OGH 8Ob523/94

OGH8Ob523/9416.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Schwarz, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Maximilian Eiselsberg und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Tourismusverband F*****, Gemeindezentrum, F*****, vertreten durch Dr.Markus Orgler und Dr.Josef Purtscheller, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 115.223,33 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 16. September 1993, GZ 2 R 186/93-40, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 29. April 1993, GZ 17 Cg 48/91-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die klagende Partei stützte ihr Zahlungsbegehren auf das Vorbringen, sie habe mit Leasingvertrag vom 10.7.1987 dem beklagten Fremdenverkehrsverband über dessen Antrag von ihm ausgewählte Leasingobjekte verleast, er habe jedoch lediglich 5.424,-- auf die vereinbarten Leasingraten bezahlt und sei nach wiederholten Mahnungen in Verzug geraten; mit 16.4.1988 sei die Fälligkeit des Klagsbetrages eingetreten.

Die beklagte Partei wendete ein, der behauptete Leasingvertrag sei nicht wirksam zustande gekommen. Ab 10.6.1987 seien nämlich Hans V*****olderauer Obmann der beklagten Partei und Franz W***** deren Geschäftsführer gewesen, der Vertrag sei jedoch seitens der beklagten Partei von Fritz B***** und einer weiteren Person unleserlich unterschrieben worden. Eine Willensübereinstimmung zwischen den Parteien sei nicht zustandegekommen, die klagende Partei habe falsche Geräte und andere, nämlich nicht bestellte, geliefert. Dies sei auf ein treuwidriges Vorgehen des früheren Geschäftsführers Gernot B***** zurückzuführen.

Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der beklagte Fremdenverkehrsverband F***** ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts und gilt als Tourismusverband im Sinn des § 1 Abs 1 des Tiroler Tourismusgesetzes idgF.

Obmann und gleichzeitig Ausschußmitglied der beklagten Partei war vom Jahre 1965 bis zum 10.6.1987 Fritz B*****, Obmann-Stellvertreter und ebenfalls Ausschußmitglied war bis zum 10.6.1987 Klaus H*****.

Am 10.6.1987 kam es anläßlich der Vollversammlung der beklagten Partei zu einem Obmannwechsel. Im Zuge der Neuwahlen wurde anstelle des bisherigen Obmannes Fritz Bacher als neuer Obmann Hans V***** gewählt. Auch Klaus H***** wurde nicht mehr als Obmann-Stellvertreter wiedergewählt, blieb jedoch - ebenso wie Fritz B***** - in seiner Funktion als Ausschußmitglied. Die meisten Angestellten der beklagten Partei wollten unter der Leitung des neuen Obmannes Hans V***** nicht mehr weiterarbeiten, weshalb sie das Angestelltenverhältnis aufkündigten.

Alleiniger Geschäftsführer der beklagten Partei war vom 1.5.1972 bis zur einvernehmlichen Auflösung seines Arbeitsverhältnisses am 31.8.1987 Gernot B*****, der die ihm in dieser Funktion zufallenden Geschäfte in weitgehender Eigenverantwortung führte. Gernot B***** war zu dieser Zeit auch noch Geschäftsführer bei anderen Firmen, darunter seit 1.9.1987 bei der Bettenbörse Tirol-Stubai Gen.m.b.H. und der La Burs Diskothek-Pub-Betriebsgesellschaft m.b.H. F*****. Außerdem wurde in seinem Dienstvertrag mit der beklagten Partei ausdrücklich vereinbart, daß er auch beim Rossignol Tenniscamp die Funktion eines Geschäftsführers ausüben dürfe.

Anfangs des Jahres 1987 trat Gernot B***** an die damaligen Vorstandsmitglieder Fritz B***** und Klaus H***** heran und erklärte diesen, die beklagte Partei würde für die Vornahme von Buchungen einen Personal-Computer benötigen und wäre ein solches Gerät auch zu leasen. Gernot B***** trug die Notwendigkeit, einen PC anzuschaffen, auch dem Ausschuß vor; es konnte aber nicht festgestellt werden, ob der Ausschuß dem Vorschlag des Geschäftsführers zustimmte. Fritz B***** und Klaus H***** unterfertigten zu einem nicht mit Sicherheit feststellbaren Datum, jedenfalls aber vor dem 10.6.1987, für die beklagte Partei als Leasingnehmerin einen Antrag an die Klägerin als Leasinggeberin auf Abschluß eines Leasingvertrages.

