European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127149
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen – die im Umfang der teilweisen Abweisung des Begehrens auf rückständigen Unterhalt von November 2016 bis einschließlich Jänner 2019 von 1.350 EUR sA sowie des Begehrens auf 2.707,50 EUR sA an rückständigem Beitrag für anteiligen Mietzins und Wohnungsbenützungskosten für November 2016 bis Jänner 2019 als unangefochten unberührt bleiben – werden teilweise dahin abgeändert, dass das Urteil nun– einschließlich des bestätigten Zuspruchs von rückständigem Unterhalt von November 2016 bis einschließlich Jänner 2019 von 4.447,51 EUR sA sowie von laufendem Unterhalt ab Februar 2019 von monatlich insgesamt 395,90 EUR sA – insgesamt wie folgt lautet:
1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den rückständigen Unterhalt für die Zeit von November 2016 bis einschließlich Jänner 2019 in Höhe von 4.447,51 EUR samt 4 % Zinsen seit Klagseinbringung zu zahlen.
2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei weiters schuldig, rückständigen Unterhalt für die Zeit von November 2016 bis einschließlich Jänner 2019 in Höhe von 1.350,61 EUR samt 4 % Zinsen seit Klagseinbringung zu zahlen, wird abgewiesen.
3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei ab 1. Februar 2019 zusätzlich zu dem der Klägerin mit Urteil des Bezirksgerichts * vom * zu AZ * zuerkannten Unterhalt von monatlich 112 EUR einen weiteren Betrag von monatlich 283,90 EUR, insgesamt daher monatlich 395,90 EUR zu bezahlen, und zwar die bis zur Rechtswirksamkeit dieses Urteils fällig werdenden Beträge binnen 14 Tagen, die künftig fällig werdenden Beträge jeweils am Ersten des Monats im Vorhinein.
4. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den rückständigen Betrag für anteiligen Mietzins und Wohnungsbenützungskosten für die Zeit von November 2016 bis Jänner 2019 in Höhe von 8.707,50 EUR samt 4 % Zinsen seit Klagseinbringung zu ersetzen, wird abgewiesen.
5. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen bleibt dem Erstgericht vorbehalten.
Entscheidungsgründe:
Die Ehe der Streitteile wurde rechtskräftig mit Urteil vom 6. Dezember 2018 gemäß § 55 EheG geschieden, wobei das Verschulden an der Zerrüttung den hier beklagten Ehemann trifft. Dieser zog im Jänner 2015 gegen den Willen der hier klagenden Ehefrau aus der Ehewohnung in Wien aus. Beim Auszug drohte der Beklagte, er werde die seit 1985 als Ehewohnung dienende Mietwohnung, deren alleiniger Hauptmieter er war, aufkündigen, wenn die Klägerin nicht die Mietkosten allein übernehme. Die Klägerin wollte insbesondere aufgrund ihrer Krebserkrankung die in der Nähe des sie behandelnden Krankenhauses liegende Wohnung nicht verlieren; ein Haus in Niederösterreich, das im Hälfteeigentum der Streitteile steht, kam für die Klägerin krankheitsbedingt nicht als dauerhafter Wohnsitz in Frage. Sie willigte aus Angst, die bisherige Ehewohnung zu verlieren, ein, dass der Beklagte ihr die Mietrechte nach § 12 Abs 1 MRG abtrete. Dies wurde der Hausverwaltung bekanntgegeben, und die Klägerin zahlte ab Juni 2015 als neue Mieterin der ehemaligen Ehewohnung monatlich den Mietzins in Höhe von 500 EUR sowie 145 EUR für Strom und Gas.
Der Beklagte leistet aufgrund eines Urteils aus dem Jahr 2016 seit 1. Jänner 2015 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 112 EUR an die Klägerin.
Die Klägerin begehrte, den Beklagten zur Zahlung von zusätzlichem monatlichem Unterhalt zu verpflichten, und zwar für
– Oktober und November 2016 jeweils 274,61 EUR
– Jänner bis Dezember 2017 jeweils 238,69 EUR
– Jänner bis Dezember 2018 jeweils 175,– EUR
– Jänner 2019 283,90 EUR.
