OGH 7Ob103/15w

OGH7Ob103/15w2.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. B***** T*****, und 2. Mag. E***** T*****, beide vertreten durch Mag. Helmut Hirsch, Rechtsanwalt in Raaba‑Grambach, gegen die beklagte Partei U***** Versicherungen AG, *****, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 320.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 10. März 2015, GZ 2 R 44/15f‑27, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 23. Dezember 2014, GZ 45 Cg 19/14h‑23, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00103.15W.0902.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 3.000,08 EUR (darin enthalten 500,01 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerinnen sind Töchter und je zur Hälfte eingeantwortete Erbinnen des Anfang Juli 2013 nach rund zweijährigem Wachkoma verstorbenen Versicherungsnehmers. Dieser war bei der (Rechtsvorgängerin der) Beklagten unfallversichert. Er erlitt am 11. 6. 2011 nach zahlreichen Erdwespenstichen beim Rasenmähen einen Kreislaufstillstand, nach welchem er sich bis zu seinem Tod in einem wachkomaartigen Zustand befand. Die Wespenstiche führten zu einer extremen allergischen Reaktion des Versicherungsnehmers, nämlich zu einem anaphylaktischen Schock, der eine Unverträglichkeit auf Wespengift voraussetzt. Eine solche Reaktion kann grundsätzlich bei jedem Menschen auftreten, wenn bereits ein Erststich erfolgt ist. Ein Erststich verläuft regelmäßig ohne wesentliche Reaktion. Bei einem Zweitstich kann durch die Reaktion des Immunsystems ein anaphylaktischer Schock auftreten, der eine Wespengiftunverträglichkeit voraussetzt. Hochwahrscheinlich lag der Erststich beim Versicherungsnehmer ein bis zwei Jahre vor dem zum Schockgeschehen führenden „Zweitstich“. Der Versicherungsnehmer war am 11. 6. 2011 hochallergisch gegen diese Art von Insektengift, was ihm aber unbekannt war. Er erlitt keinen Herzinfarkt.

Der Versicherungsnehmer schloss mit der (Rechtsvorgängerin der) Beklagten einen Unfallversicherungsvertrag ab, dem insbesondere die Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB 2005) zugrunde liegen.

Die AUVB 2005 lauten auszugsweise:

ABSCHNITT A:

VERSICHERUNGSSCHUTZ

...

Artikel 6

Begriff des Unfalles

1. Unfall ist ein vom Willen des Versicherten unabhängiges Ereignis, das plötzlich von außen mechanisch oder chemisch auf seinen Körper einwirkt und eine körperliche Schädigung oder den Tod nach sich zieht.

...

3. Krankheiten gelten nicht als Unfall, ...

...

ABSCHNITT B:

VERSICHERUNGSLEISTUNGEN

Artikel 7

Dauernde Invalidität

Soweit nichts anderes vereinbart ist, gilt:

1. Ergibt sich innerhalb eines Jahres vom Unfalltag an gerechnet, dass als Folge des Unfalles eine dauernde Invalidität zurückbleibt, wird aus der hiefür versicherten Summe der dem Grade der Invalidität entsprechende Betrag gezahlt.

3. Lässt sich der Invaliditätsgrad nach Pkt. 2. nicht bestimmen, ist maßgebend, inwieweit die körperliche oder geistige Funktionsfähigkeit nach medizinischen Gesichtspunkten beeinträchtigt wurde.

...

ABSCHNITT C:

BEGRENZUNGEN DES VERSICHERUNGS-SCHUTZES

...

Artikel 18

Sachliche Begrenzung des Versicherungsschutzes

1. Eine Versicherungsleistung wird nur für die durch den eingetretenen Unfall hervorgerufenen Folgen (körperliche Schädigung oder Tod) erbracht.

...

3. Haben Krankheiten oder Gebrechen, die schon vor dem Unfall bestanden, bei der durch ein Unfallereignis hervorgerufenen Gesundheitsschädigung oder deren Folgen mitgewirkt, ist im Falle einer Invalidität der Prozentsatz des Invaliditätsgrades, ansonsten die Leistung entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens, zu vermindern, sofern dieser Anteil mindestens 25 % beträgt.

...

