OGH 5Ob65/16v

OGH5Ob65/16v11.7.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A***** J*****, vertreten durch Dr. Andreas Cwitkovits, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Landeshauptstadt Linz, vertreten durch Dr. Bruno Binder, und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen 8.240.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 26. Jänner 2016, GZ 2 R 197/15a‑94, mit dem das Endurteil des Landesgerichts Linz vom 13. Oktober 2015, GZ 3 Cg 51/09v‑83, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

 

Der Revision wird im Zinsenzuspruch Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass das Endurteil einschließlich seines rechtskräftigen Teils lautet:

„I. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 8.210.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 12. 6. 2015 binnen 14 Tagen zu Handen des Klagevertreters zu zahlen.

II. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 30.000 EUR samt 5,53 % Zinsen seit 15. 7. 2006, 5,53 % Zinsen aus 8.210.000 EUR von 15. 7. 2006 bis 11. 6. 2015 sowie 1,53 % Zinsen aus 8.210.000 EUR seit 12. 6. 2015 binnen 14 Tagen zu Handen des Klagevertreters zu zahlen, wird abgewiesen.

III. Die Kostenentscheidung bleibt dem Erstgericht vorbehalten.“

 

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei übernahm von der Rechtsvorgängerin des Klägers im Jahr 1951 eine Zeichnung mit dem Titel „Zwei Liegende“, ein Aquarell mit dem Titel „Junger Mann“, eine Zeichnung mit dem Titel „Paar“ und ein Ölgemälde mit dem Titel „Tote Stadt“ als Leihgaben. Dafür wurden zwei datierte und unterzeichnete Übernahmebestätigungen ausgestellt, die auszugsweise lauteten:

„Übernahmebestätigung

Von Frau O***** J***** ... übernehmen wir als Leihgaben:

Gustav K l i m t 'Zwei Liegende' Zeichnung

Egon S c h i e l e 'Junger Mann' Aquarell

'' '' 'Paar' Zeichnung.

Die Blätter sind unter Glas und Rahmen ...

 

Hierdurch bestätigen wir Frau O***** J***** ... dass wir

1 Ölgemälde von Egon Schiele 'Tote Stadt' auf Pappe

Größe 37/1/2 bis 49 cm

links unten signiert

als Leihgabe übernommen haben. …“

 

Die genannten Bilder sind bei der beklagten Partei nicht mehr vorhanden.

Die beklagte Partei wurde mit Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 18. 7. 2011 verpflichtet, dem Kläger 100.000 EUR als Ersatz für die verloren gegangene Zeichnung „Paar“ von Egon Schiele zu leisten (6 Ob 129/10d).

Die Haftung der beklagten Entlehnerin, dem Kläger als Rechtsnachfolger der Verleiherin den Wert der anderen Bilder zu ersetzen, besteht dem Grunde nach zu Recht (5 Ob 87/13z). Umstritten ist die Echtheit der Bilder und der Zeitpunkt der Schadensberechnung.

Der Kläger begehrte mit der im April 2009 eingebrachten Klage zunächst die Herausgabe der Bilder und alternativ 2.500.000 EUR samt 12 % Zinsen seit 1. 5. 2006. Das Begehren auf Herausgabe hielt er in der Folge nicht aufrecht. Zuletzt begehrte er am 11. 6. 2015 (Schluss der mündlichen Verhandlung 1. Instanz) 7.500.000 EUR für das Ölgemälde „Tote Stadt“, 90.000 EUR für die Zeichnung „Zwei Liegende“ und 650.000 EUR für das Aquarell „Junger Mann“, insgesamt 8.240.000 EUR samt 5,53 % Zinsen seit 15. 7. 2006.

Die beklagte Partei wendete ein, die in den Übernahmebestätigungen genannten Bilder seien wertlose Fälschungen.