Insgesamt begehrte die Klägerin 5.798,12 EUR sA an rückständigem Unterhalt. An laufendem Unterhalt ab Februar 2019 begehrte die Klägerin monatlich insgesamt 395,90 EUR (die bisherigen 112 EUR und zusätzlich 283,90 EUR). Weiters begehrte sie, den Beklagten ab November 2016 bis einschließlich Jänner 2019 (27 Monate) zur Zahlung der Hälfte der Miete (250 EUR) und der Kosten für Strom und Gas (72,50 EUR) von monatlich 322,50 EUR, insgesamt 8.707,50 EUR, zu verpflichten, weil er grundlos aus der Ehewohnung ausgezogen sei. Die Klägerin sei seit 1. November 2018 in Invaliditätspension und beziehe Pflegegeld. Ihre Abfertigung für 31 Arbeitsjahre in Höhe von 14.658 EUR sei auf ihre statistische Restlebenszeit von 276 Monaten ab November 2018 aufzuteilen (53 EUR pro Monat). Für das Haus in Niederösterreich zahle sie die laufenden Kosten von 175 EUR pro Monat allein; der vom Beklagten mit 226 EUR monatlich übernommene Sanierungskredit sei zwischenzeitig abbezahlt.
Der Beklagte brachte vor, für die frühere Ehewohnung habe er nichts zusätzlich zu zahlen; die Voraussetzungen des § 97 ABGB lägen nicht vor, weil nicht er verfügungsberechtigt, sondern die Klägerin alleinige Mieterin sei. Die Abfertigung der Klägerin sei mit 355 EUR pro Monat als Zuschuss zur Erhaltung ihres monatlichen Durchschnittseinkommens auf 41 Monate aufzuteilen. Die Klägerin müsse sich fiktiven Mietzins für das gemeinsame Haus, das er nicht habe nutzen können, von 250 EUR pro Monat anrechnen lassen. Für das Haus habe er bis Dezember 2018 Kreditraten von 266 EUR pro Monat gezahlt, was als weiterer monatlicher Naturalunterhalt mit 113 EUR anzurechnen sei.
Das Erstgericht sprach der Klägerin an rückständigem Unterhalt für November 2016 bis Jänner 2019 4.447,51 EUR zu und wies ein Mehrbegehren von 1.350,61 EUR ab. An rückständigem Beitrag für anteiligen Mietzins und Wohnungsbenützungskosten für November 2016 bis Jänner 2019 sprach das Erstgericht der Klägerin 6.000 EUR zu und wies ein Mehrbegehren von 2.707,50 EUR ab. Dem laufenden Unterhaltsbegehren ab Februar 2019 gab es zur Gänze statt (insgesamt 395,90 EUR).
Die Abfertigung sei nicht als Überbrückungsleistung aufzufassen, sondern diene dazu, den bisherigen Lebensstandard zu sichern, und sei der statistischen Lebenserwartung von 81 Jahren entsprechend aufzuteilen. Da das gemeinsame Haus nicht dem Wohnbedürfnis der Klägerin diene, es für beide Parteien stets nutzbar und zugänglich gewesen und über eine Vermietung nie gesprochen worden sei, komme die Anrechnung eines den Unterhaltsanspruch der Klägerin mindernden fiktiven Mietzinses nicht in Betracht. Die von den Parteien jeweils getragenen laufenden und Kreditkosten für dieses Haus ergäben aber saldiert bis Ende 2018 eine Minderung der Bemessungsgrundlage des Beklagten. Der aus der spezifischen Beistandspflicht während der Ehe abzuleitende familienrechtliche Anspruch nach § 97 ABGB ermögliche auch die Zahlung von Kosten der Erhaltung einer konkret dringend benötigten Wohngelegenheit, soweit dies die Berechtigte nicht aus Eigenem leisten könne. Zuzusprechen seien nur die Mietkosten der Ehewohnung im Ausmaß von 250 EUR pro Monat für die Jahre 2016 und 2017, in denen die Klägerin auch mit den damaligen Unterhaltszahlungen des Klägers von 112 EUR weniger als das Existenzminimum verdient habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Zur Frage der Aufteilung der Abfertigung und der Anrechnung von laufenden und Kreditkosten sowie fiktiver Mietkosten für das gemeinsame Haus teilte es die Auffassung des