OGH 5Ob29/19d

OGH5Ob29/19d25.4.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Mag. Alfred Hütteneder, Mag. Michaela Hütteneder‑Estermann, Rechtsanwälte in Bad Hofgastein, gegen die beklagte Partei H*****, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 570.645,19 EUR sA sowie Feststellung über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 454.545 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 13. November 2018, GZ 6 R 139/18f‑129, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 30. Juli 2018, GZ 6 Cg 55/14p‑118, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00029.19D.0425.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen deren mit 3.203,82 EUR (darin 533,97 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Beklagte verkaufte dem Kläger am 18. Mai 2012 aus dem Gutsbestand seiner Liegenschaften drei Grundstücke um einen Kaufpreis von 454.545 EUR. Der Kläger plante den Bau eines Wohnhauses samt Doppelgarage, Garten und Schwimmteich. Seine Vorgabe war, dass er uneingeschränktes Bauland mit einer Größe erwerbe, sodass eine Wohnfläche von 300 bis 400 m² geschaffen werden könne. Dass der Kläger bauen wollte, wusste der Beklagte. Die Frage des Klägers an ihn, ob die Liegenschaft uneingeschränkt bebaubar wäre, bejahte er.

Tatsächlich befindet sich auf den verkauften Grundparzellen ein nach § 24 des Sbg NaturschutzG 1999 geschütztes Biotop, das gemäß Abs 2 leg cit auch im Biotopkataster ausgewiesen ist. Dem Beklagten war dies nicht bekannt. Zwei Parzellen liegen größtenteils im Schutzgebiet, eine Parzelle teilweise. Eine Transplantation der Biotopflächen ist theoretisch möglich und technisch machbar, aus naturschutzfachlicher Sicht jedoch schwierig, zumal dies ein geeignetes Grundstück erfordert. Dieses müsste entweder bereits Moorgebiet sein oder müssten entsprechende Bedingungen für ein Gedeihen der Pflanzen geschaffen werden. Großflächentransplantationen kosten im Hektarbereich etwa 200 bis 800 EUR/m², bei kleineren Flächen liegen die Kosten höher. Dass dem Kläger eine Transplantation zu einem wirtschaftlich vertretbaren Preis möglich und ein geeignetes Grundstück verfügbar gewesen wäre, steht ebenso wenig fest wie dass die Naturschutzbehörde zugestimmt hätte und die Baufläche daher als solche zur Gänze genutzt hätte werden können. Der Verkehrswert der Liegenschaft betrug daher zum Kaufzeitpunkt nur 115.000 EUR.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr das Begehren des Klägers auf Aufhebung des Kaufvertrags und Rückzahlung des Kaufpreises, das er auf Irrtum, Gewährleistung und Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes stützt.

Das Erstgericht hob den Kaufvertrag auf und verpflichtete den Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe der Liegenschaften. Da der Verkehrswert zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits weniger als die Hälfte des Kaufpreises betragen habe, seien die Voraussetzungen des § 934 ABGB gegeben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und ließ die ordentliche Revision zu. Die Beweisrüge des Beklagten erachtete es als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt. Rechtlich ging es davon aus, dass der Kläger bereits von Anfang an die Rückabwicklung des Kaufvertrags aufgrund Unbebaubarkeit der gekauften Liegenschaft wegen des geschützten Biotops auch aus dem Rechtsgrund der Verkürzung über die Hälfte begehrt und im Schriftsatz vom 15. Dezember 2015 diesen Sachverhalt durch Behauptung des tatsächlichen Werts der gekauften Liegenschaft präzisiert habe. Darin liege keine Klageänderung, weshalb der Rechtsbehelf der laesio enormis nicht verjährt sei. Der Biotopkataster sei kein öffentliches Buch im Sinn des § 928 ABGB. Die bloße Bereitschaft des Beklagten zur Kostenbeteiligung betreffend die Transplantierung des Biotops sei als Verweigerung der Verbesserung aufzufassen, sodass der Kläger als Käufer auch Wandlung begehren könne. Mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage, ob der Biotopkataster öffentliches Buch im Sinn des § 928 ABGB sei, ob eine zur schlüssigen Geltendmachung des Rechtsgrundes der laesio enormis notwendige Präzisierung des Vorbringens nach Ablauf der Verjährungsfrist eine Verjährung dieses Rechtsbehelfs nach sich ziehe und letztlich ob der Gewährleistungspflichtige beweisen müsse, dass eine zur Verbesserung geeignete Liegenschaft vorhanden und der Mangel insofern nicht unbehebbar sei, sei die ordentliche Revision zuzulassen.

