OGH 4Ob9/19f

OGH4Ob9/19f28.5.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.‑Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers Schutz- und Interessensverband zur Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken im Sinne des UWG, *****, vertreten durch Dr. Bernd Roßkothen, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die Beklagte Mag. A***** S*****, vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, und die Nebenintervenientin auf Seite der Beklagten a***** gmbh, *****, vertreten durch ANWALTGMBH Rinner Teuchtmann in Linz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 33.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Klägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 28. November 2018, GZ 5 R 177/18s-16, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00009.19F.0528.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Kläger ist ein Verband zum Schutz wirtschaftlicher Interessen von Unternehmen und zur Bekämpfung der Erscheinungsformen des unlauteren Wettbewerbs. Dem Verband gehören auch Unternehmer aus der Branche der Beklagten an.

Die Beklagte hat eine Ausbildung zur Ernährungstrainerin bei einer „Vitalakademie“ absolviert und bietet auf Grundlage dieser Ausbildung Ernährungstraining an. Sie hat das freie Gewerbe „Erstellung von Trainingskonzepten für gesundheitsbewusste Personen“ angemeldet. Sie hat nicht die Studienrichtung Ernährungswissenschaften an einer inländischen Universität oder die Ausbildung zur Diätassistentin absolviert und auch nicht das Gewerbe der Ernährungsberatung nach § 119 GewO angemeldet.

Beide Vorinstanzen gaben dem Eventualsicherungsbegehren des Klägers statt, wonach der Beklagten aufgetragen wurde, es zu unterlassen, in Österreich als Ernährungstraining, -coaching, -begleitung, -schulung oder ähnlich bezeichnete Ernährungsberatung anzubieten, ohne hiefür über die notwendigen Befähigungen und Berechtigungen zu verfügen. Das Rekursgericht trug der Beklagten in Stattgebung (und Umformulierung im Sinne der Antragsbegründung) auch des Hauptsicherungsbegehrens überdies auf, es zu unterlassen, in Österreich Ernährungsberatung, insbesondere persönliche Ernährungsanalyse oder das Orten von Allergien und Unverträglichkeiten als Ernährungstraining oder als Ernährungstrainer anzubieten, wenn sie nicht die Voraussetzungen gemäß § 119 Abs 1 GewO 1994 erfülle.

Der Kläger erhebt dagegen außerordentlichen Revisionsrekurs mit dem Antrag, dem Hauptsicherungsbegehren wie beantragt stattzugeben. Das Rekursgericht habe ein Aliud zugesprochen. Tatsächlich habe der Kläger mit seinem Begehren die im gesamten Verfahren vertretene Rechtsansicht verfolgt, die Bezeichnung „Ernährungstrainer“ bzw „Ernährungstraining“ sei ohne die Befugnis zur Ernährungsberatung nach § 119 GewO per se irreführend, mithin auch für solche Dienstleistungen, die als freies Gewerbe ausgeübt werden dürften. Damit verstoße die Beklagte zudem gegen Z 9 des Anhangs zum UWG. Davon weiche der Zuspruch des Rekursgerichts allerdings ab.

Damit zeigt der Revisionsrekurs jedoch keine erheblichen Rechtsfragen auf und ist somit als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 405 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Auch im Rechtsmittelverfahren ist das Gericht an den Sachantrag der Partei gebunden (RS0041059). Ob ein Aliud oder ein Minus anzunehmen ist, ergibt sich aus dem Vergleich zwischen dem gestellten Begehren und dem unter Berücksichtigung der rechtserzeugenden Tatsachen für berechtigt erachteten Anspruch (RS0041023). Maßgeblich sind das Klagebegehren und auch der übrige Inhalt der Klage (RS0041078). Ein Aliud liegt dann vor, wenn die zugesprochene Rechtsfolge eine andere ist als die begehrte, wobei auch die zur Begründung der Rechtsfolge vorgetragenen und zur Entscheidung herangezogenen Tatsachen miteinander zu vergleichen sind (RS0041027). Ein quantitativer Minderzuspruch ist ein Minus, ein qualitativer Minderzuspruch ein Aliud (RS0037485 [T4]; 4 Ob 91/18p, Veröffentlichungsmedium, mwN).

2.1. Ein diesen Grundsätzen Rechnung tragender Vergleich des Hauptbegehrens und des tatsächlichen Zuspruchs ergibt, dass das Berufungsgericht kein Aliud, wohl aber ein Minus zugesprochen hat.

2.2. Der Kläger begehrt, der Beklagten zu untersagen, „in Österreich Ernährungstraining bzw. als Ernährungstrainer Dienstleistungen anzubieten, ohne hierfür nach GewO befähigt oder berechtigt zu sein“. Daraus ergibt sich im Zusammenhang mit dem (auch) auf § 2 UWG gestützten Klagsvorbringen, dass der Kläger das Anbieten jeglicher ernährungsbezogener Dienstleistung unter der Bezeichnung „Ernährungstrainer“ bzw „-training“ für irreführend erachtet, gleichgültig ob die Dienstleistung dem Vorbehaltsbereich des § 119 Abs 1 GewO unterfällt oder als freies Gewerbe (vgl zur Abgrenzung 4 Ob 61/14w) ausgeübt werden darf.

