OGH 5Ob116/06d

OGH5Ob116/06d12.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Manfred C. Müllauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G***** Genossenschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Josef Schima, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 6.800 Euro), über die ordentliche Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 15. Dezember 2005, GZ 21 R 361/05d‑19, womit das Urteil des Bezirksgerichts St. Pölten vom 28. September 2005, GZ 6 C 2338/04i‑14, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2006:0050OB00116.06D.0912.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 499,39 Euro bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 83,23 Euro an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Ob der Liegenschaft EZ 3512 ***** (Liegenschaftsadressen *****gasse 19 und 21) ist Wohnungseigentum begründet. Es bestehen insgesamt 24 Miteigentumstanteile, von denen 23 im Wohnungseigentum einer Person und (nur) die Anteile B‑LNR 29 und 30 im Eigentum der Eigentümerpartnerschaft von Karl und Ingrid K***** stehen.

Beide Parteien sind als gewerberechtlich konzessionierte Hausverwalter tätig. Im Grundbuch ist ob der Liegenschaft EZ 3512 ***** die Beklagte als Verwalterin ersichtlich gemacht.

Schon 2003 war unter den Parteien der Stiege 21 ein Verwalterwechsel im Gespräch, weil sich die Zusammenarbeit mit der Beklagten aus der Sicht der wechselwilligen Wohnungseigentümer „etwas mühsam gestaltete", wenn etwa Mängel gemeldet wurden und die Beklagte erst nach mehrfachen Urgenzen entsprechende Reparaturen veranlasste.

Im Jahr 2004 erstellte dann eine nicht näher feststellbare Gruppe von Wohnungseigentümern eine Tabelle für eine Unterschriftenliste, in welcher mit der Überschrift „Unten angeführte Wohnungsinhaber möchten gerne die Hausverwaltung wechseln" für jeden Miteigentumstanteil eine Zeile vorgesehen und in einer mit „Ja" bzw „Nein" übertitelten Spalte zur Frage des Verwalterwechsels Stellung zu nehmen war. Die Wohnungseigentümerin Irene P***** übernahm es, die einzelnen Wohnungseigentümer zu besuchen und um ihre Unterschrift zu ersuchen. Es unterschrieb eine Mehrheit der Miteigentumsanteile von 17 Wohnungseigentümern in der Spalte „Ja", drei Wohnungseigentümer in der Spalte „Nein". Betreffend die Wohnungseigentümer Wilfried Z*****, Karin H*****, Christiane K***** und Edith G***** scheinen aus nicht feststellbaren Gründen keine Unterschriften auf der Liste auf. Für den im gemeinsamen Wohnungseigentum stehenden Mindestanteil der Ehegatten Karl und Ingrid K***** enthält die Liste nur eine Unterschrift.

Am 28. 9. 2004 langte bei der Beklagten ein mit 24. 9. 2004 datiertes Einschreiben ein, welchem die Unterschriftenliste im Original beilag und mit dem der Beklagten mitgeteilt wurde, dass die Unterzeichneten den mit der Beklagten bestehenden Verwaltungsvertrag zum 31. 12. 2004 aufkündigen und damit die erteilte Vollmacht für die Verwaltung der Liegenschaft widerrufen. Weiters enthielt dieses Schreiben den an die Beklagte gerichteten Auftrag, nach Beendigung ihrer Verwaltungstätigkeit ohne Verzug Rechnung zu legen und den Hausakt sowie den Überschuss an Treuhandgeldern sowie eine aktuelle Zinsliste der Klägerin zu übermitteln.

