OGH 1Ob552/84

OGH1Ob552/8414.3.1984

SZ 57/52

Normen

ABGB §865
ABGB §1118
MRG §30 Abs2 Z1
ZPO §8
ABGB §865
ABGB §1118
MRG §30 Abs2 Z1
ZPO §8

 

Spruch:

Der wirksame Zugang der bei Zinszahlungsrückstand erforderlichen Mahnung setzt Geschäftsfähigkeit des Bestandnehmers voraus

Wegen des auf den Prozeß beschränkten Wirkungskreises des Prozeßkurators können Mietzinsrückstände ihm gegenüber nicht wirksam eingemahnt werden

OGH 14. 3. 1984, 1 Ob 552/84 (LG Innsbruck 1 R 443/83; BG Innsbruck 11 C 1289/82)

Text

Die Kläger sind Eigentümer des Hauses Innsbruck, G-Straße 9; die Beklagte ist Mieterin einer im zweiten Stock des Hauses gelegenen Wohnung. Mietzinsrückstände, die zum Zeitpunkt der Einbringung der auf § 1118 ABGB gestützen Räumungsklage am 9. 12. 1977 in der Höhe von 40 054.64 S bestanden, sind während des Verfahrens bezahlt worden. Ab 1. 4. 1981 leistete die Beklagte aber erneut keine Zinszahlungen mehr. Dadurch entstand ein neuer Mietzinsrückstand in der Höhe von 35 536.10 S.

Die Beklagte ist während des gesamten Verfahrens auf Grund eines massiven schizophrenen Defektzustandes prozeßunfähig, sodaß für sie über Antrag der Kläger mit Beschluß des Erstgerichtes vom 30. 4. 1982 gemäß §§ 8 f. ZPO ein Prozeßkurator bestellt wurde.

Die Kläger begehren die Räumung der von der Beklagten benützten Wohnung. Sie hätten die Beklagte schon vor Einbringung der Klage wegen der bestehenden Mietzinsrückstände mehrfach gemahnt. Wegen der aus grobem Verschulden nicht erfolgten Bezahlung der Mietzinse werde die Aufhebung des Mietvertrages erklärt. Nach Bezahlung des zum Zeitpunkt der Klagseinbringung offenen Mietzinsrückstandes stützten die Kläger ihr Räumungsbegehren darauf, daß die Beklagte seit April 1981 keine Miete mehr bezahlt habe.

Die Beklagte wendete ein, sie sei nicht handlungsfähig, ein Mietzinsrückstand sei daher ohne ihr Verschulden aufgelaufen. Zahlungen seien nur infolge ihrer Geisteskrankheit unterblieben.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Da die Beklagte bei Einbringung der Klage mit Mietzinszahlungen in Rückstand gewesen sei und einen erneut aufgelaufenen Rückstand bis zum Schluß der Verhandlung nicht bezahlt habe, kämen die Vorschriften des § 21 Abs. 2 und 3 MG nicht zur Anwendung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, 60 000 S, nicht aber 300 000 S übersteige. Die Revision gemäß § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO erklärte es für nicht zulässig. Die Räumungsklage ersetze die erforderliche Mahnung sowie eine vor Klagseinbringung erfolgte Rücktrittserklärung. Liefen während des Räumungsprozesses weitere Mietzinsrückstände auf, sei weder eine neuerliche Mahnung noch eine weitere Rücktrittserklärung erforderlich. Für die Anwendung der Bestimmung des § 1118 ABGB genüge objektiver Verzug. Solange ein Mietzinsrückstand offen sei, könnten die privilegierenden Bestimmungen des § 33 MRG nicht angewendet werden.