Gernot B***** fügte den Unterschriften B***** und H***** noch handschriftlich das Datum: 1.6.87 hinzu, es konnte aber nicht festgestellt werden, ob es sich hiebei um ein früheres oder späteres Datum handelte.

Dieser von B***** und H***** blanko unterfertigte Antrag auf Abschluß eines Leasingvertrages wurde in der Folge dadurch vervollständigt, daß als Leasingobjekt ein NCR-Prozessor und Drucker mit den Fabrikationsnummern 17.480.129 und 16.865.820, als Lieferant die Firma N***** Ges. m.b.H. W*****; H***** & R***** OHG I*****, als Übernahmsort F*****, als Vertragsdauer 54 Monate sowie die einzelnen monatlichen Leasingraten, der Restwert und der monatliche Gesamtbetrag von S 2.688,-- eingefügt wurden; es konnte nicht festgestellt werden, von wem und wann der Antrag auf Abschluß eines Leasingvertrages ausgefüllt wurde.

Dieser Antrag langte am 8.7.1987 in der Kreditabteilung der Klägerin ein, wurde nach Prüfung der Bonität des Leasingnehmers von der Zentrale der Klägerin in Wien genehmigt und schließlich von der Klägerin am 10.7.1987 angenommen.

Die diesbezüglichen vorvertraglichen Besprechungen wurden auf seiten der Klägerin von Wolfgang K***** und auf seiten der beklagten Partei von Gernot B***** geführt.

Bei dem im gegenständlichen Leasingvertrag als Leasingobjekt angeführten und durch die Fabrikationsnummern individualisierten N*****-Prozessor und dem Drucker handelte es sich um einen PC mit Bildschirm und Drucker, den Gernot B***** von der Firma N Ges.m.b.H. gemeinsam mit zwei weiteren N-PCs jeweils mit Bildschirmen mit den Fabrikationsnummern 17.480.414, 17.495.416 (Prozessoren) und 16.865.811, 16.864.566 (Mono-Bildschirme), für die Bettenbörse T***** Gen.m.b.H. bestellt hatte.

Partner der N Ges. m.b.H. war in diesem Verkaufsgeschäft die Bettenbörse T Gen.m.b.H.; die Firma H***** & R***** OHG in I***** trat lediglich als Vermittler des Geschäftes auf.

Zwei der genannten N-PC jeweils mit Bildschirm wurden mit Lieferschein vom 16.1.1987 (Beilage 5) per Spedition von der Firma N Ges.m.b.H. an die Bettenbörse T Gen.m.b.H. geliefert und von dieser auch in Empfang genommen (Beilage Ib).

Der Verkaufspreis eines N-Prozessors mit Mono-Bildschirm betrug S 45.000,-- excl. USt. Die Verrechnung der genannten, an die Bettenbörse T***** Gen.m.b.H. gelieferten Geräte erfolgte mit Rechnung Nr. 1903557 (Beilage 6) an die W***** T*****ges.m.b.H. & Co.KG. I***** KG, welche als Finanzierungsinstitut der Bettenbörse T auftrat.

Eine Bezahlung der genannten Rechnung über die beiden an die Bettenbörse T***** gelieferten NCR-PC durch die W***** erfolgte ebenso nicht, wie die Bezahlung der getrennten Rechnung über den dritten NCR-PC, der mit einem Bildschirm ausgerüstet per Spedition direkt an die Anschrift Firma H*****, geliefert worden war.

Aus diesem Grund neutralisierte die Firma N***** Ges.m.b.H. die beiden Rechnungen vom 23.1.1987 an die W***** Nr. 1903557 (betreffend die beiden PC, geliefert an die Bettenbörse S*****) und Nr. 1903556 (betreffend den PC, geliefert an die Firma H*****) mittels Gutschriftsanzeige Nr. 190-60 vom 22.6.1987 (Beilage 7). Am selben Tag erfolgte von der Firma N***** Ges.m.b.H. eine Neuausstellung der Rechnung (Beilage 8) an die Bettenbörse S*****.

