OGH 5Ob153/10a

OGH5Ob153/10a2.12.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Höllwerth als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Brenn und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Grundbuchsache des Antragstellers Wolfgang S*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Raimund Gehart, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts ob der LiegenschaftEZ ***** GB *****, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 28. April 2010, AZ 19 R 17/10a, 19 R 18/10y, womit infolge Rekurses der Hildburg W*****, geboren am *****, vertreten durch Mag. Peter M. Wolf, Rechtsanwalt in Mödling, als mit Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 13. August 2009 zu AZ 1 P 13/09d bestellter Sachwalter, der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 29. Jänner 2010, TZ 8887/09, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs des Antragstellers wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Hildburg W***** (im Grundbuch als „Hildburg-Maria“ W***** bezeichnet) ist bücherliche Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ ***** GB ***** mit der Grundstücksadresse *****.

Am 20. 2. 2007 unterfertigte sie nachstehende

Vollmacht

„Ich, Hildburg W*****, geb. F*****, geb. am *****, wh. in **********, erteile hiermit

Herrn Oskar S*****, geb. *****, wh. in *****, eine allgemeine und unbeschränkte Vollmacht, sodass er berechtigt ist, mich in allen Angelegenheiten vor Behörden aller Art wie auch gegenüber allen Dritten nach bestem Wissen und Gewissen zu vertreten.

Er ist insbesondere auch bevollmächtigt, alle in § 1008 ABGB angeführten Geschäfte in meinem Namen zu tätigen, nämlich: Sachen zu veräußern und entgeltlich zu erwerben; Darlehen zu gewähren und aufzunehmen; Geld oder Geldeswert in Empfang zu nehmen; Vergleiche aller Art zu schließen; Bürgschaften zu übernehmen; Erbschaften unbedingt anzunehmen oder auszuschlagen; eidesstattliche Vermögensbekenntnisse abzugeben; Gesellschaftsverträge zu errichten; Schenkungen zu machen; Schiedsverträge abzuschließen und Schiedsrichter zu wählen und Rechte unentgeltlich aufzugeben.

Er ist überdies bevollmächtigt, in meinem Namen das Stimmrecht auch in Generalversammlungen von Gesellschaften m.b.H. auszuüben.

Er ist weiters befugt, in meinem Namen Grundbuchgesuche auch dann einzubringen, wenn mir die beantragte Eintragung nicht zum Vorteil gereicht.

Ich erteile ihm auch Prozessvollmacht im Sinn des § 31 ZPO.

Die Vollmacht erstreckt sich auch auf den Sterbefall der Vollmachtgeberin.

Ich stimme zu, dass an ihn dem Datenschutz unterliegende Daten, die in öffentlichen oder auch im privaten Bereich verarbeitet wurden, übermittelt werden.

Für das Auftragsverhältnis gilt österreichisches Recht.

Dem Bevollmächtigten ist gestattet, Stellvertreter zu bestellen.

Für die Bezahlung seiner und seiner Stellvertreter Honorare ist Hinterbrühl Erfüllungsort.

Ich unterwerfe mich dem für diesen Ort sachlich zuständigen Gericht in allen Streitigkeiten aus dem Auftragsverhältnis, das dieser Vollmacht zugrunde liegt.

Diese Vollmacht ist eingeschränkt auf sämtliche Vertretungshandlungen hinsichtlich Liegenschaft EZ *****, Grundbuch *****, Bezirksgericht Mödling, Liegenschaftsadresse *****.“

Mit Datum des nächsten Tages wurde die Unterfertigung notariell beglaubigt.

Am 11. 4. 2008 unterfertigte Oskar S***** als Vertreter der Verkäuferin Hildburg-Maria W***** einen Kaufvertrag über die gegenständliche Liegenschaft, in dem der nunmehrige Antragsteller Wolfgang S***** als Käufer angeführt war. Der Kaufpreis betrug 260.000 EUR, wobei festgehalten wurde, dass vor Vertragsunterfertigung eine Anzahlung von 180.000 EUR geleistet worden sei, sodass zur Zahlung lediglich ein Kaufpreisrest von 80.000 EUR verbleibe. Als Übergabszeitpunkt war der 30. 9. 2008 vorgesehen. Vom Käufer wurde diese Urkunde vorerst nicht unterfertigt. Eine Befristung der Wirksamkeit des Angebots auf Abschluss dieses Kaufvertrags ist der Urkunde nicht zu entnehmen.