Erstgerichts. Zwar hätte die Klägerin den Beklagten nach § 97 ABGB nicht zur Abtretung der Mietrechte der ehemaligen Ehewohnung zwingen können, der Beklagte hätte aber alles zu unterlassen gehabt, was der Klägerin die Nutzung der Wohnung erschwere. Da der Beklagte die Klägerin mit der Aufgabe der Mietrechte unter Druck gesetzt habe, müsse er sich in Fortwirkung der Schutzfunktion des § 97 ABGB so behandeln lassen, als hätte er die Verfügungsberechtigung nicht an sie abgetreten. Zwar sei ihr Einkommen, in das alle Unterhaltsbeiträge des Beklagten, zu denen er verpflichtet sei, einzurechnen seien, im gesamten Bemessungszeitraum etwas über dem „Unterhaltsexistenzminimum“ gelegen. Jedoch dürfe die Klägerin durch den Auszug nicht schlechter gestellt werden, als sie „bei aufrechter Ehe gewesen wäre“; die Verpflichtung zur Zahlung des halben Mietzinses sei daher nicht zu beanstanden.
Die ordentliche Revision wurde zugelassen, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob § 97 ABGB auch dann Wirkung entfalte, wenn der Unterhaltspflichtige die Unterhaltsberechtigte durch die Drohung der Aufgabe der Mietrechte zu deren Übernahme zwinge.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten mit einem Abänderungsantrag dahin, dass die Zahlungspflicht hinsichtlich rückständigen Unterhalts auf 2.545,07 EUR, hinsichtlich laufenden Unterhalts auf insgesamt 170,55 EUR (112 EUR + 58,55 EUR) reduziert und das Begehren auf Zahlung der Kosten für die ehemalige Ehewohnung zur Gänze abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, die Revision wegen Verspätung zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Die Revision ist – wie sich der Oberste Gerichtshof überzeugt hat – rechtzeitig, zulässig und im Sinne des Abänderungsantrags teilweise auch berechtigt.
Der Beklagte führt ins Treffen, die Abfertigung sei nur auf den Zeitraum aufzuteilen, bis er selbst in Pension gehen und sich der Unterhaltsanspruch der Klägerin verringern werde; die Abfertigung sei daher statt mit 53 EUR mit 167 EUR monatlich zu berücksichtigen. Die Klägerin wäre auf einen fiktiven Mietzins für das gemeinsame Haus anzuspannen gewesen. Er wäre nicht zur Zahlung der anteiligen Kosten der ehemaligen Ehewohnung zu verpflichten gewesen, weil er nach der Übertragung der Mietrechte nicht mehr über sie verfügungsberechtigt sei.
Dazu wurde erwogen:
Rechtliche Beurteilung
1. Zur Abfertigung:
1.1. Nach der Rechtsprechung kann bei der Einbeziehung einer Abfertigung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage eine Aufteilung des Gesamtbetrags auf jenen Zeitraum, der den in der Abfertigung enthaltenen Monatsentgelten entspricht, ebenso gerechtfertigt sein wie eine Zuschussrechnung zur Erhaltung des früheren monatlichen Durchschnittseinkommens oder schlechthin die Verteilung auf ein Jahr oder auf einen sonstigen längeren Zeitraum bis hin zu einem Zeitraum, der der statistischen Lebenserwartung des Unterhaltspflichtigen entspricht (RS0047428 [T7]); welcher Zeitraum dabei angemessen ist, richtet sich nach den Lebensverhältnissen der Beteiligten und den Umständen des Einzelfalls (3 Ob 83/11v mwN; RS0047428 [T2, T9, T10, T12, T13] ua).
1.2. Die schwer kranke Klägerin ist in Invaliditätspension und wird wohl nicht mehr auf den Arbeitsmarkt zurückkehren. Unter solchen Umständen und Lebensverhältnissen ist davon auszugehen, dass die Klägerin die Abfertigung nicht als Überbrückungsleistung, sondern dazu verwendet, den – ohnehin geringen – Lebensstandard im Ruhestand zu sichern (vgl 1 Ob 224/98t = RS0009667 [T10]).