Das Erstgericht gab der Klage mit 8.210.000 EUR samt 4 % Zinsen aus 8.150.000 EUR seit 6. 11. 2014, aus 65.650 EUR von 16. 12. 2013 bis 15. 1. 2014, aus 62.825 EUR von 16. 1. 2014 bis 15. 1. 2015 und aus 60.000 EUR seit 16. 1. 2015 statt. Das Mehrbegehren von 30.000 EUR samt 5,53 % Zinsen seit 15. 7. 2006 und ein Zinsenmehrbegehren wies es unbekämpft ab. Die Kostenentscheidung wurde bis zur rechtskräftigen Erledigung der Streitsache vorbehalten. Das Erstgericht stellte insbesondere fest:

Es kann nicht festgestellt werden, ob es sich bei den in den Übernahmebestätigungen genannten Bildern 'Zwei Liegende', 'Junger Mann' und 'Tote Stadt' um Fälschungen handelt.

Aus Sachverständigensicht ergibt sich für ein Ölgemälde von Egon Schiele mit dem Titel 'Tote Stadt' auf Pappe, Größe 37 ½ bis 49 cm, links unten signiert, in durchschnittlicher Fassung, per 15. 1. 2015 bzw 11. 6. 2015 ein Schätzpreis von 7.500.000 EUR.

Aus Sachverständigensicht ergibt sich für ein Aquarell von durchschnittlicher Qualität von der Hand Egon Schieles mit dem Titel 'Junger Mann' per 15. 1. 2015 bzw 11. 6. 2015 ein Schätzpreis von 650.000 EUR.

Am 5. 11. 2014 wurde in New York das Aquarell 'Stadt am blauen Fluss (Krumau)' aus dem Jahre 1910 in einer öffentlichen Versteigerung zum Preis von 2.965.000 USD verkauft. Das Preisgefüge für Stadt‑Landschaften von Egon Schiele hat sich dadurch nach oben hin verändert, ebenso das Preisgefüge für Schiele‑Aquarelle.

Aus Sachverständigensicht ergibt sich für eine Zeichnung von Gustav Klimt mit dem Titel 'Zwei Liegende' per 15. 12. 2013 ein Schätzpreis von 65.650 EUR. Klimt‑Zeichnungen haben seit Mitte Jänner 2014 preislich etwas nachgelassen. Der Markt scheint per 15. 1. 2015 etwas gesättigt und wenig aufnahmefähig, insbesondere für schwächere und mittlere Qualitäten.

Es ist grundsätzlich zu erwarten, dass Kunstwerke von Bedeutung im Laufe der Zeit preislich steigen.

Mit Schreiben vom 10. 9. 2008 teilte der Magistratsdirektor der beklagten Partei dem Klagevertreter unter anderem mit:

... Wie bereits in den Schreiben vom 5. 5. 2006 und 16. 10. 2006 an J ***** J***** dargelegt, wurden vom Archiv der Stadt Linz und dem Kunstmuseum Lentos eingehende Recherchen angestellt, die aus Anlass Ihres Schreibens vom 30. 7. 2008 nochmals intensiviert wurden. … Auch konnten … keine Hinweise über den Verbleib der Bilder gefunden werden. Dennoch will die Stadt gerne alles Zumutbare unternehmen, die Kunstwerke aufzufinden. ...

 