7. Ein Herzinfarkt gilt in keinem Fall als Unfallsfolge. Der Versicherungsschutz bezieht sich jedoch auf Unfälle, die der Versicherte infolge eines Herzinfarktes oder Schlaganfalles erleidet.

...

Die Klägerinnen begehren letztlich je 160.000 EUR sA. Sie beanspruchen aus der Unfallversicherung ihres Vaters je zur Hälfte die darin vereinbarten Leistungen, nämlich wegen 100%iger Invalidität 300.000 EUR, Unfallkostenersatz 10.000 EUR, „Schmerzen-geld“ 9.000 EUR und die Rehabilitationspauschale von 1.000 EUR, zusammen daher 320.000 EUR. Ihr Vater und Versicherungsnehmer habe nach Wespenstichen am 11. 6. 2011 einen Herz‑Kreislauf‑Stillstand erlitten. Ein Unfall im Sinn der Versicherungsbedingungen liege vor. Ihr Vater sei infolge des injizierten Insektengifts geschädigt worden. Er sei zuvor nicht allergisch gewesen. Ein Herzinfarkt sei nicht vorgelegen. Er habe sich seit 6. 9. 2011 bis zum Ableben in einer Klinik zur Rehabilitationsbehandlung befunden.

Die Beklagte wendete ein, der Tod des Versicherungsnehmers sei nicht durch einen Unfall, nämlich die Wespenstiche und die Injektion des Gifts verursacht worden, sondern nur wegen seiner spezifischen körperlichen Verfassung, nämlich seiner Allergie. Bei einem Herz‑Kreislauf‑Stillstand handle es sich um einen Herzinfarkt, der bedingungsgemäß nicht als Unfallfolge gelte. Die Rehabilitationspauschale stehe nicht zu, weil sich der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von sechs Wochen in einen „Rehab‑Aufenthalt“ begeben habe.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Der Oberste Gerichtshof habe in 7 Ob 21/06y den Unfallbegriff bei einem Wespenstich nicht als erfüllt angesehen, weil die Schädigung nicht durch ein auf den Geschädigten einwirkendes mechanisches oder chemisches Ereignis eingetreten sei, sondern durch die spezifische körperliche Konstitution (Allergie). Das gelte auch hier.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerinnen nicht Folge. Rechtlich führte es aus, dass es davon ausgehe, dass ein Unfall im Sinn der AUVB 2005 vorliege. Die schwerste aller Allergien gegen Wespengift führe zu keinem anaphylaktischen Schock, wenn der Betroffene nicht von einer Wespe gestochen werde. Der Schaden setze ein Zusammenwirken dieser Allergie mit der Injektion von Wespengift voraus; er sei daher nicht allein auf die Allergie zurückzuführen. Der „Allergiefall“ sei in den AUVB 2005 nicht geregelt. Bei der ergänzenden Vertragsauslegung sei auf die übrigen Vertragsbestimmungen und den Vertragszweck abzustellen. Daraus folge ein Ausschluss des Versicherungsschutzes für ein allergiebedingtes Schockgeschehen. Die AUVB 2005 lösten das Problem der Anlageschäden in Art 18.3. grundsätzlich so, dass „entsprechend dem Anteil“ die Versicherungsleistung zu vermindern sei. „Krankheiten und Gebrechen“ seien dabei als regelwidrige Zustände zu verstehen, die vor dem Unfall vorgelegen seien und wesentlich zu dessen Folgen beigetragen hätten. Vernünftige Parteien hätten wohl einen angemessenen Interessenausgleich darin gesehen, dass das Risiko einer Schadensanlage vom Versicherten zu übernehmen sei, wie es auch Art 6.3. und Art 18.3. AUVB 2005 sinngemäß vorsähen. Da beim Versicherungsnehmer die Schadensanlage (allergiebedingte Schadensneigung) für die gravierenden Unfallfolgen ausschlaggebend gewesen sei, nicht aber die für sich gesehen grundsätzlich harmlosen Wespenstiche, bestehe kein Anlass, die Beklagte zu einer (allenfalls anteiligen) Versicherungsleistung zu verpflichten.