Mit der mit 27. 9. 2004 datierter Vollmachtsurkunde, erteilte eine Mehrheit der Wohnungseigentümer der Klägerin Verwaltervollmacht. Nicht unterschrieben war diese Vollmacht von den Wohnungseigentümern Wilfried Z*****, Edeltraud S*****, Karin H*****, Ulrike G*****, Christine K*****, Edith G***** und Erwin V*****. Zur Beauftragung der Klägerin mit der Verwaltung war es nicht über deren Bewerbung gekommen; vielmehr hatte die Hausvertrauensfrau Mag. Eleonore W***** von einer Freundin, die im vis‑a‑vis gelegenen Haus wohnte, die Information erhalten, dass die damals dort von der Klägerin übernommene Verwaltung gut funktioniere. Aus diesem Grund wendete sich Mag. W***** an die Klägerin mit dem Ersuchen, die Verwaltung zu übernehmen. Die Geschäftsführerin der Klägerin, Brigitte K*****, erhielt dann die Unterschriftenliste und wies die Eigentümergemeinschaft darauf hin, dass sie eine von allen Wohnungseigentümern unterfertigte Vollmacht benötige. Sie erhielt daraufhin die genannte - nicht von allen Wohnungseigentümern unterfertigte - Vollmacht vom 27. 9. 2004. Über die Form der Beschlussfassung der Wohnungseigentümer hat sich die Geschäftsführerin der Klägerin dann nicht mehr weiter informiert.

Mit Schreiben vom 18. 10. 2004 forderte die Klägerin die Beklagte namens der Eigentümergemeinschaft auf, die zur Übernahme der Verwaltung notwendigen Unterlagen sowie eine Zinsliste zu übersenden; dem kam die Beklagte nicht nach.

Die Klägerin begehrte mit ihrer beim Erstgericht am 26. 11. 2004 eingebrachten Klage gegenüber der Beklagten die Feststellungen, dass

1. die Hausverwaltungsvollmacht der Beklagten für die Wohnungseigentümergemeinschaft *****gasse 19 und 21, *****, am 31. 12. 2004 endete, weiter dass die Klägerin ab diesem Zeitpunkt Verwalterin der Liegenschaft sei, und

2. die Beklagte der Klägerin für jeden aus ihrer unrichtigen Rechtsberühmung und Verweigerung der Herausgabe der Verwaltungsunterlagen der Klägerin entstehenden Schaden hafte.

Die Klägerin brachte im Wesentlichen vor, die Eigentümerversammlung habe mit einfacher Mehrheit beschlossen, der Beklagten die Verwaltung des Hauses per 31. 12. 2004 zu entziehen und der Klägerin zu übertragen; dies sei der Beklagten mit Schreiben vom 27. 9. 2004 mitgeteilt worden. Die Beklagte anerkenne diesen Beschluss nicht, weigere sich die Verwaltungsunterlagen herauszugeben und berühme sich, weiterhin Verwalterin des Hauses zu sein. Es drohten Schäden, weil insbesondere die Bewirtschaftungskosten den Wohnungseigentümern nicht ordnungsgemäß vorgeschrieben werden könnten.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, wandte die Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges ein, bestritt die aktive Klagslegitimation der Klägerin und deren rechtliches Interesse an den begehrten Feststellungen, weil die Klägerin die Herausgabe von Unterlagen auch mittels Leistungsklage begehren könne und der Klägerin noch keine Schäden entstanden seien. Die Aufkündigung der Verwaltung sei nicht rechtswirksam zustande gekommen, worauf Klägerin und Wohnungseigentümer im Einzelnen hingewiesen worden seien. Es sei insbesondere weder ein Hausaushang und eine Einladung sämtlicher Wohnungseigentümer zu einer Hausversammlung samt Bekanntgabe des Beschlussgegenstandes noch eine gesetzmäßige Verständigung über das Abstimmungsergebnis erfolgt. Eine rechtmäßige Aufkündigung des Verwaltervertrags der Beklagten liege daher mangels Einhaltung der zwingenden Vorschriften des § 24 WEG 2002 nicht vor; die Beklagte sei demnach immer noch Verwalterin des Hauses.

Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges und gab den Klagebegehren statt; es traf über den schon eingangs zusammengefassten Sachverhalt hinaus noch folgende weitere - sinngemäß wiedergegebene - Feststellungen:

Ob dem Umlauf der Unterschriftenliste eine Beschlussfassung über diese Vorgangsweise im Rahmen einer Hausversammlung zu Grunde lag, steht nicht fest. Über das aus der Unterschriftenliste hervorgegangene Abstimmungsergebnis gab es keinen Hausaushang.

Die Beschlussfassung der Wohnungseigentümer betreffend den Wechsel der Verwalterin hat kein Wohnungseigentümer gerichtlich angefochten. Es hat auch keiner der Wohnungseigentümer gegen die Bestellung der Klägerin zur Verwalterin rechtliche Schritte unternommen.

