Spruch:
Der Revisionsrekurs der Erst- und Zweitantragsgegnerinnen wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Am 27. 4. 2011 erfolgte durch Hausanschlag die Kundmachung eines Umlaufbeschlusses über die Kündigung des bisherigen Verwalters, die Bestellung eines neuen Verwalters und weitere Beschlusspunkte.
Das Erstgericht stellte über Antrag die Rechtsunwirksamkeit dieses Beschlusses fest, weil die nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile zu berechnenden, positiven Willenserklärungen keine Anteilsmehrheit ergeben hätten. Dabei legte das Erstgericht zugrunde, dass die von drei Wohnungseigentümern dem damaligen (und zwischenzeitig verstorbenen: ON 22) Erstantragsgegner erteilten Vollmachten nicht ausreichend gewesen seien.
Dem dagegen erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge und bestätigte die Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses. Auch unter Zugrundelegung der Wirksamkeit der Vollmachten hätte die Beschlussfassung nur eine Zustimmung von 49,757 % erreicht.
Das Rekursgericht erklärte - über nachträglichen Antrag der nunmehrigen Erst- und Zweitantragsgegnerinnen -den Revisionsrekurs gegen seine Entscheidung für zulässig, weil klärungsbedürftig sei, ob die Verletzung rechtlichen Gehörs im erstinstanzlichen Verfahren durch Zustellung des Sachbeschlusses mittels Hausanschlags geheilt werden könne, wenn dieser nicht sämtliche materiell-rechtlich als Parteien anzusehenden Personen enthalte. Auch die Frage, ob ein „Folgebeschluss“ die Nichtigkeit eines früheren Beschlusses beseitigen könne, bedürfe klärender höchstgerichtlicher Rechtsprechung.
Der dagegen von den Erst- und Zweitantragsgegnerinnen erhobene Revisionsrekurs ist entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG) nicht zulässig, weil die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage durch höchstgerichtliche Rechtsprechung bereits geklärt ist und auch im Weiteren keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG releviert werden. Das ist wie folgt kurz zu begründen:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Ausführungen im Revisionsrekurs über die angeblich unrichtige Berechnung der dem Beschluss zustimmenden Anteile, weil die Personenidentität zwischen W***** H***** und W***** P***** nicht berücksichtigt worden wäre, entbehren jeglichen Substrats. Die Genannte war im Zeitpunkt der Beschlussfassung - wenn auch unter verschiedenen Namen - Wohnungseigentümerin der Wohnung W 3/2 mit 1006/64.092 (!) Anteilen, also 503/32.046 Anteilen, der Wohnung W 3/9 mit 295/32.046 Anteilen und der Garage 3/G1 mit 38/32.046 Anteilen, also insgesamt 836/32.046 Anteilen. Die Revisionsrekurswerberinnen vernachlässigen bei ihrer Berechnung die Verschiedenheit von Bruchzahlen und gelangen so zu einem rechnerisch unrichtigen Ergebnis, sodass schon insoweit die Beurteilung des Verfehlens der Mehrheit nicht korrekturbedürftig ist.
2. Nach § 24 Abs 2 WEG können Wohnungseigentümer ihr Äußerungs- und Stimmrecht auch durch einen Vertreter ausüben, der diesfalls seine Vertretungsbefugnis durch eine darauf gerichtete, höchstens drei Jahre alte, schriftliche Vollmacht nachzuweisen hat. Die Vollmachten, aufgrund derer der mittlerweile verstorbene, frühere Erstantragsgegner eingeschritten ist, ermächtigten ihn, die Vollmachtsgeber bei Hausversammlungen, Hausangelegenheiten und Entscheidungen zur Verwaltertätigkeit, bei Instandsetzungsarbeiten oder Auftragsvergaben bis auf Widerruf zu vertreten und waren im Zeitpunkt ihrer Verwendung nicht älter als drei Jahre. Damit war der frühere Erstantragsgegner berechtigt, die Wohnungseigentümer B***** sowie C***** und K***** R***** bei der Stimmabgabe im Zusammenhang mit der Auflösung des Verwaltungsvertrags zu vertreten (vgl 5 Ob 85/11b). Einer Spezialvollmacht oder konkreten Weisung bedarf es zur Wirksamkeit der Vertretung nach der klaren Gesetzeslage nicht. Davon ging das Rekursgericht aus, wenn es die Wirksamkeit der Vollmachten zur Stimmangabe zugrundelegte.
