OGH 10Ob21/07x

OGH10Ob21/07x17.4.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christoph M*****, vertreten durch MMMag. Dr. Franz Josef Giesinger, Rechtsanwalt in Götzis, gegen die beklagte Partei D***** AG, *****, vertreten durch Dr. Ernst Maiditsch M.B.L - H.S.G. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt, wegen EUR 6.000 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 17. November 2006, GZ 4 R 399/06b-33, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 14. August 2006, GZ 21 C 710/05w-22, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger erwarb - als Konsument - mit Kaufvertrag vom 9./12. 3. 2004 von der Beklagten - als Unternehmerin - um EUR 6.000 das gebrauchte Fahrzeug Mitsubishi Pajero (Erstzulassung: November 1989, Kilometerstand: 267.000). Da er seinen Gebrauchtwagen in Zahlung gab, waren nur noch EUR 4.300 an Barkaufpreis zu entrichten.

Ab Juli 2004 wurden am gekauften PKW immer wieder Reparaturen durchgeführt, die der Kläger teilweise bei der Beklagten, teilweise aber auch bei anderen Werkstätten vornehmen ließ. Infolge wiederholten Ölaustritts beim Simmerring an der Kurbelwelle wurde dabei mehrfach der verölte Zahnriemen ausgetauscht und der genannte Dichtungsring erneuert. So hat auch die Beklagte am 11. 10. 2004 neuerlich den verölten Zahnriemen ersetzt und den „Motordichtring" repariert, wofür ihr der Kläger einen Kostenanteil von EUR 320 bezahlen musste. Nach weiterem Ölaustritt hat die Firma A***** abermals den Zahnriemen getauscht und den Motor abgedichtet, wofür Kosten in Höhe von EUR 255,17 anfielen. Von dieser Reparatur war die Beklagte jedoch nicht in Kenntnis gesetzt worden.

Eine dauerhafte Abdichtung war durch all diese Maßnahmen jedoch nicht zu erreichen. Da wiederum Öl beim Motor austrat stellten Mitarbeiter der Beklagten schließlich fest, dass der Grund dafür in einer leichten Unwuchtheit der Kurbelwelle lag. Von der Beklagten wurde daraufhin die Kurbelwelle kostenlos durch eine neue sach- und fachgerecht ersetzt und das Problem damit behoben.

Zum Zeitpunkt des Kaufabschlusses war der Motor dicht. Der Wellendichtring (Simmerring) wurde aber durch die laufende Nutzung infolge des Schlages an der Kurbelwelle in diesem Bereich (immer wieder) defekt. Dieser Mangel im Bereich der Kurbelwelle lag bei Kaufabschluss bereits vor, war aber weder dem Kläger noch der Beklagten erkennbar. Abgesehen von diesem versteckten Mangel war das Fahrzeug bei Übergabe verkehrs- und betriebssicher.

Für die von der Klägerin zugesicherte „100 %ige Betriebssicherheit" war der Austausch der Kurbelwelle nötig. Der Wert des Fahrzeuges erhöhte sich durch den späteren Tausch der Kurbelwelle aber nicht. In einer Fachwerkstätte hätte dieser Austausch einen Kostenaufwand von EUR 2.180 verursacht. Der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges im Kaufzeitpunkt betrug (ohne Berücksichtigung des versteckten Mangels im Bereich der Kurbelwelle) EUR 4.590. Alle anderen nach Kaufabschluss durchgeführten Reparaturen standen nicht mit Mängeln, die bereits beim Kauf vorlagen, im Zusammenhang.

Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger von der Beklagten EUR 6.000 sA Zug um Zug gegen Rückstellung des genannten Fahrzeuges. Außerdem erhob er die beiden Eventualbegehren, die Beklagte zu verpflichten,

1. ihm Zug um Zug gegen die genannte Rückstellung EUR 4.300 sA zu bezahlen und den (von ihm in Zahlung gegebenen) PKW Mitsubishi Space Wagon zurückzustellen, oder

2. ihm EUR 2.411,45 sA (an Kosten der Ersatzvornahmen) zu ersetzen.