Mittels Telex vom 29.6.1987 an die Firma N***** Ges.m.b.H. (Beilage 9) erklärte sich die Klägerin bereit, die Finanzierung der 3 NCR-PC zu je S 45.000,-- excl. USt zu übernehmen und teilte gleichzeitig mit, daß der Verwendungszweck abgeändert werde, da kein PC bei der Bettenbörse S***** verwendet werde. Als neuer Verwendungszweck der 3 PC sei nunmehr folgender:

1.) Fremdenverkehrsverband F*****

2.) L***** Ges.m.b.H., ***** und

3.) Hotel H*****, Klaus H*****.

Daraufhin neutralisierte die Firma N***** Ges.m.b.H. die Rechung Nr. 1904025 vom 22.6.1987 an die Bettenbörse S***** (Beilage 8) mit Gutschriftsanzeige Nr. 190-76 vom 3.7.1987 (Beilage 10) und verrechnete die beiden ursprünglich für die Bettenbörse S***** bestimmten PC an die Klägerin mit Rechnungen Nr. 1904094 (Beilage 11) und Nr. 1904095 (Beilage 12) jeweils vom 3.7.1987. Die Fakturierung der Rechnungen vom 3.7.1987 hinsichtlich der Lieferadressen L***** und der beklagten Partei (Beilagen 11 und 12) erfolgte zu einem Zeitpunkt, als die Geräte bereits mittels Lieferscheines (Beilage 5) an die Bettenbörse T***** Gen.m.b.H. ausgeliefert worden waren.

Die beklagte Partei bestätigte mit Schreiben vom 10.7.1987 an die Klägerin (Beilage M) die ordnungsgemäße Übergabe des vereinbarten Leasingobjektes (NCR-Prozessor und Drucker) durch die Lieferfirma NCR H***** & R***** OHG, Innbruck. Auch dieses Schreiben trägt die Unterschriften des damaligen Obmannes Fritz B***** und des damaligen Obmann-Stellvertreters und Ausschußmitgliedes Klaus H*****. Klaus H***** fügte seiner Unterschrift noch handschriftlich das Datum

1.6.87 hinzu, wobei jedoch auch in diesem Fall nicht festgestellt werden kann, ob die Unterschriftsleistung tatsächlich am 1.6.1987 erfolgte. Jedenfalls aber wurde das Schriftstück von B***** und H***** noch vor dem 10.6.1987 unterfertigt. Zum Zeitpunkt der Unterschriftsleistung war die Übernahmsbestätigung noch unausgefüllt und wurden erst später, zu einem nicht mit Sicherheit feststellbaren Zeitpunkt, der Leasinggegenstand, die Lieferfirma und das Übernahmsdatum (10.7.1987) eingefügt.

Die Klägerin kaufte außerdem von der Firma L***** - Diskothek - Pub - Betriebsgesellschaft m.b.H., ***** mit Rechnung vom 24.6.1987 (Beilage F) einen gebrauchten PC, Marke Philips 3100, zu einem Kaufpreis von S 40.000,-- excl. USt. Dieses Gerät wurde zum Zwecke des Leasing mit Lieferauftrag vom 8.7.1987 (Beilage B) von der Firma L***** an die beklagte Partei geliefert. Weiters kaufte die Klägerin mit Rechnung vom 9.6.1987 (Beilage G) von der Firma N***** H***** & R***** OHG, *****, einen Matrix-Drucker HPC 80 und zwei Zentronic-Druckerkabel im Gesamtwert von S 13.400,-- excl. USt, und wurden diese Gegenstände laut Lieferauftrag vom 8.7.1987 (Beilage C) zum Zwecke des Leasing von der Firma N***** H***** & R***** OHG, *****, an die beklagte Partei geliefert.

Für diesen PC, Marke Philips 3100, wurde zwischen der Klägerin und der beklagten Partei kein gesonderter Leasingvertrag abgeschlossen, sondern bildete dieses PC-Gerät samt Zubehör mit dem im Leasingvertrag vom 10.7.1987 (Beilage N) angeführten NCR-Prozessor und Drucker ein sogenanntes Paket.

Sowohl der PC, Marke Philips 3100, der von der beklagten Partei zum Abspeichern der Kurtaxezahlungen verwendet wurde, als auch der NCR-Prozessor wurden von der beklagten Partei benützt. Der NCR-PC wurde außerdem für Buchungszwecke nach M***** transportiert und im Juli oder August 1987 wiederum in die Geschäftsräumlichkeiten der beklagten Partei zurücktransportiert.