Dem setzt die Revision nur die – in erster Instanz in dieser Form zudem nicht vorgebrachte – Überlegung entgegen, dass die Abfertigung der Überbrückung von 88 Monaten bis zum Pensionsantritt des Beklagten dienen solle, der dann seine Unterhaltspflicht verringern werde. Warum es aber sachgerecht sein sollte, den Beitrag der Abfertigung zum Erhalt des Lebensstandards gerade dann enden zu lassen, wenn sich die Einkünfte aus den Unterhaltszahlungen des Beklagten verringern werden, ist nicht nachvollziehbar.
Die Vorinstanzen haben daher zu Recht die Abfertigung zur Absicherung des Lebensstandards der Klägerin auf den der statistischen Lebenserwartung des Unterhaltspflichtigen entsprechenden Zeitraum aufgeteilt.
2. Zur Anrechnung fiktiven Mietzinses:
2.1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits – zu § 94 ABGB – ausgesprochen, dass auch solche tatsächlich nicht gezogene Einkünfte an Kapitalerträgen angemessen zu berücksichtigen sind, die der Unterhalt fordernde Ehegatte vertretbarerweise hätte erzielen können; was vertretbar oder unvertretbar ist, bestimmt sich nach den konkreten Lebensverhältnissen unter Bedachtnahme auf die Entscheidung, die partnerschaftlich eingestellte Ehegatten im gemeinschaftlichen Interesse unter den gegebenen Umständen getroffen hätten (RS0009575). Wird schlecht gewirtschaftet, so ist als Erträgnis fiktiv all das zu berücksichtigen, was bei ordnungsgemäßem Wirtschaften erzielt worden wäre; der Unterhaltsberechtigte darf nicht zu Lasten des Unterhaltspflichtigen bei seiner Vermögensverwaltung nachlässig sein (vgl 10 Ob 92/04h mwN). Dem Unterhaltsberechtigten ist dabei ein gewisser Ermessensspielraum einzuräumen: Eine strenge Beurteilung seines wirtschaftlichen Verhaltens erscheint nicht angemessen, zumal die Vermögensverwaltung einer Privatperson nicht ausschließlich nach betriebswirtschaftlich orientierten Gesichtspunkten erfolgt, sondern besonders auch von individuellen Fähigkeiten und Eigenschaften (Alter, geschäftliche Erfahrung, Lebenssituation etc) sowie persönlichen Zielsetzungen bestimmt wird (vgl 9 Ob 14/13v mwN).
2.2. Nach den Feststellungen steht das Haus in Niederösterreich im gemeinsamen Hälfteeigentum und die Parteien teilten sich faktisch die Kosten derart, dass die Klägerin die laufenden Aufwendungen und der Beklagte die Kreditraten beglich; diese Differenz wurde vom Erstgericht ohnehin berücksichtigt. Über eine Vermietung des beiden Parteien gleichermaßen stets zugänglichen und nutzbaren Hauses wurde zwischen ihnen nie gesprochen. Warum es vor diesem Hintergrund der Klägerin zum Nachteil anzurechnen sein sollte, dass das Haus nicht vermietet wurde, ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil sie dazu allein nicht berechtigt gewesen wäre und eine Ermächtigung der Klägerin hiezu oder sonst irgendeine Vereinbarung zwischen den Parteien weder vorgebracht noch festgestellt wurde.
Die Revision ist daher auch in diesem Punkt nicht berechtigt.
3. Zwischenergebnis:
In Ansehung des rückständigen und des laufenden Unterhalts ist die Revision nicht im Recht. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren in Ansehung der angefochtenen Spruchpunkte 1. und 3. des erstinstanzlichen Urteils zu bestätigen.
4. Zum auf § 97 ABGB gestützten Begehren:
4.1. Das dringende Wohnbedürfnis der Klägerin an der ehemaligen Ehewohnung ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig.