Das gekaufte Fahrzeug habe bei der Übergabe nicht den Erfordernissen der Verkehrs- und Betriebssicherheit im Sinne des KFG entsprochen und zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses lediglich einen Wert „unter" EUR 3.000 repräsentiert. Die Beklagte habe ihm zugesichert, dass mit dem Fahrzeug - unter Berücksichtigung des Alters - alles in Ordnung und dass das Fahrzeug überprüft worden sei. Lediglich der Originalmotor sei nicht mehr im Fahrzeug, was jedoch den Gebrauch nicht verhindere. Die Motornummer sei herausgeschliffen worden und daher nicht mehr lesbar gewesen. Auch diesbezüglich sei der Kläger von der Beklagten über die wahre Beschaffenheit getäuscht bzw nicht aufgeklärt worden. Die vorhandenen Mängel seien ihm verschwiegen worden. Der Kläger habe der Beklagten die Möglichkeit eingeräumt, die Mängel selbst zu beheben. Nach zahlreichen vergeblichen Mängelbehebungsversuchen sei ihm dies nicht mehr zumutbar gewesen. Der Kläger habe sich zur Mängelbehebung daher teilweise der Ersatzvornahme bedienen müssen, wodurch Reparaturkosten in Höhe von EUR 2.411,45 entstanden seien. Das Fahrzeug, das der Kläger bei der Beklagten für den PKW-Kauf in Zahlung gegeben habe, habe einen Verkehrswert von EUR 2.500 aufgewiesen, die Beklagte habe es jedoch nur mit einem Preis von EUR 1.700 in Zahlung genommen.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung und wendete - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - ein, dass das Fahrzeug jedenfalls den Kriterien der Verkehrs- und Betriebssicherheit entsprochen habe. Der Kaufpreis von EUR 6.000 sei angemessen gewesen. Sie habe die Reparaturen entweder kostenlos durchgeführt oder nur einen Kostenanteil verrechnet. Der Kläger habe ihr teilweise nicht die Gelegenheit gegeben, eine Verbesserung vorzunehmen. Das in Zahlung gegebene Fahrzeug habe im Zeitpunkt des Eintausches einen Verkehrswert von EUR 1.500 repräsentiert. Die Kosten für die Reparaturen, welche die Beklagte kulanterweise durchgeführt bzw nur mit einem Teil verrechnet habe, wendete die Beklagte schließlich noch compensando bis zur Höhe des zweiten Eventualbegehrens von EUR 2.411,45 ein.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren und das erste Eventualbegehren ab. Dem zweiten Eventualbegehren gab es teilweise statt. Es erkannte die Klagsforderung mit EUR 320 als zu Recht, die eingewendete Gegenforderung hingegen als nicht zu Recht bestehend, verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von EUR 320 sA und wies das Mehrbegehren von EUR 2.091,45 sA ab. Dabei ging das Erstgericht im Wesentlichen vom eingangs wiedergegebenen, im Rechtsmittelverfahren nicht mehr strittigen Sachverhalt aus, den es rechtlich beurteilte wie folgt:

Eine Rückabwicklung des Kaufvertrages wegen laesio enormis komme aufgrund der festgestellten Werte der Fahrzeuge nicht in Frage. Das zweite Eventualbegehren des Klägers bestehe hingegen teilweise zu Recht, weil die Beklagte dem Kläger hinsichtlich der im Oktober 2004 aufgrund des Mangels an der Kurbelwelle notwendigen Reparatur zur Gewährleistung verpflichtet sei. Für die ebenfalls diesem Mangel zuzuordnenden Arbeiten der Firma A***** könne der Kläger hingegen keinen Ersatz verlangen, weil er der Beklagten insoweit keine Gelegenheit zur Verbesserung gegeben habe. Eine nachträgliche Verrechnung der kostenlos durchgeführten Arbeiten als Gegenforderung der Beklagten sei ausgeschlossen, weil die Unentgeltlichkeit an keine Bedingung geknüpft worden sei.

Das nur vom Kläger angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es schloss sich der Ansicht des Erstgerichtes an, dass der Mangel im Bereich der Kurbelwelle für die Berechnung des Wertmissverhältnisses (im Rahmen der laesio enormis) nicht zu berücksichtigen sei. Dabei müsse die Tatsache berücksichtigt werden, dass das Gebrauchtfahrzeug zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und der Übergabe verkehrs- und betriebssicher gewesen sei und der zu diesem Zeitpunkt zwar schon bestehende, allerdings verborgen gebliebene Mangel „noch keine Auswirkungen nach sich gezogen" habe. Nach § 934 Satz 3 ABGB komme es eben nur auf das Wertmissverhältnis im Vertragsabschlusszeitpunkt an. Außerdem sei entscheidend, dass der Kläger den mehrfach auftretenden Ölaustritt stets gerügt, und dass die Beklagte stets Reparatur- und Behebungsversuche unternommen habe. Die Tatsache, dass die Mängelbehebung durch Austausch der Kurbelwelle keine Werterhöhung des Fahrzeuges bewirkt habe, zwinge zum Umkehrschluss, dass auch dieser Mangel selbst keinen nennenswerten Einfluss auf den Wert des Fahrzeuges im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses haben könne.

