European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0090OB00014.13V.0529.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung
Rechtliche Beurteilung
1. Der Beklagte sieht einen Verfahrensmangel darin, dass das Berufungsgericht nicht die beantragte neuerliche Parteieneinvernahme durchgeführt hat. Die Frage, ob das Berufungsgericht eine Beweiswiederholung für notwendig hält, gehört jedoch der Beweiswürdigung an und ist nicht revisibel (RIS‑Justiz RS0043125).
2. Gegen den ‑ von der Klägerin rechtsirrtümlich erst 2011 ‑ geltend gemachten Unterhaltsanspruch nach § 66 EheG wendet der Beklagte ein, dass seine Karriere erst zwanzig Jahre nach der Scheidung begonnen habe, als die drei gemeinsamen Kinder längst erwachsen gewesen seien und er wiederverheiratet gewesen sei. Die Klägerin habe zu seinem nunmehrigen Einkommen weder einen materiellen noch einen ideellen Beitrag geleistet.
Dass mit dem im Scheidungsvergleich vom 28. 6. 1974 festgelegten Unterhaltsanspruch der Klägerin kein Fixunterhalt vereinbart wurde, bestreitet der Beklagte im Revisionsverfahren nicht mehr. Ansonsten gelten Unterhaltsvereinbarungen als unter der Umstandsklausel abgeschlossen, sofern diese nicht unzweifelhaft ausgeschlossen wurde (s RIS‑Justiz RS0018900). Letzteres war hier nicht der Fall. Die Wirkung der Klausel liegt darin, dass bei wesentlicher Änderung der maßgeblichen Umstände eine Anpassung des Unterhaltsanspruchs verlangt werden kann. Eine zeitliche Beschränkung besteht dafür nicht, der Anspruch als solcher ist unverjährbar (§ 1481 ABGB).
Für den angemessenen Unterhalt bildet der Lebenszuschnitt zur Zeit der Scheidung bloß den Ausgangspunkt, von dem aus alle Veränderungen in den beiderseitigen Lebensverhältnissen zu berücksichtigen sind. Daher nimmt der Unterhaltsberechtigte nach Maßgabe der clausula rebus sic stantibus auch nach der Scheidung am wirtschaftlichen Aufstieg und Niedergang des Unterhaltspflichtigen teil und partizipiert damit gewissermaßen an dessen Lebensstandard ( Zankl/Mondel in Schwimann/Kodek , § 66 EheG Rz 11 mwN). Das Argument, dass der Unterhaltsberechtigte dergestalt auch dann vom Einkommen des anderen profitiert, wenn er nichts mehr zu dessen Lebensstandard beiträgt, wird dadurch aufgewogen, dass der Unterhaltsberechtigte bei einer wesentlichen Einkommenseinbuße des Unterhaltspflichtigen auch eine Reduktion seines Unterhaltsanspruchs hinnehmen muss.
3. Weiters wurde bereits ausgesprochen, dass auch bei überdurchschnittlich hohem Einkommen des besser verdienenden Ehegatten der Unterhaltsberechnung 40 % des Familieneinkommens zugrunde zu legen sind, weil dieser Prozentsatz auf den besonderen Arbeitseinsatz und damit allenfalls verbundene (Rekreations‑)Kosten des unterhaltspflichtigen angemessen Bedacht nimmt (RIS‑Justiz RS0012492 [T10] = 1 Ob 288/98d). Eine „Überalimentierung“, wie sie im Bereich des Kindesunterhalts aus pädagogischen Gründen vermieden werden soll, ist bei der Bemessung des Unterhalts Erwachsener nicht anzuwenden, weil hier erzieherische Überlegungen nicht Platz greifen können (RIS‑Justiz RS0012492 [T17] = 8 Ob 38/09k mwN).
4. Der Beklagte meint weiter, dass sich die Klägerin fiktive Mieteinkünfte aus der Liegenschaft in K***** anrechnen lassen müsse.
Tatsächlich nicht gezogene Einkünfte des Unterhaltsberechtigten an Vermögenserträgen sind angemessen zu berücksichtigen, wenn sie der Unterhalt fordernde Ehegatte vertretbarerweise hätte ziehen können. Dem Unterhaltsberechtigten ist dabei ein gewisser Ermessensspielraum einzuräumen. Eine strenge Beurteilung seines wirtschaftlichen Verhaltens erscheint nicht angemessen, zumal die Vermögensverwaltung einer Privatperson nicht ausschließlich nach betriebswirtschaftlich orientierten Gesichtspunkten erfolgt, sondern besonders auch von individuellen Fähigkeiten und Eigenschaften (Alter, geschäftliche Erfahrung, Lebenssituation usw) sowie persönlichen Zielsetzungen bestimmt wird (10 Ob 92/04h ua; s auch Gitschthaler , Unterhaltsrecht 2 , Rz 692a).
Die Klägerin übergab die erwähnte Liegenschaft gegen Einräumung eines Wohnungsgebrauchsrechts mit Notariatsakt vom 28. 12. 2010 der gemeinsamen Tochter. Da diese ‑ in Familienkreisen durchaus übliche ‑ Übergabe zu einem Zeitpunkt stattfand, als die Klägerin (rechtsirrtümlich) keinen Unterhalt vom Beklagten forderte, ist die Ansicht des Berufungsgerichts, dass ihr unterhaltsrechtlich daraus kein Vorwurf zu machen sei, vertretbar.
5. Die Wohnkostenersparnis der Klägerin aus ihrer Nutzung des Hauses in W***** wurde vom Berufungsgericht gemäß § 273 ZPO mit 300 EUR berücksichtigt. Die Anwendung dieser Bestimmung hat gewöhnlich ‑ und auch hier ‑ keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (RIS‑Justiz RS0040494). Unter Berücksichtigung dessen, dass die Klägerin für das Haus, das sie schon mit den Kindern bewohnt hatte und vor Jahren einem ihrer Söhne übertrug, sämtliche Kosten, Abgaben und Versicherungen zahlt, hat das Berufungsgericht den ihm eingeräumten Ermessensspielraum auch nicht offenkundig überschritten. Für den behaupteten Wert von 900 EUR fehlen hinreichende Anhaltspunkte.
6. Das Vorbringen des Beklagten, seit Juli 2012 gegenüber seiner nunmehrigen Ehefrau unterhaltspflichtig zu sein, war nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens und des festgestellten Sachverhalts.
7. Da es der Revision sohin insgesamt nicht gelingt, eine erhebliche Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, ist sie zurückzuweisen.
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