Auch die Beklagte hat nach Erhalt des Kündigungsschreibens die Rechtsunwirksamkeit der Auflösung des Verwaltungsvertrags nicht gerichtlich geltend gemacht, weil sie rechtlich den Standpunkt vertritt, die zu Grunde liegende Beschlussfassung der Wohnungseigentümer sei nicht entsprechend § 24 WEG 2002 erfolgt, deshalb nicht zu Stande gekommen und einer Anfechtung gar nicht zugänglich. Mit Schreiben vom 4. 10. 2004 teilte die Beklagte der Eigentümergemeinschaft mit, die Kündigung der Hausverwaltung werde - weil nicht den Bestimmungen des WEG 2002 entsprechend - als nicht vollzogen angesehen und nicht anerkannt. Es seien auf der Liste Unterschriften enthalten, die nicht nachgewiesene Vertretungen enthielten, es seien nicht alle Eigentümer in die Abstimmung einbezogen worden und eine Verständigung über das Abstimmungsergebnis sei nicht in der im WEG 2002 zwingend vorgesehenen Form erfolgt. Die Beklagte hat auch die Klägerin mit Schreiben vom 15. 10. 2004 über diese ihre Rechtsansicht in Kenntnis gesetzt.

Rechtlich erwog das Erstgericht, das rechtliche Interesse der Klägerin an den begehrten Feststellungen sei nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil sich die Begehren auf das Bestehen bzw Nichtbestehen eines Rechts der Parteien gegenüber einem Dritten, nämlich der Eigentümergemeinschaft bezögen. Die Rechtsbeziehung einer der Parteien zu einem Dritten könne dann den Gegenstand einer Feststellungsklage bilden, wenn die Rechtsverhältnisse der Klägerin durch ein Verhalten der Beklagten unmittelbar berührt würden, also ein eigenes rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung deswegen bestehe, weil ein Rechtsverhältnis, an dem diese nicht beteiligt sei, unmittelbar in deren Rechtsbereich hineinreiche, diesen störe und beeinträchtige. Hier berühme sich die Beklagte eines aufrechten Vertragsverhältnisses zur Eigentümergemeinschaft hinsichtlich der Hausverwaltung. Die von der Beklagten damit eingenommene Rechtsposition reiche jedenfalls unmittelbar in den von der Klägerin beanspruchten Rechtsbereich hinein, störe und beeinträchtige diesen, zumal auch die Klägerin ein solches Verwaltungsverhältnis behaupte. Vom Feststellungsinteresse der Klägerin sei daher auszugehen; unzutreffend sei dann auch der weitere Standpunkt der Beklagten, wonach deren Verwaltervollmacht nicht erloschen sei. Es sei zwar richtig, dass nicht von einer den gesetzlichen Erfordernissen des § 24 WEG 2002 entsprechenden Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft über den Verwalterwechsel ausgegangen werden könne, doch sei die - wenngleich formell mangelhafte - Beschlussfassung über die Ab- und Neubestellung der Verwalterin mit Jahreswechsel 2004/2005 fristgerecht erfolgt und weder von einem der Wohnungseigentümer noch von der Beklagten als Vorfrage in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 8 WEG 2002 bekämpft worden. Wenn sich die Beklagte nun auf den Standpunkt stelle, dass bei Nichteinhaltung der Formvorschriften des § 24 WEG 2002 nicht von einem mangelhaften (bekämpfbaren) Beschluss, sondern von einem einer Anfechtung gar nicht zugänglichen Nichtbeschluss auszugehen sei, so nehme sie den Anfechtungsregeln nach den §§ 52 Abs 1 Z 4, 24 Abs 6 WEG 2002 jeden Sinn. Die Beschlussfassung auf Abbestellung der Beklagten und Neubestellung der Klägerin sowie die ausgesprochene Kündigung seien - wenn auch anfechtbar - rechtlich existent und beachtlich. Der Kündigungswirkung hätte die Beklagte allenfalls in einem nach § 52 Abs 1 Z 8 WEG 2002 anzustrengenden Verfahren entgegentreten können, was diese allerdings nicht unternommen habe. Insgesamt folge daraus, dass sich die Klägerin zu Recht auf ihre Verwalterbestellung berufe, weshalb ihren Feststellungsbegehren stattzugeben gewesen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies die Feststellungsbegehren ab; es führte rechtlich aus, dass die Eigentümergemeinschaft, wie schon das Erstgericht erkannt habe, grundlegende Vorschriften, deren Befolgung für die Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft gemäß § 24 WEG 2002 notwendig seien, nicht eingehalten habe. So stehe nicht fest, ob den Wohnungseigentümern, deren Unterschriften sich nicht auf der Liste befänden, überhaupt Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt worden sei, wie dies gemäß § 24 Abs 1 WEG 2002 erforderlich gewesen wäre. Möglicherweise seien daher die einzelnen Wohnungseigentümer an ihre bereits abgegebenen Erklärungen noch gar nicht gebunden. Die Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft seien auch jedem Wohnungseigentümer sowohl durch Anschlag an einer für alle Wohnungseigentümer sichtbaren Stelle des Hauses als auch durch Übersendung schriftlich zur Kenntnis zu bringen (§ 24 Abs 5 WEG 2002). Jeder Wohnungseigentümer könne dann innerhalb eines Monats ab Anschlag des Beschlusses die gerichtliche Feststellung seiner Rechtsunwirksamkeit wegen formeller Mängel, Gesetzwidrigkeit oder Fehlens der erforderlichen Mehrheit