OGH 5Ob144/18i

OGH5Ob144/18i3.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J* C*, vertreten durch Dr. Anton Hintermeier, Mag. Michael Pfleger und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagte Partei J* C*, vertreten durch Dr. Thomas Romauch, Rechtsanwalt in Krumpendorf, wegen Zustimmung (Streitwert 7.000 EUR), über die ordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 25. April 2018, GZ 21 R 27/18f‑12, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Tulln vom 8. September 2017, GZ 11 C 867/17y‑8, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123236

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die Klägerin ist die Witwe nach dem ursprünglichen Alleineigentümer der Liegenschaft EZ * KG *. Sie bewohnte mit ihm das darauf errichtete alte Haus. Der Beklagte ist deren Sohn. Die Streitteile sind gemeinsam mit der Tochter der Klägerin als gesetzliche Erben nunmehr zu je einem Drittel Eigentümer dieser Liegenschaft.

Die Klägerin und ihre Tochter brachten nach Einantwortung gegen den Beklagten eine Klage auf Zivilteilung der genannten Liegenschaft ein. Das Teilungsverfahren endete mit einem Vergleich, nach dem die Eigentumsgemeinschaft durch gerichtliche Feilbietung ab 1. 1. 2017 aufzuheben sei. In diesem Verfahren war das Vorausvermächtnis der Klägerin kein Thema.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Zustimmung zur Aufnahme des Wohnrechts im alten Haus auf einem Grundstück der Liegenschaft (als Vorausvermächtnis) zu ihren Gunsten in die Versteigerungsbedingungen für die gerichtliche Feilbietung. Als Witwe des vormaligen Eigentümers habe sie einen schuldrechtlichen Anspruch auf Beibehaltung der Wohnverhältnisse gegenüber dem Beklagten, sodass dieser verpflichtet sei, alles zu tun, damit ihr das Wohnen weiterhin möglich sei.

In Abänderung der Entscheidung des Erstgerichts wies das Berufungsgericht das Klagebegehren ab. Das Wohnrecht der Klägerin sei im Verfahren über die Zivilteilung nicht thematisiert worden. Die Klägerin behaupte auch gar nicht, dass sie und ihre Tochter als dort klagende Parteien und der Beklagte im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses vom Fortbestand des Wohnrechts ausgegangen seien. Die Bereinigungswirkung eines Vergleichs umfasse aber alle zweifelhaften Ansprüche, selbst wenn er keine Generalklausel enthalte. Der gesetzliche Anspruch der Klägerin auf das Vorausvermächtnis habe unzweifelhaft schon im Zeitpunkt der Einbringung der Teilungsklage bzw des Vergleichsabschlusses bestanden, sodass sie als der die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft anstrebende Teil klarstellen hätte müssen, dass sie die Zivilteilung nur unter der Bedingung der Aufrechterhaltung ihres Wohnrechts anstrebe. Da sie ein solches Begehren unstrittig nicht erhoben habe, sei ihr Anspruch auf das gesetzliche Vorausvermächtnis als bereinigt anzusehen.

Die Revision erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil „zur Frage, ob auch im Fall einer von dem nach § 758 ABGB aF wohnungsberechtigten Ehegatten eingebrachten Zivilteilungsklage der aus diesem gesetzlichen Vermächtnis belastete Beklagte ungeachtet der Einigung auf die gerichtliche Feilbietung jedenfalls der Aufnahme des Wohnrechts in die Versteigerungsbedingungen zustimmen muss“, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten beantwortete Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

1.1 Das gesetzliche Vorausvermächtnis nach § 758 ABGB in der hier anzuwendenden Fassung des Erbrechtsänderungsgesetzes 1989, BGBl 1989/656, gewährt einen schuldrechtlichen Anspruch des überlebenden Ehegatten auf Beibehaltung der Wohnverhältnisse in der Ehewohnung in Gestalt eines Wohnrechts gegen den Erben oder den sonst durch das Vermächtnis Beschwerten (RIS‑Justiz RS0012822; RS0012824). Diese sind grundsätzlich verpflichtet, alles zu tun, damit dem Ehegatten das Wohnen auf Dauer ermöglicht wird. Auch eine Aufnahme in die Versteigerungsbedingungen ist geeignet, das obligatorische Wohnrecht des überlebenden Ehegatten zu sichern (RIS‑Justiz RS0013795 [T7]; 5 Ob 209/10m).

1.2 Der überlebende Ehegatte hat insoweit ein Forderungsrecht, auf das er aber ausdrücklich oder durch schlüssige Willenserklärung verzichten (vgl Welser in Rummel, ABGB4 § 758 Rz 4, Rz 10, Rz 16), seinen Anspruch als Berechtigter also aufgeben kann (vgl RIS‑Justiz RS0033934). Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Frage, ob der Beklagte verpflichtet ist, der Aufnahme des Wohnrechts in die Versteigerungsbedingungen zuzustimmen, hängt daher davon ab, ob die Klägerin ihren obligatorischen Anspruch durch Vergleich aufgegeben hat. Damit ist aber die Frage zur Reichweite der Bereinigungswirkung des von der Klägerin und ihrer Tochter auf der einen Seite und dem Beklagten auf der anderen Seite im Verfahren über die Zivilteilung abgeschlossenen Vergleichs angesprochen. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wirft die Auslegung eines Vergleichs keine Rechtsfrage auf, deren Entscheidung zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt (RIS‑Justiz RS0113785). Die Auslegung eines Vergleichs im Einzelfall wäre nur revisibel, wenn dem Berufungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (RIS‑Justiz RS0113785 [T1; T4]; vgl auch RS0042936). Eine solche kann die Klägerin nicht darlegen.