4.2. Das Erstgericht hat im Urteilstenor einen Teilbetrag an rückständigem Beitrag für anteiligen Mietzins und Wohnungsbenützungskosten für November 2016 bis Jänner 2019 im Umfang von 6.000 EUR zugesprochen und das Mehrbegehren von 2.707,50 EUR aus demselben Titel abgewiesen.
Der Beklagte hat den Zuspruch aus dem Titel Wohnungserhaltungskosten sowohl in seiner Berufung als auch in der Revision zumindest erkennbar auch in Ansehung der einzelnen Periodenzusprüche bekämpft, sodass sie nunmehr der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht entzogen sind.
Für die Auslegung der Tragweite des Urteilsspruchs sind die Entscheidungsgründe heranzuziehen (RS0000300). Aus diesen ist hier ersichtlich, dass das Erstgericht nur Wohnungserhaltungskosten als berechtigt ansah und damit jedenfalls die gesamten Wohnungsbenützungskosten (hier Gas und Strom von monatlich 72,50 EUR) als nicht berechtigt ansah. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung, wonach bei der Anwendung von § 97 ABGB ein Leistungsanspruch grundsätzlich nur die Wohnungserhaltungskosten im eigentlichen Sinn erfassen kann, also insbesondere die Miete, nicht aber die Kosten der Wohnungsbenutzung wie Strom, Gas oder Telefon (4 Ob 55/07b mwN; 6 Ob 84/11p; RS0119482); Umstände, warum Kosten der Wohnungsbenutzung hier ausnahmsweise ein Teil des Mietzinses wären, wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.
In Ansehung des die Kosten der Wohnungsbenutzung (Gas und Strom) betreffenden Klagsteils (in Punkt 5 des erstinstanzlichen Urteils) blieb die Klagsabweisung von der Klägerin unangefochten. Diese Ansprüche sind daher in diesem Umfang nicht mehr Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens.
4.3. Nach § 97 ABGB hat ein Ehegatte, der über die zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des anderen Gatten dienende Wohnung verfügungsberechtigt ist, alles zu unterlassen und vorzukehren, damit der auf die Wohnung angewiesene Gatte diese nicht verliere.
Zweck von § 97 ABGB ist es, dem betroffenen Ehegatten – grundsätzlich auf Dauer der Ehe beschränkt (6 Ob 598/85; Hinteregger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 § 97 [2006] Rz 25 und Rz 28; Ferrari in Schwimann/G. Kodek, ABGB5 [2018] § 97 Rz 20; Koch in KBB5 [2017] Rz 1) – jene Wohnmöglichkeit zu erhalten, die ihm bisher zur Deckung des den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Bedürfnisses gedient hat und die er weiterhin benötigt (RS0009570); er soll insofern vor Willkürakten des anderen Gatten geschützt werden (RS0009580), gleichgültig ob der Verfügungsbefugte den wohnungsbedürftigen Gatten in seinem Wohnrecht durch rechtliche Dispositionen über die Wohnung (wie Aufgabe von Mietrechten, Verzicht, Veräußerung, Zulassung exekutiver Verwertung) oder durch tatsächliches Verhalten beeinträchtigt (Ferrari in Schwimann/G. Kodek Rz 2; Smutny in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.06 § 97 [2019] Rz 1).
Auf dieser Grundlage kann dem Verfügungsberechtigten auch die Zahlung von Wohnungserhaltungskosten (insbesondere der Miete) aufgetragen werden (RS0111673). Das gilt auch bei Nichtbestehen eines Geldunterhaltsanspruchs nach der Prozentsatzmethode, wenn der andere Ehegatte nicht in der Lage ist, diese Kosten ohne Gefährdung seiner über den Wohnbedarf hinausgehenden übrigen Unterhaltsbedürfnisse zu tragen (vgl RS0085176). Damit wird im Rahmen des § 97 ABGB ein Zahlungsanspruch begründet, der getrennt vom eigentlichen Unterhaltsanspruch zu sehen ist.
