OGH 8Ob74/13k

OGH8Ob74/13k27.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn sowie die Hofrätin Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** S*****, vertreten durch Mag. Jürgen Krauskopf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Karl Klein, Rechtsanwalt in Wien, wegen 20.876 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. April 2013, GZ 1 R 33/13z-102, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 11. Dezember 2012, GZ 35 Cg 34/07z-96, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0080OB00074.13K.0227.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 978,84 EUR (darin 163,14 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger bestellte am 18. 2. 2005 bei der Beklagten ein Fahrzeug (Pickup) mit Zusatzausstattung zum Gesamtpreis von 27.740 EUR. Das Fahrzeug wurde ihm am 21. 3. 2005 übergeben. Mit der am 20. 3. 2007 eingebrachten Klage begehrte er unter Berufung auf eine Reihe von Mängeln die Wandlung des Kaufvertrags. Zu diesem Zeitpunkt wies das Fahrzeug einen Kilometerstand von 43.000 auf. Der Kläger benützte das Fahrzeug auch während des Verfahrens weiter. Bei Schluss der Verhandlung erster Instanz am 25. 9. 2012 betrug der Kilometerstand bereits 141.500.

Die Beklagte stellte Fahrzeugmängel in Abrede. Angesichts der hohen Laufleistung des Fahrzeugs wandte sie einen Anspruch auf Benützungsentgelt (zuletzt beziffert mit 19.926,05 EUR) aufrechnungsweise ein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im dritten Rechtsgang teilweise statt. Es stellte die Klagsforderung mit 19.776 EUR samt Zinsen, die Gegenforderung der Beklagten mit 13.662,05 EUR als zu Recht bestehend fest und verpflichtete die Beklagte unter Abweisung des Mehrbegehrens Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zur Zahlung von 6.113,95 EUR samt Zinsen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge. Es stellte fest, dass die Klagsforderung mit 18.876 EUR, die Gegenforderung mit 12.662,05 EUR zu Recht bestehe und sprach dem Kläger Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs 6.213,95 EUR samt Anhang zu. Das Wandlungsbegehren sei wegen der festgestellten Mängel, deren Behebung die Beklagte verweigert habe, berechtigt. Der Kläger müsse sich aber im Rahmen des Vorteilsausgleichs ein angemessenes Benützungsentgelt für die Dauer der tatsächlichen Fahrzeugnutzung anrechnen lassen, weil er sich dadurch den Aufwand für ein Ersatzfahrzeug erspart habe. Der gewöhnliche Gebrauch der Sache stelle einen dem Käufer tatsächlich zugekommenen Vorteil dar, dessen Ausgleich für die gesamte tatsächliche Nutzungsdauer angemessen berücksichtigt werden müsse.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil die Frage, ob der Verkäufer im Fall der Wandlung des Kaufvertrags gegen den Käufer einen Anspruch auf angemessenes Benützungsentgelt nur bis zur Wandlungserklärung oder bis zur späteren Rückstellung habe, in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht eindeutig entschieden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist zulässig, weil die dargestellte Rechtsfrage einer Klarstellung bedarf. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

1. Allgemein kann zur Frage, für welchen Zeitraum das Benützungsentgelt gebührt, auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass die Interessenabwägung bei berechtigtem Wandlungsbegehren nach § 932 Abs 4 ABGB nur jenen Wertverlust zu berücksichtigen hat, der bis zu dem Zeitpunkt entstanden ist, zu dem der Kläger wegen Ablehnung der primären Gewährleistungsbehelfe Wandlung begehrt hat (RIS‑Justiz RS0120321; 8 Ob 63/05f; 2 Ob 95/06v ua). Dies folgt schon aus dem allgemeinen Grundsatz, dass jemand aus eigenem Unrecht keine Rechtsvorteile ableiten kann ( Bollenberger , Erste Judikatur zur „Neuen Gewährleistung“ ‑ Geringfügige Mängel beim Autokauf, Zak 2005, 23 [25]).