In seiner Revision beantragt der Beklagte die Abänderung im Sinn einer Abweisung des gesamten Klagebegehrens, hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig und zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

1. Der Beklagte wendet sich gegen die Auffassung der Vorinstanzen, der Kläger habe bereits in der Klage ausreichend zum Rechtsgrund der laesio enormis vorgebracht. Rechtsprechung dazu fehle, ob das bloße Andeuten dieses Rechtsbehelfs ohne Vorbringen der Tatbestandsmerkmale und ohne Beweisanbot eine Unterbrechung im Sinn des § 1497 ABGB bewirke und ob die nachträgliche Ergänzung oder Erweiterung des ursprünglichen Leistungsbegehrens nach Erstattung eines ergänzenden Vorbringens im Sinn des § 934 ABGB und nach Ergänzung um das Rechtsgestaltungsbegehren eine Klageänderung im Sinn des § 235 ZPO sei. Damit wirft er aber keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf, zumal zu den angesprochenen Fragen bereits höchstgerichtliche Rechtsprechung existiert, der das Berufungsgericht gefolgt ist.

2. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

3.1. § 934 ABGB räumt demjenigen, der bei zweiseitigen verbindlichen Geschäften nicht einmal die Hälfte dessen, was er dem anderen gegeben hat, von diesem an gemeinem Wert erhalten hat, das Recht ein, die Aufhebung und die Herstellung in den vorigen Stand zu fordern. Die Bestimmung verlangt ein krasses objektives Wertmissverhältnis, dabei ist auf den Vertragsabschlusszeitpunkt abzustellen, nicht auf einen etwaigen späteren Leistungszeitpunkt (RIS‑Justiz RS0018871). Nachträgliche Erfüllungsmängel haben bei Prüfung der laesio enormis unbeachtet zu bleiben (RS0110457 [T1]). Nach Rechtsprechung und überwiegender Lehre stehen das Gestaltungsrecht zur Vertragsaufhebung wegen Verkürzung über die Hälfte und die Ansprüche wegen Gewährleistung miteinander in voller Konkurrenz, sodass der Aufhebungsanspruch nach § 934 ABGB auch dann geltend gemacht werden kann, wenn die gekaufte Sache infolge eines schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorliegenden Mangels, der einen Gewährleistungsanspruch begründen könnte, weniger als die Hälfte des Kaufpreises wert ist (RS0022009; RS0024085; 7 Ob 251/02s = JBl 2004, 252 [Riedler]). Der Oberste Gerichtshof sprach zu 10 Ob 21/07x (JBl 2007, 652 [Bydlinski] = ZVR 2007/256 [Huber]) für den Fall eines behebbaren Mangels einer Speziessache aus, dass dieser bei Ermittlung des objektiven Werts der gekauften Sache zur Prüfung des Wertmissverhältnisses nach § 934 ABGB nicht außer Betracht bleiben dürfe. Selbst nachträgliche Verbesserungen der Sache könnten das Anfechtungsrecht des Verkürzten nicht beseitigen (RS0121968).

3.2. Dass die Vorinstanzen bei der Ermittlung des Verkehrswerts der verkauften Grundstücke auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 18. Mai 2012 abstellten und dabei berücksichtigten, dass die Liegenschaft entgegen dem aus den Feststellungen erschließbaren Parteiwillen nicht völlig unbeschränkt im Sinn der Vorgaben des Klägers bebaubar ist, hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung. Dass sie auf die bloß theoretische Möglichkeit der Transplantierbarkeit des Biotops auf ein anderes Grundstück bei der Bewertung nicht Bedacht nahmen, folgt den Grundsätzen der Entscheidung 10 Ob 21/07x und ist daher nicht zu beanstanden. Im Übrigen konnte das Erstgericht nicht feststellen, dass dem Kläger die Transplantation zu einem wirtschaftlich vertretbaren Preis möglich und ein geeignetes Grundstück überhaupt verfügbar gewesen wäre. Daher steht nicht einmal fest, dass eine Verbesserungsmöglichkeit gegeben gewesen wäre.

3.3. Gemäß § 1487 ABGB muss die Einwendung der laesio enormis innerhalb von drei Jahren nach Vertragsabschluss erhoben werden (RS0018798). Gemäß § 1497 ABGB wird die Verjährung durch Klage unterbrochen. Für die Unterbrechungswirkung der Verjährung ist das tatsächlich und eindeutig erhobene Klagebegehren zu berücksichtigen. Der geltend gemachte Anspruch wird dabei durch den Urteilsantrag umschrieben, der bei Geldschulden ziffernmäßig genau bestimmt sein muss (RS0034954). Sind nur Daten ergänzungsbedürftig, kann die Unvollständigkeit im Rahmen materieller Prozessleitung ohne weiteres behoben werden, ohne dass die Unterbrechungswirkung beeinträchtigt ist (vgl RS0034954 [T1]); die nachträgliche Ergänzung der mangelhaften Klage wirkt auf den Zeitpunkt der Klageeinbringung zurück (RS0034954 [T2]; 1 Ob 290/03h). Auch wenn wegen eines unbestimmten, aber bezifferten Klagebegehrens oder wegen Fehlens einer näheren Aufschlüsselung verbessert wird, fällt die Unterbrechungswirkung des § 1497 ABGB bei bloßer Vervollständigung ergänzungsbedürftigen Klagevorbringens nicht weg (RS0034954 [T7]). Nur dann, wenn ein Anspruch erst mit Klageänderung geltend gemacht wird, ist für die Unterbrechungswirkung nicht die Einbringung der ursprünglichen Klage, sondern das Wirksamwerden der Änderung der Klage entscheidend (6 Ob 234/04m). Die Frage, ob von einer für die Verjährungsunterbrechung maßgeblichen bloßen Sachverhaltsergänzung oder doch von einer Klageänderung auszugehen ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (6 Ob 234/04m), dies gilt auch grundsätzlich für die Frage der Auslegung von Prozessvorbringen (RS0042828). Eine erhebliche Rechtsfrage läge nur im Fall einer groben Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht vor, die hier nicht zu erkennen ist:

3.4. Klagegrund im Sinn des § 235 ZPO ist jener Kern im tatsächlichen Vorbringen, den der Kläger nicht ändern kann ohne von einem Anspruch auf einen anderen zu greifen, sodass eine Klageänderung dann vorliegt, wenn der Kläger sein Tatsachenvorbringen, aus dem er die Ansprüche ableitet, in seinem Kern ändert (RS0039998). Die bloße Ergänzung mangelhaften Vorbringens durch die Behauptung der den Klageanspruch nunmehr schlüssig begründenden Tatsachen bewirkt daher keine Klageänderung im Sinn des § 235 ZPO (vgl RS0036727), dies betrifft etwa den Fall der Schlüssigstellung der Klage (RS0036727 [T2]).

3.5. Es war Sache des Klägers, den Verkehrswert der Kaufsache und Umstände, die ein Missverhältnis der Leistungen begründen, darzutun (vgl RS0016915). Die Auffassung der Vorinstanzen, dies sei hier – wenn auch in vervollständigungsbedürftigem Umfang – im Kern bereits in der Klage passiert, ist keine auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung. Der Kläger behauptete unter Schilderung des Sachverhalts bereits in der Klage, die vereinbarte Bebaubarkeit der Grundflächen sei de facto und de iure nicht gegeben und stützte sein Klagebegehren – unter anderem – ausdrücklich auf „laesio enormis“, also den Fachbegriff, der auch in tatsächlicher Hinsicht zum Ausdruck bringt, dass das Grundstück weniger als die Hälfte des Kaufpreises wert ist. Über Erörterung durch das Erstgericht präzisierte und vervollständigte der Kläger dieses Vorbringen – nach der vom Gericht beschlossenen Unterbrechung des Verfahrens wegen des Naturschutzverfahrens – dann mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2015 ausführlich und ergänzte letztlich das zunächst allein gestellte Begehren auf Rückzahlung des Kaufpreises um ein Aufhebungsbegehren samt Zug‑um‑Zug‑Rückabwicklung. Einen neuen Anspruch im Sinn des Rechtssatzes RS0034954 machte der Kläger hingegen nicht geltend. Auch die Aufnahme des Begehrens auf Aufhebung des Vertrags zusätzlich zum Leistungsbegehren änderte den Streitgegenstand nicht (4 Ob 70/18z; RS0018806). Damit waren weder die Präzisierung des Vorbringens im Schriftsatz vom 15. Dezember 2015 noch die Ergänzung um das Begehren auf Aufhebung des Kaufvertrags in der Tagsatzung vom 13. Juli 2018 als Klageänderung im Sinn des § 235 ZPO zu werten. Dass bereits die Klage den Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist unterbrochen hat, ist nicht korrekturbedürftig.

3.6. Erstmals in der Revision rügt der Beklagte, ihm sei die Ersetzungsbefugnis nicht angeboten worden. Die Erklärung des Beklagten, das zum gemeinen Wert Fehlende nachtragen zu wollen, muss aber bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung abgegeben werden (RS0021626 [T1]), wäre diese doch im Urteil zu berücksichtigen (RS0021626). Eine derartige Erklärung des Beklagten im Verfahren erster Instanz liegt aber nicht vor.

4. Da somit die Auffassung der Vorinstanzen, die Anfechtung des Vertrags sei bereits aus dem Rechtsgrund der Verkürzung über die Hälfte des wahren Werts nach § 934 ABGB berechtigt, nicht zu beanstanden ist, ist mangels rechtlicher Relevanz auf die weiteren in der Zulassungsbegründung genannten Rechtsfragen nicht mehr einzugehen. Ob der Kläger auch aus dem Titel der Gewährleistung zur Wandlung berechtigt wäre, bedarf keiner Erörterung.

5. Die ordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

6. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, weshalb ihm gemäß §§ 41, 50 ZPO die Kosten der Revisionsbeantwortung zuzusprechen waren.

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