Der Oberste Gerichtshof stelle zu 7 Ob 251/02s für die Berechnung des Wertmissverhältnisses nach § 934 ABGB zwar auf den Wert der faktisch vorhandenen - mangelhaften - Sache im Vertragsabschlusszeitpunkt ab. Nach Auffassung des Berufungsgerichtes sei diese Entscheidung aber schon wegen des anders gelagerten Sachverhaltes auf die vorliegende Rechtssache nicht übertragbar. Dort seien nämlich vom Gewährleistungspflichtigen keine Handlungen unternommen worden, um den vorhandenen Mangel zu beheben bzw die Behebungskosten zu tragen, während der Kläger im vorliegenden Fall nach Bekanntwerden des Mangels diesen gerügt, also dessen Behebung gefordert, und die Übergeberin den Mangel durch kostenlose Reparatur beseitigt habe. Es sei daher für den konkreten Fall der Ansicht P. Bydlinskis (in KBB § 934 Rz 3) zu folgen, wonach in einem solchen Fall der Anfechtungsgrund der laesio enormis „zurückgedrängt" werde, wenn dem Gläubiger ausreichend Irrtums- und Gewährleistungsbehelfe zur Verfügung stünden.

Die Berufung des Klägers auf den Rechtsgrund der laesio enormis, obwohl er zuvor Gewährleistung gefordert und auch erhalten habe, stelle überdies einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben dar. Immerhin sei der Kläger durch den Austausch der Kurbelwelle „schadlos" gestellt worden; seine jetzige Berufung auf die Verkürzung über die Hälfte und der Hinweis auf einen vorliegenden Kurbelwellenschaden könne mit einem redlichen Verhalten nicht mehr in Einklang gebracht werden.

Der Argumentation des Klägers, sein Anspruch bestehe schon nach §§ 871 ff ABGB wegen Irrtums zu Recht, sei entgegenzuhalten, das sein Tatsachenvorbringen dazu in erster Instanz „sehr bescheiden gehalten" sei. Welche Handlungen, die eine unrichtige Vorstellung des Klägers über den Kaufgegenstand verursacht haben könnten, er den Mitarbeitern der Beklagten konkret vorwerfe, lasse sich seinem Prozessvorbringen nicht entnehmen. Dessen ungeachtet wäre ein Irrtum des Klägers über die Beschaffenheit des Gebrauchtwagens nur dann beachtlich, wenn er für den Vertrag kausal gewesen wäre, also dann, wenn der Vertrag bei Kenntnis der wahren Umstände gar nicht oder anders geschlossen worden wäre. Das sei hier zu verneinen, weil der Kläger nach Bekanntwerden des verborgenen Mangels auf sein Verlangen hin durch Beseitigung des Mangels klaglos gestellt worden sei. Da die Irrtumsanfechtung mit der Gewährleistung konkurriere, könne sich der Kläger nach verlangter und erhaltener Gewährleistung nicht mehr auf einen Irrtumstatbestand berufen.

