OGH 7Ob111/09p

OGH7Ob111/09p30.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** H*****, vertreten durch Dr. Beate Köll-Kirchmeyr, Rechtsanwältin in Schwaz, gegen die beklagte Partei ***** Versicherung AG *****, vertreten durch Dr. Herbert Laimböck, Rechtsanwalt in Wien, wegen 6.500 EUR, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 18. Februar 2009, GZ 2 R 28/09w-15, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 30. Oktober 2008, GZ 12 C 550/08v-9, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Den Gegenstand der vorliegenden Deckungsklage bildet im Verfahren über den Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ausschließlich die Auslegung des Art 3 der Allgemeinen Bedingungen für Haushaltsversicherungen Fassung 2005 (in Hinkunft: ABH 2005). Dieser lautet auszugsweise:

„Wo gilt die Versicherung.

1. Die Versicherung gilt in den vom Versicherungsnehmer bewohnten Räumen des Gebäudes auf dem Grundstück, das in der Polizze als Versicherungsort angeführt ist.

2. Auch außerhalb der Wohnräume sind folgende Sachen des Wohnungsinhaltes versichert:

2.1. In ausschließlich vom Versicherungsnehmer genutzten Räumen wie Kellerabteile, Schuppen, Garagen und dergleichen: Möbel, Stellagen, Werkzeuge, Fahrräder, Kinderwagen, Krankenfahrstühle, Kraftfahrzeug-Zubehör, Reise- und Sportutensilien, Schlauchboote, Wäsche, Lebensmittel, Wirtschaftsvorräte, Kühl-, Waschgeräte und Heizmaterial sowie geringe Mengen an Fliesen, Tapetenrollen u.ä. und sonstiger Boden- und Kellerkram.

2.2. In gemeinschaftlich genutzten Räumen wie Dachböden, Stiegenhäuser, Gänge, Abstellräume und dergleichen sowie im Freien auf dem Grundstück: [...]"

Das Haus des Klägers besteht aus Erd-, Ober- und Kellergeschoss, welches zur Gänze unter dem Erdniveau liegt. Im Kellergeschoss befinden sich drei Kellerräume, ein Heizraum, ein Tankraum, ein WC, eine Sauna, ein Wellnessraum (Saunavorraum, in dem ein Duschbereich, eine mit Strand, Meer und Palmen bemalte Wand, künstliche Pflanzen und Sitzgelegenheiten vorhanden sind) und der Gang. Unbestritten blieb die Behauptung des Klägers, dass der Wellnessraum gemeinsam mit den anderen bewohnten Räumlichkeiten beheizt wird.

Am 17. Jänner 2007 kam es durch einen Bruch des Filterbehälters der Wasserstation im Heizraum zu einem massiven Austritt von Leitungswasser, das sich im gesamten Kellergeschoss in einer Höhe von etwa 25 bis 30 cm verteilte. Die einige Zeit vorher eingezogene Lebensgefährtin des Klägers hatte im Wellnessraum in einem Umzugskarton, der am Boden stand, einen weißen, 4 bis 5 Jahre alten Nerzmantel aufbewahrt, der durch den Wassereintritt völlig zerstört wurde.

Das Erstgericht qualifizierte den Wellnessraum - wie die Beklagte - wegen seiner Situierung im Kellerbereich und mangels Integration in die Wohnräume nicht als bewohnten Raum im Sinn des Art 3.1. der AHB 2005 und wies deshalb die Klage ab.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Allein die Tatsache, dass ein Raum im Kellergeschoss eines Hauses situiert sei, bedeute nicht, dass es sich dabei nicht um einen bewohnten Raum handeln könne. Ein Wellnessraum sei bei objektiver Auslegung nicht unter Art 3.2. der AHB 2005 zu subsumieren, weil dort nur von Kellerabteilen die Rede sei, die regelmäßig als Abstellräume oder zu Lagerzwecken genutzt würden. Die Einschränkung auf Gegenstände, die im Art 3.2. AHB 2005 genannt seien, finde in bewohnten Räumen im Keller keine Anwendung, weshalb der Nerzmantel vom Versicherungsschutz gedeckt sei. Daher habe sich das Erstgericht mit der Anspruchshöhe auseinander zu setzen. Der Rekurs sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob für die vorliegende Konstellation Versicherungsschutz in der Haushaltversicherung bestehe.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Klagsabweisung, hilfsweise Aufhebung in die zweite Instanz.

