OGH 6Ob140/06s

OGH6Ob140/06s31.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 21.000 EUR) und Veröffentlichung (Streitwert 5.000 EUR), über die Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 28. März 2006, GZ 2 R 211/05w-18, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 9. August 2005, GZ 7 Cg 179/04s-14, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Die Revision der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 749,70 EUR (darin 124,95 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

II. Der Revision der Beklagten wird Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird in ihrem klagsstattgebenden Teil dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 3.638 EUR (darin 429,50 EUR Umsatzsteuer und 1.061 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte vertreibt als Lebensmitteldiskonter unter anderem auch „non-food-Artikel", so etwa Computer und Fotoapparate. Derartige höherpreisige technische Geräte werden in Werbeaussendungen besonders beworben, sie werden aber nicht in die Regale zur freien Entnahme gestellt. Vielmehr muss sich der Kunde, der sich für einen solchen Artikel interessiert, an einen Verkäufer oder den Filialleiter wenden. Dieser holt dann das Gerät aus dem Lager.

Die Beklagte verkaufte in der Vergangenheit auch Digitalkameras der Marke Nytech und Computermonitore der Marke Gericom. In den Originalverpackungen dieser Geräte befand sich jeweils ein Informationsblatt samt einer Checkliste. Anlässlich des Verkaufs eines Geräts musste - noch im Geschäft - die Verpackung aufgemacht und das bzw die Formulare herausgenommen werden. Der jeweilige Verkäufer hatte die Anweisung, die einzelnen Bestandteile bzw Zubehörteile der Geräte aufzulegen, dem Kunden zu zeigen und gemeinsam mit diesem an Hand der Checkliste, die abzuhaken war, zu überprüfen, ob sämtliche Teile vorhanden waren. Das dem Gerät angeschlossene Informationsblatt zeigte jeweils das Gerät und enthielt verschiedene Informationen. Im unteren Teil des Informationsblatts mussten Namen und Anschrift des Kunden angeführt werden, außerdem hatte der Kunde dieses Informationsblatt zu unterschreiben.

Das Informationsblatt betreffend die Digitalkamera war mit „wichtige Gewährleistungshinweise" überschrieben. Im unteren Teil war neben dem Platz, wo Name und Anschrift des Kunden einzutragen waren, und unmittelbar oberhalb des Platzes, wo vom Kunden die Unterschrift zu leisten war, der Satz abgedruckt „Vollständig erhalten und 'Wichtige Gewährleistungshinweise' zur Kenntnis genommen:"

Das Informationsblatt betreffend den Computermonitor war mit „wichtige Information" überschrieben. Anstelle des Satzes „Vollständig erhalten und wichtige Gewährleistungshinweise zur Kenntnis genommen." war hier an derselben Stelle der Satz „Ware vollständig erhalten:" abgedruckt.

Bei beiden Produkten waren die angeschlossenen Informationsblätter und Checklisten jeweils doppelt vorhanden. Das ausgefüllte und vom Kunden unterfertigte Exemplar verblieb bei der Beklagten und wurde dort archiviert; der Kunde erhielt das zweite Exemplar ausgehändigt.

Der dargestellte grundsätzliche Ablauf erfolgt in der Regel bei sämtlichen hochwertigen technischen Geräten, die die Beklagte vertreibt. Es bestand für das Erstgericht kein Anhaltspunkt dafür, dass Kunden der Beklagten bei den Digitalkameras und den Computermonitoren oder bei den sonstigen Geräten das Informationsblatt ohne Überprüfung der Vollständigkeit des verkauften Produkts unterschreiben hätten sollen oder tatsächlich unterschrieben.

