OGH 5Ob54/23m

OGH5Ob54/23m30.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*, vertreten durch Hintermeier Brandstätter Engelbrecht Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei P*, vertreten durch Mag. Siegfried Gruber, Rechtsanwalt in Seitenstetten, wegen Teilung (Streitwert 65.000 EUR) über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Februar 2023, GZ 15 R 136/22p‑79, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00054.23M.0530.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Streitteile sind geschiedene Ehegatten und Miteigentümer mehrerer Liegenschaften, die Bestandteil des vom Beklagten geführten landwirtschaftlichen Betriebs sind. Drei zum Gutsbestand einer dieser Liegenschaften gehörende Grundstücke sind vom Teilungsverfahren ausgenommen, weil sie als Ehewohnung dienten und daher Gegenstand des zwischen den Streitteilen geführten Aufteilungsverfahrens sind.

[2] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Möglichkeit und Tunlichkeit der von der Klägerin begehrten Realteilung.

[3] Das Erstgericht verneinte sie und wies die ausschließlich auf Realteilung gerichtete Teilungsklage ab.

[4] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ die Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[6] 1.1. Gemäß § 843 ABGB ist die Naturalteilung die Regel und die Zivilteilung die Ausnahme. Die Zivilteilung kommt nur dann in Betracht, wenn eine Naturalteilung weder möglich noch tunlich ist. Die Möglichkeit und Tunlichkeit ist dann zu bejahen, wenn die Sache (physisch und im Rechtssinn) geteilt werden kann, ohne dass es im Verhältnis der Summe der Einzelwerte zum Wert der gemeinschaftlichen Sache zu einer wesentlichen Wertminderung käme (siehe hiezu 5 Ob 114/22h) und die Sache zwischen den Teilhabern so aufgeteilt werden kann, dass die entstehenden Teile den Anteilen etwa gleichwertig und diese annähernd gleich beschaffen sind, ohne dass ein unverhältnismäßiger Wertausgleich notwendig wird (RIS‑Justiz RS0013831 [T10]; RS0013856 [T11]). Bei Realteilung muss die gemeinsame Sache demnach nicht nur in annähernd gleichwertige, sondern auch gleichartige Teile zerlegt werden können (RS0013851 [T1]; RS0013831 [T6]).

[7] 1.2. Die teilweise Aufhebung des Miteigentums kommt nur dann in Frage, wenn dies ohne beträchtliche Verminderung seines Werts möglich ist, wenn also der Wert der gemeinschaftlichen Sache in ihren Teilen erhalten bleibt. Bei einem Unternehmen – wie einer Landwirtschaft – bleibt die Summe seiner einzelnen Bestandteile im Regelfall hinter dem Wert des Unternehmens zurück (RS0013843). Bei einer mehrere Objekte umfassenden Gemeinschaft tritt eine Wertminderung durch Realteilung dann ein, wenn eine wirtschaftliche Einheit zerstört wird. Ob eine solche wirtschaftliche Einheit vorliegt, ist nach der Verkehrsanschauung und den wirtschaftlichen Absichten der Teilhaber zu beurteilen (RS0013843 [T3]). Der Fachsenat ging in der Entscheidung 5 Ob 89/99w davon aus, dass die Aufhebung der Gemeinschaft an mehreren Liegenschaften, die zu einem landwirtschaftlichen Unternehmen gehören, nur durch Zivilteilung möglich ist.

[8] 1.3. Für die Tunlichkeit der Naturalteilung ist somit wesentlich, ob die der Eigentumsgemeinschaft unterliegenden Vermögensgegenstände an sich eine Teilung zulassen oder eine solche nur unter beträchtlicher Verminderung des Werts möglich wäre (RS0013852). Eine übermäßige Zerstückelung von Grund und Boden, die eine vernünftige Bewirtschaftung ausschließt, soll vermieden werden (RS0013852 [T2]). Die Frage der Tunlichkeit und Möglichkeit einer Realteilung und nach der annähernd gleichen Beschaffenheit der zu teilenden Sachen ist im Regelfall eine Einzelfallbeurteilung, die nur bei einer groben Überschreitung des den Gerichten bei Lösung dieser Frage eingeräumten Ermessensspielraums eine erhebliche Rechtsfrage aufwerfen würde (RS0013852 [T12]). Dies ist hier nicht der Fall.