Das Berufungsgericht ließ gemäß § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision zu, weil dieser Fall Anlass geben könne, die Judikatur zum Unfallbegriff und zum Anlageschaden in der privaten Unfallversicherung fortzuentwickeln und auch eine Klarstellung im Hinblick auf die sozialversicherungsrechtliche Rechtsprechung zum Arbeitsunfall notwendig erscheine.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten beantwortete Revision der Klägerinnen ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

1.1. Art 6.1. AUVB 2005 bezeichnet den Unfall als ein vom Willen des Versicherten unabhängiges Ereignis, das plötzlich von außen mechanisch oder chemisch auf seinen Körper einwirkt und eine körperliche Schädigung oder den Tod nach sich zieht. Es wurde bereits ausgesprochen, dass der Biss oder Stich eines Tieres (auch eines Insekts) der deutschen Lehre und Rechtsprechung folgend als Unfall im Sinn der Versicherungsbedingungen bezeichnet werden kann (7 Ob 12/13k mwN; Knappmann in Prölss/Martin, VVG29 § 178 Rn 12a).

1.2. In der Entscheidung 7 Ob 20/94 sprach der Oberste Gerichtshof aus, bei der Übertragung einer Krankheit durch Insekten‑/Zeckenbiss erfolge die Erkrankung nicht durch eine mechanische Einwirkung, nämlich den unter Umständen kaum merkbaren Biss, sondern durch das damit unmittelbar bewirkte Eindringen von Krankheitserregern in den Körper. In 7 Ob 21/06y verneinte der Oberste Gerichtshof ‑ dieser Entscheidung folgend ‑ die Leistungspflicht des Unfallversicherers gegenüber einem Versicherten, der nach einem Wespenstich aufgrund einer Allergie einen anaphylaktischen Schock (allergische Reaktion) und bleibende Schäden erlitt. Die körperliche Schädigung sei nicht durch eine mechanische Einwirkung, nämlich den unter Umständen kaum merkbaren Stich, und auch nicht durch das von außen in den Körper injizierte Wespengift, das an und für sich in der Regel keine schädigende Wirkung auf den Körper habe, entstanden. Der Schockzustand sei ausschließlich durch die spezifische körperliche Konstitution des Versicherungsnehmers eingetreten. Da der Wespenstich weder als ein von außen einwirkendes mechanisches noch ein chemisches Ereignis aufzufassen sei, das zu einer körperlichen Schädigung führe, könne nicht von einem Unfall gesprochen werden.

1.3. Die zuletzt zitierte Rechtsprechung wird von Ertl (Wespenstich als Unfall ‑ zur E des OGH 7 Ob 21/06y, ecolex 2007, 923 [924]), Schauer (Unfallbegriff und Vorerkrankung, Bemerkungen zu OGH 7 Ob 130/09g, VR 2010 H 10, 20 [22]) und Palten (Unfall oder nicht Unfall ‑ das ist hier die Frage!, VR 2012 H 1‑2, 32 [41]) kritisiert. Wenn der Versicherungsnehmer an einer Allergie leide, sei auch der Wespenstich als solcher kausal für die Gesundheitsbeeinträchtigung. Dies gelte jedenfalls nach der Äquivalenztheorie. Der im Sinn der conditio sine qua non ermittelte Kausalzusammenhang zwischen dem Ereignis, das mechanisch auf den Körper einwirke (Wespenstich), und der Gesundheitsbeeinträchtigung lasse sich nicht in Abrede stellen. Biss oder Stich (durch Mücke, Biene, Wespe etc) wirkten plötzlich von außen mechanisch auf den Körper ein.

1.4. Die zu 1.2. referierte Rechtsprechung wird vom erkennenden Fachsenat im Hinblick auf die vorstehenden Argumente in der Literatur nicht aufrecht erhalten. Bisse ‑ auch Bisse oder Stiche von Insekten ‑, Tritte und Kratzer von Tieren sind Unfallereignisse von außen (Grimm, Unfallversicherung5 AUB 2010 Z 1 Rn 29). Mangels Einschränkung auf bloß geringfügige Verletzungen fallen auch solche Ereignisse grundsätzlich unter den Unfallbegriff (7 Ob 130/09g: kleine Risswunde durch Anstoßen an einen Küchenkasten). Notwendig ist, dass eine physische Betroffenheit irgendwann im Geschehensablauf eintritt. Daher sind auch Vorgänge nicht ausgeschlossen, die unter Mitwirkung körperinterner Vorgänge, beispielsweise einer allergischen Reaktion, zu einer Gesundheitsschädigung führen (Rixecker in Römer/Landheid, VVG4 § 178 Rn 5).