In der rechtlichen Beurteilung qualifizierte das Erstgericht die vorliegenden Übernahmebestätigungen als Quittungen, mit denen die beklagte Partei als Wissenserklärung und deklaratives Anerkenntnis bestätigt habe, Originale der genannten Künstler in Empfang genommen zu haben. Eine ordnungsgemäße Quittung schaffe nach § 1426 ABGB den Beweis der Erfüllung und könne nur durch den Beweis des Gegenteils entkräftet werden. Dieser Beweis sei der Beklagten nicht gelungen. Das Erstgericht setzte den Wert der Bilder auf Basis der vom gerichtlichen Sachverständigen ermittelten Schätzpreise nach § 273 ZPO mit 7.500.000 EUR für das Ölbild „Tote Stadt“, mit 650.000 EUR für das Aquarell „Junger Mann“ sowie mit 60.000 EUR für die Klimt‑Zeichnung fest. Zu dieser Zeichnung führte es aus, dass der Schätzpreis per 16. 12. 2013 65.650 EUR betragen habe. Klimt‑Zeichnungen hätten aber seit Mitte Jänner 2014 preislich etwas nachgelassen. Die Zinsen seien zu unterschiedlichen Zeitpunkten zuzusprechen, weil die Kunstwerke den jeweils begehrten Betrag auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten erreicht hätten. Die Klimt‑Zeichnung habe den ausgemittelten Wert von 60.000 EUR erst am 15. 1. 2015 erreicht. Noch zum 15. 12. 2013 habe der Sachverständige für dieses Kunstwerk einen Verkehrswert von 65.650 EUR veranschlagt. Der Preisverfall dürfe nicht zum Vorteil der beklagten Partei sein, weshalb nach § 273 Abs 1 und 2 ZPO der Zinsenwert zwischen den Stichtagen 15. 12. 2013 und 15. 1. 2014 über den Mittelwertbetrag von 62.825 EUR festzulegen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. In seiner rechtlichen Beurteilung hielt es die Ermittlung des Werts der verlorenen Bilder nach § 273 ZPO in Verbindung mit dem Sachverständigengutachten für unbedenklich und teilte die Auffassung des Erstgerichts zur Beweislastumkehr im Sinn des § 1426 ABGB. Leihgaben an Museen erfolgten nach der Erfahrung wegen ihrer Echtheit, sodass auch die Quittungen (Übernahmebestätigung) über die Abgabe der Bilder den Erhalt des Quantums (Anzahl der Bilder), einer bestimmten Art (von Schiele und von Klimt), im Hinblick auf einen bestimmten Vertrag (Leihe zur Ausstellung) die Vermutungsbasis bestätigten. Zudem lasse auch die vorbehaltlose Übernahme die qualitative Erfüllung, also die Echtheit vermuten. Die Übernahmebestätigungen seien damit kein Beweis für die „direkte“ Echtheit, aber nach § 1426 ABGB ausreichende Grundlage für die Vermutung der Echtheit. § 1426 ABGB regle zwar die Quittung grundsätzlich nur im Bereich des Zahlungsverkehrs. Diese Bestimmung sei aber nach herrschender Meinung auch auf andere Leistungen als Geldleistungen sowie auf Empfangsbestätigungen anzuwenden. Die Zulässigkeit der erstgerichtlichen Vermutung werde auch durch die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs gestützt, in denen festgehalten worden sei, dass die sich aus den Übernahmebestätigungen ergebenden Beschreibungen der Werke (Benennung des Künstlers, der Werkart und des Sujets) für die Bemessung des Werts genüge. Das Erstgericht habe auch den Zeitpunkt der Wertbestimmung in Einklang mit der Lehre und der Judikatur des Obersten Gerichtshofs gelöst. Eine Verschiebung des Berechnungszeitpunkts des gemeinen Werts vom Zeitpunkt der Beschädigung auf jenen des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz erfolge bei Zahlungsunwilligkeit des Schädigers. Der frühere Beginn des Zinsenlaufs knüpfe zutreffend an die vom Sachverständigen ermittelten Zeitpunkte der Werterlangung an.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil zur Frage, ob eine Empfangsbestätigung (Übernahmebestätigung), die nur den Beweis des Empfangs schaffe, als Bestätigung von anderen Leistungen als Geld und außerhalb des Zahlungsverkehrs unter die gesetzliche Vermutung des § 1426 ABGB einzuordnen sei, keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs existiere.

Rechtliche Beurteilung

Die beantwortete Revision der beklagten Partei ist zulässig, sie ist aber nur hinsichtlich des Zinsenbegehrens berechtigt.

1. Wie bereits in den höchstgerichtlichen Entscheidungen 6 Ob 129/10d und 5 Ob 87/13z geklärt wurde, lag der Ausstellung der beiden Übernahmebestätigungen jeweils ein Leihvertrag nach den §§ 971 ff ABGB zugrunde.

1.1 Der Leihvertrag kam als Realvertrag (§ 971 Satz 2 ABGB; Parapatits in Schwimann/Kodek ABGB4 § 971 Rz 2; Griss in KBB4 § 971 ABGB Rz 1; Pletzer in Schwimann TaKomm3 § 971 ABGB Rz 1; krit: HBöhm, Rechtsprobleme studentischen Wohnens, ÖJZ 1983, 57 [63]) mit der Übergabe jener Bilder zustande, die nach der Willenseinigung der Parteien verliehen werden sollten.