[9] 2.1. Nach den Feststellungen wäre hier eine Teilung der Liegenschaften und Zuweisung ganzer Grundstücke theoretisch denkbar, allerdings mit einem erheblichen Wertverlust verbunden. Beide Vorinstanzen berücksichtigten aber auch zutreffend den Umstand, dass ein erheblicher Teil des Verkehrswerts des landwirtschaftlichen Betriebs auf das Betriebszentrum (Gebäude mit Wohn‑ und Wirtschaftsbereichen und Stallungen) entfällt, die diesbezüglichen Grundstücke aber – da sich dort die Ehewohnung befindet – nicht Gegenstand der Teilungsklage sind. Nach den Feststellungen ist auszuschließen, dass nach einer Realteilung – bei Ausklammerung des Betriebszentrums – zwei separat lebensfähige wirtschaftliche Einheiten entstehen könnten, zumal es diesen an ausreichenden Wirtschaftsflächen und Gebäudeausstattung fehlen würde. Dass die Vorinstanzen übereinstimmend von einer wirtschaftlichen Einheit dieser allesamt zu einem landwirtschaftlichen Betrieb gehörigen Liegenschaften ausgegangen sind, ist daher nicht zu beanstanden.

[10] 2.2. Dies gilt auch für die Beurteilung, eine Realteilung in der vom Sachverständigen vorgeschlagenen Form würde Teile mit unterschiedlicher Beschaffenheit entstehen lassen, sodass es unmöglich wäre, gleichartige Liegenschaftsteile zu bilden. Auch die Einschätzung des Berufungsgerichts, die Realteilung scheitere an der Tunlichkeit und Möglichkeit mangels annähernd gleicher Beschaffenheit der möglichen Objekte und an der mit der Realteilung verbundenen übermäßigen Zerstückelung von Grund und Boden, ist keine im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung, zumal sie sich auf die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen kann. Dass der Oberste Gerichtshof zu (richtig:) 8 Ob 142/08b in dem dort zu beurteilenden Fall der Teilung eines landwirtschaftlichen Betriebs eine außerordentliche Revision, die gegen die Stattgebung der Teilungsklage gerichtet war, (ohne Außenbegründung) zurückgewiesen hatte, kann noch keine Uneinheitlichkeit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung begründen.

[11] 3.1. Auch die aus allgemeinen Gerechtigkeitsüberlegungen erhobenen Einwände der Klägerin, bei Verweigerung einer Realteilung liege eine „faktische Enteignung“ vor, werfen keine erhebliche Rechtsfrage auf. Gerade für den Fall der Unmöglichkeit oder Untunlichkeit der Realteilung sieht § 843 ABGB die Möglichkeit der Zivilteilung vor, die aber nicht Gegenstand des Teilungsverfahrens war, weil die Klägerin kein Zivilteilungsbegehren erhoben hat. Ob das von ihr (aus freien Stücken) der Mutter des Beklagten an einem Teil der Grundstücke eingeräumte Belastungs‑ und Veräußerungsverbot eine Zivilteilung hindert, ist in diesem Verfahren, das nur das Begehren auf Realteilung zum Gegenstand hat, nicht zu beurteilen. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO liegt nämlich dann nicht vor, wenn Fragen bloß rein theoretischer Natur gelöst werden sollen (RS0111271). Dass eine nicht mögliche oder untunliche Realteilung nicht allein dadurch möglich oder tunlich werden kann, dass eine Zivilteilung – aus welchen Gründen immer – „nicht vollstreckbar“ sein könnte, liegt im Übrigen auf der Hand.

[12] 4.1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor. Eine Überraschungsentscheidung im Sinn des § 182 Abs 1 ZPO hat die Klägerin schon in der Berufung behauptet, das Berufungsgericht hat eine Mangelhaftigkeit verneint. Dies kann nicht erfolgreich zum Gegenstand der Revision gemacht (RS0042963) und nicht durch die Behauptung umgangen werden, das Berufungsverfahren sei mangelhaft geblieben, weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei (RS0042963 [T58]).

[13] 4.2. Auch eine Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Das Berufungsgericht ging nicht davon aus, die Klägerin habe gar keine Teilungsvorschläge erstattet, es erachtete sie nur als nicht hinreichend konkret, weil nicht angegeben worden sei, durch welche konkreten Zu‑ und Abschreibungen ausgehend von der Beschaffenheit der einzelnen Grundstücke und deren Zugehörigkeit zum landwirtschaftlichen Betrieb die Bildung von zwei annähernd gleichartigen und gleichwertigen Teilstücken möglich sein sollte. Darin liegt keine Aktenwidrigkeit (vgl RS0043256), deren Relevanz die Revisionswerberin im Übrigen nicht darstellt (vgl RS0043265).

[14] 5. Damit war die Revision zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).

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