Rechtsanwalt Mag. Franz Karl J***** erwirkte als Vertreter des Oskar S***** unter Berufung auf die Vollmacht der Hildburg W***** am 26. 2. 2009 die Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtige Veräußerung der Liegenschaft (TZ 1478/2009).

Am 29. 7. 2009 wurde für Frau W***** ein einstweiliger Sachwalter und am 13. 8. 2009 Rechtsanwalt Dr. Wolf zum Sachwalter bestellt (1 P 13/09d des Bezirksgerichts Mödling). Zu TZ 6550/2009 wurde die Bestellung des Sachwalters für die Liegenschaftseigentümerin bücherlich angemerkt.

Am 18. 9. 2009 widerrief der Sachwalter namens der Betroffenen in einem an Dr. J***** gerichteten Schreiben sämtliche von dieser erteilten Vollmachten.

Am 29. 9. 2009 unterfertigte der Antragsteller als Käufer den Kaufvertrag. Ein Zugang der Annahmeerklärung an den Sachwalter der Verkäuferin ist den Akten nicht zu entnehmen.

Unter Vorlage des Kaufvertrags vom 11. 4. 2008/29. 9. 2009 begehrte der Antragsteller als Käufer in dem dieses Grundbuchverfahren (TZ 8887/2009) einleitenden Antrag die Einverleibung seines Eigentumsrechts im Rang der Anmerkung TZ 1478/2009.

Das Erstgericht bewilligte diesen Grundbuchantrag.

Dem dagegen von Hildburg W*****, vertreten durch ihren Sachwalter, erhobenen Rekurs gab das Rekursgericht Folge und wies das Begehren auf Einverleibung des Eigentumsrechts des Antragstellers ab. Es traf aus dem im Sachwalterschaftsverfahren erstatteten Gutachten eines medizinischen Sachverständigen betreffend die Notwendigkeit einer Sachwalterbestellung Feststellungen über den damals aktuell schwer demenziellen geistigen Zustand der Betroffenen. Über deren Zustand im Jahr 2007, insbesondere über deren Geschäftsfähigkeit im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung, konnte der Sachverständige keine verlässlichen Angaben machen. Das Rekursgericht verneinte infolgedessen Bedenken iSd § 94 Abs 1 Z 2 GBG hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit der Frau W***** im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung.

Allerdings bestünden erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der dem Oskar S***** zum Verkauf der Liegenschaft erteilten Vollmacht. Gemäß § 31 Abs 6 GBG könne eine Einverleibung aufgrund von Urkunden eines Machthabers nur dann bewilligt werden, wenn die Vollmacht entweder auf das bestimmte Geschäft laute oder nicht älter als drei Jahre sei. Mit Rücksicht auf die Bestimmungen des § 1008 ABGB sei weiters erforderlich, dass die Vollmacht bei der Veräußerung von Liegenschaften auf diese Gattung der Geschäfte ausdrücklich ausgestellt sei. Zweck der Bestimmung des § 1008 ABGB sei es nach höchstgerichtlicher Judikatur, der Gefahr zu begegnen, dass sich ein Machtgeber durch Erteilung einer allgemeinen Vollmacht dem Machthaber völlig ausliefere. Der Geschäftsherr solle dadurch, dass er in der Vollmacht die Geschäftsgattung oder das einzelne Geschäft angeben müsse, besonders darauf hingewiesen werden, dass derart wichtige, ungewöhnliche oder gefährliche Geschäfte inbegriffen seien (6 Ob 119/09g; RIS-Justiz RS0019351). Gattungsvollmachten müssten demnach die erfassten Geschäfte ihrer Art nach bezeichnen.