Die Klägerin begehrt - gestützt auf § 28 Abs 1 KSchG -, der Beklagten im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern die Verwendung der - fett hervorgehobenen - Klauseln „Vollständig erhalten und 'Wichtige Gewährleistungshinweise' zur Kenntnis genommen:" sowie „Vollständig erhalten:" bzw sinngleicher Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verbieten, soweit es sich dabei nicht um gesondert unterfertigte, bloße (also nicht mit Zusätzen versehen, die insbesondere die qualitative und/oder quantitative Mangelfreiheit bestätigen) Empfangsbestätigungen handle, mit welchen ausschließlich die Übernahme des Kaufgegenstands bestätigt wird. Des Weiteren möge der Beklagten verboten werden, sich auf derartige Klauseln zu berufen, soweit diese unzulässigerweise vereinbart worden seien. Die Klauseln verstießen gegen § 6 Abs 1 Z 11 und Abs 3, § 9 KSchG und § 879 Abs 3 ABGB. Es handle sich um Tatsachenbestätigungen, mit denen eine Verschiebung der Beweislast zu Lasten des Kunden herbeigeführt werde; der Kunde solle außerdem eine Vollständigkeit bestätigen, die für ihn zumeist nicht überprüfbar sei. Und schließlich würden die Gewährleistungsansprüche des Kunden eingeschränkt, müsste er doch entgegen der gesetzlichen Vermutung des § 924 ABGB auch innerhalb der ersten sechs Monate nach Vertragsabschluss das Vorliegen des Mangels (Unvollständigkeit der Ware) zum Zeitpunkt der Übergabe der Ware beweisen. Jedenfalls müsste der Kunde etwas beweisen, wofür ihn nicht die Beweispflicht treffe. Es werde seine schwächere Verhandlungsposition ausgenützt, sodass die Klauseln grob benachteiligend seien.

Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kunde müsse lediglich reine Empfangsbestätigungen unterfertigen; diese befänden sich auf Blättern, auf denen das zu dem Gerät gehörende Zubehör angeführt und abgebildet sei. Die Vollständigkeit werde vom Kunden gemeinsam mit einem Mitarbeiter der Beklagte überprüft. Empfangsbestätigungen seien Wissenserklärungen und als solche keine Vertragsbestandteile; sie unterlägen daher auch nicht der Kontrolle des § 6 KSchG. Es komme auch nicht zu einer Beweislastverschiebung; die gesetzliche Vermutung des § 924 ABGB sei auf den Fall des Fehlens von Teilen der verkauften Sache nicht anwendbar, das Vorliegen eines Mangels müsse aber ohnehin immer der Übernehmer beweisen. Komme der Mangel innerhalb der ersten sechs Monate hervor, gelte die Beweislastregel des § 924 ABGB; die vom Kunden unterfertigten Informationsblätter seien lediglich Beweismaterial. Warum der Satz „'Wichtige Gewährleistungshinweise' zur Kenntnis genommen:" unzulässig sein sollte, sei überhaupt nicht ersichtlich.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die inkriminierten Klauseln stellten lediglich Empfangsbestätigungen dar; der Kunde könne vor Unterfertigung überprüfen, ob sie den Tatsachen entsprechen. Dies verschiebe weder die Beweislast noch seien die Klauseln unklar oder unverständlich abgefasst noch benachteiligten sie den Kunden gröblich. So wie der Kunde für die Bezahlung des Kaufpreises eine Rechnung oder Zahlungsbestätigung erhalte und damit einen Nachweis dafür habe, seine Verpflichtungen aus dem Vertrag erfüllt zu haben, müsse es auch dem Verkäufer zustehen, vom Kunden eine schriftliche Bestätigung darüber zu verlangen, dass er die Ware vollständig erhalten habe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung hinsichtlich der Klausel „'Wichtige Gewährleistungshinweise' zur Kenntnis genommen:", gab jedoch dem Klagebegehren hinsichtlich der Klausel „Vollständig erhalten:" statt. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob vorformulierte Tatsachenbestätigungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformularen § 6 Abs 1 Z 11 KSchG widersprächen und ob sich der Unternehmer in einem Verbandsklageverfahren darauf berufen könne, die beanstandeten Klauseln seien im Hinblick auf ihre spezielle Handhabung in der Praxis zulässig. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, beim Verbandsklageverfahren nach §§ 28 bis 30 KSchG handle es sich um ein abstraktes Kontrollverfahren, die Prüfung von Klauseln habe also lediglich generalisierend zu erfolgen; damit könne sich der Unternehmer etwa nicht darauf berufen, dass er sich im einzelnen Geschäftsfall nicht auf die Bedingung berufe oder sie in der Praxis anders handhabe. Das Fehlen von Zubehör stelle einen unechten Qualitätsmangel dar; § 924 ABGB erfasse auch einen solchen. Durch die Bestätigung, die Ware vollständig erhalten zu haben, verliere der Kunde die Vermutung des § 924 Satz 2 ABGB, nämlich dass bei Geltendmachung der Gewährleistung innerhalb von sechs Monaten nach Vertragsabschluss der Mangel, also das Fehlen von Zubehör, bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorhanden gewesen sei. Die Klausel „'Wichtige Gewährleistungshinweise' zur Kenntnis genommen:" verstoße hingegen auch dann nicht gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG, wenn sie in Verbindung mit der Klausel „Vollständig erhalten:" unterfertigt werde; der Sinn der Klausel sei jedenfalls verständlich.

