OGH 5Ob67/10d

OGH5Ob67/10d27.5.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmut W*****, vertreten durch Dr. Elisabeth Scheuba, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Bernhard N*****, vertreten durch Appiano & Kramer Rechtsanwälte GmbH in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei Prof. h.c. DDr. Gabriele H*****, vertreten durch Dr. Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Abtretung eines Nachlasses (Streitwert 100.879,13 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 19. Oktober 2009, GZ 11 R 164/09g-40, den

B e s c h l u s s

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

B e g r ü n d u n g :

Rechtliche Beurteilung

Zunächst liegt die behauptete Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens nicht vor. Die im außerordentlichen Revisionsrekurs geltend gemachten Umstände, nämlich die Frage, ob es der Nebenintervenientin frei stehe, auf welcher Seite sie dem Verfahren beitrete und ob die Verletzung einer Treuepflicht gegenüber dem Kläger dem rechtlichen Interesse der Nebenintervenientin entgegen stünde, gehören ausschließlich dem Bereich rechtlicher Beurteilung an. Dem Nebenintervenienten steht dabei unter Umständen auch das Recht zu, die Prozessseite während des Verfahrens zu wechseln (4 Ob 193/09z; RIS-Justiz RS0125602).

Relevante Verfahrensmängel werden daher nicht dargetan.

Soweit der Revisionsrekurswerber darauf beharrt, ein Verstoß der Nebenintervenientin gegen in § 9 RAO geregelte Verschwiegenheits- und Treuepflichten gegenüber dem Kläger mache eine Nebenintervention seiner früheren Rechtsvertreterin auf Seiten seines nunmehrigen Prozessgegners unmöglich, ist ihm Folgendes entgegenzuhalten:

Nur jede berufsmäßige Besorgung fremder Angelegenheiten durch den Rechtsanwalt erfolgt in Ausübung seines Berufs. Daher ist ein Rechtsanwalt etwa bei der Geltendmachung von Honorarforderungen nicht in Ausübung seines Berufs als Rechtsanwalt und Parteienvertreter tätig, sondern handelt in „eigener Sache“, sodass ein in diesem Zusammenhang gesetztes Verhalten grundsätzlich nicht unter dem Aspekt der Verletzung von Berufspflichten zu sehen ist (vgl dazu ZfVB 1991/1885). Es besteht daher auch keine Verschwiegenheitspflicht dort, wo ein Rechtsanwalt seine eigenen Honorarforderungen gegen den Mandanten durchsetzen muss (vgl 10 Ob 91/00f = SZ 73/144 mwN; RIS-Justiz RS0114273). Diese Einschränkung für die Durchsetzung und auch die Abwehr von Ansprüchen aus dem Mandatsverhältnis (bzw die Verteidigung des Rechtsanwalts in eigener Sache) wurde in der zitierten Entscheidung mit dem Argument des rechtfertigenden Notstands und dem Grundsatz der Wahrnehmung berechtigter eigener Interessen begründet (10 Ob 91/00f mwN). Nichts anderes kann hier im Zusammenhang mit der Abwehr behaupteter schadenersatzmäßiger Regressansprüche des Klägers aus der seiner vormaligen Rechtsvertreterin und nunmehrigen streitverkündeten Nebenintervenientin vorgeworfenen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Erbrechtsklage gelten.

Im vorliegenden Fall ist auch nicht maßgeblich, ob der Beitritt der früheren Rechtsvertreterin des Klägers als Nebenintervenientin auf Seite seines nunmehrigen Prozessgegners eine Berufspflichtenverletzung iSd § 9 RAO iVm § 2 RL-BA 1977 bildet, weil zur Entscheidung darüber nicht die ordentlichen Gerichte, sondern die zuständigen Disziplinarbehörden berufen sind (§§ 1, 5, 20 DSt). Ob sich die Nebenintervenientin durch ihr prozessuales Einschreiten wegen eines Verstoßes gegen die auch vertragliche (Mandatsvertrag: vgl § 1003 ABGB) Verpflichtung des Rechtsanwalts zur Verschwiegenheits- und Treuepflicht nach § 9 Abs 2 RAO einem Schadenersatzanspruch oder sogar einem Kollusionsvorwurf aussetzt, kann für die Frage ihres rechtlichen Interesses ebensowenig maßgeblich sein, wie das im Fall einer Klagserhebung ganz allgemein zu prüfen wäre (vgl Deixler-Hübner, Die Nebenintervention, 101).