Dem tritt der Kläger in seiner Rekursbeantwortung sowohl hinsichtlich der Zulässigkeit des Rekurses als auch inhaltlich entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, weil die Auslegung von Versicherungsbedingungen, zu denen - wie hier - nicht bereits oberstgerichtliche Judikatur existiert, grundsätzlich revisibel ist; er ist aber nicht berechtigt.

1. Die Interpretation der Art 3.1. und 3.2. der AHB 2005 durch das Berufungsgericht folgt den in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen, dass bei der Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die sich am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren hat (RIS-Justiz RS0050063), die einzelnen Klauseln objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen sind (RIS-Justiz RS0008901), wobei der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen ist (7 Ob 216/07a uva) und kommt zum zutreffenden Ergebnis:

2.1. Art 3.1. der AHB 2005 definiert die räumliche Ausdehnung des Versicherungsschutzes mit den „bewohnten Räumen" des Gebäudes, ohne diese in irgend einer Weise einzuschränken, sei es nach Ausstattung oder Lage im Gebäude; im folgenden Art 3.2. werden sie zum einen mit „Wohnräumen" gleichgesetzt und zum anderen von einzeln genannten, davon zu unterscheidenden („außerhalb der Wohnräume") Räumen abgegrenzt, und zwar von Kellerabteilen, Schuppen, Garagen, Dachböden, Stiegenhäusern, Gängen, Abstellräumen und dergleichen. Bei diesen Räumen handelt es sich nach allgemeinem Sprachverständnis um typische Lager- und Durchgangsräume, denen niemand Wohnzwecke beimisst.

Damit ist - entgegen der den unzweifelhaften Wortlaut der Klausel missachtenden Meinung der Beklagten - klargestellt, dass die Deckungserweiterung nach Art 3.2. der AHB 2005 (in räumlicher Hinsicht, allerdings bei gleichzeitiger Einschränkung hinsichtlich der versicherten Gegenstände) nicht den Keller/das Kellergeschoss an sich erfasst, worauf schon das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat. Davon, dass Räume nur deshalb nicht zu den Wohnräumen zählen, weil sie im (unterirdischen) Kellergeschoss situiert sind, kann daher nach dem Inhalt der AHB 2005 keine Rede sein.

Vor allem bei Einfamilienhäusern entspricht es auch nicht dem heutigen Verständnis, ein Wohnraum sei nur bei einer Lage über dem Erdniveau gegeben und diene nur dem Grundbedürfnis Wohnen, offensichtlich gemeint im Sinn eines „Dachs über dem Kopf". Vielmehr werden heute als Folge des allgemein gestiegenen Lebensstandards und des immer stärker verbreiteten Bedürfnisses nach Entspannung und Förderung der Gesundheit jedenfalls entsprechend adaptierte und benützte Räume (auch) im Kellergeschoss, wie die von der Beklagten angesprochenen Fitness-, Wellness- oder auch Ruheräume dem Wohnbereich zugeordnet.

2.2. Auch der besonders ausgestaltete und beheizte Wellnessraum des Klägers soll ganz offensichtlich der Entspannung dienen. Der Umstand, dass darin Umzugskartons der Lebensgefährtin des Klägers gelagert waren, ändert an dieser Beurteilung nichts; auch wenn solche Kartons in einem herkömmlichen „Wohnzimmer" stünden, würde dieses seine Qualifikation als Wohnraum dadurch nicht verlieren. Dass der Wellnessraum im Haus des Klägers tatsächlich als Abstell- oder Lagerraum verwendet worden wäre, wurde von der Beklagten in erster Instanz nicht behauptet.

Dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers einer Haushaltsversicherung entspricht es daher, auch den Wellnessraum des Klägers im Kellergeschoss des versicherten Gebäudes als bewohnten Raum oder Wohnraum im Sinn des Art 3 AHB 2005 zu qualifizieren.

3. Im Hinblick auf die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts betreffend Unterversicherung und Aktivlegitimation ist noch Folgendes klarzustellen:

3.1. Unterversicherung liegt nach § 56 VersVG vor, wenn die Versicherungssumme niedriger ist als der Versicherungswert zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls. Beweispflichtig für das Vorliegen einer Unterversicherung ist grundsätzlich der Versicherer (Schauer in BK § 56 VVG Rz 29), hier also die Beklagte. Sie hat bisher einen solchen Einwand jedoch nicht erhoben (und zwar auch nicht im Schriftsatz ON 6), sodass kein Erörterungsbedarf seitens des Erstgerichts besteht.

3.2. Ebenso wenig bedarf es der Erörterung der Aktivlegitimation des Klägers, der sich schon in der Mahnklage auf Art 1.6. der AHB 2005 berief, wonach zu den versicherten Sachen auch „fremde Sachen - ausgenommen die der Mieter, Untermieter und der gegen Entgelt beherbergten Gäste - soweit nicht aus einer anderen Versicherung Entschädigung verlangt werden kann" zählen. In diesem Zusammenhang hat die Beklagte aber die mangelnde Aktivlegitimation des Klägers gar nicht bestritten, sodass kein Anlass zur Prüfung besteht (vgl RIS-Justiz RS0035196):

Die im Art 1.6. AHB 2005 vorgesehene Einbeziehung von (bestimmten) fremden Sachen in den Versicherungsschutz ist ein Fall der Versicherung für fremde Rechnung nach §§ 74 ff VersVG (Schauer, Versicherungsvertragsrecht³, 164). Bei einer Versicherung für fremde Rechnung hat der Versicherungsnehmer das formelle Verfügungsrecht über die sachlich dem Versicherten zustehende Forderung; es handelt sich um eine Art gesetzliches Treuhandverhältnis. Der Versicherte kann daher nicht über seine Ansprüche verfügen oder sie gerichtlich geltend machen (RIS-Justiz RS0080863, RS0080792). Nur der Versicherungsnehmer kann auf Leistung an sich oder an den Versicherten klagen, diesem Prozess kann der Versicherte lediglich als Nebenintervenient beitreten (RIS-Justiz RS0035281 [T5]). Ein eigenes Klage- oder Verfügungsrecht des Versicherten besteht nur in den Fällen, in denen der Versicherte den Versicherungsschein besitzt, der Versicherungsnehmer zustimmt oder dieser den Anspruch erkennbar nicht weiter verfolgen will (RIS-Justiz RS0080792 [T8]).

Zweifel an der Aktivlegitimation des Klägers sind daher wegen der geltenden Rechtslage nicht angebracht.

4. Zur Höhe des Klagebegehrens blieb bisher unklar, welchen Wert des Nerzmantels der Kläger ersetzt begehrt. In der Mahnklage argumentierte er nämlich, für den vier Jahre alten, um 7.200 EUR gekauften Mantel sei unter Abzug Neu für Alt ein Betrag von 6.500 EUR gerechtfertigt; damit wurde auf den Zeitwert abgestellt, den die Beklagte mit 4.800 EUR außer Streit stellte. Später lautete das Vorbringen des Klägers unter Berufung auf Art 6.1.2. der AHB 2005 („Was wird im Schadensfall entschädigt? Bei zerstörten oder entwendeten Sachen die Kosten der Anschaffung neuer Sachen gleicher Art und Güte [Wiederbeschaffungspreis am Tag des Schadens]"), der Betrag von 6.500 EUR entspreche jedenfalls dem Wiederbeschaffungswert am Tag des Schadens.