In der vorliegend zu beurteilenden Vollmachtsurkunde sei zunächst ausgeführt, dass sie sich auf alle in § 1008 ABGB genannten Geschäfte beziehe, dann seien sämtliche einzelnen Geschäfte angeführt, die durch eine Generalvollmacht nicht gedeckt wären. In diesem Zusammenhang sei auch die „Veräußerung von Sachen“, doch ohne Bezug zur gegenständlichen Liegenschaft angeführt. Danach seien weitere Geschäftstypen genannt worden, wodurch für die Machtgeberin eine Unübersichtlichkeit entstanden sei. Dazu komme, dass die Verwendung des Begriffs „Sachen“ nicht unmittelbar einen Bezug auf die konkrete Liegenschaft zulasse. Selbst wenn am Ende der Vollmacht eine Einschränkung auf sämtliche Vertretungshandlungen hinsichtlich der konkreten Liegenschaft enthalten sei, könne die Vollmachtsurkunde ihrer Warnfunktion insoweit nicht genügen, als die Geschäftsherrin nicht leicht überblicken konnte, dass damit auch die Veräußerung der konkreten Liegenschaft umfasst sein sollte. Es liege daher das Eintragungshindernis des § 94 Abs 1 Z 2 erster Fall GBG vor.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil das Rekursgericht höchstgerichtlicher Rechtsprechung, im Besonderen der Entscheidung 6 Ob 119/09g über das Konkretisierungserfordernis einer Vollmacht, gefolgt sei.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Verbücherung seines Eigentumsrechts.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist zulässig, weil die Rechtsansicht des Rekursgerichts über den notwendigen Inhalt der materiellen Verfügungsvollmacht im konkreten Fall nicht zu teilen ist. Im Ergebnis ist der Revisionsrekurs jedoch nicht berechtigt.

Zufolge § 31 Abs 6 GBG kann eine Einverleibung gegen den Machtgeber aufgrund von Urkunden eines Machthabers nur dann bewilligt werden, wenn die von diesem ausgefertigte Vollmacht entweder auf das bestimmte Geschäft lautet oder doch nicht früher als drei Jahre vor dem Ansuchen um die Einverleibung ausgestellt ist. Diese Vollmachtserfordernisse sind alternativ zu verstehen: Eine Vollmacht, die nicht älter als drei Jahre ist, muss daher nicht auch noch eine Spezialvollmacht sein (5 Ob 35/95 = NZ 1995/343). Zum Abschluss eines Kaufvertrags war daher hier nur eine Gattungsvollmacht erforderlich, also eine Vollmacht, die das erfasste Geschäft seiner Art nach bezeichnet. Es genügt, wenn die Gattungsvollmacht in eine allgemeine Vollmacht aufgenommen wird (RIS-Justiz RS0019358). Sie muss allerdings bei Veräußerung von Liegenschaften auf diese Gattung der Geschäfte ausdrücklich ausgestellt sein (RIS-Justiz RS0019376). Diesem Erfordernis wird die vorliegende Vollmacht insofern gerecht, als in der Aufzählung der Geschäfte auch die Veräußerung von Sachen enthalten ist und unmittelbar oberhalb der Unterschrift der Vollmachtgeberin eine Einschränkung auf sämtliche Vertretungshandlungen hinsichtlich der konkret bezeichneten Liegenschaft vorgenommen wird. Dadurch wird für einen Vollmachtgeber entgegen der Ansicht des Rekursgerichts auffällig, dass sie sich auf Liegenschaftsgeschäfte erstreckt. Unter der Bevollmächtigung, „Sachen zu veräußern“ ist ganz grundsätzlich jedes Geschäft zu verstehen, durch das Vermögenswerte gegen eine Gegenleistung hingegeben werden (vgl Stanzl in Klang IV/1² 810). Der Hinweis auf die konkrete Liegenschaft, auf die die Vollmacht eingeschränkt wurde, lässt in Zusammenhang mit der Bevollmächtigung zur Veräußerung von Sachen, auch wenn diese in der Urkunde unter anderen Geschäftstypen aufgezählt ist, bei objektiver Auslegung nach dem Wortlaut kein anderes Ergebnis zu (zur Auslegung s 5 Ob 82/08g; RIS-Justiz RS0060573 [T5]). Der vom Rekursgericht erkannte Abweisungsgrund liegt daher nicht vor.