Dabei wird ein Ehegatte jedenfalls nicht mehr zahlen müssen, als es dem Verhältnis zwischen den Einkommen der Gatten entspricht. Besteht aber – wie hier – ein Unterhaltsanspruch nach der Prozentsatzmethode, ist zudem zu beachten, dass schon dieser Anspruch zu einer grundsätzlich angemessenen Neuverteilung des Familieneinkommens führt und dem Unterhaltspflichtigen aus diesem Grund nicht mehr sein gesamtes Einkommen für die Zahlung der Wohnkosten zur Verfügung steht; ein Rückgriff auf das Verhältnis der Einkommen ist daher nicht mehr angebracht. Vielmehr ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der den Unterhalt ergänzende eigene Anspruch nach § 97 ABGB höchstens mit der Hälfte der Wohnungserhaltungskosten ausgemessen wird; ob auch dieser Rahmen ausgeschöpft (oder aus besonderen Umständen überschritten) wird, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (4 Ob 55/07b mwN; Beck in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR [2010] § 97 ABGB Rz 33).
Der Regelungszweck des § 97 ABGB begründet nämlich einen Zahlungsanspruch (nur) dann, wenn der in der Wohnung verbliebene Ehegatte die Zahlungen nicht aus Eigenem leisten kann, weil nur dann ein Verlust der Wohnung droht, den abzuwehren der verfügungsberechtigte Ehegatte nach § 97 ABGB „vorkehren“ muss. Maßgebend ist vor allem die finanzielle Leistungsfähigkeit beider Teile, weiters die Höhe der Wohnungserhaltungskosten im Verhältnis zu jenen Mitteln, die dem in der Wohnung verbliebenen Gatten (einschließlich des ihm zustehenden Unterhalts) zur Verfügung stehen (4 Ob 55/07b mwN; vgl Ferrari in Schwimann/G. Kodek Rz 5).
4.4. Der Zweck des Schutzes vor Willkürakten des Verfügungsberechtigten umfasst auch das Verbot, eine gemietete Ehewohnung zu kündigen (Hinteregger aaO Rz 17 mwN; Ferrari in Schwimann/Neumayr, ABGB‑TaKomm4 [2017] § 97 Rz 8). Jedoch kann aus § 97 ABGB nicht die Möglichkeit abgeleitet werden, zur Sicherung des Wohnbedürfnisses des nicht verfügungsberechtigten Ehegatten diesem die Mietrechte an der Wohnung zu übertragen (1 Ob 368/98v = RS0111672), aber der Verfügungsberechtigte kann zur Zahlung des Mietzinses oder auf Erfüllung anderer zweckdienlicher Geldansprüche wie etwa Annuitäten und Zinsen eines Wohnungskredits oder Gemeindeabgaben, die Zahlung des Mietzinses an den Bestandgeber oder der noch offenen Leistungen an die Wohnungseigentümergemeinschaft verpflichtet werden (RS0111673).
Da der Verfügungsberechtigte in Erfüllung seiner Beistandspflichten auch jede einseitige rechtliche oder tatsächliche Veränderung zu unterlassen hat, die dem auf die Wohnung angewiesenen Ehegatten die Voraussetzungen der Wohnungsnutzung erschwert, hat er auch die Aufdrängung der Mietrechte und der damit verbundenen Verpflichtungen ohne Zwang der Umstände zu unterlassen (so schon 6 Ob 727/80 = MietSlg XXXII/30 = EvBl 1981/95 = RS0009534).
Ob dies im vorliegenden Fall dazu führt, dass der Beklagte nach § 97 ABGB trotz des Umstands, dass die Klägerin Mieterin der Ehewohnung geworden und ihr dringendes Wohnbedürfnis dadurch gedeckt ist (vgl 3 Ob 106/17k), bis zur Scheidung zur Zahlung der Mietkosten an die Klägerin verpflichtet werden kann, muss hier aber nicht geklärt werden.