begehren. Das Erstgericht habe übersehen, dass diese Anfechtungsfrist für die einzelnen Wohnungseigentümer noch gar nicht zu laufen begonnen habe, weil nie ein Hausanschlag erfolgt sei. Es sei zwischen einer bloßen Meinungsforschung und dem Vorliegen einer kundgemachten Beschlussfassung zu unterscheiden. Was sich als bloße Meinungsforschung unter den Miteigentümern darstelle und nicht kundgemacht worden sei, sei im Außerstreitverfahren nicht anfechtbar und führe zur Antragsabweisung. Zu 5 Ob 306/02i habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass dann, wenn nicht einmal der Anschein eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft bestehe, eine Anfechtung im Außerstreitverfahren nicht erfolgen könne. Es hätte daher entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts, weder ein Wohnungseigentümer gemäß § 24 Abs 6 WEG noch die Beklagte durch Vorfragenprüfung in einem Verfahren gemäß § 52 Abs 1 Z 8 WEG 2002 die Möglichkeit gehabt, im Außerstreitverfahren das ordnungsgemäße Zustandekommen des Abberufungs- und Neubestellungsbeschlusses der Eigentümergemeinschaft prüfen zu lassen. Da der Rechtsstreit zwischen der vermeintlich „neuen" Verwalterin und der angeblich abberufenen Verwalterin die Kündigung und Neubestellung zum Inhalt habe, sei die (zulässige) Prüfung der Vorfrage, ob ein rechtsverbindlicher Beschluss der Eigentümergemeinschaft im Sinn des § 24 WEG 2002 oder bloß eine Meinungsforschung vorliege, von entscheidungswesentlicher Bedeutung. Da die Verwaltervollmacht der Beklagten aus den dargelegten Gründen nicht gehörig aufgekündigt worden sei und auch für die Neubestellung der Klägerin eine gesetzmäßige Beschlussfassung der Eigenümergemeinschaft fehle, sei das Urteil des Erstgerichts im klageabweisenden Sinn abzuändern gewesen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands zwar 4.000 Euro, nicht aber 20.000 Euro übersteige und - nachträglich über Antrag der Klägerin nach § 508 Abs 1 ZPO - dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil zur Beurteilung der Frage, ob mit der hier verwendeten Unterschriftenliste nicht einmal der äußere Anschein einer Beschlussfassung, sondern eine bloße Meinungsforschung vorgelegen habe, noch keine gefestigte Judikatur des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die ordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Stattgebung der Klagebegehren; hilfsweise stellt die Klägerin auch einen Aufhebungsantrag. In ihrer Revision führt die Klägerin im Wesentlichen aus, bestehe der Anschein (Rechtsschein) eines Mehrheitsbeschlusses, sei eine fristgerechte Anfechtung erforderlich, bei deren Unterbleiben ein Mangel heile. Bestehe ein solcher Anschein nicht - wie etwa dann, wenn die Minderheit unter Ausschluss der Mehrheit einen Beschluss fasse - sei unheilbare Nichtigkeit anzunehmen. Ob ein entsprechender Anschein gegeben sei, hänge von den Umständen des Einzelfalls ab; bei der Abgrenzung zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen, sei im Zweifel im Interesse der Rechtssicherheit für die (befristete) Anfechtbarkeit zu entscheiden. Wie das Erstgericht festgestellt habe, liege ein Mehrheitsbeschluss vor, jedenfalls sei den Wohnungseigentümem die Beschlussfassung kundgemacht und auch der Umstand mitgeteilt worden, dass die Beklagte Partei nicht bereit sei, diesen Beschluss zu akzeptieren. Ein Rechtsschein dafür, dass eine Beschlussfassung nicht stattgefunden habe, könne das Berufungsgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht ins Treffen geführen; für die Annahme einer bloßen Meinungsforschung bleibe kein Raum. Wenn das Berufungsgericht ausführe, dass die Prüfung der Vorfrage, ob ein rechtsverbindlicher Beschluss der Miteigentümergemeinschaft im Sinn des § 24 WEG 2002 vorliege oder bloß eine Meinungsforschung entscheidungswesentlich sei, so hätte es die Entscheidung 5 Ob 306/02i beachten müssen. Darin habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen hat, dass anders als im Aktienrecht (§§ 195 ff, §§ 199 ff AktienG) das Gesetz nicht zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen unterscheide, weshalb auch die Bekämpfung der Nichtigkeit grundsätzlich im Außerstreitverfahren zu erfolgen habe; dafür werde der in § 26 Abs 1 Z 4 WEG 1975 enthaltene Verweis auf § 13b WEG 1975 ins Treffen geführt, womit auch die Verletzung des Anhörungsrechts eingeschlossen sei. Das Berufungsgericht habe daher unrichtig den Beschluss der Wohnungseigentümer als nichtig und nicht anfechtbar beurteilt; dagegen habe der Oberste Gerichtshof festgehalten, dass Beschlüsse nur dann als nichtig zu gelten hätten, wenn nicht einmal der Anschein einer Beschlussfassung bestehe, während im Übrigen auch die Bekämpfung der Nichtigkeit im Außerstreitverfahren zu erfolgen habe. Dass der Beklagten die Möglichkeit der Vorfragenprüfung gemäß § 52 Abs 1 Z 8 WEG 2002 zur Verfügung gestanden wäre, habe bereits das Erstgericht festgehalten; ein solcher Antrag sei jedoch nicht gestellt worden.