Wenn der Kläger letztlich argumentiere, bei der Behandlung des zweiten Eventualbegehrens hätte ihm auch der Reparaturkostenaufwand von EUR 255,17 betreffend die Rechnung der Firma A***** vom 26. 11. 2004 zugesprochen werden müssen, sei dem schon deshalb nicht beizupflichten, weil nach § 932 Abs 2 ABGB der Übernehmer zunächst nur Verbesserung im Sinne von Reparatur (= Nachbesserung) verlangen könne. Erst bei Unmöglichkeit der Verbesserung oder deren Unverhältnismäßigkeit für den Übergeber könne Preisminderung oder gemäß § 933a ABGB bei schuldhaften Verhalten des Übergebers Schadenersatz im Sinne des Geldersatzes gefordert werden. Von einer Unzumutbarkeit weiterer Verbesserungsversuche seitens der Beklagten für den Kläger könne hier aber noch keine Rede sein, weil die Übergeberin weder die Verbesserung verweigert habe, noch erhebliche Unannehmlichkeiten für den Kläger behauptet worden seien. Dass sich auch die Beklagte betreffend den Schaden an der Kurbelwelle in einem Irrtum befunden habe, könne keine in der Person des Übergebers liegende Unzumutbarkeit der Verbesserung begründen. Da der Kläger die Beklagte bislang zur Behebung jener Mängel, die der Reparaturrechnung der Firma A***** vom 26. 11. 2004 zugrundeliegen, noch gar nicht aufgefordert habe, sei das Zahlungsbegehren von EUR 255,17 unberechtigt.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil in der Berufungsentscheidung die Auffassung vertreten werde, ein im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorhandener, aber verborgener, unwesentlicher und behebbarer Mangel sei bei Prüfung der Wertverhältnisse nach § 934 nicht zu berücksichtigen, womit von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl etwa 7 Ob 251/02s) abgewichen werde.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinne abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Der Revisionswerber wendet sich gegen die Beurteilung des Berufungsgerichtes, dass ein im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorhandener, aber verborgener Mangel bei der Prüfung der Wertverhältnisse nach § 934 ABGB nicht zu berücksichtigen sei, und dass der Anfechtungsgrund der laesio enormis „zurückgedrängt" werde, wenn dem Gläubiger ausreichend Gewährleistungsbehelfe zur Verfügung stünden. Das Berufungsgericht sei damit von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen, wonach allein auf den Wert der mangelhaften Sache im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen sei und davon hätte ausgegangen werden müssen, dass die beiden Rechtsbehelfe der laesio enormis und der Gewährleistung in voller Konkurrenz nebeneinander stehen, weil Anspruchstatbestand und Rechtsfolge jeweils unterschiedlich ausgestaltet seien. Außerdem beruhe die Berufungsentscheidung auf einer aktenwidrigen Grundlage: Soweit davon ausgegangen werde, dass das Gebrauchtfahrzeug zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und der Übergabe verkehrs- und betriebssicher gewesen sei, weil der zwar schon bestehende, aber verborgen gebliebene Mangel „noch keine Auswirkungen nach sich gezogen" habe, seien vom Erstgericht nämlich konträre Feststellungen getroffen worden.

Die Revisionsbeantwortung verneint hingegen das Vorliegen konträrer erstgerichtlicher Feststellungen und beruft sich dazu auf die festgestellte Tatsache, dass der Motor im Zeitpunkt des Kaufabschlusses noch dicht gewesen und der Wellendichtring erst durch die laufende Nutzung defekt geworden sei. Daraus sei „klar ableitbar", das der vorhandene, allerdings verborgen gebliebene Mangel noch „keine Auswirkungen nach sich gezogen" habe, weshalb das verfahrensgegenständliche Fahrzeug jedenfalls verkehrs- und betriebssicher gewesen sei. Es liege daher keine Entscheidung auf aktenwidriger Grundlage vor.

Den weiteren Ausführungen der Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung ist jedoch zu entnehmen, dass sie selbst von der Beurteilung ausgeht, das gegenständliche Fahrzeug sei (nur) „abgesehen von diesem versteckten Mangel im Bereich der Kurbelwelle" verkehrs- und betriebssicher gewesen; der Motor sei im Zeitpunkt des Kaufabschlusses dicht gewesen und erst durch die laufende Nutzung sei der Mangel „zum Vorschein gekommen" (Seite 4 der Revisionsbeantwortung). Entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts (die sich insoweit vom festgestellten Sachverhalt entfernen) ist daher unstrittig, dass der Gebrauchtwagen nur „abgesehen vom versteckten Mangel im Bereich der Kurbelwelle" verkehrs- und betriebssicher, und dass - wie das Erstgericht festhält - für seine „100 %ige Betriebssicherheit" ein Austausch der Kurbelwelle notwendig war.

Unstrittig ist auch, dass dieser Mangel bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages vorlag. Aus der Feststellung, dass der Austausch der Kurbelwelle den Wert des Fahrzeuges nicht erhöht hat, kann jedoch - entgegen der Ansicht der Revisionsbeantwortung - nicht der Schluss gezogen werden, der versteckte Mangel habe den Wert des Fahrzeuges nicht vermindert, sodass für die Anwendung des § 934 ABGB schon aus diesem Grund kein Raum bliebe: Steht doch insoweit bisher lediglich fest, dass der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges im Kaufzeitpunkt EUR 4.590 betragen hat, „dies (jedoch) ohne Berücksichtigung des versteckten Mangels im Bereich der Kurbelwelle", und dass der Austausch der Kurbelwelle in einer Fachwerkstätte einen Kostenaufwand von EUR 2.180 verursacht hätte.

