OGH 5Ob38/06h

OGH5Ob38/06h16.5.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Lovrek und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sebastian S*****, vertreten durch Dr. Ewald Jenewein, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1) Maria S*****, 2) Marianne S*****, 3) Christine A*****, alle vertreten durch Föger, Pall & Schallhart, Rechtsanwaltspartnerschaft in Wörgl, wegen Abtretung einer Erbschaft (Revisionsinteresse: 35.319 Euro), über die Revision der Zweitbeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 22. November 2005, GZ 1 R 227/05z-81, womit das Versäumungs- und Endurteil des Landesgerichts Innsbruck vom 3. Juni 2005, GZ 10 Cg 281/02t-71, teilweise abgändert und teilweise bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Zweitbeklagte ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die mit 1.754,88 Euro (darin 292,48 Euro an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten seiner Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Der am 10. 4. 2000 verstorbene Sebastian S***** war der Gatte der Erstbeklagten und der Vater des Klägers sowie der Zweit- und Drittbeklagten. Sebastian S***** war (u.a.) Alleineigentümer der Liegenschaft EZ *****.

In dem nach Sebastian S***** zu 4 A 59/00d des Bezirksgerichts Hopfgarten geführten Abhandlungsverfahren besprachen die Parteien, dass der Erblasser „einmal ein Testament errichtet habe, welches jedoch bis jetzt nicht aufgefunden wurde" und sie erörterten auch die Möglichkeit, dass der Erblasser dieses Testament noch zu Lebzeiten vernichtet habe.

Am 15. 6. 2000 gaben die Parteien, die Erstbeklagte (Gattin) zu einem Drittel und der Kläger sowie die Zweit- und Drittbeklagte (Kinder) zu je zwei Neuntel unbedingte Erbserklärungen auf Grund des Gesetzes ab und schlossen am 9. 8. 2000 ein Erbteilungsübereinkommen, in welchem die Parteien (u.a.) vereinbarten, die Drittbeklagte erhalte zur Abgeltung ihrer Erbansprüche ein Teilstück aus der Liegenschaft EZ *****, während die Restliegenschaft die Zweitbeklagte übernehme, die ihrerseits der Erstbeklagten und dem Kläger bis 31. 12. 2000 Abfindungsbeträge von 1.770.000 bzw 1.180.000 Schilling zu bezahlen habe. Das Erbteilungsübereinkommen enthält weiters folgende Regelung:

„5.

Alle Beteiligten dieser Verlassenschaft verzichten auf das Recht, dieses Erbteilungsübereinkommen wegen allfälliger Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes oder wegen Irrtums anzufechten; alle Beteiligten stellen fest, daß Leistung und Gegenleistung gemäß diesem Übereinkommen ihren Vorstellungen entsprechen."

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Hopfgarten vom 22. 8. 2000 erfolgte die Einantwortung des Nachlasses entsprechend den Erbserklärungen der Parteien und im Jänner 2001 die Einverleibung des Alleineigentums der Zweitbeklagten ob der Liegenschaft EZ *****.

Am 10. 4. 2001 überbrachte der Kläger dem Gerichtskommissär ein Testament des Sebastian S*****, in welchem dieser den Kläger zum Alleinerben eingesetzt hatte.

Der Kläger begehrte im zugrunde liegenden Verfahren - zusammengefasst - von den Beklagten die Abtretung des Nachlasses entsprechend ihren gesetzlichen Erbquoten und von der Zweitbeklagten die Herausgabe der Liegenschaft EZ *****, deren Zustimmung in die Einverleibung seines Eigentumsrechts und die Lastenfreistellung Zug um Zug gegen Bezahlung (der Abfindungsbeträge) von (zusammen) 2,950.000 Schilling (= 214.384,86 Euro).