Bei einem Wespenstich ist die körperliche Schädigung durch die mechanische Einwirkung eingetreten, weil das Wespengift (chemisches Ereignis) ansonsten nicht hätte injiziert werden können. Der Stich (oder auch ein Biss) setzt eine nach der conditio sine qua non‑Theorie äquivalente Kausalkette in Gang. Die Kausalkette ist auch adäquat. Die Folgen entsprechen zwar nicht dem Regelfall, dennoch sind sie nicht gerade denkunmöglich und liegen im Bereich allgemeiner Lebenserfahrung. Der beim Versicherungsnehmer eingetretene Schaden beruhte auf dem Zusammenwirken der schweren Allergie mit der Injektion von Wespengift ‑ einer mechanischen (Ertl aaO, Schauer aaO, Palten aaO) und auch chemischen Einwirkung ‑ und ist daher nicht allein auf die Wespengiftunverträglichkeit zurückzuführen. Damit liegt ein Unfall im Sinn des Art 6.1. AUVB 2005 vor.

2. Die von den Klägerinnen angesprochene Rechtslage und Judikatur zu § 175 ASVG kann schon deshalb nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden, weil es sich hier um eine private, vertraglich vereinbarte Unfallversicherung handelt und Grundlage des Vertrags die AUVB 2005 der Beklagten sind (7 Ob 130/09g, dazu zustimmend Schauer aaO). Die sozialversicherungsrechtliche Rechtsprechung (10 ObS 93/13v = RIS‑Justiz RS0129277 = EvBl 2014/98, 676 [zustimmend Schrattbauer] = DRdA 2014/47, 567 [zustimmend Auer‑Mayer]), wonach ein Arbeitsunfall trotz beim Versicherten bestehender Allergie vorliegt, wenn ein im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der Arbeit erlittener Wespenstich einen anaphylaktischen Schock auslöst, ist nicht maßgeblich, weil die Rechtsfrage hier auf der Grundlage des Versicherungsvertrags zu beurteilen ist.

3.1. Art 18.3. AUVB 2005 enthält eine Regelung über die Leistungskürzung bei mitwirkenden Ursachen. Haben Krankheiten oder Gebrechen, die schon vor dem Unfall bestanden, bei der durch ein Unfallereignis hervorgerufenen Gesundheitsschädigung oder deren Folgen mitgewirkt, ist im Falle der Invalidität der Prozentsatz des Invaliditätsgrades, ansonsten die Leistung entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens zu vermindern; beides jedoch nur, wenn dieser Anteil mindestens 25 % beträgt.

Das in Art 18.3. AUVB 2005 geregelte Abzugsprinzip bezieht sich auf sämtliche Leistungsarten des Abschnitts B der AUVB 2005 (vgl 7 Ob 19/11m) und damit auch auf die von den Klägerinnen begehrten Versicherungsleistungen.

3.2. Art 18.3. AUVB 2005 sieht eine sachliche Begrenzung des Versicherungsschutzes insofern vor, als eine Versicherungsleistung nur für die durch den eingetretenen Unfall hervorgerufenen Folgen zu erbringen ist, der Versicherer also nur für die Folgen einzutreten hat, für die der Unfall (allein) kausal ist (vgl 7 Ob 258/04y = RIS‑Justiz RS0119520). Der durchschnittliche Versicherungsnehmer versteht diese Regelung so, dass unfallfremde Krankheiten oder Gebrechen grundsätzlich zu seinen Lasten gehen, nämlich zu einer Kürzung des Anspruchs oder einem Abzug von der Gesamtinvalidität führen (vgl 7 Ob 192/11b auch BGH IV ZR 216/07 = NJW‑RR 2010, 39 [zur vergleichbaren Klausel Nr 3 S 2 AUB 2000]).