Die Beklagte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, der Revision keine Folge zu geben.

 

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

1. § 21 WEG 2002 regelt die Grundsätze der Auflösung und Verlängerung des Verwaltungsvertrags. Wurde der Verwalter auf unbestimmte Zeit bestellt, so können sowohl die Eigentümergemeinschaft als auch der Verwalter den Verwaltungsvertrag unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Ende jeder Abrechnungsperiode kündigen (§ 21 Abs 1 WEG 2002). Wurde der Verwalter auf bestimmte, mehr als dreijährige Zeit bestellt, so können sowohl die Eigentümergemeinschaft als auch der Verwalter nach Ablauf von drei Jahren den Verwaltungsvertrag ohne Angabe von Gründen unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Ende jeder Abrechnungsperiode kündigen (§ 21 Abs 2 WEG 2002). Im Übrigen kann der Verwaltungsvertrag jederzeit aus wichtigen Gründen von der Eigentümergemeinschaft gekündigt oder bei grober Verletzung der Pflichten des Verwalters auf Antrag eines Wohnungseigentümers vom Gericht aufgelöst werden (§ 21 Abs 3 WEG 2002). Die Bestellung des Verwalters und die Auflösung des Verwaltungsvertrags sind gemäß § 28 Abs 1 Z 5 WEG 2002 Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung der Liegenschaft (5 Ob 2382/96x = immolex 1998/49, 84 = MietSlg 49/43; 5 Ob 315/03i = wobl 2003/188, 355 = immolex 2004, 45 = MietSlg 55.238; 5 Ob 277/05d = immolex 2006/102, 221). Über die Rechtswirksamkeit einer Kündigung des Verwaltungsvertrags ist nach § 52 Abs 1 Z 8 WEG 2002 im Außerstreitverfahren zu entscheiden. Parteistellung im Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 8 WEG 2002 haben alle Mit- und Wohnungseigentümer sowie der Verwalter (vgl 5 Ob 98/01z = wobl 2001/211, 359, Call = bbl 2002/12, 28 = immolex 2002/61, 116, Kletecka = MietSlg 53/28; RIS‑Justiz RS0083135).