Der Kläger wird also aufzufordern sein, klarzustellen, welchen Wert er ersetzt verlangt.

5. Zum Einwand der Beklagten, es habe nach Art 6.5. der AHB 2005 („... Der Versicherungsnehmer erwirbt den Anspruch auf Zahlung des die Zeitwertentschädigung übersteigenden Teiles der Entschädigung nur insoweit, als die Verwendung der Entschädigung zur Wiederherstellung von Gegenständen des Wohnungsinhalts innerhalb eines Jahres nach dem Schadensfall sichergestellt ist.") beim Zeitwertersatz zu verbleiben, ist zu beachten (vgl 7 Ob 262/07s):

Nach Art 6 Punkt 5. AHB wird eine über den Zeitwert hinausgehende Entschädigung nur insoweit erworben, als deren Verwendung „zur Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung von Gegenständen des Wohnungsinhaltes innerhalb eines Jahres nach dem Schadenfall sichergestellt ist". Es handelt sich dabei um eine sogenannte Wiederherstellungsklausel, die nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0081840; vgl auch RS0081460) weder eine Wiederherstellungspflicht noch eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers begründet, sondern im Sinn einer Risikoabgrenzung oder Risikobegrenzung an das Vorliegen eines objektiven Tatbestandsmerkmals insofern Rechtsfolgen knüpft, als die Leistung einer den Zeitwert übersteigenden Entschädigung davon abhängig gemacht wird, dass gesichert ist, dass die Entschädigung zur Wiederbeschaffung der zerstörten oder gestohlenen Gegenstände verwendet wird (Kollhosser in Prölss/Martin VVG27 Rz 1a). Der entsprechende Nachweis gegenüber dem Versicherer ist binnen eines Jahres ab Schadenseintritt zu erbringen. Die Klausel entspricht der Bestimmung des § 97 VersVG, die eine Auslegungsregel für (Gebäude betreffende) Wiederherstellungsklauseln darstellt (Kollhosser aaO Rz 1). Nicht erforderlich ist, dass eine Wiederbeschaffung der betreffenden Gegenstände tatsächlich erfolgte. Vielmehr tritt die Fälligkeit der über den Zeitwert hinausgehenden Entschädigung bereits mit der Sicherstellung der Wiederbeschaffung der Gegenstände ein. Schon dadurch wird nämlich eine Bereicherung des Versicherungsnehmers in Form von Bargeld (weitgehend) verhindert und so der Zweck erreicht, das durch die Neuwertversicherung erhöhte subjektive Risiko zu vermindern (Martin, Sachversicherungsrecht³ R IV 8). Wann die Verwendung der Entschädigungszahlung zur Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung „gesichert" ist, entscheidet nach herrschender Meinung Treu und Glauben (Kollhosser aaO Rz 14 mwN); es hängt diese Frage von den Umständen des Einzelfalls ab. Grundsätzlich kann lediglich gesagt werden, dass eine hundertprozentige Sicherheit nicht verlangt werden kann, sondern es ausreichen muss, wenn angesichts der getroffenen Vorkehrungen keine vernünftigen Zweifel an der Wiederbeschaffung der gestohlenen Gegenstände bestehen (RIS-Justiz RS0112327).

Es kommt also - entgegen dem Vorbringen der Beklagten - nicht auf die Wiederbeschaffung innerhalb der Jahresfrist an, sondern nur auf deren Sicherstellung. Dazu fehlt aber jedes Vorbringen des Klägers, weshalb es auch dazu einer Erörterung mit den Parteien bedarf.

6. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO (RIS-Justiz RS0035976).

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