European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00070.18Z.0419.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage unter Abstandnahme vom herangezogenen Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Der Kläger stellt das Hauptbegehren,
1. den zwischen ihm und der Beklagten abgeschlossenen Kaufvertrag vom 23. 3. 2012 über den Ankauf eines (näher bezeichneten) Diesel‑Fahrzeugs um 22.600 EUR ex tunc aufzuheben, und
2. die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm 14.464 EUR samt 4 % Zinsen aus 22.600 EUR seit 23. 3. 2012 Zug um Zug gegen Rückgabe des Diesel‑Fahrzeugs zu bezahlen.
Er stützt seine Ansprüche auf Irrtum, Arglist und Gewährleistung. Den Streitwert gibt er in Höhe des Leistungsbegehrens mit 14.464 EUR sA an. Dazu bringt er vor, dass vom Kaufpreis in Höhe von 22.600 EUR ein Benützungsentgelt von 8.136 EUR abzuziehen sei, das er sich aufgrund der bisherigen Verwendung des Fahrzeugs anrechnen lasse.
Das Erstgericht wies die Klage a limine wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Gemäß § 56 Abs 3 JN seien dem Kläger obliegende Gegenleistungen bei der Bewertung des Streitgegenstands nicht in Abzug zu bringen. Der Wert des Streitgegenstands der auf Unwirksamerklärung des Vertrags und auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichteten Klage sei daher mit dem vollen Kaufpreis von 22.600 EUR anzusetzen.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Für die Gerichtszuständigkeit sei der bezifferbare Grundanspruch ausschlaggebend, ohne dass darauf Rücksicht zu nehmen sei, inwieweit sich dieser durch entgegenstehende Ansprüche mindern könne. Dabei mache es keinen Unterschied, ob der Gegenanspruch vom Beklagten im Zuge des Verfahrens eingewendet werde oder der Kläger selbst eine Gegenforderung oder sonstige Gegenleistung in Abzug bringe. Diese Überlegungen gelangten auch in der Entscheidung 7 Ob 111/16y zum Ausdruck. Bei Verbindung eines Begehrens auf Aufhebung eines Vertrags mit einem Leistungsbegehren auf Rückabwicklung sei auch das Aufhebungsbegehren zu bewerten. Unterlasse der Kläger die Bewertung, so komme der Zweifelsstreitwert nach § 56 Abs 2 JN zum Tragen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil nicht auszuschließen sei, dass das Rekursgericht von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweiche.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, den Beschluss des Erstgerichts ersatzlos aufzuheben und diesem die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Vorinstanzen von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sind; er ist auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Konformatsbeschlüsse sind gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO grundsätzlich unanfechtbar, es sei denn, dass die Klage – wie im vorliegenden Fall – ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde (RIS‑Justiz RS0044536). Das (Revisions-)Rekursverfahren gegen eine a limine‑Zurückweisung der Klage ist einseitig (7 Ob 111/16y).
2.1 Nach ständiger Rechtsprechung kann der Kläger ein Anfechtungs- oder Wandlungsrecht in Bezug auf einen Vertrag auch in der Form geltend machen, dass er unter Behauptung der Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts auf Rückstellung der von ihm bewirkten Leistung klagt (RIS‑Justiz RS0016253; 10 Ob 35/17w). Wird also ein Vertrag angefochten und im Zusammenhang damit der Zahlungsanspruch aus der Rückabwicklung geltend gemacht, so kann der Kläger auch nur eine auf die Rückabwicklung gerichtete Leistungsklage erheben.