3.3. Abgestellt wird nach Art 18.3. AUVB 2005 allein auf die Mitwirkung der Krankheiten oder Gebrechen auf die Unfallfolgen, nicht darauf, ob beim Unfallereignis selbst Vorerkrankungen mitgewirkt haben (Knappmann in Prölss/Martin, VVG29 AUB 2010 Z 3 Rn 3; Mangen in Beckmann/Matusche‑Beckmann, Versicherungsrechts-Hand-buch3 [2015], § 47. Unfallversicherung Rn 214). Der Versicherer ist für die Mitwirkung von Gebrechen oder Krankheiten an den Unfallfolgen, insbesondere dass deren Mitwirkungsanteil mindestens 25 % beträgt, beweispflichtig (so auch Schauer aaO 23; Palten aaO 43). Bei der Frage des Anteils eines Gebrechens oder einer Krankheit an den Unfallfolgen handelt es sich um eine nicht revisible Tatfrage (RIS‑Justiz RS0119522).

3.4. Eine Krankheit ist ein anormaler (regelwidriger) Körper‑ oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf (Knappmann aaO AUB 2010 Z 3 Rn 5; Rüffer in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG2 [2011] AUB 2010 Z 3 Rn 3; BGH IV ZR 216/07 = NJW‑RR 2010, 39; ähnlich Grimm aaO AUB 2010 Z 3 Rn 2; Kloth, Private Unfallversicherung² [2014] J. Einschränkung der Leistungspflicht durch mitwirkende Ursachen Rn 5). Ein Gebrechen ist ein dauernder abnormer Gesundheitszustand, der eine einwandfreie Ausübung der normalen Körperfunktionen nicht mehr zulässt, wobei die Vorschädigung dem Versicherten nicht bewusst sein muss. Die Beschwerden müssen sich auch noch gar nicht ausgewirkt oder bemerkbar gemacht haben (7 Ob 258/04y mwN = RIS‑Justiz RS0119521).

Eine Allergie ist ‑ nach den Feststellungen des Erstgerichts ‑ die angeborene oder erworbene spezifische Änderung der Reaktionsfähigkeit des Immunsystems gegenüber körperfremden, eigentlich unschädlichen und zuvor tolerierten Substanzen, die als Allergen erkannt werden (so auch 7 Ob 21/06y unter Bezugnahme auf Pschyrembel). Sie ist eine überschießende Abwehrreaktion des Immunsystems auf bestimmte, normalerweise harmlose Umweltstoffe (Allergene), die nicht durch das Eindringen von Krankheitserregern hervorgerufen wird (7 Ob 12/13k = RIS‑Justiz RS0128847).

Die Hypersensibilität gegen Insektengift - wie die beim Versicherungsnehmer bestehende Allergie gegen Wespengift ‑ ist unter den Begriff „Gebrechen“ zu subsumieren (so auch Palten aaO 42; Knappmann aaO AUB 2010 Z 3 Rn 5; in diesem Sinn zur Nahrungsmittelallergie BGH IV ZR 98/12 = NJW 2014, 69). Eine solche (schwere) Allergie führt nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers gemäß Art 18.3. AUVB 2005 zu einer Minderung der Entschädigung, wenn sie gemeinsam mit dem Unfallereignis die konkrete Unfallfolge erst eintreten ließ oder auch das Ausmaß der Unfallfolge beeinflusste.

3.5.1. Zur Quantifizierung der Leistungskürzung bei der Mitwirkung vorhandener Krankheiten und Gebrechen werden folgende Ansichten vertreten:

Der BGH (IV ZR 98/12 = NJW 2014, 69) erachtete zur vergleichbaren deutschen Bedingungslage (Nr 3 GUB 99 = Nr 3 AUB 2008) Feststellungen darüber erforderlich, ob und gegebenenfalls zu welchem Anteil die Nahrungsmittelallergie des versicherten Kindes an dessen Tod mitgewirkt habe, obwohl bereits feststand, dass das Kind, das an einer Allergie gegen Nüsse litt, nach dem Verzehr nusshaltiger Schokolade infolge einer heftigen allergischen Reaktion auf das Nahrungsmittel zunächst eine starke Verschwellung der Atemwege und sodann einen tödlichen Kreislaufzusammenbruch erlitt. Dem Einwand, dass dieser Anteil hier bei 100 % liege, weil der Tod ohne die Allergie nicht eingetreten wäre, hielt Lehmann (Die Rechtsprechung des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zur Arbeitsunfähigkeits‑, Berufsunfähigkeits‑ und Unfallversicherung, r + s 2014, 429 [438]) entgegen, dass sich dieses Argument auch umdrehen lasse: Ohne das Unfallereignis wäre der Tod allein aufgrund der Allergie auch nicht eingetreten. Erst durch das Zusammenwirken beider Umstände sei es zum Unfalltod gekommen.