3. Noch im Revisionsrekursverfahren beharren die Antragsgegnerinnen darauf, der Antrag hätte zurückgewiesen werden müssen, weil der Erstantragsteller den Verbesserungsauftrag des Erstgerichts, die behaupteten Vollmachten weiterer Antragsteller nachzureichen, nicht erfüllt habe.
Mit dieser Argumentation wird verkannt, dass zufolge § 24 Abs 6 WEG ein Individualrecht jedes einzelnen Wohnungseigentümers besteht, innerhalb eines Monats ab Anschlag eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft mit einem gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richtenden Antrag zu verlangen, dass die Rechtsunwirksamkeit des Beschlusses gerichtlich festgestellt wird (5 Ob 116/06d wobl 2007/69; 5 Ob 18/07v Zak 2007/515, 294 ua). Das hat zur Folge, dass die Antragslegitimation allein des Erstantragstellers, dem sich die Zweitantragsstellerin im Verfahren anschloss, zur Einleitung des Verfahrens ausreichte.
4. Die Ausführungen des Revisionsrekurses über die Gehörverletzung übersehen, dass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nach § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG zwar noch im Revisionsrekursverfahren geltend gemacht werden kann, auch wenn sie - wie hier - vom Rekursgericht verneint wurde (RIS-Justiz RS0121265 [T4]; 10 Ob 57/08t MietSlg 61.736), doch nach dem im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren grundsätzlich anwendbaren § 58 AußStrG seit 1. 1. 2005 (Inkrafttreten des AußStrG BGBl I 2003/111) nur mehr als einfacher Verfahrensmangel wahrzunehmen ist. Es kommt darauf an, ob die Gehörverletzung Einfluss auf die Richtigkeit der Entscheidung haben konnte (RIS-Justiz RS0120213; 5 Ob 98/09m MietSlg 61.737; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht22 II § 52 WEG Rz 76). Eine Relevanz eines allfälligen Verfahrensmangels haben die Revisionsrekurswerberinnen allerdings nicht aufgezeigt.
5. Die vom Rekursgericht als klärungsbedürftig angesehene Frage ist im Übrigen durch höchstgerichtliche Rechtsprechung geklärt: Die vereinfachte Zustellung durch Anschlag gilt auch gegenüber zuvor am Verfahren nicht beteiligten Wohnungseigentümern, selbst wenn sie im verfahrenseinleitenden Antrag nicht namentlich angeführt wurden (vgl 5 Ob 1086/92 WoBl 1993/54). Um die Warnfunktion für die Wohnungseigentümer zu erhöhen, bedarf es grundsätzlich der Anführung sämtlicher Parteien im Kopf der anzuschlagenden Entscheidung. Die Parteistellung im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren knüpft nämlich jeweils an das aufrechte bücherliche Eigentum an (RIS-Justiz RS0083100; 5 Ob 238/09z wobl 2011/127). Das erfordert jedoch keine ständige Aktualisierung der Anführung der Parteien im Kopf der Entscheidung, wenn durch die Beachtung der Zustellvorschriften eine Einbeziehung der jeweiligen materiell-rechtlich als Partei anzusehenden Personen gewährleistet ist (RIS-Justiz RS0083106; 5 Ob 85/11b Zak 2011/668, 356). Nur wenn - was hier nicht der Fall ist - Verfahrensparteien mit einer Kostenersatzpflicht belegt werden, ist deren namentliche Anführung im Spruch der Entscheidung erforderlich (vgl wiederum 5 Ob 85/11b).
6. Gegenstand eines Verfahrens nach § 52 Abs 1 Z 4 WEG ist die Prüfung der Rechtswirksamkeit einer bestimmten Beschlussfassung, also der Rechtmäßigkeit eines bestimmten Willensbildungsverfahrens. Wird während des laufenden Überprüfungsverfahrens von den Mit- und Wohnungseigentümern ein neuer, inhaltsgleicher Beschluss gefasst, hat das auf die Frage der Rechtswirksamkeit eines früheren Beschlusses naturgemäß keine Auswirkungen. Vielmehr könnte die Rechtswirksamkeit des früheren Beschlusses den Folgebeschluss obsolet machen. Die Revisionsrekurswerberinnen verkennen, dass es im Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 4 WEG nicht auf den Inhalt der Beschlussfassung ankommt, sondern auf die Frage, ob bei dessen Zustandekommen die gesetzlichen Vorschriften des § 24 Abs 1 bis 5 WEG eingehalten wurden.
7. Insgesamt werden somit Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG nicht aufgezeigt. Das hatte zur Zurückweisung des Rechtsmittels der Antragsgegnerinnen zu führen.
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