Im Zuge des vom Geschäftsführer Gernot B***** zum 24.8.1987 aufgestellten Status über das Inventar des Fremdenverkehrsverbandes F***** wurde zum ersten Mal festgestellt, daß die Fabrikationsnummern des in den Räumlichlichkeiten der beklagten Partei befindlichen PC-Prozessors und Druckers nicht mit den Nummern übereinstimmten, die im Leasingvertrag für die beiden Leasingobjekte angeführt waren.

Die beklagte Partei machte daraufhin die Klägerin von dieser vorgefundenen Diskrepanz aufmerksam, u.a. auch mit Schreiben vom 22.2.1988 an die Klägerin (Beilage 0). Ab dem Zeitpunkt, als die beklagte Partei die Diskrepanz zwischen den Nummern auf den Computern und den im Leasingvertrag angeführten entdeckte, hat die beklagte Partei auch die Zahlung der monatlichen Leasingraten an die Klägerin eingestellt. Ebenfalls ab diesem Zeitpunkt wurden die Leasingobjekte, nämlich der PC, Marke Philips 3100, der NCR-PC und der Matrixdrucker, von der beklagten Partei nicht mehr verwendet, die beiden zuletzt genannten Geräte waren damals überhaupt nicht "arbeitsfähig", da sie nicht angeschlossen waren.

Im Spätherbst 1987 erklärte ein Computerfachmann, Herr E*****, nachdem er die Leasingobjekte besichtigt hatte, gegenüber der beklagten Partei, daß diese Geräte "alte Dinge" seien.

Am 22.8.1988 wurden die Leasingobjekte schließlich aus den Räumlichkeiten der beklagten Partei entfernt und an die Klägerin überstellt und es richtete die beklagte Partei in diesem Zusammenhang das Schreiben vom 22.8.1988 an die Klägerin (Beilage Ia).

Mit Schreiben vom 22.9.1988 (Beilage J) kündigte die Klägerin gegenüber der beklagten Partei unter Bezugnahme auf die dem Leasingvertrag zugrundeliegenden Bedingungen mit sofortiger Wirkung den gegenständlichen Leasingvertrag. Gleichzeitig gab die Klägerin bekannt, daß anläßlich einer durch einen gerichtlich beeideten Sachverständigen durchgeführten Bewertung der sichergestellten Leasingobjekte ein Schätzwert von insgesamt S 17.000,-- incl USt (S 5.000,-- für den Philips Personalcomputer, S 10.000,-- für den NCR-PC, S 2.000,-- für den Matrixdrucker; vgl. Beilage K) festgestellt wurde und daß dieser Schätzwert bei der Ermittlung des der Klägerin entstehenden Ausfalles Berücksichtigung finden werde.

Der Produktzyklus bei Personalcomputern beträgt ein Jahr und bewertet der Verkäufer des PC bei Rücknahme des Gerätes nach der genannten Zeitspanne das Gerät mit 40 % des ehemaligen Einstandpreises. Bei nochmaligem Verkauf versucht der Verkäufer in aller Regel auf den genannten Bewertungswert nochmals 20 bis 25 % zuzuschlagen.

Der von der Klägerin begehrte Klagsbetrag setzt sich zusammen (wie in Beilage H aufgeschlüsselt) aus den ausständigen Leasingraten bis zur Vertragsauflösung (22.9.1988, vgl. Beilage J), weiters aus Verzugsgebühr, Anwaltskosten und Korrespondenzspesen, weiters aus den ausstehenden Nettoleasingentgelten ab Vertragsauflösung bis zum vereinbarten Vertragsende, zuzüglich dem kalkulatorisch errechneten Restwert für die Leasinggegenstände und Schätzungskosten und Verzugsgebühr. Berücksichtigung findet auch eine Abzinsung zur Bankrate und der Schätzwert der Leasingobjekte von S 17.000,-- brutto. Diese von der Klägerin vorgenommene Berechnungsart ebenso wie die Berechnung von Verzugszinsen in der Höhe von 1,5 % p.m. = 21,6 % Zinsen p.a. findet seine Deckung in Pkt. 14.) bzw Pkt. 7.) der Allgemeinen Vertragsbedingungen, die zwischen den Parteien bei Vertragsabschluß vereinbart worden waren (vgl Beilage N).