1.2 Nach den Feststellungen im Vorverfahren 6 Ob 129/10d handelte es sich bei der Verleiherin um eine Kunstsammlerin. Die Zeichnung „Paar“ wurde bei der von W***** G*****, dem Gründer und Leiter der Neuen Galerie Linz, im Jahr 1949 veranstalteten großen Schiele‑Ausstellung gezeigt. Wenn eine Privatperson und Sammlerin einem Museum zu Ausstellungszwecken Bilder übergibt, die von bekannten Künstlern stammen sollen, kann den Parteien eines derartigen Leihvertrags nicht unterstellt werden, dass Fälschungen verliehen werden. Es ist daher davon auszugehen, dass die Parteien sich auf die Verleihung echter Bilder geeinigt hatten und sowohl Verleiherin als auch Entlehnerin nicht annahmen, es handle sich tatsächlich um Fälschungen.

1.3 Die Bestätigung der Übernahme konkret bezeichneter Bilder ist als (zumindest) Bestätigung von Tatsachen eine, die Rechtslage nicht ändernde Wissenserklärung (Rummel in Rummel/Lukas ABGB4 § 863 ABGB Rz 7; Riedler in Schwimann/Kodek aaO § 863 ABGB Rz 6 f; Kolmasch in Schwimann TaKomm³ § 859 Rz 6; Bollenberger in KBB4 § 859 ABGB Rz 10). Wissenserklärungen sind analog Willenserklärungen auszulegen (Rummel aaO Rz 9; Riedler aaO Rz 6). Maßgeblich ist demnach der objektive Erklärungswert für die Verleiherin als Erklärungsempfängerin (Rummel aaO Rz 7; RIS‑Justiz RS0014160 [T23], RS0014167 [T1]).

1.4 Nach dem Wortlaut der Übernahmebestätigungen bestätigte die beklagte Entlehnerin, Bilder Klimts und Schieles übernommen zu haben. Angesichts dieser Bezeichnung der Bilder und der Einigung der Parteien ist die Erklärung objektiv so zu interpretieren, dass die Entlehnerin die Übernahme von Werken dieser Künstler bestätigen wollte. Es spricht auch nicht gegen diese Auslegung, dass der beklagten Partei bei der Übernahme eine Prüfung der Echtheit schwer möglich oder sogar unzumutbar gewesen wäre, wie sie in ihrer Revision meint. Es wäre ihr durchaus freigestanden, Vorbehalte zur Echtheit der übergebenen Bilder aufzunehmen. Dazu hätte das Wort „angeblich“ vor dem Namen der Künstler oder die Wortfolge „vorbehaltlich der Prüfung der Echtheit“ genügt.

1.5 Selbst wenn man die vorgelegten Übernahmeurkunden nicht als „Quittung“ (§ 1426 ABGB) qualifizieren will, ist im Ergebnis für die Revisionswerberin nichts gewonnen: Die Vorinstanzen haben diesen Übernahmebestätigungen – jedenfalls erkennbar – rechtlich unbedenklich zumindest die Qualifikation einer Wissenserklärung (vgl Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.02 § 859 ABGB; Rummel in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 863 Rz 7, 8) in dem Sinn zugemessen, dass die Leihnehmerin damit bestätigt hat, wie auch die Leihgeberin davon auszugehen, dass es sich um eigenhändige Werke der bezeichneten Künstler handelt und im Rahmen durch den Obersten Gerichtshof unüberprüfbarer Beweiswürdigung dieser Beweisurkunde (6 Ob 140/06s; Reischauer in Zak 2010/68, 43) zunächst die Echtheit der verliehenen Werke angenommen. Zwar wäre eine solche Wissenserklärung (wie etwa ein deklaratorisches Anerkenntnis) grundsätzlich durch Gegenbeweis widerlegbar ( Rummel in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 863 Rz 9), doch haben die Tatsacheninstanzen diesen Gegenbeweis – ebenfalls im Rahmen unüberprüfbarer Beweiswürdigung – für nicht erbracht erachtet. Wenn dieser – im Übrigen erst in einem sehr späten Verfahrensstadium versuchte – Gegenbeweis nicht gelungen ist, hat sich dies die beklagte Partei im Übrigen selbst zuzuschreiben, vor allem durch den Verlust der Leihgaben, aber auch durch das Verabsäumen entsprechender Dokumentation. Wenn die Vorinstanzen daher die Behauptung, es habe sich um Fälschungen gehandelt, im Ergebnis als Schutzbehauptung angesehen und damit den Übernahmebestätigungen die notwendige Beweiskraft zuerkannt haben, liegt darin keine Verletzung materiellen oder prozessualen Rechts.

