OGH 1Ob147/08m

OGH1Ob147/08m26.2.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** AG, *****, vertreten durch Dr. Rainer Kornfeld, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Siegl, Choc & Axmann, Rechtsanwaltspartnerschaft in Graz, und den auf Seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten Anton W*****, vertreten durch Reinisch & Wisiak Rechtsanwälte GmbH in Leibnitz, wegen 9.186,40 EUR sA, infolge von Revisionsrekursen der beklagten Partei und des Nebenintervenienten (Revisionsrekursstreitwert jeweils 5.600 EUR) gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 18. März 2008, GZ 7 R 22/08v-21, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Leibnitz vom 9. November 2007, GZ 6 C 64/07h-12, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

  1. 1. Dem Revisionsrekurs der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
  2. 2. Dem Revisionsrekurs des Nebenintervenienten wird teilweise Folge gegeben.

    Der angefochtene Beschluss wird (lediglich) dahin abgeändert, dass der Antrag der klagenden Partei auf Zurückweisung des Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei abgewiesen wird.

    3. Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Versicherungsnehmerin der Klägerin betraute die Beklagte mit der Begleitung eines Sondertransports. Die Transportbegleitung wurde mit Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung vom 26. 8. 2004 auferlegt. Sie hatte durch ein beeidetes Organ der Straßenaufsicht gemäß § 97 StVO zu erfolgen. Der Nebenintervenient - als Subunternehmer für die Beklagte und als beeidetes Organ der Straßenaufsicht gemäß § 97 StVO - begleitete am 3. 9. 2004 den Transport in Österreich. Beim Passieren eines Baustellenbereichs an der A2 (Südautobahn) wurde das transportierte Schiff in einer Unterführung beschädigt. Am 8. 9. 2004 wurde das Schiff in Montenegro bei der Ausfahrt aus einem Fährschiff ein weiteres Mal beschädigt. Für den Transport in Montenegro gab es eine behördliche Bewilligung der dortigen Behörde. Die Begleitung des Auslandstransports erfolgte nicht durch den Nebenintervenienten, sondern durch die montenegrinische Polizei. Eine Trennung des in Österreich entstandenen Schadens und jenes in Montenegro ist nicht möglich.

Die Klägerin begehrte infolge Forderungsübergangs auf sie als Versicherer (§ 67 VersVG) den Ersatz der Reparaturkosten für das transportierte Schiff in Höhe von 5.600 EUR zuzüglich Gutachterkosten zur Schadensfeststellung von 3.586,40 EUR, insgesamt sohin 9.186,40 EUR. Sie stützte den Anspruch auf das Werkvertragsverhältnis zwischen ihrer Versicherungsnehmerin und der Beklagten. In der Folge beantragte sie die Zurückweisung des Nebenintervenienten, weil es diesem am rechtlichen Interesse mangle.

Die Beklagte und der Nebenintervenient wendeten insbesondere Unzulässigkeit des Rechtswegs ein, weil die Beklagte bzw deren Erfüllungs- und Besorgungsgehilfen als Organ eines Rechtsträgers hoheitlich gehandelt hätten.

Das Erstgericht wies den Antrag der Klägerin auf Zurückweisung des Nebenintervenienten ab und das Klagebegehren wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Die Beklagte sei als juristische Person privaten Rechts mit der Besorgung bestimmter hoheitlicher Aufgaben beliehen und der Nebenintervenient im Rahmen der Transportbegleitung daher als Organ im Sinne des § 1 Abs 2 AHG tätig geworden. Die Beklagte hafte nicht für rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten solcher Organe bei der Besorgung hoheitlicher Aufgaben und daher auch nicht für den Schadensfall vom 3. 9. 2004. Ein schuldhaftes Verhalten der in ihrem Organisationsbereich hoheitlich tätig gewordenen physischen Personen sei vielmehr den nach dem Amtshaftungsgesetz haftenden Rechtsträgern zuzurechnen. Nach § 9 Abs 5 AHG sei für die unmittelbar gegen ein Organ gerichtete Klage wegen dessen hoheitlicher Tätigkeit der Rechtsweg unzulässig. Die Klage sei daher zurückzuweisen - bezüglich der Gutachterkosten schon deswegen, weil es sich diesbezüglich um vorprozessuale Kosten handle, die richtigerweise in die Kostennote aufzunehmen gewesen wären. Der Nebenintervenient habe ein rechtliches Interesse am Verfahrensausgang, da er allenfalls regresspflichtig werden könnte. Der Antrag der Klägerin auf Zurückweisung der Nebenintervention sei daher abzuweisen.