Nicht festgestellt werden konnte, daß Gernot B***** als Geschäftsführer der beklagten Partei und Wolfgang K***** auf seiten der Klägerin im Zuge der vorvertraglichen Besprechungen bzw bei Abschluß des gegenständlichen Leasingvertrages mit dem Vorsatz handelten, die beklagte Partei zu schädigen.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, gemäß § 17 Tiroler Fremdenverkehrsgesetz 1979, LGBl Nr 39, sei der Obmann als Leiter der gesamten Verwaltung des Fremdenverkehrsverbandes an die Beschlüsse der Vollversammlung und des Ausschusses gebunden und für ihre gehörige Vollziehung verantwortlich. Der Obmann vertrete den Fremdenverkehrsverband nach außen; Urkunden, die Verbindlichkeiten des Fremdenverkehrsverbandes begründeten, bedürften der Unterschrift des Obmannes und eines weiteren Ausschußmitgliedes. Der früher zeichnungsberechtigte Obmann Fritz B***** und daß Ausschußmitglied Klaus H***** hätten die Urkunde vor dem 10.6.87 unterzeichnet. Die Bindungswirkung an den Antrag zum Abschluß eines Leasingvertrages sei erst am 8.7.87 bei Einlangen bei der klagenden Partei eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt sei aber Fritz B***** nicht mehr Obmann der beklagten Partei und daher auch nicht mehr berechtigt gewesen, den beklagten Fremdenverkehrsverband nach außen zu vertreten. Der Antrag hätte nach den Obmannwechsel vom 10.6.87 vom neuen Obmann und von einem weiteren Ausschußmitglied unterfertigt werden müssen. Die klagende Partei wäre als Unternehmerin verpflichtet gewesen, sich zu vergewissern, ob Fritz B***** und Klaus H***** zum Zeitpunkt der Abgabe des Anbotes an die beklagte Partei noch vertretungberechtigt gewesen seien. Dies umsomehr, als zwischen der Unterzeichnung des Leasingantrages und der Abgabe an die klagende Partei ein Zeitraum von mehr als einem Monat gelegen sei.

Das Berufungsgericht gab der gegen das erstgerichtliche Urteil erhobenen Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Es stellte ergänzend noch fest:

Der Blanko-Antrag auf Abschluß eines Leasingvertrages wurde nach dem 22.6.1987 - eine genauere Präzisierung ist nicht möglich - der Zweigstelle der Klägerin in I***** übergeben, dort vollständig ausgefüllt und mit Datum 8.7.1987 versehen.

Das Berufungsgericht billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte aus: Das Tiroler Fremdenverkehrsgesetz enthalte hinsichtlich der Vertretungsbefugnis des Obmannes als Organ des Fremdenverkehrsverbandes Bestimmungen, die ein Dritter gegen sich gelten lassen müsse, auch wenn er sie nicht gekannt habe. Fritz B***** sei zu dem Zeitpunkt, als der von ihm blanko unterfertigte Antrag in der Zweigstelle der klagenden Partei einlangte, nicht mehr Obmann und damit auch nicht mehr vertretungsbefugt gewesen, sodaß der Antrag nicht rechtswirksam unterfertigt gewesen sei. Die klagende Partei könne sich auch nicht auf das Vertrauen auf den äußeren Tatbestand berufen, weil zum Zeitpunkt des Einlangens des Antrages der inzwischen abgewählte Obmann nicht mehr vertretungsbefugt gewesen sei. Die Revision sei nicht zulässig, es läge kein Fall des § 502 Abs 1 ZPO vor, zumal Beweisfragen im Vordergrund stünden.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und dem Klagebegehren stattzugeben.

Die beklagte Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

In der Zulassungsbeschwerde führt die klagende Partei aus, die Vertretungsbefugnis des von einer juristischen Person abgegebenen Antrages sei auf den Zeitpunkt der Unterfertigung dieses Antrages zu beziehen, nicht aber auf den Zeitpunkt des späteren Zuganges dieses Antrages an den Erklärungsempfänger. Anderenfalls könnte sich der Offerent im Zeitraum zwischen der Unterfertigung eines Antrages und seines späteren Zuganges der Bindung durch eine Änderung der Vertretungsbefugnis entziehen. Es handle sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob ein Empfänger einer Willenserklärung zur Überprüfung dahin verpflichtet sei, ob der Erklärende zwischen Abgabe und Einlangen der Willenserklärung seine Erklärungsbefugnis verloren habe. Eine solche Verpflichtung wäre bei lebensnaher Betrachtung des Geschäftslebens unzumutbar.