Über außerordentliche Revision des Prozeßkurators der Beklagten hob der Oberste Gerichtshof die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach § 1118 ABGB kann der Bestandgeber ua. dann die frühere Aufhebung des Vertrages fordern, wenn der Bestandnehmer nach geschehener Einmahnung mit der Bezahlung des Zinses dergestalt säumig ist, daß er mit Ablauf des Termins den rückständigen Bestandzins nicht vollständig entrichtet hat. Bei der Mahnung handelt es sich um eine empfangsbedürftige Erklärung des Bestandgebers, die dem Bestandnehmer zugehen muß; § 862 a ABGB ist auf Mahnungen nach § 1118 ABGB analog anzuwenden (vgl. Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 70; Rummel, ABGB Rdz. 1 zu § 862 a). Es entspricht daher Rechtsprechung und Lehre, daß eine Mahnung eines Abwesenden nur zu Handen eines zu bestellenden Abwesenheitskurators erfolgen kann (EvBl. 1947/442; Klang[2] V 124). Der wirksame Zugang einer empfangsbedürftigen Erklärung setzt zumindest dann, wenn die Erklärung für den Erklärungsempfänger nicht nur Vorteile mit sich bringt, auch die Geschäftsfähigkeit des Erklärungsempfängers voraus (SZ 54/72; Gschnitzer aaO 88 FN 2; Wolff in Klang[2] I/1, 150). Die von den Klägern vor Einbringung der Räumungsklage behaupteten Mahnungen der Beklagten könnten daher nur dann rechtswirksam gewesen sein, wenn es der Beklagten nicht auch schon zum Zeitpunkt des Zuganges der Mahnungen an der Geschäftsfähigkeit gemangelt hätte. Da die Vorinstanzen nur Feststellungen dahin trafen, daß die Beklagte während der gesamten Dauer des Verfahrens auf Grund eines massiven schizophrenen Defektzustandes prozeßunfähig war, eine solche Feststellung aber für den Zeitpunkt des Zuganges der Mahnungen unterließen, sind ihre Urteile aus diesem Grund aufzuheben.

Während des Verfahrens erfolgte eine wirksame Mahnung dem für die Beklagte bestellten Prozeßkurator gegenüber nicht. Nach herrschender Auffassung ersetzt zwar eine auf § 1118 ABGB gestützte Räumungsklage oder deren Änderung dahin, daß das Räumungsbegehren nunmehr auf im Zuge des Verfahrens aufgelaufene Mietzinsrückstände gestützt wird, die erforderliche Mahnung (MietSlg. 34 264, 23 187 ua.). Zweck der Mahnung ist es aber, den Schuldner nochmals ausdrücklich auf die Fälligkeit seiner Zinsverbindlichkeit hinzuweisen und ihm durch die Setzung oder zumindest Gewährung einer angemessenen Nachfrist Gelegenheit zu geben, durch die Bezahlung der als dringlich erkannten Forderung die Gefahr einer für ihn vielleicht nachteiligen vorzeitigen Vertragsauflösung abzuwenden (MietSlg. 30 228). Der wirksame Zugang einer Mahnung setzte demnach voraus, daß der für die Beklagte bestellte Prozeßkurator überhaupt der Mahnung hätte entsprechen können, das heißt, daß er in der Lage gewesen wäre, für die Beklagte Zahlung zu leisten. Schon aus dem Zweck der Mahnung ergibt sich, daß sie nur an den gesetzlichen Vertreter gerichtet werden kann, dem die Verfügungsberechtigung über das Vermögen des Kuranden zusteht. Der Wirkungsbereich des Prozeßkurators beschränkt sich aber auf die Vertretung der prozeßunfähigen Partei in jenem Verfahren, für das er bestellt wurde (Knell, Die Kuratoren im österreichischen Recht 130 f.; Fasching II 167; vgl. RZ 1973/116). Er ist daher nicht befugt, andere Rechtshandlungen zu setzen und etwa Zahlungen aus dem Vermögen des Kuranden zu leisten. Die Prozeßerklärung der Kläger, die Räumungsklage werde auch auf spätere Zinsfälligkeiten gestützt, konnte daher nicht die nach § 1118 ABGB erforderliche Mahnung der Beklagten, wenn sie vorher nicht wirksam gemahnt worden war, ersetzen. § 8 Abs. 2 ZPO ordnet zwar an, daß der Prozeßkurator wenn nötig die Bestellung des gesetzlichen Vertreters durch geeignete Anträge zu veranlassen hat; Pflicht des Prozeßkurators ist es aber nur, die Interessen der von ihm vertretenen Partei im Verfahren zu wahren; zu seinen Aufgaben gehört es daher nicht, es der Gegenseite zu ermöglichen, für das für den Erfolg ihres Begehrens notwendige Zukommen einer nach bürgerlichem Recht zu beurteilenden Erklärung Sorge zu tragen. Soweit daher die Kläger ihr Räumungsbegehren darauf stützen, daß während des Verfahrens nach Bezahlung eines vor Erhebung der Räumungsklage aufgelaufenen Mietzinsrückstandes erneut ein solcher entstanden sei, liegt eine wirksame, die Aufhebung des Bestandverhältnisses ermöglichende Mahnung nicht vor.

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