2. § 24 WEG 2002 regelt die Grundsätze der Willensbildung der Eigentümergemeinschaft. Gemäß § 24 Abs 1 WEG 2002 dient zur Willensbildung in der Eigentümergemeinschaft vornehmlich die Eigentümerversammlung, doch können Beschlüsse auch - allenfalls ergänzend zu den in einer Eigentümerversammlung abgegebenen Erklärungen - auf andere Weise, etwa auf schriftlichem Weg, zustande kommen. Der erkennende Senat erachtet sogenannte Umlaufbeschlüsse, auch in Form einer - hier vorgelegenen - Unterschriftenliste, die von einem Wohnungseigentümer persönlich zwecks Unterfertigung überbracht werden, grundsätzlich für zulässig (5 Ob 146/01h = ecolex 2002/67, 172 = immolex 2002/58, 113 = MietSlg 53/26), und zwar - offenbar entgegen der von der Beklagten vertretenen Ansicht - ohne dass zuvor eine gesonderte Beschlussfassung oder Verständigung über diese Vorgangsweise erfolgen müsste (vgl 5 Ob 2382/96x = immolex 1998/49, 84 = MietSlg 49/43; 5 Ob 315/03i = wobl 2003/188, 355 = immolex 2004, 45 = MietSlg 55.238); dies gilt auch für den Fall einer Beschlussfassung über die Auflösung des Verwaltungsvertrags (vgl 5 Ob 2382/96x = immolex 1998/49, 84 = MietSlg 49/43; 5 Ob 315/03i = wobl 2003/188, 355 = immolex 2004, 45 = MietSlg 55.238; 5 Ob 118/02t = immolex 2003/44, 78 = wobl 2004/39, 150, Vonkilch = MietSlg 54.462; 5 Ob 315/03i = wobl 2003/188, 355 = immolex 2004, 45 = MietSlg 55.238).

3. Die Rechtsansicht, für die Kündigung der Verwaltung genüge eine Gestaltungserklärung der (im Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung noch vorhandenen) Mehrheit der Miteigentümer, wie immer es auch zur Bildung der Artikulation dieses Mehrheitswillens gekommen sei, wurde in der Judikatur spätestens seit Schaffung besonderer Vorschriften über die Willensbildung der Mit- und Wohnungseigentümer durch das 3. WÄG aufgegeben (vgl 5 Ob 146/01h = ecolex 2002/67, 172 = immolex 2002/58, 113 = MietSlg 53/26; 5 Ob 261/98p = MietSlg 50.612; 5 Ob 2382/96x = immolex 1998/49, 84 = MietSlg 49/43). Die von der Mehrheit der Mit- und Wohnungseigentümer ausgesprochene Kündigung ist daher nur wirksam, wenn ihr eine den Anforderungen des § 24 WEG 2002 genügende Willensbildung und Beschlussfassung vorangegangen ist (5 Ob 172/05p = wobl 2006/43, 121, Call).

4. Jeder Wohnungseigentümer kann gemäß § 24 Abs 6 WEG 2002 innerhalb eines Monats ab Anschlag eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft mit einem gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richtenden Antrag verlangen, dass die Rechtsunwirksamkeit eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft wegen formeller Mängel, Gesetzwidrigkeit oder Fehlens der erforderlichen Mehrheit gerichtlich festgestellt wird. Aus § 24 Abs 6 WEG 2002 folgt, dass (nur) ein (jeder) Wohnungseigentümer zur Antragstellung gemäß § 24 Abs 6 WEG 2002 aktivlegitimiert ist. Der betroffene Verwalter kann die Rechtsunwirksamkeit eines solchen Beschlusses mangels Parteistellung zwar nicht in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 4 WEG 2002 (iVm § 24 Abs 6 WEG 2002) geltend machen, also selbständig feststellen lassen, sie jedoch in einem die Rechtswirksamkeit der Kündigung behandelnden Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 8 WEG als Vorfrage relevieren (vgl 5 Ob 172/05p mwN = wobl 2006/43, 121, Call; 5 Ob 146/01h = ecolex 2002/67, 172 = immolex 2002/58, 113 = MietSlg 53/26; 5 Ob 261/98p = MietSlg 50.612; RIS‑Justiz RS0110769).