Die Revision der Klägerin ist unzulässig. Die Revision der Beklagten ist zulässig und auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1.1. Die Klägerin wendet sich zunächst gegen die getrennte Beurteilung der einzelnen Bestandteile der Klausel „Vollständig erhalten und 'Wichtige Gewährleistungshinweise' zur Kenntnis genommen:" durch das Berufungsgericht. Die Klausel verstoße in ihrer Gesamtheit gegen das Transparenzgebot. Im übrigen gelte im Verbandsklageverfahren das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion.

Nach ständiger Rechtsprechung kann im Unterlassungsprozess nach § 28 KSchG keine Rücksicht auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Bedingungen genommen werden; für eine geltungserhaltende Reduktion ist kein Raum. Ziel des Konsumentenschutzgesetzes ist es, auf einen angemessenen Inhalt der in der Praxis verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinzuwirken. Der Richter hat nicht die Aufgabe, sich durch geltungserhaltende Reduktion zum Sachwalter des Verwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu machen (RIS-Justiz RS0038205). Dabei zeigen aber gerade die Beispiele von Krejci (in Rummel, ABGB³ [2002] §§ 28 bis 30 KSchG Rz 15), auf den sich der Oberste Gerichtshof immer wieder berufen hat, dass damit die Aufgliederung einer (einzelnen) eigenständigen Klausel, die teils Verbotenes, teils Erlaubtes enthält, gemeint ist. Krejci verweist nämlich etwa auf eine Klausel, die jedwede Haftung ausschließt. Diese sei hinsichtlich vorsätzlichem und grob fahrlässigem Verhalten gemäß § 6 Abs 1 Z 9 KSchG unzulässig, hinsichtlich leicht fahrlässigem Verhalten jedoch in der Regel zulässig. Eine geltungserhaltende Reduktion auf den Ausschluss der Haftung (lediglich) bei leichter Fahrlässigkeit komme nicht in Betracht. St. Korinek (Das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG, JBl 1999, 169) verweist in diesem Zusammenhang auch auf den Fall, dass verschiedene Regelungen „ineinandergreifen".

Im vorliegenden Fall ist aber eine Klausel zu beurteilen, die mehrere eigenständige Teile enthält. Maßgeblich für die Qualifikation einer Klausel als eigenständig im Sinne des § 6 KSchG ist nicht die Gliederung des Klauselwerks; es können vielmehr auch zwei unabhängige Regelungen in einem Punkt oder sogar in einem Satz der Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sein. Es kommt vielmehr darauf an, ob ein materiell eigenständiger Regelungsbereich vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn die Bestimmungen isoliert voneinander wahrgenommen werden können (Leitner, Das Transparenzgebot [2005] 68; ebenso St. Korinek, aaO; vgl auch Fitz, Zur „geltungserhaltenden Reduktion" überschießender AGB-Klauseln, in FS Schnorr [1988] 652).

Die hier inkriminierte Klausel enthält zwei derart materiell eigenständige Regelungsbereiche, nämlich einerseits die Frage der vollständigen Übernahme des Geräts und andererseits die Kenntnisnahme der Gewährleistungshinweise. Eine isolierte Betrachtungsweise ist daher zulässig.

1.2. Die Klägerin meint in ihrer Revision, die Klausel „'Wichtige Gewährleistungshinweise' zur Kenntnis genommen:" sei eine Tatsachenbestätigung, mit der der Kunde auch der Einbeziehung der im Informationsblatt enthaltenen Gewährleistungsregelungen in das konkrete Vertragsverhältnis zustimme; da dies durch die Formulierung „Hinweise" verschleiert werde, sei die Klausel intransparent, und zwar unabhängig davon, ob die Gewährleistungsregelungen selbst unzulässige Klauseln enthielten.

Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, die Klägerin habe im Verfahren erster Instanz gar nicht geltend gemacht, dass die Klausel „'Wichtige Gewährleistungshinweise' zur Kenntnis genommen:" für sich allein betrachtet unzulässig wäre. Dies ist zutreffend. Soweit sich die Klägerin im Verfahren erster Instanz überhaupt auf diese Klausel bezogen hat, hat sie lediglich vorgebracht, die verwendeten Informationsblätter enthielten (auch) Regelungen betreffend Garantie und Gewährleistung und zielten somit auf die rechtliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses ab (AS 43); warum dies intransparent sein sollte, geht daraus nicht hervor. In der Berufung hat sich die Klägerin in diesem Zusammenhang dann darauf berufen, dass die Gewährleistungsregelungen selbst unzulässige Klauseln enthielten. Dem hat aber bereits das Berufungsgericht das Neuerungsverbot des § 482 ZPO entgegen gehalten.

Da die Revision der Klägerin somit keinerlei erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, war sie als unzulässig zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens gründet insofern auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin hingewiesen; ihre Revisionsbeantwortung war daher zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw Rechtsverteidigung notwendig

2.1. Das Berufungsgericht hat die Klausel „Vollständig erhalten:" im Hinblick auf § 6 Abs 1 Z 11 KSchG als unzulässig angesehen. Danach sind Vertragsbestimmungen nicht verbindlich, nach denen dem Verbraucher eine Beweislast auferlegt wird, die ihn von Gesetzes wegen nicht trifft. Die Klägerin erblickt eine derartige Beweislastverschiebung darin, dass der Kunde durch Unterfertigung der inkriminierten Klausel bestätigt, das Gerät vollständig erhalten zu haben. Nach § 924 Satz 2 ABGB würde jedoch die gesetzliche Vermutung für ihn sprechen, dass der Mangel, konkret also das Fehlen von Zubehör, bereits bei der Übergabe vorhanden war, wenn dieser Mangel innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe hervorkommt. Die Beklagte hält dem in ihrer Revision entgegen, § 6 KSchG erfasse keine Wissenserklärungen, eine Beweislastverschiebung trete nicht ein, weil der Übernehmer immer den Mangel zu beweisen habe, und schließlich könne der Kunde die Richtigkeit der Empfangsbestätigung vor Unterfertigung überprüfen.

2.2. Nach § 28 Abs 1 KSchG, auf den sich die Klägerin ausdrücklich beruft, kann unter anderem auf Unterlassung geklagt werden, wer im geschäftlichen Verkehr in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die er von ihm geschlossenen Verträgen zugrunde legt, oder in hiebei verwendeten Formblättern für Verträge Bedingungen vorsieht, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen. Der Unterlassungsanspruch richtet sich somit gegen gesetzwidrige Vertragsbestimmungen (Kathrein in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB [2005] § 28 KSchG Rz 3). Nach § 6 Abs 1 Z 11 KSchG sind für den Verbraucher Vertragsbestimmungen im Sinne des § 879 ABGB jedenfalls nicht verbindlich, nach denen dem Verbraucher eine Beweislast auferlegt wird, die ihn von Gesetzes wegen nicht trifft.

Eine Vertragsbestimmung liegt hier aber nicht vor, weil die Parteien nichts vereinbaren, sondern der Kunde lediglich bestätigt, die Ware vollständig erhalten zu haben. Auch wenn damit - wie die Klägerin in der Revisionsbeantwortung meint - „tatbestandliche Anspruchsvoraussetzungen zu Gunsten des Verwenders als erfüllt hingestellt und/oder etwaige Ansprüche des Kunden abgewehrt werden", ändert dies nichts daran, dass die inkriminierte Klausel keine Vertragsbestimmung darstellt. Es wird zwischen den Parteien nichts geregelt, der Kunde gibt keine Willenserklärung ab, die den Vertrag gestaltet. Durch seine Bestätigung wird lediglich ein Beweismittel geschaffen, das der richterlichen Beweiswürdigung im Individualverfahren unterliegt.