In der Rechtsrüge führt die klagende Partei weiters aus, wenn die beklagte Partei trotz des Obmannwechsels am 10.6.1987 den Antrag auf Abschluß eines Leasingvertrages erst später an die klagende Partei übersandt habe, wäre es Sache der beklagten Partei gewesen, die Urkunde nicht abzusenden und dadurch die Bindungswirkung des Antrages zu vermeiden. Aufgrund der vorvertraglichen Verhandlungen habe die klagende Partei davon ausgehen dürfen, daß der Antrag vom zuständigen Obmann unterschrieben sei, zumal die Verhandlungen mit dem Geschäftsführer der beklagten Partei geführt worden seien.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und sie ist auch berechtigt.

Zur Frage, zu welchem Zeitpunkt die Vertretungsbefugnis eines Organs einer juristischen Person vorhanden sein muß, ob zum Zeitpunkt der Blankounterfertigung eines Antrages, der Entäußerung dieses Antrages oder zum Zeitpunkt des Zuganges des Antrages beim Oblaten, fehlt eine höchstgerichtliche Rechtsprechung.

Durch die Unterzeichnung eines Blanketts wird einem Dritten eine Vervollständigungsbefugnis, die vollmachts- bzw ermächtigungsähnlich ist, eingeräumt. Der Antragsteller trägt gegenüber gutgläubigen Dritten grundsätzlich das Ausfüllungsrisiko. Bei verdeckter Ausfüllung, bei der also der Dritte die Erklärung erst als vollständige zu Gesicht bekommt, sind die Irrtumsregeln anwendbar (Rummel-Rummel, ABGB2 Rz 8 zu § 871; Koziol-Welser Grundriß I9, 123).

Einen Anhaltspunkt für eine Kollusion zwischen dem Geschäftsführer der beklagten Partei und der klagenden Partei hat das Verfahren nicht ergeben ("nicht festgestellt werden konnte, hingegen, daß Gernot B***** als Geschäftsführer der beklagten Partei und Wolfgang H***** auf seiten der klagenden Partei im Zuge der vorvertraglichen Besprechungen bzw bei Abschluß des Leasingvertrages mit dem Vorsatz handelten, die beklagte Partei zu schädigen").

Die beklagte Partei hat ihren Antrag auch nicht wegen Irrtums angefochten.

Für den Fall der Änderung einer Vertretungsbefugnis durch Abwahl des vormals vertretungsbefugten Organs enthält das Gesetz keine ausdrückliche Regelung. Das ABGB hat den Fall nicht geregelt, daß der Machtgeber handlungsunfähig oder beschränkt handlungsfähig wird, die analoge Anwendung des § 1022 ABGB ist strittig (Gschnitzer-Faistenberger, Schuldrecht Allgemeiner Teil2, 823).

Nach der Rechtsprechung erlischt die Vollmacht durch den nachträglichen Eintritt der Handlungsunfähigkeit des Machtgebers nicht (SZ 24/244; SZ 26/132), der gesetzliche Vertreter kann aber die Vollmacht widerrufen (EvBl 1968/60, 102). Der nachträgliche Verlust der Geschäftsfähigkeit des Machtgebers ist dem Verlust der Vertretungsbefugnis durch die Abwahl des früher vertretungsbefugten Organs und die Neubestellung gleichzuhalten, in beiden Fällen wird nachträglich eingetretenen Umständen keine Rückwirkung auf vorher rechtlich existent gewordene Willenserklärungen zugebilligt (vgl Flume, Das Rechtsgeschäft3, 223). Der erforderliche Schutz des Vertretenen wird durch die Möglichkeit des Widerrufes bzw der Irrtumsanfechtung gewährleistet.