Auf dieser Grundlage ist die Frage zu prüfen, ob auch der genannte Mangel des gekauften Gebrauchtwagens, sollte er (- was nach den bisher getroffenen Feststellungen jedenfalls nicht auszuschließen ist -) eine Verminderung des Wiederbeschaffungswertes im Kaufzeitpunkt auf weniger als die Hälfte des Kaufpreises zur Folge gehabt haben, den Kläger zur Vertragsaufhebung wegen laesio enormis berechtigte.

Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass gemäß § 934 Satz 3 ABGB das Missverhältnis des Wertes nach dem Zeitpunkt des geschlossenen Geschäftes bestimmt wird. Der Wert der gekauften Sache ist abgestellt auf diesen Zeitpunkt festzustellen; nachträgliche Erfüllungsmängel müssen bei Prüfung der Voraussetzungen der laesio enormis unbeachtet bleiben (RIS- Justiz RS0018871; RS0110457). Für den Standpunkt der Beklagten ist damit aber noch nichts gewonnen, weil es hier nicht um nachträgliche Erfüllungsmängel geht, sondern einen bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestehenden Mangel („Wurzelmangel"), für den folgende Grundsätze maßgebend sind:

Durch das Rechtsmittel der laesio enormis soll ein inhaltlich ungerechter Vertrag aufhebbar sein. Dafür relevant ist die Differenz zwischen den objektiven Werten von Leistung und Gegenleistung, nicht aber worauf sie beruht. Sie kann entweder nur auf eine Fehlbewertung der mangelfreien Leistung (Fehleinschätzung des Verkehrswertes) oder auf eine Fehleinschätzung der Beschaffenheit der Sache zurückzuführen sein, die zu einer falschen objektiven Bewertung durch die Partei geführt hat. Für eine Verschiedenbehandlung dieser beiden Fälle besteht kein Grund (Koziol/Welser13 II, 94 mwN und die überzeugenden Argumente von Riedler, Von laesio enormis, ... [Anm zur E des OGH vom 13. 11. 2002, 7 Ob 251/02s], JBl 2004, 215 ff [219]).

Nach herrschender Rechtsprechung und überwiegender Lehre stehen daher das Gestaltungsrecht zur Vertragsaufhebung wegen Verkürzung über die Hälfte und die Ansprüche wegen Gewährleistung miteinander in (voller) Konkurrenz; der Aufhebungsanspruch nach § 934 ABGB kann also auch geltend gemacht werden, wenn die gekaufte Sache infolge eines schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorliegenden Mangels, der einen Gewährleistungsanspruch begründen könnte, weniger als die Hälfte des Kaufpreises wert ist (RIS-Justiz RS0022009; RS0024085; GlUNF 1069; SZ 2/24; SZ 8/74; SZ 20/3 = RZ 1938, 54 (Petzel); 8 Ob 370/97p; 7 Ob 251/02s = JBl 2004, 252 und 215 [zust Riedler aaO]; Gschnitzer in Klang² IV/1 559 f; Kramer in Straube³ § 351a HGB Rz 5; Kerschner in Jabornegg, HGB § 351a Rz 4; Binder in Schwimann³ IV § 934 ABGB Rz 7; Koziol/Welser 13 aaO und zuletzt Riedler aaO, Jbl 2004, 216 ff [mit einer ausführlichen Darstellung der Rsp und Lehre und einer Reihe weiterer beachtenswerter Argumente für die Konkurrenz]; skeptisch Reischauer in Rummel³ I § 934 ABGB Rz 15; aA P. Bydlinski in JBl 1983, 410 ff [415], Jbl 1993, 559 ff [563], RdW 2003/351, 429 [431] und KBB § 934 ABGB Rz 3 [seiner - der „überwiegenden Ansicht" widersprechenden - Argumentation, wonach auch die dem Anfechtungsausschluss des § 351a HGB tragende Wertung dafür spreche, dass in solchen Fällen nur die Irrtums- und Gewährleistungsbehelfe zur Verfügung stünden, fehlt jedoch mittlerweile die Grundlage; der neue § 351 UGB kehrt die bisher maßgebende Wertung des § 351a HGB nämlich in ihr Gegenteil um: Auch der Unternehmer beim unternehmensbezogenen Geschäft kann sich nunmehr auf laesio enormis berufen, was mit der dem Unternehmer zuzubilligenden Schutzwürdigkeit bei groben Äquivalenzstörungen begründet wird; vgl Schauer in Krejci/Schauer, Reform-Komm UGB/ABGB, § 351 UGB Rz 3 ff]).