4.5. Während nämlich das Erstgericht bei der Berechnung der Leistungsfähigkeit der Klägerin nur die ihr tatsächlich zugeflossenen monatlichen Unterhaltszahlungen des Beklagten von 112 EUR berücksichtigte, legte das Berufungsgericht auch die nunmehr rückwirkend zuerkannten Unterhaltsbeiträge zugrunde. Dies ist jedenfalls dann sachgerecht, wenn – wie hier – die rückwirkende Zahlung der Wohnungserhaltungskosten begehrt wird. Damit wird nicht der Zweck der künftigen Sicherung des familienrechtlichen Anspruchs auf Erhaltung der Wohnmöglichkeit (Stabentheiner in Rummel, ABGB3 [2000] § 97 Rz 2 mwN; Ferrari in Schwimann/Neumayr Rz 1; RS0117258; vgl 9 Ob 226/02d) verfolgt, sondern der Ersatz von in der Vergangenheit bereits getätigten Aufwendungen angestrebt, ohne dass es für diese konkreten vergangenen Perioden noch um die Abwendung des Wohnungsverlusts ginge. Die damalige Leistungsfähigkeit der Klägerin wäre daher an der Gesamtsumme dessen zu messen, was ihr in den und für die jeweiligen Perioden zugeflossen ist und nunmehr – zusätzlich rückwirkend – zufließt.
Davon ausgehend betrugen die der Klägerin monatlich zur Verfügung stehenden Mittel – einschließlich des laufenden und des rückständigen Unterhalts – im Jahr 2016 1.099,55 EUR, im Jahr 2017 1.278,88 EUR, im Jahr 2018 1.384,67 EUR, im Jänner 2019 1.307,78 EUR und ab Februar 2019 – nach Scheidung der Ehe – 1.314,73 EUR.
Mit einem monatlichen Nettoeinkommen um die 1.300 EUR machten die monatlichen Wohnungserhaltungskosten auch unter Einschluss der keinesfalls vom Beklagten zu tragenden Kosten für Strom und Gas etwa die Hälfte des monatlichen Einkommens der Klägerin aus und bewegen sich in einem Rahmen, der notorischerweise von weiten Kreisen der Bevölkerung bewältigt werden muss. Damit ist eine finanzielle Leistungsfähigkeit der Klägerin gegeben, welche – über die durch die nach der Prozentsatzmethode rückwirkende Unterhaltserhöhung erfolgte Neuverteilung des Familieneinkommens hinaus – rückwirkend jedenfalls keinen ergänzenden Anspruch nach § 97 ABGB angezeigt erscheinen lässt. In einer Gesamtbetrachtung fällt dabei das etwas geringere Einkommen bis Ende 2016 nicht ins Gewicht, sodass es auch nicht darauf ankommt, dass über das Klagebegehren für Oktober 2016 bereits vom Erstgericht– ungerügt – nicht abgesprochen wurde und Dezember 2016 nicht Gegenstand der Klage war.
Da die Klägerin über die Ehewohnung verfügungsberechtigt war, sie in den klagsgegenständlichen Perioden die Wohnung erhalten konnte und ihr für diese Perioden mit den rückwirkenden Unterhaltszahlungen insgesamt ein Einkommen zur Verfügung stand, das keinen zusätzlichen Beitrag zur Sicherung des Wohnbedürfnisses erfordert hätte, kommt ein auf § 97 ABGB gestützter Zahlungsanspruch im hier vorliegenden Einzelfall jedenfalls nicht in Betracht.
5. Ergebnis:
Zusammengefasst haben die Entscheidungen der Vorinstanzen im Umfang der Punkte 1 bis 3 des erstinstanzlichen Urteils Bestand; der klagsabweisende Punkt 2 des erstinstanzlichen Urteils blieb unangefochten. Das Begehren nach § 97 ABGB (Punkt 4 und der unangefochten gebliebene Punkt 5 des erstinstanzlichen Urteils) war in Abänderung von Punkt 4 des erstinstanzlichen Urteils zur Gänze abzuweisen und – gemeinsam mit der unangefochten gebliebenen Abweisung nach Punkt 5 des erstinstanzlichen Urteils – in Punkt 4 dieses Urteils zusammenzufassen.
6. Kosten:
Der Kostenvorbehalt für das gesamte Verfahren fußt auf § 52 Abs 3 ZPO. Das Berufungsgericht hat die Kostenentscheidung vorbehalten, sodass in diesem Rechtsgang keine Kostenentscheidung zu treffen und über die Verpflichtung zum Kostenersatz für das gesamte Verfahren vom Erstgericht nach rechtskräftiger Erledigung der Streitsache zu entscheiden ist.
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