Schauer (aaO 23) und im Grundsatz ihm folgend auch Palten (aaO 42 f) sehen den Rückgriff auf die Äquivalenztheorie bei der Auslegung einer mit Art 18.3. AUVB 2005 inhaltsgleichen Klausel für nicht hilfreich an, weil mit Hilfe der Formel von der conditio sine qua non nur eine Aussage darüber möglich sei, ob ein bestimmtes Ereignis überhaupt kausal für ein späteres Ereignis gewesen sei. Die Äquivalenztheorie würde nur dann zu brauchbaren Ergebnissen führen, wenn sich der durch die Vorerkrankung hervorgerufene Mehraufwand klar eingrenzen lasse. Den Ausweg, wie bei der Leistungskürzung in der Unfallversicherung vorzugehen sei, sehen sie über den Weg der ergänzenden Vertragsauslegung. Abzustellen sei auf die Erhöhung der Schadenswahrscheinlichkeit. Während Schauer auf das Verhältnis der Schadenswahrscheinlichkeit für die Schadensfolge zwischen Versicherungsnehmern ohne und solchen mit der mitwirkenden Krankheit oder dem Gebrechen abstellt, lautet die Fragestellung bei Palten im Fall des Wespenstichs, ob der Stich bei einer derartigen Allergie bei allen Betroffenen stets zu dieser Art von Unfallfolge führe. Falls nein, habe die Leistungskürzung im entsprechenden Ausmaß zu erfolgen. Falls ja, stehe keine Leistung zu.

3.5.2. Dazu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Wie Schauer und Palten mit den Mitteln der ergänzenden Vertragsauslegung das Kriterium der „Erhöhung der Schadenswahrscheinlichkeit“ ableiten, ist nicht klar, zumal dieser Grundgedanke Art 18.3. AUVB 2005 nicht zu entnehmen ist.

Aus Art 18.3. AUVB 2005 ergibt sich, dass bei der Quantifizierung des Mitwirkungsanteils vom konkreten Versicherungsnehmer und seiner individuellen Körpergestaltung auszugehen ist (so auch zur Ermittlung des Invaliditätsgrades in der Unfallversicherung 7 Ob 47/13g = RIS‑Justiz RS0128840). Zu vergleichen ist die versicherte Person, wie sie ist (also mit vorhandenen Gebrechen und Krankheiten) und wie sie auf das Unfallereignis reagiert hat, mit ihrem Zustand ohne das konkrete Gebrechen oder die konkrete Krankheit und wie sie auf den Unfall dann reagiert hätte. Diese Beurteilung erfolgt rein nach medizinischen Gesichtspunkten. Die Frage des Anteils eines Gebrechens oder einer Krankheit an den Unfallfolgen ist eine ‑ in aller Regel nur mit Hilfe eines ärztlichen Gutachtens zu lösende ‑ Tatfrage (7 Ob 258/04y = RIS‑Justiz RS0119522).

3.5.3. Aus den Feststellungen ergibt sich, dass die Unfallfolgen ausschließlich auf die beim Versicherungsnehmer am 11. 6. 2011 bestehende schwere Allergie gegen Wespengift zurückzuführen sind. Der (umschriebene) Mitwirkungsanteil der vorhandenen Unverträglichkeit auf Wespengift an den Unfallfolgen beträgt 100 %, weil der anaphylaktische Schock erst nach einem Erststich auftreten kann und der Verstorbene vor dem Unfall hoch allergisch war. Aufgrund dieses eindeutig feststehenden Ausmaßes der Mitwirkung des Gebrechens an den Unfallfolgen stehen den Klägerinnen die begehrten Versicherungsleistungen nicht zu.

4. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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