OGH 2Ob40/04b

OGH2Ob40/04b1.12.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Philipp W*****, diese vertreten durch Dr. Lukas Lorenz, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Univ. Prof. Dr. Matthias Z*****, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen EUR 17.441,48 und Feststellung (Streitwert EUR 726,23), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 9. Dezember 2003, GZ 2 R 202/03b-55, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 4. Juli 2003, GZ 6 Cg 156/2b-51, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im Umfang der Abweisung des Feststellungsbegehrens, nicht aber hinsichtlich der Kostenentscheidungen, dahin abgeändert, dass die Entscheidung über das Feststellungsbegehren zu lauten hat:

„Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei für sämtliche Schäden der klagenden Partei haftet, die dieser künftig aus den in der Zeit vom 18. 8. 1997 bis 29. 11. 1998 erfolgten Behandlungen der beklagten Partei erwachsen werden."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 199,87 (darin enthalten EUR 33,31 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der mj. Kläger stand beim Beklagten wegen einer Schielerkrankung in ärztlicher Behandlung. Strittig im Revisionsverfahren ist ausschließlich die Berechtigung eines Feststellungsbegehrens über die Haftung des Beklagten für künftige Schäden aus dessen Behandlung des Klägers; die Haftung des Beklagten für bereits erlittene Schäden wegen eines Behandlungsfehlers und die Höhe des zugesprochenen Schmerzengeldes ist im Revisionsverfahren nicht mehr Verfahrensgegenstand.

Das Erstgericht hat dazu festgestellt, Dauerschäden seien nicht feststellbar; es sei nicht auszuschließen, dass aus einem besonderen Anlass eine posttraumatische erneute Belastungsphase eintrete; dies sei aber Spekulation, es sei nicht zu vermuten, dass dies auftreten könne; Anhaltspunkte dafür lägen nicht vor.

Beide Vorinstanzen haben das Feststellungsbegehren ausgehend von den vorstehenden Feststellungen abgewiesen, wobei das Berufungsgericht ausführte, eine bloß theoretische Möglichkeit eines abstrakt-hypothetischen Eintrittes von zukünftigen Schäden reiche zur Begründung des Feststellungsinteresses nach § 228 ZPO nicht aus. Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, änderte diesen Ausspruch über Antrag des Klägers nach § 508 ZPO dahin ab, dass die Revision doch zulässig sei, weil zur Frage des Vorliegens eines Feststellungsinteresses bei einer bloß theoretischen Möglichkeit eines abstrakt-hypothetischen Eintrittes von zukünftigen Schäden aus einer Körperverletzung keine neuere oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

In seiner Revision führt der Kläger aus, für die Bejahung eines Feststellungsinteresse reiche es aus, dass weitere Schäden nicht mit Sicherheit auszuschließen seien und Spätfolgen nicht gänzlich und mit Bestimmtheit ausgeschlossen werden könnten. Es wird daher der Antrag gestellt, dass auch dem Feststellungsbegehren des Klägers stattgegeben werde; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision des Klägers zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist wegen Abweichens des Gerichtes zweiter Instanz von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zulässig und berechtigt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist die Einbringung einer Feststellungsklage immer dann zulässig, wenn verletzungsbedingte, jedoch erst künftig entstehende Ersatzansprüche nicht auszuschließen sind; insbesondere weil die Unfallfolgen noch nicht abgeklungen sind und eine weitere ärztliche Behandlung notwendig ist; Dauerfolgen bestehen oder wenn die Möglichkeit von Spätfolgen nicht gänzlich und mit Bestimmtheit ausgeschlossen werden können (Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, Schmerzengeld8 219 f; RIS-Justiz RS0038976). Zur Bejahung des Feststellungsinteresses im Sinne des § 228 ZPO genügt der allgemeine Hinweis, dass weitere Schäden aus dem Schadensereignis nicht mit Sicherheit auszuschließen sind; ein Feststellungsinteresse ist daher schon dann zu bejahen, wenn nur die Möglichkeit offen bleibt, dass das schädigende Ereignis (hier ärztliche Fehlbehandlung) den Eintritt eines künftigen Schadens verursachen könnte. Zu 2 Ob 119/04w wurde ausgesprochen, dass aus der bloßen Feststellung, dass „mit zukünftig eintretenden Schäden nicht zu rechnen ist", sich nicht mit Sicherheit ergebe, dass künftige Schäden nicht (doch) eintreten werden, weshalb das Feststellungsinteresse bejaht wurde. Im gleichen Sinn hat der erkennende Senat die Feststellung, dass „Dauerfolgen nicht zu erwarten" sind, beurteilt (2 Ob 29/05m = ecolex 2005/233). Auch im hier zu beurteilenden Fall kann die Möglichkeit eines späteren Schadens im Sinne dieser Rechtsmeinung nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, weshalb das Feststellungsinteresse gegeben ist.

In der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung ZVR 1962/257 wurde das Feststellungsinteresse entgegen der im Leitsatz verkürzten Formulierung bejaht, weil das Entstehen weiterer Ansprüche als möglich angesehen wurde. Die Entscheidung Miet 34.729/21 betraf die Nichtfeststellbarkeit künftiger Schäden, wenn der Primärschaden noch gar nicht eingetreten ist. In der Entscheidung 8 Ob 612/90 wurde die Feststellbarkeit eines Schadens für den hypothetischen Fall, dass das Gericht in einem anderen Verfahren dem Standpunkt des Klägers nicht folgen sollte, verneint. Auch bei dem der Entscheidung SZ 52/146 zugrundeliegenden Sachverhalt stand der Eintritt eines Schadens nicht einmal dem Grunde nach fest, weshalb ebenfalls die Feststellbarkeit eines bloß theoretisch möglichen künftigen Schadens verneint wurde. All diese Sachverhalt lassen sich mit dem vorliegenden nicht vergleichen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 40 ZPO. Dem Kläger war allerdings nur der einfache Einheitssatz (§ 23 RATG) auf Basis des für den Revisionsstreitwert (EUR 726,72) gebührenden Tarifs zuzusprechen.

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