Stellt der Kläger zusätzlich zum Zahlungsbegehren ausdrücklich auch das Begehren auf Aufhebung des Vertrags, so ändert sich durch diese Klarstellung der Streitgegenstand nicht. Die Vertragsaufhebung ist nur Vorfrage für die Beurteilung, ob das Leistungsbegehren berechtigt ist. Dem Vertragsaufhebungsbegehren kommt kein eigenständiger Wert zu (3 Ob 2/11g). Es entspricht daher der ständigen Rechtsprechung, dass sich der Streitwert in einem Verfahren über einen Rechtsgestaltungsanspruch auf Aufhebung eines Kaufvertrags und über das damit verbundene Leistungsbegehren auf Rückzahlung des Kaufpreises allein nach dem Leistungsbegehren bestimmt, weil die Entscheidung über den Rechtsgestaltungsanspruch in einem solchen Fall keine über das betreffende Verfahren hinausgehende Bedeutung hat (RIS‑Justiz RS0018806).
2.2 Für einen Kaufvertrag hat auch die vom Rekursgericht für seine abweichende Rechtsmeinung herangezogene Entscheidung zu 7 Ob 111/16y an diesem Grundsatz festgehalten. Nach dieser Entscheidung ist eine gesonderte Bewertung des Rechtsgestaltungsbegehrens nur dann zulässig, wenn der Kläger das Rechtsgestaltungsbegehren mit einem Begehren auf Rückzahlung in der Vergangenheit erbrachter Zahlungen verbindet und behauptet, im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses (konkret zur Vermeidung von Verzugsfolgen unter Rückzahlungsvorbehalt) laufend weitere Leistungen zu erbringen. Dies wurde damit begründet, dass das begehrte Urteil Beurteilungsgrundlage auch für künftige Zahlungsansprüche sein soll.
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die vom Rekursgericht angestellten Erwägungen tragen daher nicht. Da kein Grund besteht, von der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abzugehen, ist für die Bestimmung des Streitwerts in einem Fall wie dem vorliegenden allein das Zahlungsbegehren maßgebend.
3.1 Das Rekursgericht wirft mit seinen Überlegungen vordergründig die Frage auf, ob für die Bewertung des Rückabwicklungsbegehrens (Leistungs‑ begehrens) das – hier vom Kläger schon vorweg abgezogene – Benützungsentgelt zu berücksichtigen ist, oder ob sich der Streitwert nach dem zurückverlangten Kaufpreis bestimmt. Dazu verweist das Rekursgericht auf § 56 Abs 3 JN.
3.2 Nach Auflösung eines Vertrags durch Anfechtung oder Wandlung hat gemäß § 877 (bei Gewährleistung iVm § 932 ABGB) iVm §§ 1435 ff ABGB jeder Teil alles zurückzustellen, was er aus einem solchen Vertrag zu seinem Vorteil erlangt hat. Stehen beiden Teilen Rückforderungsansprüche zu, so brauchen diese nur Zug um Zug erfüllt zu werden (RIS‑Justiz RS0016321; 8 Ob 59/16h). Bei einem Kaufvertrag ist der primäre Bereicherungsanspruch des beklagten Verkäufers auf die Rückgabe der vom Käufer empfangenen Leistung, also auf Rückgabe der Sache in Natur gerichtet (6 Ob 265/01s).
Aus der Anwendung des § 1052 ABGB auf die bei Auflösung eines Vertrags beiden Teilen obliegenden Rückleistungsverpflichtungen ergibt sich, dass die Rückabwicklung Zug um Zug nur auf Einrede zu beachten ist (6 Ob 265/01s). Grundsätzlich muss der Bereicherungs‑ anspruch des Beklagten iSd § 877 ABGB somit von diesem durch Zug‑um‑Zug‑Einrede geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0086350; 8 Ob 59/16h).
Der Kläger kann die Zug‑um‑Zug‑Verpflichtung allerdings auch selbst durch entsprechende Beifügung in der Klage anbieten; dabei handelt es sich um eine Beschränkung des Begehrens (RIS‑Justiz RS0041069; RS0041067; 9 Ob 5/15y).