2.3. Richtig ist, dass die herrschende Lehre in Österreich (Krejci in Rummel, ABGB³ [2002] § 6 KSchG Rz 139; Kathrein in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB [2005] § 6 KSchG Rz 18; Apathy in Schwimann, ABGB³ § 6 KSchG Rz 50; in diesem Sinn auch Fischer-Czermak, Das Konsumentenschutzgesetz und der Liegenschaftsverkehr, NZ 1991, 115) und zweitinstanzliche Rechtsprechung (etwa OLG Linz VRInfo 2001 H 2, 3, vgl auch OLG Wien 1 R 159/04s) die Auffassung vertreten, § 6 Abs 1 Z 11 KSchG sei auch auf Tatsachenerklärungen anzuwenden, und dass nach dieser Bestimmung dem Kunden, der Verbraucher ist, die Verfolgung seiner Rechte gegenüber dem Unternehmer nicht erschwert werden soll (Apathy, aaO unter Hinweis auf die Materialien). Das Gesetz selbst untersagt aber lediglich für den Verbraucher nachteilige Vereinbarungen über die Beweislast (Apathy, aaO), während durch eine Wissenserklärung die Beweislastverteilung nicht vertraglich abgeändert wird. Die Wissenserklärung sagt lediglich aus, wovon der Erklärende im Zeitpunkt der Erklärung ausgegangen ist. Dies im Übrigen auch nur dann, wenn der Erklärende die Erklärung bewusst abgegeben und nicht nur eine ungelesene Urkunde unterfertigte (in diesem Sinn auch OLG Wien 6 R 571/94).

2.4. Soweit die Klägerin in der Revisionsbeantwortung auf § 879 Abs 3 ABGB verweist, übersieht sie, dass auch dort eine gröbliche Benachteiligung durch eine Vertragsbestimmung vorausgesetzt wird.

2.5. Die Klägerin meint, bereits die Aufnahme der Empfangsbestätigung in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei unzulässig; sie verweist in ihrer Argumentation insbesondere auf § 309 Nr. 12 lit b dBGB. Nach dieser Bestimmung ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Bestimmung unwirksam, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändert, insbesondere indem er den anderen Vertragsteil bestimmte Tatsachen bestätigen lässt. Dies gilt aber ausdrücklich nicht für Empfangsbekenntnisse, die gesondert unterschrieben oder mit einer gesonderten qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind.

Wenn die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung nun meint, dass „diese Grundsätze des deutschen Rechtsbereichs auch im österreichischen Rechtsbereich für die Beurteilung der Zulässigkeit von Tatsachenbestätigungen, im speziellen Fall von Empfangsbestätigungen heranzuziehen" seien, kann dem nicht beigepflichtet werden: Dass Empfangsbekenntnisse, um wirksam zu sein, grundsätzlich gesondert unterschrieben werden müssen, ist eine rechtspolitische Wertung, die der deutsche Gesetzgeber getroffen hat, nicht aber der österreichische. Das österreichische Gesetz macht einen derartigen Vorbehalt nicht. Eine - wenn auch sinngemäße - Übernahme ausländischer Rechtsvorschriften kommt nicht in Betracht.

2.6. Das Erstgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass der Käufer einer Sache Anspruch auf eine Rechnung oder Zahlungsbestätigung hat, um die Erfüllung seiner Verpflichtungen nachweisen zu können. Es erschiene nun tatsächlich nicht nachvollziehbar, warum sich der Verkäufer nicht die Vollständigkeit eines aus mehreren Teilen bestehenden technischen Geräts bei dessen Übergabe bestätigen können lassen sollte. Gerade dann, wenn tatsächlich - wie die Klägerin selbst meint - die gesetzliche Vermutung des § 924 Satz 2 ABGB auch auf das Fehlen von Zubehör und Bestandteilen zutreffen sollte, wäre dies für einen Verkäufer fatal, der gemeinsam mit dem Kunden die Vollständigkeit des Geräts an Hand einer Checkliste überprüft und diese Vollständigkeit auch festgestellt hat. Er müsste dennoch die Vermutung gegen sich gelten lassen, dass Zubehör oder Bestandteilen gefehlt hatten.

Da somit die Klausel „Vollständig erhalten:" der Inhaltskontrolle nach § 28 Abs 1 KSchG nicht unterliegt und außerdem keine Beweislastverschiebung zu Lasten des Verbrauchers im Sinne des § 6 Abs 2 Z 11 KSchG darstellt, hat das Erstgericht das Klagebegehren zutreffend abgewiesen. Sein Urteil war somit wieder herzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet insoweit auf §§ 41, 50 ZPO.

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