Erst- und Drittbeklagte beteiligten sich am Verfahren nicht. Die Zweitbeklagte machte - soweit noch wesentlich - geltend, dem Begehren des Klägers stehe der Anfechtungsverzicht gemäß Punkt 5. des Erbteilungsübereinkommens entgegen. Sollte sie zur Herausgabe der Liegenschaft verpflichtet sein, müsse ihr der Kläger (u.a) die für die Finanzierung der Abfindungsbeträge aufgelaufenen Kreditzinsen ersetzen.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagten zur Abtretung der Erbschaft an den Kläger und die Zweitbeklagte zur Übereignung der lastenfrei zu stellenden Liegenschaft EZ ***** an den Kläger Zug um Zug gegen Bezahlung von 257.674,59 Euro; in diesem Betrag sind (u.a.) die Kreditzinsen für die Finanzierung der Abfindungsbeträge in der Höhe von 35.319 Euro enthalten.

Das Berufungsgericht änderte das - teils in Rechtskraft erwachsene, teils bestätigte - Ersturteil nur insoweit ab, als es die vom Kläger Zug um Zug zu erbringende Zahlung auf 222.477,86 Euro reduzierte. Das Berufungsgericht sah in Vertragspunkt 5. des Erbteilungsübereinkommens kein Hindernis für die vom Kläger auf das nachträglich aufgefundene Testament gestützte Erbschaftsklage und es verneinte eine Ersatzpflicht des Klägers für die der Zweitbeklagten zur Finanzierung der Abfindungsbeträge aufgelaufenen Kreditzinsen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 Euro übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Zur Frage, ob ein Erbteilungsübereinkommen unter Scheinerben, an welchem der spätere Testamentserbe beteiligt ist und auf eine Irrtumsanfechtung verzichtet, einer Erbschaftsklage entgegen stehe, fehle genauso eine Judikatur des Obersten Gerichtshofs wie zur Frage, ob die Kreditkosten zur Finanzierung der Abfindungsbeträge ersatzfähiger Aufwand im Sinn des § 471 ABGB seien.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), ist die Revision der Zweitbeklagten unzulässig, weil diese in ihrem Rechtsmittel keine Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO geltend macht. Die Zurückweisung des ordentlichen Rechtsmittels mangels erheblicher Rechtsfrage kann sich folgend auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

1.1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits zu 7 Ob 63/98k (= EF 87.265) ausgesprochen, die Erbteilungsvereinbarung sei ein Vertrag über die Aufhebung der ideellen Erbengemeinschaft und stehe als solcher einer späteren Erbschaftsklage nicht im Weg. Die Rechtslage sei für den Erbschaftskläger nicht anders, ob nun zwischen den Scheinerben ein Erbteilungsübereinkommen geschlossen wurde oder nicht. Der Erbschaftskläger habe unabhängig vom Vorliegen einer Erbteilungsvereinbarung den Anspruch auf Abtretung jenes Erbschaftsteils, der den Scheinerben aufgrund der Einantwortung - und nicht aufgrund der Erbteilungsvereinbarung - zu Unrecht zugekommen ist. Dieser Rechtsansicht, auf welche sich auch das Berufungsgericht stützte, tritt die Zweitbeklagte in ihrer Revision - ausdrücklich - nicht entgegen.

1.2. Die Zweitbeklagte meint, nicht das Erbteilungsübereinkommen als solches, sondern der in seinem Vertragspunkt 5. vereinbarte Anfechtungsverzicht stehe der Erbschaftsklage entgegen. Diese Beurteilung stellt aber eine Frage der Vertragsauslegung dar (RIS-Justiz RS0042871; RS0044298; vgl auch 3 Ob 296/04g). Eine erhebliche Rechtsfrage liegt in einem solchen Fall idR unabhängig davon nicht vor, ob (auch) eine andere (9 Ob 72/01f mwN), insbesondere die vom Rechtsmittelwerber angestrebte Auslegung vertretbar ist (4 Ob 134/02p; 1 Ob 260/00t). Eine solche Auslegung könnte nur dann eine erhebliche Rechtsfrage begründen, wenn das Berufungsgericht infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unzumutbares Auslegungsergebnis erzielt hätte (RIS-Justiz RS0042776; RS0042936). Eine solche auffallende Fehlbeurteilung ist hier aber nicht zu erkennen, ist doch in Punkt 5. des Erbteilungsübereinkommens ausdrücklich nur vom Verzicht „auf das Recht, dieses Erbteilungsübereinkommen wegen allfälliger Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes oder wegen Irrtums anzufechten" die Rede; dafür, dass damit auch ein Verzicht auf eine Erbschaftsklage und somit auf ein allfälliges testamentarisches Erbrecht vereinbart werden sollte, findet sich weder im Wortlaut des Übereinkommens noch im sonst vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt irgend ein Anhaltspunkt (zur Auslegung von Verzichtserklärungen im Allgemeinen vgl RIS-Justiz RS0034121 und zur einschränkenden Auslegung im Besonderen vgl RIS-Justiz RS0038546; RS0018561). Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende krasse Fehlbeurteilung vermag daher die Zweitbeklagte in diesem Punkt nicht aufzuzeigen.