3.3 Bereicherungsansprüche des Beklagten können auch in Geld bestehen. Im Fall der Einwendung müssen sie konkretisiert und beziffert werden, damit sie das Gericht – im Weg der prozessualen Aufrechnung – berücksichtigen kann (6 Ob 265/01s). Derartige Ansprüche des Beklagten sind somit grundsätzlich als Gegenforderungen einzuwenden (vgl dazu 8 Ob 74/13k; 10 Ob 32/15a; 2 Ob 78/15g).
3.4 Zur Rückstellungsverpflichtung des mit dem Aufhebungs- oder Wandlungsbegehren durchdringenden Klägers als von diesem zurückzugebender Vorteil nach Bereicherungsrecht gehört auch, dass er im Fall der fortgesetzten Benützung der Sache ein dem verschafften Nutzen angemessenes Entgelt entrichten muss (RIS‑Justiz RS0019850), wobei er jenen (Gebrauchs-)Vorteil zu vergüten hat, der ihm nach seinen subjektiven Verhältnissen tatsächlich entstanden ist, weil er sich den Aufwand für eine Ersatzbeschaffung erspart hat (4 Ob 286/04v; 8 Ob 59/16h). Bei der Festsetzung des Benützungsentgelts kommt es in erster Linie auf die durch die Benützung der fremden Sache ersparten Auslagen bzw Kosten an (RIS‑Justiz RS0019850; 8 Ob 74/13k).
4. Für die hier relevante Streitwertfrage ergibt sich aus den dargelegten Grundsätzen, dass der Berücksichtigung des Benützungsentgelts im Rahmen eines Rückabwicklungsbegehrens grundsätzlich die Qualifikation als Gegenforderung zugrunde liegt. Eine Gegenforderung, die der Beklagte im Laufe des Verfahrens einwendet, ist eine Gegenleistung iSd § 56 Abs 3 JN, über die im Urteil abzusprechen ist. Eine solche eingewendete Gegenberechtigung des Beklagten hat auf die Bewertung des Streitgegenstands keinen Einfluss (vgl Mayr in Rechberger 4 § 56 JN Rz 7).
Zieht der Kläger das Benützungsentgelt aber schon von sich aus in der Klage vom geltend gemachten Zahlungsanspruch ab, so rechnet er mit einem Teil seiner Kapitalforderung gegen eine (von ihm erwartete und akzeptierte) Gegenforderung des Beklagten auf; insoweit steht ihm die Kapitalforderung nicht mehr zu (vgl zu § 55 Abs 3 JN RIS‑Justiz RS0106998). Prozessual handelt es sich bei dieser Vorgangsweise um eine (anfängliche) Beschränkung des Begehrens (vgl zum Zug‑um‑Zug‑Begehren 9 Ob 5/15y). Eine Ausdehnung aufgrund allfälliger zusätzlicher Benützungsentgelte für weitere Perioden scheidet hier aus. Selbst wenn sich das Benützungsentgelt, wie das Rekursgericht meint, im Lauf des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens (siehe dazu 8 Ob 126/15k) noch ändert, kann dies nur zu einer (weiteren) Reduktion des geltend gemachten Zahlungsanspruchs des Klägers führen.
5.1 Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass sich in einem Verfahren über einen Rechtsgestaltungsanspruch auf Aufhebung eines Kaufvertrags und über das damit verbundene Leistungsbegehren auf Rückzahlung des Kaufpreises der Streitwert weiterhin nur nach dem Leistungsbegehren bestimmt. Zieht der Kläger von sich aus in der Klage ein Benützungsentgelt von seinem Leistungsbegehren auf Rückzahlung des Kaufpreises ab, so ist dies eine Beschränkung des Begehrens, weshalb sich der Streitwert entsprechend reduziert.
5.2 Die Entscheidungen der Vorinstanzen halten der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof damit nicht stand. Für den Anlassfall ist nach dem Wert des Streitgegenstands das Erstgericht sachlich zuständig.
In Stattgebung des Revisionsrekurses waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben; dem Erstgericht ist die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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