Dem Berufungsgericht ist jedoch auch beizupflichten, dass zwischen dem für die Beurteilung der Berechtigung des Wandlungsbegehrens maßgeblichen Wertverlust der Sache und dem Nutzen, den er sich durch trotz Wandlungsbegehren fortgesetzte Verwendung der mangelhaften Sache verschafft hat, zu unterscheiden ist. Zwar kann sich der Verkäufer bei verzögerter Abwicklung auf eine bloß theoretische Gebrauchsmöglichkeit ebensowenig berufen (4 Ob 286/04v) wie auf den infolge Zeitablaufs eingetretenen Wertverlust, aus dem der Übernehmer naturgemäß keinen Vorteil ziehen kann, daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass auch ein tatsächlich vom Übernehmer lukrierter Gebrauchsnutzen nicht anzurechnen wäre (2 Ob 95/06v).

Das Verlangen, einen Kaufvertrag wegen Mangels der gekauften Sache rückabzuwickeln, steht an sich schon in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Weiterverwendung des Kaufgegenstands. Der Kläger hätte das nicht mehr gewollte Fahrzeug abmelden, ein Ersatzfahrzeug anschaffen und den allfälligen Mehraufwand als Mangelfolgeschaden geltend machen können (vgl auch 2 Ob 95/06v). Durch seinen Entschluss, das bemängelte Fahrzeug weiterhin zu nutzen, hat er sich anderweitige Aufwendungen erspart; dieser Nutzen ist ‑ im Gegensatz zum Wertverlust oder einer bloß theoretischen Gebrauchsmöglichkeit ‑ gerade keine zwangsläufige Folge einer verzögerten Erfüllung des Wandlungsbegehrens, sondern einer Entscheidung des Käufers. Dem Kläger gelingt es nicht, sein Interesse, das Fahrzeug nahe am Ende der üblichen Verwendungsdauer nach intensiver Nutzung zurückzugeben und dennoch den weit überwiegenden Teil des Kaufpreises zurückzuerhalten, überzeugend zu begründen (vgl auch 4 Ob 286/04v; 2 Ob 95/06v).

Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 2 Ob 142/06f eine undifferenzierte Klausel über „angemessene Abgeltung für die Benützung“ in Allgemeinen Geschäftsbedingungen als gröblich benachteiligend beurteilt. Diese Entscheidung steht aber nicht im Widerspruch zur rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts, weil allein aus der Unwirksamkeit einer allgemeinen Vertragsklausel noch nicht abgeleitet werden kann, dass die darin geregelten Ansprüche unter keinen Umständen bestehen können.

Grundsätzlich hat das infolge Wandlung des Kaufvertrags vom Benützer der Sache zu entrichtende Entgelt dem ihm tatsächlich verschafften Nutzen angemessen zu sein (4 Ob 286/04v). Bei seiner Festsetzung kommt es in erster Linie auf die durch die Benützung der fremden Sache ersparten Auslagen an (RIS‑Justiz RS0019850; RS0018534). Wenn der Käufer die verzögerte Rückabwicklung nicht zu vertreten hat, darf ihm insbesondere nicht auf dem Weg des Benützungsentgelts auch die merkantile Wertminderung des Fahrzeugs einfach aufgebürdet werden, worauf bei der Bemessung des Benützungsentgelts zu achten ist (RIS‑Justiz RS0018534).

2. Die konkrete Bemessung des Benützungsentgelts durch die Vorinstanzen wird in der Revision gar nicht mehr releviert.

3. Soweit sich der Kläger darauf stützt, die Beklagte habe die Rückabwicklung schuldhaft verzögert und dadurch die Weiterbenützung des Fahrzeugs zu vertreten, spricht er die Voraussetzungen für einen ‑ neben dem Wandlungsbegehren nach § 933a möglichen -Schadenersatzanspruch an. Allfällige Mangelfolge‑ oder Verspätungsschäden hat der Kläger allerdings nicht geltend gemacht.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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