2.1 Wie allgemein für die Auslegung von Willenserklärungen gilt auch für gerichtliche Vergleiche, dass sich deren Inhalt in erster Linie nach der Absicht der Parteien darüber, was sie tatsächlich gewollt haben, bestimmt (RIS‑Justiz RS0023319). Derjenige, der sich auf eine vom Vergleichswortlaut abweichende Vereinbarung beruft, muss dabei die entsprechenden Umstände behaupten und beweisen (vgl RIS-Justiz RS0108201 zur Vertragsauslegung allgemein). Auf eine vom Wortlaut des im Teilungsverfahren abgeschlossenen Vergleichs abweichende übereinstimmende Parteienabsicht hat sich die Klägerin im Verfahren erster Instanz nicht berufen, sodass sie dem Berufungsgericht auch nicht anlasten kann, dass es bei der Auslegung des Vergleichs von dessen Wortlaut und den den Abschluss begleitenden Umständen ausging (vgl RIS‑Justiz RS0017831 [T6]; Bollenberger in KBB5 § 914 Rz 5).

2.2 Mangels einer entgegenstehenden Parteienabsicht sind von der Bereinigungswirkung eines (hier: gerichtlichen) Vergleichs sämtliche den Parteien bei Abschluss bekannten oder bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt erkennbaren Ansprüche umfasst (RIS‑Justiz RS0032453 [T18; T24]; vgl auch RS0032504; Neumayr inKBB5 § 1389 Rz 2 mwN); diese Bereinigungswirkung tritt selbst dann ein, wenn keine Generalklausel aufgenommen wurde (RIS‑Justiz RS0032453 [T20]).

2.3 Da die behauptungs- und beweispflichtige Klägerin (dazu RIS‑Justiz RS0032504) kein Vorbringen dazu erstattete, dass im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses der übereinstimmende Parteienwille trotz Einigung über die Feilbietung auf die Aufrechterhaltung des Wohnrechts gerichtet gewesen wäre, bedarf es auch keiner Korrektur im Einzelfall, wenn das Berufungsgericht in Ermangelung von Anhaltspunkten für eine entgegenstehende Parteienabsicht auf den Text der Vergleichsurkunde zurückgegriffen und daraus unter Bedachtnahme auf den Umstand, dass die Klägerin nach Anfall des Vorausvermächtnisses selbst die Klage auf Zivilteilung erhoben und das ihr zukommende obligatorische Recht weder im Verfahren noch beim Vergleichsabschluss thematisierte, zum Ergebnis gelangte, dass auch insoweit eine vergleichsweise Bereinigung vorliegt. Dass ein solches Auslegungsergebnis begründet und damit keineswegs unvertretbar ist, räumt die Klägerin für den Fall, dass das Wohnrecht die „gesamte Liegenschaft“ erfasst, selbst ein. Gegenteiliges lag ihren Behauptungen im Verfahren erster Instanz auch nicht zugrunde. Soweit sie sich im Revisionsverfahren darauf beruft, dass das von ihr angesprochene „alte Haus“ nur einen kleinen Teil der Liegenschaft erfasst, verstößt sie gegen das Neuerungsverbot des § 504 Abs 2 ZPO.

3. Mit ihrem Vorwurf, das Berufungsgericht habe sie mit seiner Rechtsansicht überrascht, macht die Klägerin den Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO geltend. In einer Verfahrensrüge wegen Verletzung der Pflichten nach § 182a ZPO hat der Rechtsmittelwerber darzulegen, dass der Verfahrensfehler erheblich ist, sich also auf das Ergebnis des Verfahrens auswirken konnte. Dazu hat er jenes Vorbringen nachzuholen, das er, über die relevante Rechtsansicht informiert, erstattet hätte (RIS‑Justiz RS0120056 [T7; T8]). Dazu verweist die Klägerin aber lediglich ganz allgemein auf Feststellungen, die das Berufungsgericht ihrer Ansicht nach zur Sinnhaftigkeit einer Verwertung der Liegenschaft trotz des Wohnrechts zu treffen gehabt hätte. Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang jedenfalls, ob sie selbst davon ausgegangen ist, dass das Wohnrecht von der Bereinigungswirkung des Vergleichs nicht erfasst sein soll, sodass sie insgesamt keine Relevanz des von ihr behaupteten Mangels aufzeigt.

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

5. Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 4050 ZPO. Der Beklagte hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision nicht hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035979).

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