European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00034.21K.0315.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Streitteile sind Rechtsanwälte. Der Beklagte ist unbeschränkt haftender Gesellschafter einer OG, die im Internet für ihre anwaltliche Leistungen wie folgt warb:
„Wir bieten Ihnen erstklassige juristische Lösungen, out-of-the-box und maßgeschneidert für Ihren konkreten Lebenssachverhalt. Ob als 24/7‑Ansprechpartner in einer akuten Krisensituation oder als langfristiger strategischer Wegbegleiter: Wir sind Ihr starker, zuverlässiger Partner für Ihre privaten und unternehmerischen Herausforderungen, außergerichtlich sowie nötigenfalls mit schlagkräftiger gerichtlicher und/oder medialer Durchsetzung. Egal an welcher Wegkreuzung Sie stehen: Wir stehen Ihnen zur Seite. Diskret, rasch und effektiv. Hands-on mit Weitblick. Multimedial, digital und interdisziplinär. Wegweisende Rechtsberatung höchstpersönlich.“
[2] Der Kläger begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr mit Rechtsberatung zu unterlassen, eine wegweisende Rechtsberatung anzukündigen oder zu erbringen, indem er damit im Zusammenhang auch eine „schlagkräftige mediale Durchsetzung“ ankündigt und/oder anbietet. Weiters stellt er ein Veröffentlichungsbegehren.
[3] Der Kläger stützte den Unterlassungsanspruch (ausschließlich) auf § 1 Abs 1 Z 1 und Z 2 UWG und brachte vor, dass es bei der beworbenen „schlagkräftigen medialen Durchsetzung“ nicht um mediale Begleitung gehe, sondern um Druckausübung und Erzeugung von Ungemach durch Verunglimpfung, die sich an einen möglichst großen Adressatenkreis richten solle. Darunter verstehe der Rechtssuchende die mediale, negative Stimmungsmache gegen seinen Gegner oder zumindest die Drohung mit solcher. Der angesprochene Verkehrskreis erwarte von einer schlagkräftigen medialen Durchsetzung, dass der Beklagte, der seine guten Verbindungen zu den von ihm vertretenen großen Zeitungsverlagen hervorhebe, mit diesem Angebot bei der Durchsetzung der Ansprüche seiner Klienten besonders erfolgreich, jedenfalls erfolgreicher als andere Anwälte sei. Eine schlagkräftige mediale Durchsetzung habe für gewöhnlich per se kreditschädigende Wirkung. Pressekonferenzen und mediale Ereignisse seien nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung kein geeignetes Forum, um Rechtsstandpunkte gegenüber einem Verfahrensgegner durchzusetzen. Der Beklagte erwecke mit seiner Ankündigung bei seinen Klienten eine entsprechende Erwartungshaltung hinsichtlich der angekündigten Methoden medialer Anspruchsdurchsetzung und verlasse damit den Boden der beruflichen Sorgfalt. Die Ankündigung sei auch aus der Sicht potentieller Klienten eine unlautere Geschäftspraktik, weil der Beklagte diese nicht oder eben nicht schlagkräftig umsetzen dürfe.
[4] Der Beklagte wandte ein, Medienarbeit durch Rechtsanwälte gehöre zur sorgfältigen Betreuung der Mandanten. Dies gelte besonders im Strafverfahren, wo es um die Verhinderung medialer Vorverurteilung gehe. Bei der Vertretung von Verbrechensopfern könne es ebenso notwendig sein, über Medien Stellungnahmen abzugeben. Auch in Zivilsachen könne es geschehen, dass der Prozessgegner versuche, seinen Standpunkt einseitig über Medienberichte zu präsentieren. Hier gehöre es zu einer vorausschauenden Mandatsbetreuung, solchen „falschen“ Berichten auf gleicher medialer Ebene entgegenzutreten. Außerhalb von rechtlichen Konflikten könne Medienarbeit des Anwalts für seinen Mandanten ebenfalls sinnvoll sein. § 49 RL‑BA 2015 erkläre anwaltliche Medienarbeit ausdrücklich für zulässig. Mediale Auftritte von Rechtsanwälten im Interesse ihrer Klienten seien auch im Lichte von Art 10 EMRK und Art 13 StGG zulässig. Aus der Rechtsprechung sei nicht abzuleiten, dass es Rechtsanwälten verwehrt wäre, für Mandanten oder auch in eigener Sache in Medien aufzutreten oder Pressekonferenzen zu veranstalten.
[5] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Sie gingen davon aus, dass Medienarbeit von Rechtsanwälten nicht unzulässig sei. Die beanstandete Äußerung sei nicht als Anpreisung von rechts- oder standeswidrigen Methoden aufzufassen.
