OGH 6Ob234/04m

OGH6Ob234/04m15.12.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Erwin Bajc ua, Rechtsanwälte in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei W***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in Linz, Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Parteien 1. Dipl. Ing. Herbert P*****, 2. Dipl. Ing. Werner N*****, und 3. Dipl. Ing. Nikolaus S*****, alle vertreten durch Kaan, Cronenberg & Partner, Rechtsanwälte in Graz, wegen (restlich) 72.666,12 EUR, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 8. Juli 2004, GZ 6 R 40/04a-166, womit über die Berufungen der Parteien und der Nebenintervenienten das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 31. Oktober 2003, GZ 5 Cg 49/95s-155, teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die klagende Bauunternehmerin begehrte mit ihrer Klage vom 10. 7. 1991 aufgrund einer Schlussrechnung über 8,804.666,50 S einen restlichen Werklohn von 169.587,44 S, aus vereinbarten Nachverrechnungen 32.718,26 S und 100.794,89 S, aus erteilten Zusatzaufträgen 7.355,52 S, 20.887,37 S und 37.092 S und schließlich laut einer Schlussrechnung vom 6. 2. 1990 1,608.562,24 S, zusammen 1,976.997,72 S. Der Betrag von 1,608.562,24 S wurde aus dem Titel durchgeführter Schadensbehebungsmaßnahmen nach einem "Wassereintritt" aufgrund der Schlussrechnung vom 6. 2. 1990 begehrt. Die Klägerin habe über gesonderten Auftrag der Beklagten Schäden, die durch einen Wassereintritt entstanden seien, im Rahmen des gegenständlichen Bauvorhabens behoben. Die Beklagte habe im Bautagebuch festgehalten, dass ein Zimmereibetrieb für den Wassereintritt verantwortlich sei und für alle daraus entstehenden Folgeschäden haftbar gemacht werde. Zwischen der Beklagten und den am Bauvorhaben beschäftigten Professionisten sei vereinbart worden, dass sich auch diese Professionisten mit einem bestimmten prozentuellen Betrag an den Schadensbehebungskosten beteiligen. Die Beklagte habe der Klägerin einen Anteil von 8,87 % bekannt gegeben, der von der Klägerin auch anerkannt worden sei. In der Tagsatzung vom 2. 9. 2002 ergänzte die Klägerin ihr Vorbringen zu dieser Teilforderung, dass mit der Rechnung vom 6. 2. 1990 nicht nur das Putzsanieren, sondern weiters beauftragte Regieleistungen verrechnet worden seien, die zu 100 % der Klägerin zu bezahlen seien. Gegenstand der Zusatzaufträge seien Regieleistungen gewesen wie beispielsweise Kabelssuchen, händisches Graben beim Kabel, Endplane, Freilegen von Kabeln, Herausheben der Zaunsäulen samt Betonsockel, Aufstellen einer Blechhütte, Einbau von Gussrohr, Schallung von Betonmauern, Abtragen einer Mauer, Putzen der Leitung, Abschremmen des Unterbetons im Keller und Abplanen der Erker. Die Beklagte bestritt dieses ergänzende Vorbringen. Zu diesen Regieleistungen sei kein Auftrag erteilt worden. Die Leistungen seien nicht erbracht worden, sie seien auch nicht notwendig gewesen und mit überhöhten Preisen verrechnet worden. Die Nebenintervenienten erhoben zum neuen Prozessvorbringen der Klägerin den Einwand der Verjährung. Das Erstgericht stellte im dritten Rechtsgang die Klageforderung mit 24.666,73 EUR und 45.264,98 EUR als zu Recht bestehend, die eingewandte Gegenforderung mit 1.921,69 EUR als zu Recht bestehend fest und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 68.010,02 EUR samt Stufenzinsen und wies das Mehrbegehren ab.

Das Berufungsgericht änderte über die Berufungen beider Parteien und der Nebenintervenienten das erstinstanzliche Urteil dahin ab, dass die Klageforderung mit 56.158,72 EUR als zu Recht bestehend, die Gegenforderung mit 1.921,69 EUR als zu Recht bestehend festgestellt wurde, verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 54.237,03 EUR und wies das den bereits rechtskräftig abgewiesenen Betrag von 43.725,37 EUR übersteigende Mehrbegehren von 18.429,08 EUR und das Zinsenmehrbegehren ab.

Das Berufungsgericht erachtete im Gegensatz zum Erstgericht den Einwand der Verjährung hinsichtlich der für Regieleistungen festgestellten Teilforderungen, die mit dem Aufwand zur Entfeuchtung und die mit der Putzssanierung nichts zu tun haben, für berechtigt. Diese Leistungen (im Ausmaß der Feststellungen des Erstgerichtes 133.163,96 S) seien erstmals in der Tagsatzung vom 2. 9. 2002 mit neuem Tatsachenvorbringen, also mit einer Klageänderung, geltend gemacht worden. Eine weitere Reduktion des Zuspruchs des Erstgerichts begründete das Berufungsgericht damit, dass das Erstgericht eine Teilforderung aus dem Titel "Entfeuchtungskosten" nicht um den von der Klägerin zugestandenen Haftungsanteil von rund 9 % gekürzt habe. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