2. Besteht für die Wertermittlung durch einen Sachverständigen keine gesetzlich vorgeschriebene Methode, so unterliegt das von den Tatsacheninstanzen gebilligte Ergebnis eines Gutachtens keiner Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof, weil es um eine Tatfrage geht (RIS‑Justiz RS0118604), es sei denn, dass gegen zwingende Denkgesetze verstoßen wird oder die vom Gericht gewählte Methode auf abstrakten Überlegungen ohne entsprechende Tatsachenermittlungen basieren würde (RIS‑Justiz RS0118604 [T3]; RS0040579 [T1]; RS0043356 [T7]; RS0043122; RS0043168 [T2]). Das ist hier nicht der Fall.

2.1 Die Revisionswerberin kritisiert nicht die Vergleichswertmethode des Sachverständigen, sondern die Auswahl der Vergleichsbilder. Sie bevorzugt die im Privatgutachten einer Expertin für Schiele genannten Vergleichsbilder dieses Malers, die auf Auktionen zum Teil einen wesentlich geringeren Verkaufspreis erzielen konnten. In dritter Instanz wahrzunehmende Mängel des gerichtlichen Sachverständigengutachtens vermag sie damit nicht aufzuzeigen, zumal der Sachverständige sich mehrfach mit den Argumenten der Privatgutachten auseinandergesetzt hat.

3. Nach der ständigen Rechtsprechung ist die Beurteilung der Anwendbarkeit des § 273 ZPO eine rein verfahrensrechtliche, mit Mängelrüge zu bekämpfende Entscheidung. Es stellt hingegen eine Rechtsfrage dar, ob das Ergebnis der Anwendung des § 273 ZPO richtig ist (RIS‑Justiz RS0040364 [T3, T6, T7]).

3.1 Das Berufungsgericht hat die Wertermittlung nach § 273 ZPO gebilligt und damit den Verfahrensmangel erster Instanz unanfechtbar verneint. Zur angeblich unrichtigen Ermittlung des Werts befasst sich die Revisionswerberin mit der ihrer Auffassung nach unrichtigen Methode des Sachverständigen, die jedoch – wie bereits erwähnt – nicht revisibel ist.

4. Die beklagte Partei kann die verschwundenen Kunstwerke nicht zurückgeben. Die Erfüllung ihrer Rückstellungspflicht ist ausgeschlossen. Dass sie daran ein Verschulden trifft, bestreitet sie nicht. Dem Kläger steht aus der Nichterfüllung der Rückstellungspflicht ein Anspruch auf Wertersatz in Geld zu (6 Ob 129/10d), der nach den Grundsätzen der §§ 1331 f ABGB zu bemessen ist (Parapatits aaO § 980 ABGB Rz 1). Bei Unmöglichkeit der Rückgabe gebührt dem Verleiher nach der Rechtsprechung der Schätzwert der Sache (3 Ob 326/98g = RIS‑Justiz RS0112641).

4.1 Es steht nicht fest, auf welche Weise und zu welchem Zeitpunkt die Bilder verschwunden sind. Grobe Fahrlässigkeit konnte der beweispflichtige (RIS‑Justiz RS0028020) geschädigte Kläger nicht nachweisen. Bei leichter Fahrlässigkeit ist nach § 1332 ABGB der gemeine Wert zum Zeitpunkt der Schädigung zu ersetzen.

4.2 Die beklagte Partei setzt für die Schadensberechnung den Zeitpunkt der Schädigung mit Mai 2006 an, als sie der Aufforderung des Klägers zur Rückgabe nicht entsprochen und damit ihre Rückstellungspflicht verletzt hat. Als Konsequenz dieser Auffassung vermisst sie Feststellungen, welchen Wert die Kunstwerke zu diesem Zeitpunkt hatten.