[6] Dagegen richtet sich die – vom Beklagten beantwortete – Revision des Klägers, mit der dieser die Stattgebung seiner Klage beantragt.
Rechtliche Beurteilung
[7] Die Revision ist, ungeachtet des Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts, in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen im Sinne von § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[8] 1. Die Standesauffassung der Rechtsanwälte ist in den Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs (RL‑BA) festgehalten, die als Verordnung des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (§ 37 RAO) im Sinn des Art 139 B‑VG zu werten sind und die in der Rechtsprechung bei der Beurteilung von anwaltlichen Standespflichten (RS0119852; RS0125286; 4 Ob 94/14y, schriftliche Abhandlungspflege) und auch eines behaupteten Verstoßes eines Rechtsanwalts gegen das UWG herangezogenen werden (4 Ob 43/92; 4 Ob 2276/96a; 4 Ob 189/98t; 4 Ob 233/03y; 4 Ob 232/15v, Anwaltsstreit;RS0117769; RS0107104). Nach § 17 RL‑BA 2015 darf der Rechtsanwalt nur solche Mittel anwenden, die mit Gesetz, Ehre und Ansehen des Standes vereinbar sind (vgl auch § 9 Abs 1 Satz 2 RAO).
[9] 2. Nach § 49 RL‑BA 2015 hat der Anwalt im Umgang mit Medien die Interessen seines Klienten, Ehre und Ansehen des Standes, sowie die Berufspflichten zu beachten. Im Rahmen eines Mandats veranlasste Veröffentlichungen in Medien sind mit ausdrücklicher Zustimmung des Klienten zulässig, soweit sie nach sorgfältiger Erwägung des Rechtsanwalts im Interesse des Klienten sind. Die Vorinstanzen haben aus dieser Bestimmung die Zulässigkeit von „Medienarbeit“ durch einen Rechtsanwalt abgeleitet. Dem tritt das Rechtsmittel nicht entgegen.
[10] 3. Der Kläger macht als unlauter nicht eine Bezugnahme des Beklagten auf Medienarbeit an sich, sondern nur die Werbung mit einer „schlagkräftigen medialen Durchsetzung“ geltend. Nach Ansicht des Rechtsmittels habe das Berufungsgericht diese Werbung unvertretbar als zulässig erachtet. Damit wird aber keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.
[11] Die Auslegung einer Werbeaussage hat grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und ist daher nicht erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, soweit nicht eine krasse Fehlbeurteilung vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (vgl RS0107771). Die Vorinstanzen haben sich der Rechtsansicht des Klägers, wonach durch den Hinweis auf eine schlagkräftige mediale Durchsetzung „mit Druckausübung über Medien und Ungemach durch Verunglimpfung“ geworben werde und eine schlagkräftige mediale Durchsetzung per se kreditschädigende Wirkung habe, nicht angeschlossen. Vielmehr lege die beanstandete Wortwahl nicht automatisch ehrenbeleidigende oder kreditschädigende Methoden nahe. Diese Beurteilung ist auch im Lichte des von den Vorinstanzen herangezogenen § 9 Abs 1 RAO jedenfalls vertretbar und keine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung.
[12] 5. Die angefochtene Entscheidung hält sich auch im Rahmen der Rechtsprechung, wonach über die Medien verbreitete ehrenrührige unrichtige Tatsachenbehauptungen, die ein Rechtsanwalt über einen Prozessgegner seines Mandanten aufstellt, nicht dem Rechtfertigungsgrund des § 9 RAO unterliegen (RS0114012). Das Berufungsgericht ist nicht davon ausgegangen, dass eine rechts- und standeswidrige Medienarbeit im anwaltlichen Standesrecht Deckung finden. Der Unterlassungsanspruch wurde vielmehr deshalb verneint, weil der Werbung des Beklagten derartige Methoden nicht unterstellt wurden.
[13] 6. Das Rechtsmittel bezieht sich über weite Strecken auf eine irreführende Geschäftspraktik (§ 2 Abs 1 Z 1 UWG). Im erstgerichtlichen Verfahren wurde kein Vorbringen erstattet, das eine irreführende Geschäftspraktik durch den Beklagten stützen könnte. Das entsprechende Vorbringen verstößt daher gegen das Neuerungsverbot und ist deshalb unbeachtlich. Eine erhebliche Rechtsfrage kann damit nicht aufgezeigt werden. Das trifft auch auf den Vorwurf zu, dass das Berufungsgericht von der vom Obersten Gerichtshof zu § 2 UWG entwickelten Judikatur (etwa zur Unklarheitenregelung, vgl RS0078624) abgewichen sein soll.
[14] 7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.
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