Im Weiteren begründet die im Juli 2009 erfolgte Sachwalterschaftsbestellung für die Eigentümerin keine auf den Zeitpunkt der Vollmachtserteilung (20. 2. 2007) zu beziehenden Zweifel iSd § 94 Abs 1 Z 2 erster Fall GBG. Die Indizwirkung des Verlustes der Geschäftsfähigkeit und einer daraus resultierenden Sachwalterbestellung bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung maximal auf einen Zeitraum von einem Jahr vor der Sachwalterbestellung (vgl RIS-Justiz RS0107975), wenn wie hier konkrete Hinweise auf einen bereits länger anhaltenden Zustand fehlen. Durch einen erst später eingetretenen Verlust der Geschäftsfähigkeit der Verkäuferin hat die von ihr am 20. 2. 2007 erteilte Vollmacht und damit die von ihrem Vertreter abgegebene rechtsgeschäftliche Erklärung nicht ihre Wirksamkeit verloren (vgl RIS-Justiz RS0019873; RS0014632; 8 Ob 523/94 mwN).

Dennoch ist der Verlust der Geschäftsfähigkeit der Verkäuferin, der spätestens seit der Sachwalterbestellung im Juli 2009 zugrunde zu legen ist, von Bedeutung. Bedenken ergeben sich nämlich aus der bücherlich angemerkten Bestellung des Sachwalters (vgl 5 Ob 2409/96t; 5 Ob 38/97t) im Zusammenhalt mit der erst nach dieser Anmerkung erfolgten Unterfertigung des Kaufvertrags durch den Antragsteller am 29. 9. 2009:

Bei Konsensualverträgen, wie beim hier vorliegenden Kaufvertrag, reicht zwar die (erklärte) Willenseinigung der Vertragspartner aus, dies allerdings unter dem Zugangserfordernis des § 862a ABGB (vgl Bollenberger in KBB³, § 861 ABGB Rz 2). Die Vertragsannahmeerklärung ist also eine zugangsbedürftige Willenserklärung. Wenn aber für den Betreffenden nicht nur Vorteile bewirkt werden, setzt der wirksame Zugang der Annahmeerklärung eines Vertragsanbots die volle Geschäftsfähigkeit des Empfängers voraus (7 Ob 57/80 = SZ 54/72; 1 Ob 552/84 = SZ 57/52; RIS-Justiz RS0014102); andernfalls ist die Erklärung an dessen Vertreter zu richten (Apathy/Riedler in Schwimann³, § 862a ABGB Rz 2). Der wirksame Zugang der hier beim Kaufvertrag den Vertragsabschluss bewirkenden Willenserklärung des Antragstellers setzte also die volle Geschäftsfähigkeit der Liegenschaftseigentümerin als Verkäuferin voraus (1 Ob 529/90 = JBl 1991, 113 [Dullinger]). Selbst wenn man davon ausginge, dass die Liegenschaftseigentümerin nur beschränkt geschäftsfähig gewesen sei, bedürfte die Wirksamkeit einer an diese gerichteten Annahmeerklärung der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters (vgl Dullinger aaO), wofür nach Aktenlage keinerlei Anhaltspunkte vorliegen. Schon deshalb bestehen begründete Zweifel am wirksamen Zustandekommen jenes Rechtsgeschäfts, dessen Verbücherung mit dem vorliegenden Gesuch angestrebt wird.

Weitere Zweifel ergeben sich überdies hinsichtlich der Frage, ob die Verkäuferin - im Lichte der zu § 862 ABGB entwickelten RspuL (vgl dazu Bollenberger in KBB³, § 862 ABGB Rz 5 mwN) - zur Zeit der Unterfertigung des Kaufvertrags durch den Antragsteller an ihr Verkaufsanbot überhaupt noch gebunden war.

Die Abweisung des Verbücherungsantrags erfolgte daher zu Recht und dem Revisionsrekurs des Antragstellers war somit der Erfolg zu versagen.

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