5. Nach § 24 Abs 1 Satz 2 WEG 2002 ist ein Beschluss - mit der sich aus § 24 Abs 6 WEG 2002 ergebenden Einschränkung - erst wirksam, nachdem allen Wohnungseigentümern Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist; bis dahin ist ein Wohnungseigentümer an seine bereits abgegebene Erklärung nicht gebunden. Zu unterscheiden ist der Eintritt der Rechtswirksamkeit eines Beschlusses von seinem Zustandekommen. Der erkennende Senat hat bereits mit Würth (in Rummel3 § 24 WEG 2002 Rz 2) erkannt, dass § 24 Abs 1 Satz 2 WEG 2002 zwei Dinge unzulässig miteinander vermengt, nämlich einerseits den Abstimmungsvorgang mit der formalen Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Beschlussfassung, wobei Zustandekommen und Wirksamkeit des Beschlusses verwechselt worden sind, und andererseits den Hinweis auf die Anfechtbarkeit des Beschlusses als „Einschränkung" seiner Wirksamkeit (5 Ob 69/04i = ecolex 2005/51, 120). Jedenfalls kommt bei einem schriftlichen Umlaufbeschluss, wie er hier zur Frage des Verwalterwechsels eingeleitet worden war, die Entscheidung erst dann zustande, wenn auch dem letzten Miteigentümer die Gelegenheit zur Äußerung geboten wurde (RIS‑Justiz RS0108769). Dazu kommt, dass bei einem Umlaufbeschluss die Bindung der Teilnehmer an ihre Abstimmungserklärung erst dann eintritt, wenn sie allen anderen am Willensbildungsprozess Beteiligten zugegangen ist (5 Ob 64/00y = wobl 2001/10, 16, Call = MietSlg 52/26; vgl RIS‑Justiz RS0106052). Bis zu diesem Zeitpunkt kann jeder Mit- und Wohnungseigentümer seine Entscheidung widerrufen. Zum Eintritt der Bindungswirkung ist demnach bei Umlaufbeschlüssen - falls nicht ausnahmsweise auf andere Weise der allseitige Zugang der Abstimmungserklärungen dokumentiert ist - die Bekanntgabe des Ergebnisses erforderlich, um die Entscheidung rechtswirksam werden zu lassen (5 Ob 118/02t = immolex 2003/44, 78 = wobl 2004/39, 150, Vonkilch = MietSlg 54.462).

6. Im vorliegenden Fall scheinen auf der Unterschriftenliste für mehrere Wohnungseigentümer „aus nicht feststellbaren Gründen" keine Unterschriften auf. Über das aus der Unterschriftenliste hervorgegangene Abstimmungsergebnis gab es keinen Hausaushang. Nach diesen Feststellungen bleibt also offen, ob allen Mit- und Wohnungseigentümern überhaupt Gelegenheit zur Äußerung geboten wurde und mangels Hausaushangs ist nicht erwiesen, dass jedem Mit- und Wohnungseigentümer das mehrheitliche Entscheidungsergebnis bekannt gegeben wurde; damit kann weder Zustandekommen noch Bindungswirkung des „Mehrheitsbeschlusses" angenommen werden. Überdies steht fest, dass die Anfechtungsfrist gemäß § 24 Abs 6 WEG 2002 noch nicht zu laufen begonnen hat. Bei dieser Sachlage ist das Zustandekommen einer rechtswirksamen Beschlussfassung über den Verwalterwechsel nicht erwiesen.