Das prozessuale Recht auch eines Beitritts auf der Gegenseite als Nebenintervenient nach § 17 Abs 1 ZPO (vgl nochmals 4 Ob 193/09z) wird also durch die Bestimmungen der RAO ebenso wenig berührt wie durch vertragliche Verpflichtungen zur Gegenpartei.

Den Ausführungen des Revisionsrekurses über die fehlende Bindungswirkung der Entscheidung im gegenständlichen Erbrechtsstreit (Erbschaftsklage) für einen folgenden Regressprozess zwischen dem Kläger und der Nebenintervenientin ist Folgendes zu entgegnen:

Der Umfang der Bindungswirkung einer Entscheidung gegenüber dem Nebenintervenienten ist durch höchstgerichtliche Rechtsprechung seit der Entscheidung des verstärkten Senats 1 Ob 2123/96d = SZ 70/60 hinlänglich geklärt (RIS-Justiz RS0107338). Eine Bindungswirkung ist nur eine mögliche Folge einer Nebenintervention (oder ihrer Unterlassung), nicht aber Voraussetzung für ihre Zulässigkeit. Ein Interventionsinteresse ist nämlich schon dann zu bejahen, wenn der Dritte durch den Ausgang des anhängigen Rechtsstreits in seiner Rechtssphäre berührt wird und sich daraus ein rechtlich begründeter Anlass ergibt, das Obsiegen einer der Parteien herbeizuführen (vgl RIS-Justiz RS0035638). Ein rechtliches Interesse hat der Nebenintervenient bereits dann, wenn die Entscheidung auch nur mittelbar auf seine privatrechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig einwirkt. Das wird in der Regel dann bejaht, wenn das Obsiegen der Hauptpartei die Rechtslage des Dritten verbessert oder durch deren Unterliegen verschlechtert (10 Ob 2403/96x; 2 Ob 12/09t; RIS-Justiz RS0035724). Insbesondere im Fall drohender Regressnahme in einem Folgeprozess wird nach ständiger Rechtsprechung ein solches rechtliches Interesse bejaht (vgl RIS-Justiz RS0106173; 2 Ob 12/09t; 7 Ob 20/07b; 1 Ob 147/08m, jeweils mwN).

Hier wurden der Nebenintervenientin Schadenersatzansprüche wegen der Versäumung der Frist zur Erhebung einer Erbrechtsklage vom Kläger in Aussicht gestellt. Dass ein für den Kläger negativer Ausgang des gegenständlichen Erbschaftsstreits die Rechtslage der Nebenintervenientin insofern verbessert, als damit jedenfalls der dem Kläger im Folgeprozess obliegende Nachweis der Kausalität des Verhaltens der Nebenintervenientin für einen eingetretenen Schaden (vgl 9 Ob 37/05i; RIS-Justiz RS0106890 ua) erheblich erschwert wird, liegt auf der Hand.

In Übereinstimmung mit höchstgerichtlicher Rechtsprechung hat daher das Rekursgericht ein rechtliches Interesse der Nebenintervenientin (RIS-Justiz RS0035724, RS0035638) bejaht.

Dass darüber hinaus noch andere Ansprüche des Klägers gegen die Nebenintervenientin bestehen könnten, die nicht Gegenstand dieses Verfahrens sind, gebietet keine andere Beurteilung.

Mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen war daher der Revisionsrekurs des Klägers zurückzuweisen. Einer weitergehenden Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

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