oder wenn ein schadenstiftendes Hindernis gut sichtbar ist und darauf mit geringfügigen Anstrengungen reagiert werden kann ( Reischauer aaO Rz 17 mwN). Es muss von jedem Fußgänger verlangt werden, dass er beim Gehen „vor die Füße schaut“ (RIS-Justiz RS0027447) und der einzuschlagenden Wegstrecke Aufmerksamkeit zuwendet (vgl RIS-Justiz RS0023787).

3.1. Eine vertragliche Haftungsgrundlage der Beklagten dem Kläger gegenüber ist nicht erkennbar; sie wurde von ihm in seiner Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil, das darauf nicht eingegangen war, auch nicht mehr releviert. Die Entscheidung 2 Ob 78/08x bezieht sich überdies auf verlagseigene Zusteller, wobei die Beklagte Abonnentin war.

3.2. Zur Frage des „Weges“ haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt, dass der private Parkplatz der Beklagten von jedermann unter den gleichen Bedingungen für den Verkehr jeder Art oder für bestimmte Arten des Verkehrs benützt werden darf; er ist daher grundsätzlich dem allgemeinen Verkehr geöffnet. Der Unfall ereignete sich in der Nähe eines Bereichs des Betriebsgeländes, der durch Bodenmarkierungen als Parkfläche auch für Kunden und Lieferanten gekennzeichnet und davon nicht erkennbar abgegrenzt oder gesondert abgesichert war.

Der Sachverhalt ist daher nach § 1319a ABGB zu beurteilen.

3.3. Nach den Feststellungen hat die Beklagte nur einen Teil des Winterdienstes einem Dritten übertragen, nämlich die grobe Schneeräumung im engeren Sinne, während sie die „Endreinigung“ und die Eisentfernung und -prävention selbst besorgte. Auch insofern sind die Vorinstanzen zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte die Adressatin jedenfalls der hier relevanten Streupflichten nach § 1319a ABGB geblieben ist.

4. Bei der Beantwortung der Frage, ob der Beklagten grobe Fahrlässigkeit zur Last liegt, war in Betracht zu ziehen, dass ihr Betriebsgelände tatsächlich von Schnee geräumt war und sie zwei bis drei Stunden vor dem Unfall eine Salzstreuung auf dem gesamten Betriebsgelände und auch an der späteren Unfallstelle vorgenommen hatte. Nicht einmal aus der Tatsache, dass eine Unfallstelle zur Unfallszeit noch gar nicht gestreut gewesen wäre, könnte aber ohne Hinzutreten weiterer Umstände grobes Verschulden abgeleitet werden (vgl RIS-Justiz RS0030171 [T10]). Die Grenze der Zumutbarkeit einer Räumungs- und Streupflicht wird dann überschritten, wenn bei andauerndem Schneefall oder sich ständig erneuerndem Glatteis das Räumen bzw Streuen mangels praktisch ins Gewicht fallender Wirkung für die Verkehrssicherheit nutzlos bleiben muss; dem zur Räumung und Streuung Verpflichteten kann eine ununterbrochene Schneeräumung und Sicherung der Verkehrswege nicht zugemutet werden (vgl RIS-Justiz RS0023453 [insb T4]). Angesichts der auch für die Benützer des Parkplatzes der Beklagten erkennbaren grundsätzlich winterlichen Verhältnisse kann es unter den vorliegenden Umständen nach allgemeinen billigen Grundsätzen nicht als außergewöhnliche und auffallende Sorglosigkeit angesehen werden, dass nach einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum nach einer ohnehin erfolgten Salzstreuung an der späteren Unfallstelle dennoch Eis vorhanden war (vgl 2 Ob 17/90), mag diese Stelle auch erkennbar zur Eisbildung geneigt haben.

Anders als bei einem „Weg“ für Fußgänger im herkömmlichen Sinne – also einer in der Breite begrenzten, von einem Punkt zu einem anderen führenden Landfläche, die erkennbar zur Begehung durch eine Mehrzahl von Personen in gleicher Weise gewidmet ist – zeichnet sich das Betriebsgelände der Beklagten durch seine relative Weitläufigkeit sowie dadurch aus, dass nach seiner Widmung und geografischen Situierung vernünftigerweise nicht zu erwarten ist, dass es in allen Teilen von Fußgängern begangen wird. Dementsprechend ist es auch nicht als grobe Pflichtverletzung vorwerfbar, dass abseits der stärker frequentierten „Pfade“ – etwa vor dem Verkaufslokal der Beklagten und entlang der von den markierten Parkplätzen unmittelbar dorthin führenden Strecken – nicht lückenlos und flächendeckend Eisfreiheit herrscht, zumal der Unfall auf einem Betriebsflächenteil stattfand, der durchgehend geräumt und gestreut war und der der baulichen Beschaffenheit nach nicht für die Überquerung von Grundstücksgrenzen durch Fußgänger gewidmet war (mag eine solche Benützung wie hier auch physisch möglich sein). Dementsprechend ist auch nicht von einer besonderen Gefährlichkeit der späteren Unfallstelle auf dem weitläufigen Gelände auszugehen. Angesichts der Schneeräumung und der vor Betriebsbeginn erfolgten Salzstreuung kann auch kein grobes Verschulden im Lichte dessen erkannt werden, dass der Beklagten die Zustellgewohnheiten des Klägers bekannt gewesen wären. Es stehen keine Umstände fest, wonach die eisige Unfallstelle nicht oder schlecht sichtbar gewesen wäre, oder dass der zu erwartende Fußgängerverkehr ihr nicht mit geringfügiger Anstrengung auszuweichen imstande gewesen wäre; zudem war der Zugang zur Nachbarliegenschaft über die Aus-/Einfahrt der Beklagten und den geräumten Gehsteig möglich. In Ansehung dieser Umstände ist somit das nach § 1319a ABGB geforderte Kriterium grober Fahrlässigkeit nicht erfüllt, dass der Eintritt des konkreten Schadens nicht nur als möglich, sondern geradezu wahrscheinlich vorauszusehen gewesen wäre.

Zusammengefasst erreicht das Verhalten der Beklagten hier nicht den Grad groben Verschuldens, sodass ihr das Haftungsprivileg des § 1319a Abs 1 ABGB zugutekommt. Die Urteile der Vorinstanzen waren daher im Sinne eines zur Gänze klagsabweisenden Endurteils abzuändern, ohne dass auf die Frage des Mitverschuldens des Klägers eingegangen werden musste.

5. Die Kostenentscheidung stützt sich in Ansehung der erstinstanzlichen Kosten auf §§ 41, 54 Abs 1a ZPO. „ERV-Kosten“ sind nicht Barauslagen, sondern nach § 23a RATG Teil der anwaltlichen Entlohnung. Der Antrag auf Ergänzung des erstinstanzlichen Urteils ON 13 war nicht nach TP 2 zu honorieren, weil in Wahrheit kein Fall des § 423 Abs 1 ZPO vorlag, sondern nach dem klaren Entscheidungswillen des Gerichts der Ausspruch über die Abweisung eines Klagsteiles irrtümlich unterblieb ( M. Bydlinski in Fasching/Konecny III² § 423 ZPO Rz 5 und § 419 ZPO Rz 8). Zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung wäre daher ein bloßer Antrag nach § 419 ZPO angezeigt gewesen, der nach TP 1 II. g RAT mit 36,89 EUR zu honorieren ist.

Die Entscheidung in Ansehung der Kosten des Rechtsmittelverfahrens stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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