7.1. Unter Hinweis auf die Entscheidungen 5 Ob 306/02i (EvBl 2003/117, 551 = immolex 2003, 238, Kletecka = MietSlg 55.521 = MietSlg 55.535 = SZ 2003/2) und 5 Ob 263/03t (= MietSlg 55.523 = MietSlg 55.544 = immolex 2005/8, 24, Kletecka) versucht die Klägerin auch für den vorliegenden Fall zumindest den Rechtsschein eines wirksamen Beschlusses abzuleiten, dessen Beseitigung - entgegen der Ansicht des Rekursgerichts - einer fristgerechten Anfechtung bedurft hätte. Dem ist zunächst entgegen zu halten, dass die Entscheidung 5 Ob 306/02i nicht auf Basis des geltenden § 24 WEG 2002 erging, dort bereits die Wirksamkeit einer außerordentliche Kündigung der Verwaltung als berechtigt erkannt und deshalb ein dafür zusätzlich gefasster Mehrheitsbeschluss auf seine Wirksamkeit gar nicht geprüft worden war. Die von der Klägerin zitierten Passagen dieser Entscheidung zur Beschlussanfechtung wegen Verletzung des Anhörungsrechtes betrafen demgegenüber einen in einer Wohnungseigentümerversammlung ergangenen und auch protokollierten Mehrheitsbeschluss, dessen Unwirksamkeit - im Rechtsverhältnis zwischen den Wohnungseigentümern - nicht in einem wohnrechtlichen Außerstreitverfahren geklärt, sondern (mittelbar als Vorfrage) im streitigen Verfahren geltend gemacht worden war; ein mit dem vorliegenden Fall vergleichbarer Sachverhalt liegt daher nicht vor.

Im Übrigen hat der erkennende Senat schon zu 5 Ob 64/00y (= wobl 2001/10, 16, Call = MietSlg 52/26) dargestellt, dass bei einer im Umlaufverfahren durchgeführten Abstimmung eine Bindung an das Abstimmungsverhalten eines Miteigentümers nicht vor dem Zugang desselben an alle anderen Mitglieder der Gemeinschaft eintritt, die Stimmabgabe daher widerrufen werden kann, so lange sie nicht allen zugegangen ist und das Entstehen eines Rechtsscheins des Zustandekommens eines Beschlusses unter diesen Prämissen nicht vor jenem Zeitpunkt eintritt, zu dem den zur Abstimmung Aufgerufenen das Ergebnis der Beschlussfassung bekanntgegeben wird, was hier gerade nicht erwiesen ist.

Schließlich ist die Berufung der Klägerin auf die „unterbliebene" Anfechtung des „Mehrheitsbeschlusses" auch deshalb verfehlt, weil diese mangels Beginns des Laufs der Anfechtungsfrist noch immer nicht ausgeschlossen ist, sodass daraus nicht die Bestandskraft der Mehrheitsentscheidung abgeleitet werden kann (vgl dazu auch 5 Ob 277/05d = ZAK 2006/362 = immolex 2006/102).

7.2. Die Entscheidung 5 Ob 263/03t ist schon deshalb nicht einschlägig, weil dort nicht die Äußerungsmöglichkeit der Wohnungseigentümer und deren Bindung an abgegebenen Erklärungen, sondern die Deutung des Stimmverhaltens einer Wohnungseigentümerin zweifelhaft war.

7.3. Aus dem Umstand, dass die Beklagte bislang offenbar keine Grund sah, die Rechtsunwirksamkeit der nach Ansicht der Klägerin wirksam erfolgten Kündigung in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 8 WEG geltend zu machen, ist für die Klägerin ebenfalls nichts zu gewinnen; dies betrifft primär das Rechtsverhältnis der in einem solchen - außerstreitigen wohnrechtlichen - Verfahren beteiligten Parteien, nämlich jenes der Wohnungseigentümer und des bis dahin bestellten Verwalters. Hier macht aber die Klägerin als vermeintlich neue Verwalterin - im Streitverfahren - Feststellungsansprüche gegen die zuletzt bestellt gewesene Verwalterin geltend. Es entspricht dann dem allgemeinen Prinzip (vgl RIS‑Justiz RS0039929; RS0039939 [T4, T6, T7, T7 und T17]; RS0039936), dass die Klägerin die anspruchsbegründenden Tatsachen, hier die (tatsächlichen) Voraussetzungen für das Zustandekommen einer rechtswirksamen Beschlussfassung über den Verwalterwechsel nachzuweisen hat; schon weil ihr dies nicht gelungen ist, hat das Berufungsgericht die Klagebegehen im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Revision muss daher erfolglos bleiben.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.

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