Zum selben Ergebnis gelangt man hier, wenn man dem Geschäftsführer der beklagten Partei Gernot B***** als Besitzer des Blanketts den fortwirkenden Rechtsschein der Ausstellungsbefugnis des Blanketts im Rahmen des Üblichen zubilligt, sodaß die beklagte Partei sich die später vervollständigte Erklärung zurechnen lassen muß (vgl SZ 54/161 = EvBl 1982/69, 236; ÖBl 1989, 176 = WBl 1989, 19 = RdW 1988, 449). Die dem Inhaber des Blanketts eingeräumte Vervollständigungsbefugnis im Zusammenhang mit dem Besitz des Blanketts legitimiert den Blankettnehmer zur Ausfüllung im Rahmen des Üblichen, ohne daß der Dritte beim Aussteller rückfragen müßte; dieses Vertrauen hat der Aussteller, nämlich der vor dem 10.6.87 vertretungsbefugte Obmann Fritz B***** bewußt hervorgerufen, als er das Blankett in den Verkehr brachte (vgl SZ 54/161 mwN).

Eine analogiefähige Regelung ist weiters in § 862 a zweiter Satz ABGB zu finden. Die Beförderungsverzögerung verlängert die Bindungsfrist des Offerenten, wenn er nicht unverzüglich seinen Rücktritt anzeigt (vgl Rummel-Rummel, ABGB2 Rz 6 zu § 862 a). Damit wird das Risiko nicht nur für den Fall der verspäteten Annahme, sondern auch für den Fall der Beförderungsverzögerung der Offerte dem Erklärenden zugerechnet (vgl Rummel aaO). Gemeinsam ist beiden Fällen, daß der spätere Eintritt von Einschränkungen früherer, zum Zeitpunkt ihrer Entäußerung wirksamer Erklärungen bedeutungslos ist, denn es ist dem Erklärenden regelmäßig leichter zumutbar, eine früher wirksam entäußerte und inzwischen wirkungslos gewordene Erklärung zu widerrufen, als dem Erklärungsempfänger die Prüfung aufzubürden, ob die als fortdauernd anzusehenden Voraussetzungen einer rechtsgeschäftlichen Erklärung nicht inzwischen wider Erwarten weggefallen sind.

Aus diesen Erwägungen sind die von den Vorinstanzen zu § 867 ABGB angestellten Überlegungen entbehrlich, denn die vom früheren Obmann der beklagten Partei abgegebene Erklärung, bzw das von ihm gegebene Blankett wird durch seine Abwahl nicht hinfällig, wenn die beklagte Partei durch ihren Geschäftsführer diese Erklärung der klagenden Partei zugehen ließ und keinen Widerruf vornahm; dies wäre ihr leichter möglich gewesen, wenn sie die Erklärung ihres früheren Obmannes nicht gegen sich gelten lassen wollte, als der klagenden Partei, Veränderungen in der Zusammensetzung der Organe der beklagten Partei fortlaufend zu prüfen.

Es würde schließlich den rechtsgeschäftlichen Verkehr unerträglich belasten, worauf die Revisionswerberin zutreffend hinweist, müßten nach Anbahnung des rechtsgeschäftlichen Kontaktes Änderungen der Vertretungsbefugnis einer Partei vom anderen Vertragsteil nach Entäußerung einer wirksamen Erklärung stets einer neuerlichen Prüfung hinsichtlich ihres Fortbestandes unterzogen werden.

Wenn auch nicht festgestellt werden konnte, ob im Zeitpunkt der Entäußerung des Anbotes der frühere Obmann noch vertretungsberechtigt war, so ändert dies nichts an der Vervollständigungsbefugnis des Geschäftsführers, der bis 31.8.1987 in Funktion war.

Daher muß sich die beklagte Partei den Antrag auf Abschluß eines Leasingvertrages grundsätzlich zurechnen lassen.

Die Vorinstanzen sind von der vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht ausgegangen, es wäre kein Leasingvertrag zwischen den Streitteilen zustandegekommen. Ist aber im Sinne der obigen Ausführungen ein solcher Vertrag zustandegekommen, dann ist es erforderlich, die übrigen Einwendungen der beklagten Partei, der Vertrag sei aus den Gründen einer falschen Lieferung (ON 2, AS 7), wegen Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes (ON 14, AS 47; ON 29, AS 165), wegen Irrtums (ON 29, AS 165) bzw wucherische Zinshöhe (ON 14, AS 47) ungültig bzw anfechtbar, einzugehen. Die gleichen Erwägungen, die für das Zustandekommen eines bindenden Vertrages maßgeblich sind, gelten aber auch für die nachträgliche Genehmigung der Lieferung des Leasingobjektes, allenfalls im Sinne einer Leistung an Erfüllung statt (§ 1414 ABGB).

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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