Bei der Ermittlung des objektiven Wertes der gekauften Sache zur Prüfung des Wertmissverhältnisses nach § 934 ABGB hätte daher der bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestehende verborgene Mangel des Gebrauchtwagens somit nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Es wäre dafür - im Einklang mit der stRsp und hL - der Wert der für die faktische Leistung in Aussicht genommenen Leistungen und nicht der Wert der vertraglich bedungenen Leistungen anzusetzen gewesen.

Nachträgliche Verbesserungen der Sache konnten das Anfechtungsrecht des Verkürzten hingegen - wie sich schon aus den bereits wiedergegebenen grundsätzlichen Ausführungen zu § 934 Abs 3 ABGB ergibt - nicht beseitigen (Riedler aaO, Jbl 2004, 219 und FN 22 ff mwN); entgegen der von P. Bydlinski in seiner Entscheidungsbesprechung zu 7 Ob 251/02s vertretenen gegenteiligen Ansicht (RdW 2003, 431) trägt hier nämlich auch der Hinweis auf den Vorrang der Verbesserung nach neuem Gewährleistungsrecht nicht; hat doch der Gesetzgeber in § 934 ABGB nicht vorgesehen, dass der Verkürzende das im Vertragsschlusszeitpunkt gegebene Wertmissverhältnis durch nachträgliche Aufwertung (Teilreparatur) außer Kraft setzen kann (Riedler aaO, FN 24 mwN).

Da es auf die nachträgliche Verbesserung somit gar nicht ankommt, ist der vorliegende Fall jenen, die in den Entscheidungen 8 Ob 370/97p und 7 Ob 251/02s zu beurteilen waren (auch dort ging es um die Mangelhaftigkeit eines Gebrauchtmotors bzw Gebrauchtwagens im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und die Vertragsaufhebung wegen laesio enormis), durchaus vergleichbar. Ein Grund dafür, von der - in der Lehre überwiegend gebilligten - ständigen Rechtsprechung abzugehen ist aber auch im Hinweis des Berufungsgerichtes auf den angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (weil der Kläger durch den Austausch der Kurbelwelle „schadlos" gestellt sei) nicht zu erblicken:

Steht doch bereits jetzt fest, dass sich der (Wiederbeschaffungs-)Wert des Fahrzeuges (gemeint ist offenbar jener ohne Berücksichtigung des versteckten Mangels an der Kurbelwelle) durch den späteren Kurbelwellentausch nicht erhöht hat. Die Beklagte könnte die Vertragsaufhebung aber nur dadurch abwenden, dass sie die in § 934 zweiter Satz ABGB verankerte, dem verkürzenden Vertragsteil eingeräumte und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz offenstehende (RIS-Justiz RS0021626 [T1]) Möglichkeit (facultas alternativa) ergreift, die Differenz zwischen dem gemeinen Wert der von ihr und der vom Verkürzten erbrachten Leistung zu erbringen; es reicht nicht aus, wenn der Verkürzende seine Leistung nur auf die Hälfte des Wertes der vom Verkürzten erbrachten Leistung erhöht (RIS-Justiz RS0117129; vgl das Rechenbeispiel in Koziol/Welser 13 II 94).

Um die Berechtigung der auf § 934 ABGB gestützten Klagebegehren (des Hauptbegehrens und des ersten Eventualbegehrens) beurteilen zu können, hätte das Erstgericht somit auch Feststellungen über den Verkehrswert des mangelhaften Gebrauchtwagens zum Zeitpunkt der Vetragsabschlusses (unter Berücksichtigung des versteckten Mangels an der Kurbelwelle) treffen müssen, die es bisher noch nicht getroffen hat. Dies wird im fortgesetzten Verfahren - allenfalls unter Beiziehung eines Sachverständigen - nachzuholen sein. Da es dazu einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, sind die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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