2.1. Zur Frage der Ersatzfähigkeit der Kreditzinsen zur Finanzierung der Abfindungsbeträge beruft sich die Zweitbeklagte allein auf ihre Gutgläubigkeit und den im gegebenen Zusammenhang sachfremd erscheinenden § 333 Satz 2 ABGB. Nach dieser Bestimmung kann derjenige, der eine fremde Sache, die der Eigentümer sonst schwerlich wieder erlangt hätte, in redlicher Weise an sich löst, und dadurch dem Eigentümer einen erweislichen Nutzen verschafft hat, eine angemessene Vergütung fordern. Die Zweitbeklagte verkennt dabei, dass sie nicht eine fremde Sache an sich gelöst, sondern eine Erbteilungsvereinbarung abgeschlossen hat, mit der die Parteien die Aufhebung der ideellen Erbengemeinschaft vereinbart haben, und die - wie das Verfahren zeigt - dem Kläger die Wiedererlangung der (gesamten) Liegenschaft wohl eher erschwert hat, sodass die Zweitbeklagte aus dieser Bestimmung nichts zu gewinnen und die Kreditzinsen insbesondere nicht als „Bergelohn" darzustellen vermag.

2.2. Die Zweitbeklagte bedenkt im Übrigen auch nicht, dass der von ihr reklamierte Aufwandersatz nach den §§ 331 ff ABGB zweifach begrenzt ist, nämlich mit der Höhe des Aufwands und dem Wert der getätigten Aufwendungen (§ 331 ABGB; RIS-Justiz RS0010234 vgl auch 6 Ob 507/93 = JBl 1994, 171). Soweit die Zweitbeklagte insoweit unterstellt, der Kläger habe aus dem Abfindungsbetrag Zinseinkünfte erzielt oder Verbindlichkeiten getilgt, handelt es sich um Mutmaßungen, die im festgestellten Sachverhalt keine Deckung finden.

2.3. Mit dem Begriff des Aufwands im Sinn des § 471 ABGB hat sich der Oberste Gerichtshof schon mehrfach befasst (vgl RIS-Justiz RS0011488; RS0010234), und zwar sowohl im Zusammenhang mit dem redlichen Erbschaftsbesitzer (1 Ob 506/94 = SZ 67/127; RIS-Justiz RS0011511) als auch in Verbindung mit dem Zurückbehaltungsrecht an einer Liegenschaft (RIS-Justiz RS0011487); weder mit dieser Judikatur noch mit der zu § 471 ABGB entwickelten Lehre setzt sich die Zweitbeklagte in ihrer Revision auseinander.

Da somit insgesamt keine erheblichen Rechtsfragen geltend gemacht werden, erweist sich die Revision als unzulässig und ist zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0102059).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Zweitbeklagten hingewiesen, sodass sich dessen Revisionsbeantwortung als Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverteidigung darstellt. Für die Revisionsbeantwortung gebührt nur der einfache Einheitssatz (anders nur das Berufungsverfahren: § 23 Abs 9 RATG; 7 Ob 136/05h; 2 Ob 40/04b) und auch kein Streitgenossenzuschlag, weil dem Kläger nur (mehr) die Zweitbeklagte gegenüber stand.

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