4.3 Der gemeine Wert besteht nach der Judikatur im Verkehrswert. Dieser Wert kann im Austausch‑(Ankaufs)- oder Ertrags‑ oder Herstellungswert gefunden werden (2 Ob 176/07g uva). Ertrags- und Herstellungswert scheiden als Ersatz für die verlorenen Kunstwerke verstorbener Künstler aus. Der Austauschwert bestimmt sich mit jenem Betrag, um den die Sache im Verkehr angeschafft werden kann (Wittwer in Schwimann TaKomm³ § 1332 ABGB Rz 3 mwN). Dieser Ersatz setzt somit das Bestehen eines entsprechenden Markts voraus.

4.4 Es existiert zwar grundsätzlich ein Markt für derartige Bilder. Aus der Sicht des Eigentümers wertvoller Kunstwerke handelt es sich jedoch um einen „Verkäufermarkt“. Für ihn ist in der Regel nur relevant, welchen Preis er bei Auktionen erzielen könnte. In diesem Sinn sind die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zu verstehen, der der Ermittlung des Schätzwerts Preise zugrunde legte, die beim Verkauf von „Vergleichsbildern“ erzielt werden konnten. Auch in dem zu 6 Ob 129/10f entschiedenen Fall bemaß das Erstgericht den Ersatzanspruch für die Schiele-Zeichnung „Paar“ mit dem erzielbaren Verkaufserlös. Der Oberste Gerichtshof, der die stattgebende Entscheidung des Erstgerichts wiederherstellte, hatte dagegen offenbar keine Bedenken.

4.5 Der Grundsatz der Schadensbemessung zum Zeitpunkt der Schädigung gilt nicht uneingeschränkt. So wurde bei der Bemessung des Schätzwerts, der für eine beschädigte Sache zu ersetzen ist, bei Preissteigerungen (inflationärer Entwicklung) die in der Zwischenzeit eingetretene Wertänderung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz berücksichtigt (RIS‑Justiz RS0031870 [T3]; RS0030102; Reischauer aaO § 1332 Rz 4 und 5).

4.6 Der Geschädigte soll dem Ausgleichs-gedanken des Schadenersatzrechts entsprechend (RIS‑Justiz RS0023471) so gestellt werden, wie er ohne Schädigung stünde. Hätte die beklagte Partei ihre Rückstellungspflicht erfüllt, befänden sich die Kunstwerke noch im Vermögen der Verleiherin (ihres Rechtsnachfolgers). Es wurde nämlich weder festgestellt noch behauptet, dass die Bilder bereits zu einem früheren Zeitpunkt als dem Schluss der mündlichen Verhandlung um einen dann niedrigeren Preis verkauft worden wären. Letzterer Zeitpunkt ist für die Ermittlung des zu ersetzenden Werts maßgeblich (vgl Huber in Schwimann, TaKomm³ § 1323 Rz 33 mwN; vgl Harrer in Schwimann ABGB³ § 1323 Rz 50).

4.7 Die Vorinstanzen hätten allerdings den Zinsenlauf an diesen für die Wertermittlung maßgeblichen Zeitpunkt anknüpfen müssen. Der Kläger hat in der letzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung erster Instanz am 11. 5. 2015 für die beiden Schiele‑Bilder jenen Wert gefordert, den sie zu diesem Zeitpunkt hatten. Verlangt der Geschädigte einen höheren Wert eines späteren Zeitpunkts, darf die Verzinsung dieses Werts nicht schon von einem früheren Zeitpunkt an verlangt werden (RIS‑Justiz RS0032000). Für die Klimt‑Zeichnung begehrte der Kläger am 11. 5. 2015 65.650 EUR als jenen Wert, den das Bild zum 15. 12. 2013 hatte. Da derartige Zeichnungen seit Mitte Jänner 2014 preislich nachließen, der Markt etwas gesättigt und wenig aufnahmefähig war, setzte das Erstgericht den Ersatzbetrag nach § 273 ZPO mit 60.000 EUR fest. Der Zuspruch des Werts zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz gleicht vorangegangene Wertschwankungen nach oben wie nach unten aus. Für den Zuspruch gesetzlicher Zinsen als Verzögerungsschaden (§ 1333 Abs 1 ABGB) bereits ab einem früheren Zeitpunkt bleibt daher kein Raum.

5. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 3 ZPO. Das Erstgericht hat die Kostenentscheidung bis zur rechtskräftigen Erledigung der Streitsache vorbehalten.

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