2.3. Dem gegenüber hat das Rekursgericht der Beklagten nur verboten, „in Österreich Ernährungsberatung, insbesondere persönliche Ernährungsanalyse oder das Orten von Allergien und Unverträglichkeiten, als Ernährungstraining oder als Ernährungstrainer anzubieten, wenn sie nicht die Voraussetzungen gemäß § 119 Abs 1 GewO 1994 erfüllt“. Dieser Spruch nimmt die nicht der Ernährungsberatung iSd § 119 Abs 1 GewO unterfallenden, jedoch ernährungsbezogenen Dienstleistungen, die im Rahmen eines freien Gewerbes ausgeübt werden können, vom Unterlassungsgebot aus. Damit liegt ein (geringfügiges und kostenneutrales) quantitatives Minus und kein Aliud vor.

3. Soweit der Kläger die Beurteilung des Rekursgerichts bekämpft, UWG Anh Z 9 sei nicht verwirklicht, kann diese Frage schon mangels Präjudizialität die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründen (vgl RS0088931). Das vom Zuspruch des Rekursgerichts nicht umfasste Unterlassungsbegehren bezieht sich, wie der Revisionsrekurs selbst ausführt, auf die Irreführungseignung des Begriffs Ernährungstraining bzw -trainer für nicht dem Vorbehaltsbereich des § 119 Abs 1 GewO unterfallende Dienstleistungen, die im Rahmen eines freien Gewerbes ausgeübt werden dürfen. Dass diese (im Revisionsverfahren einzig noch strittigen) Dienstleistungen des freien Gewerbes auch nicht verkehrsfähig iSd Z 9 des Anhangs seien, behauptet der Kläger (zutreffenderweise) selbst nicht.

4.1. Ob, wie vom Rekursgericht bejaht und wie der Revisionsrekurs ausschließlich argumentiert, der Begriff „Ernährungstraining“ per se deswegen irreführend ist, weil Verbraucher darunter auch solche Tätigkeiten verstünden, die Ernährungsberatern vorbehalten sind (so Koukal/Höhne, Ernährungsberater, individuell (teil-)befähigt?, JMG 2018, 155 [161 f]), ist hier nicht zu entscheiden. Während 4 Ob 222/17a ausschließlich die Fallgruppe Rechtsbruch betraf (auf die sich der Kläger mangels Sonderrechtsschutzes [vgl Hanusch, Kommentar zur GewO, § 119 Rz 6] insoweit zutreffend nicht stützt), erachtete der Senat diese Rechtsansicht zu 4 Ob 177/18k [5.1] zwar für nicht unvertretbar (vgl aber auch RS0130825). Darauf käme es jedoch nur dann an, wenn die Beklagte diese Bezeichnung ohne Kontext in Alleinstellung gebraucht hätte. Denn bereits in 4 Ob 177/18k hat der Senat auch festgehalten, dass „Ernährungstraining“ je nach dem konkreten Wort- und Sachzusammenhang unterschiedlich aufgefasst wird (vgl RS0031869) und dieser Zusammenhang daher zu berücksichtigen ist (vgl RS0078352). Darauf nahm das Rekursgericht Bezug, wenn es ausführte, das Unterlassungsgebot habe sich immer am konkreten Wettbewerbsverstoß zu orientieren (vgl RS0000771 [T4]).

4.2. Aus dem bescheinigten Sachverhalt lässt sich eine derartige schlagwortartige Verwendung nicht ableiten. Danach hat die Beklagte den Begriff „Ernährungstraining“ zwar (auch) als Zwischenüberschrift auf ihrer Website verwendet, dies jedoch eingebettet in einen Fließtext, in dem sie den Umfang ihres Dienstleistungsangebots genau beschrieb. Sie suggerierte auch nicht, über ein (für das Anbieten von Ernährungsberatung notwendiges) abgeschlossenes Hochschulstudium zu verfügen, sondern wies ausdrücklich darauf hin, nur einen Kurs der „Vitalakademie“ besucht zu haben (vgl zudem BGH I ZR 65/12, Diplomierte Trainerin = GRUR 2014, 494).

4.3. Die in diesem Text von der Beklagten angebotenen Leistungen unterfallen teilweise dem Vorbehaltsbereich des § 119 Abs 1 GewO; insoweit wurden ihr dies und die Bezeichnung Ernährungstraining bereits untersagt. Dass die Begriffe „Ernährungstraining und -trainer“ im unmittelbaren Kontext der Beschreibung der verbleibenden Leistungen, die unstrittig im Rahmen eines freien Gewerbes ausgeübt werden dürfen, Verbraucher über das Leistungsangebot, die Berechtigung oder die Qualifikation der Beklagten (vgl RS0117607; 4 Ob 181/17x, Bauanwalt) irreführen sollen, hat das Rekursgericht aber vertretbar verneint.

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