Das Rekursgericht wies die Klage im Umfang von 3.586,40 EUR und den Beitritt des Nebenintervenienten auf Seiten der Beklagten zurück, verwarf hinsichtlich des Betrags von 5.600 EUR die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs und trug insoweit dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für zulässig. Der Nebenintervenient habe sein rechtliches Interesse nicht dartun können, da er behauptet habe, als ermächtigtes Straßenaufsichtsorgan tätig geworden zu sein. Ein Regressanspruch der Beklagten gegenüber dem Organ scheide aber aus, weil gemäß § 1 Abs 1 AHG das Organ dem Geschädigten nicht hafte. Der Rechtsweg sei für den Klageanspruch im Umfang von 5.600 EUR (Reparaturkosten /Schaden am Schiff) zulässig, weil die Klägerin die Beklagte aus dem mit ihr abgeschlossenen Werkvertrag in Anspruch nehme. Die Bewilligung zur Durchführung des Sondertransports sei der Versicherungsnehmerin der Klägerin und nicht der Beklagten erteilt worden. Nur die juristische Person des Privatrechts, die mit der Besorgung hoheitlicher Aufgaben beliehen worden sei, sei auch befugt, physische Personen mit der Vollziehung der Gesetze zu beauftragen. Die für die Beklagte handelnden Personen im Zuge der Begleitung des Schwertransports seien daher keine Organe im Sinne des § 1 Abs 2 AHG gewesen. Die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs sei daher hinsichtlich des Schadenersatzanspruchs von 5.600 EUR zu verwerfen. Bei den Kosten des Privatgutachtens, das ausschließlich der Ermittlung der Schadenshöhe gedient habe, handle es sich aber um vorprozessuale Kosten, für die der Rechtsweg unzulässig sei. Die „ordentliche Revision" sei zuzulassen, da für die „vorliegenden Rechtsprobleme" eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diesen Beschluss erhobenen Revisionsrekurse der Beklagten und des Nebenintervenienten sind jeweils zulässig, jener der Beklagten ist nicht berechtigt, und jener des Nebenintervenienten ist teilweise berechtigt.

1. Zulässigkeit des Rechtswegs:

Die Revisionsrekurswerber bekämpfen den Ausspruch über die Zulässigkeit des Rechtswegs für den Schadenersatzanspruch von 5.600 EUR im Wesentlichen mit dem Argument, dass es bei der gemäß § 9 Abs 5 AHG erforderlichen Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs nicht darauf ankommen könne, ob die Klage ausdrücklich auf das AHG oder ausdrücklich nicht darauf gestützt werde, weil nicht eine solche Rechtsbehauptung des Klägers, sondern der geltend gemachte und allein durch das Gericht zu beurteilende Streitgegenstand maßgebend sei. Im vorliegenden Fall kommt aber die Anwendung des § 9 Abs 5 AHG in Bezug auf die Beklagte schon deswegen nicht in Betracht, weil es an ihrer Beleihung mit hoheitlichen Aufgaben mangelt. So enthält der an die Versicherungsnehmerin der Klägerin gerichtete Bescheid vom 26. 8. 2004 (Beilage ./B = ./1) zwar die Auflage, dass die Transportsicherung durch ein vereidigtes Organ der Straßenaufsicht gemäß § 97 Abs 2 StVO 1960 mit einem Begleitfahrzeug zu erfolgen habe - wofür die Beklagte als juristische Person jedenfalls nicht in Betracht kommt -, dem Bescheid ist aber keinerlei Beleihung der Beklagten mit der Besorgung von hoheitlichen Aufgaben zu entnehmen. Als Organ der Straßenaufsicht wurde vielmehr der von der Beklagten beigezogene Nebenintervenient tätig (siehe auch Beilage ./11). Die Beklagte kann daher die „immunisierende Wirkung" des § 9 Abs 5 AHG keinesfalls für sich in Anspruch nehmen.

In der Tat stützte die Klägerin ihren Anspruch auch nicht auf Amtshaftung, sondern auf den zwischen ihrer Versicherungsnehmerin und der Beklagten abgeschlossenen Werkvertrag. Für den aus einem Vertrag abgeleiteten Anspruch ist die Zulässigkeit des Rechtswegs - ebenso wie die Passivlegitimation der Beklagten - aber zweifellos gegeben. Den Revisionsrekursen der Beklagten und des Nebenintervenienten, soweit dieser die Zurückweisung der Klage anstrebt, ist somit nicht Folge zu geben.

2. Nebenintervention:

Das Interventionsinteresse ist grundsätzlich zu bejahen, wenn der Dritte durch den Ausgang des anhängigen Rechtsstreits unmittelbar in seiner Rechtssphäre betroffen wird (RIS-Justiz RS0035638). Im vorliegenden Fall behauptet der Nebenintervenient zwar, den Schwertransport als ermächtigtes Straßenaufsichtsorgan begleitet zu haben, er beruft sich aber keineswegs auf eine Organstellung der Beklagten. Vielmehr führt er aus, dass ihn die Beklagte für die Transportbegleitung „herangezogen" habe und er ihr gegenüber regresspflichtig werden könnte. Damit legt er dar, als Gehilfe (Subunternehmer) für die Beklagte tätig geworden zu sein. Er haftet daher seinem Auftraggeber - der Beklagten - vertraglich grundsätzlich für Schäden aus einem allfälligen schuldhaften Fehlverhalten, ohne dass er sich dieser gegenüber auf seine „amtshaftungsrechtliche Immunität" im Sinne des § 9 Abs 5 AHG berufen könnte. Da somit von einer - allfälligen - Regresspflicht des Nebenintervenienten gegenüber der Beklagten auszugehen ist, ist sein rechtliches Interesse am Obsiegen der Beklagten im gegenständlichen Verfahren zu bejahen. Die Nebenintervention ist zuzulassen und dem Revisionsrekurs des Nebenintervenienten insoweit Folge zu geben.

3. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 Abs 1 ZPO.

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