Rechtliche Beurteilung

Strittig ist die Rechtsfrage, ob es sich beim ergänzenden Prozessvorbringen der Klägerin durch die Klarstellung, dass ein Teilbetrag der Klageforderung nicht - wie ursprünglich behauptet - auf Zusatzaufträge der Beklagten zur Schadensbehebung im Rahmen einer Vereinbarung über eine Haftung für primär von einem Dritten (einem Zimmereiunternehmen) verursachte Schäden zustehe, sondern unabhängig von diesem Schadensfall aufgrund von (zuvor) erteilten Aufträgen, um eine Klageänderung handelt. Die Revisionswerberin führt für ihren Standpunkt Lehre und Rechtsprechung zum sogenannten zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff ins Treffen. Neue, innerhalb des selben gesetzlichen Tatbestands liegende sachverhaltsergänzende Tatsachenbehauptungen änderten an der Identität des Streitgegenstands nichts. Es liege keine Klageänderung sondern nur eine Klagepräzisierung vor. Dazu ist folgendes auszuführen:

1. Eine Klageänderung liegt immer dann vor, wenn andere rechtserzeugende Tatsachen behauptet werden (RIS-Justiz RS0039417). Identität des Streitgegenstands setzt voraus, dass sowohl das Klagebegehren und der geltend gemachte Rechtsgrund als auch der zu seiner Begründung vorgebrachte rechtserzeugende Sachverhalt mit jenem des Vorverfahrens identisch ist (RS0039179). Sie wird verneint, wenn die Identität der rechtserzeugenden Tatsachen nur eine teilweise ist. Dies ist dann der Fall, wenn zur Begründung des späteren Anspruchs zu den in der ersten Klage vorgebrachten Tatsachen noch weitere rechtserzeugende Tatsachen hinzutreten (RS0039366; 6 Ob 266/97d). Bloße Ergänzungen und Richtigstellungen, die das Wesen der bereits geltend gemachten rechtserzeugenden Tatsachen nicht berühren, bedeuten noch keine Änderung des Streitgegenstands (SZ 54/156). Die Klage unterbricht die Verjährung nur für die in ihr geltend gemachten Ansprüche. Wird ein Anspruch erst mit der Änderung einer Klage geltend gemacht, dann entscheidet für die Unterbrechungswirkung iSd § 1497 ABGB nicht die Einbringung der ursprünglichen Klage, sondern das Wirksamwerden der Änderung der Klage (2 Ob 65/98t mwN). Für eine Unterbrechung der Verjährung ist nur das tatsächlich und eindeutig erhobene Klagebegehren zu berücksichtigen, wobei der geltend gemachte Anspruch durch den Urteilsantrag umschrieben wird, der bei Geldschulden ziffernmäßig genau bestimmt sein muss. Es wurde bereits ausgesprochen, dass der Mangel einer unvollständigen Klage, bei welcher nur Daten ergänzungsbedürftig sind, durch nachträgliche Ergänzung behoben werden kann und dass diese Ergänzung auf den Zeitpunkt der Klageeinbringung zurückwirkt (2 Ob 107/01a mwN). Die Frage, ob im Lichte der angeführten, in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Grundsätze von einer für die Verjährungsunterbrechung maßgeblichen bloßen Sachverhaltsergänzung oder doch von einer Klageänderung auszugehen ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. In der Ansicht des Berufungsgerichts über das Vorliegen neuer, rechtserzeugender Tatsachenbehauptungen liegt keine im Rahmen einer außerordentlichen Revision aufgreifbare Fehlbeurteilung. Der strittige Teilanspruch wurde von der Klägerin mit gesonderten Aufträgen im Rahmen einer Schadensvereinbarung der Parteien begründet. Im Gegensatz zur Auffassung der Revisionswerberin war der tatsächliche Sachverhalt (Ansprüche aufgrund von Aufträgen unabhängig von der Schadensvereinbarung) auch nicht aus den vorgelegten Urkunden zweifelsfrei ersichtlich. Im Übrigen vermag eine Urkunde fehlendes Parteivorbringen nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0017844; 1 Ob 16/93). Die vom Berufungsgericht abgewiesene Teilforderung wurde von der Klägerin zunächst nur aufgrund einer Auftragserteilung für die Behebung von Wasserschäden und wegen einer Schadensaufteilungsvereinbarung mit einer Haftungsquote geltend gemacht. Die bekämpfte Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Prozessbehauptungen aus dem Jahr 2002 über andere, nun detailliert behauptete Auftragserteilungen die Geltendmachung neuer Ansprüche auf der Basis eines geänderten Sachverhalts bedeuteten, ist nach den angeführten Umständen des Einzelfalls jedenfalls keine solche rechtliche Fehlbeurteilung, die aus Gründen der Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigtkeit auch über ein außerordentliches Rechtsmittel aufzugreifen wäre.

2. Mit dem zweiten Revisionseinwand rügt die Klägerin eine mangelnde Begründung des Berufungsgerichts für die Abweisung eines Teilbetrags von 2.503,19 EUR. Das mit 13.676,99 EUR bezifferte Revisionsinteresse ist die Differenz zwischen dem Zuspruch des Erstgerichts und demjenigen des Berufungsgerichts (richtig: 13.772,99 EUR). Wegen Verjährung wurden 159.796,75 S brutto (133.163,96 S netto zuzüglich USt) abgewiesen und nicht wie in der Revision ausgeführt nur 153.754,75 S. Die Revision übergeht mit ihrem Vorwurf fehlender Begründung die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Abweisung eines weiteren Teilbetrags, nämlich die zutreffende Begründung, dass das Erstgericht festgestellte "Entfeuchtungskosten" von 322.282,96 S zugesprochen hat, ohne davon den Haftungsanteil der Klägerin von rund 9 % abzuziehen. Das Berufungsgericht erachtete demgemäß nur den um 29.005,47 S auf 293.277,48 S reduzierten Betrag für berechtigt, sodass insgesamt eine Klageabweisung von 188.802,22 S, das sind 13.720,79 EUR (also mehr als das Revisionsinteresse), auf begründeter Grundlage (Verjährung; Richtigstellung) beruht.

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