OGH 4Ob26/18d

OGH4Ob26/18d20.2.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin c***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Hadeyer, Rechtsanwalt in Linz, gegen die Antragsgegnerin R***** Ltd, *****, vertreten durch die Eiselsberg Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Löschung des österreichischen Teiles der Marke IR 203827, über die außerordentliche Revision der Antragstellerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. November 2017, GZ 133 R 47/17k‑8, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00026.18D.0220.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

1. Die Antragstellerin beantragte am 18. 5. 2012 bei der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamts gemäß § 33a MSchG die „Löschung des österreichischen Teiles der Wort‑Bild‑Marke IR 203827 compriband“, weil die Marke im relevanten Zeitraum weder von der Antragsgegnerin noch von Lizenznehmern ernsthaft benutzt worden sei. Das Berufungsgericht bestätigte im zweiten Rechtsgang die abweisende Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung.

Rechtliche Beurteilung

Die Antragstellerin zeigt in ihrer außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf.

2.  Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor.

Ein dem Berufungsgericht vorgeworfener Verfahrensverstoß bildet nur dann einen Revisionsgrund, wenn er abstrakt geeignet war, eine unrichtige Entscheidung herbeizuführen (RIS‑Justiz RS0043027). Die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels muss im Rechtsmittel konkret dargelegt werden.

Das Berufungsgericht gelangte zum Ergebnis, dass es aufgrund der von ihm ergänzend getroffenen Feststellung auf die von der Antragstellerin in der Berufung bekämpften Feststellungen der Nichtigkeitsabteilung nicht mehr ankomme. Mit dem nicht näher begründeten Argument, dass sich bei Behandlung der Beweisrüge der Umstand fehlender Benutzungshandlungen ergeben hätte, zeigt die außerordentliche Revision nicht auf, warum die vom Berufungsgericht getroffene ergänzende Feststellung zusammen mit den unbekämpft gebliebenen Feststellungen der Nichtigkeitsabteilung für eine wirtschaftlich gerechtfertigte Markenbenutzung nicht ausreicht.

3.  Von der im Rechtsmittel als erheblich bezeichneten Rechtsfrage, ob Benutzungshandlungen nach Erschöpfung des Markenrechts noch dem Markeninhaber zuzurechnen sind, hängt die Entscheidung nicht ab.

3.1  Nach der vom OGH übernommenen Rechtsprechung des EuGH wird eine Marke ernsthaft benutzt, wenn die Benutzung nicht symbolisch allein zum Zweck der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte erfolgt. Es muss sich um eine tatsächliche Benutzung handeln, die der Hauptfunktion der Marke entspricht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität einer Ware oder Dienstleistung, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren, indem ihm ermöglicht wird, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden. Die Benutzung der Marke muss darüber hinaus auf dem Markt der durch sie geschützten Waren oder Dienstleistungen und nicht nur innerhalb des betreffenden Unternehmens erfolgen, ist doch der geschäftliche Sinn und Zweck der Marke, dass für Waren und Dienstleistungen, die mit dem die Marke bildenden Zeichen versehen sind, gegenüber Waren oder Dienstleistungen anderer Unternehmen ein Absatzmarkt erschlossen oder gesichert wird (17 Ob 26/09m, Oscar II, mwN).

3.2  Auch die gebrauchserhaltende ernsthafte Benutzung einer Marke muss kennzeichenmäßig erfolgen. Dies ist dann der Fall, wenn im geschäftlichen Verkehr eine wörtliche oder bildliche Bezeichnung zur Kennzeichnung einer Ware oder Dienstleistung oder in Beziehung auf sie so gebraucht wird, dass der unbefangene Durchschnittsabnehmer annehmen kann, das Zeichen diene der Unterscheidung der so gekennzeichneten Ware oder Dienstleistungen von gleichen oder gleichartigen Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft (vgl RIS-Justiz RS0066671 [T6]). Als Maßstab wird vom durchschnittlich informierten aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren- oder Dienstleistungsart ausgegangen (RIS-Justiz RS0066671 [T10]).

3.3  Die Frage, ob die Benutzung ernsthaft ist, ist anhand sämtlicher Umstände zu prüfen, die belegen können, dass die Marke tatsächlich geschäftlich verwertet wird; dazu gehören insbesondere Verwendungen, die im betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen werden, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder zu gewinnen, die Art dieser Waren oder Dienstleistungen, die Merkmale des Marktes sowie der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung der Marke (17 Ob 11/08d = RIS-Justiz RS0123519; 17 Ob 26/09m). Es gibt kein Mindestmaß einer Benutzung; selbst eine geringfügige, aber wirtschaftlich tatsächlich gerechtfertigte Benutzung kann ausreichen, um die Ernsthaftigkeit zu belegen (17 Ob 26/09m, Oscar II, unter Hinweis auf EuGH C-416/04 P , Vitafruit ). Benutzungshandlungen von Lizenznehmern mit Fremdbenutzungswillen sind der Markeninhaberin zuzurechnen (4 Ob 325/99v = RIS-Justiz RS0113085 [T1]; 17 Ob 26/09m, Oscar II).

3.4  Von diesen Grundsätzen höchstgerichtlicher Rechtsprechung ist das Berufungsgericht nicht abgewichen. Es hat einen für den Rechtserhalt ausreichenden Markengebrauch nicht aufgrund von Benutzungshandlungen der I***** GmbH oder inländischer Fertigteilhaus-Unternehmen als deren Endkunden (also einem Weitervertrieb im Inland auf nachfolgenden Handelsstufen), sondern aufgrund der Verkäufe der in Deutschland hergestellten und durch die Marke geschützten Fugendichtbänder durch die mit der Antragsgegnerin konzernmäßig verflochtene T***** GmbH an ihre österreichische Abnehmerin I***** GmbH mit einem Auftragsvolumen von über 120.000 EUR im relevanten Zeitraum bejaht.

Dass diese Nutzungshandlungen (durch die die Waren dem inländischen Markt für Fugendichtbänder zugeführt wurden) mit Zustimmung der Antragsgegnerin erfolgt sind, hat die Antragstellerin nicht in Zweifel gezogen. Diese Handlungen liegen aber noch vor Erschöpfung des Markenrechts, weil ein die Erschöpfung bedingendes erstmaliges Inverkehrbringen der betreffenden Waren voraussetzt, dass die Verfügungsmacht darüber willentlich einem wirtschaftlich unabhängigen Dritten übertragen worden ist (vgl 4 Ob 210/03s, Gmunder Keramik; RIS-Justiz RS0118281).

Die vom Berufungsgericht nach mündlicher Berufungsverhandlung konkretisierte Feststellung, wonach ab dem Zeitpunkt, zu dem die T***** GmbH die an die I***** GmbH gelieferten Kartons mit dem Markenzeichen beklebt hat, die Kartons unverändert an Kunden weitergegeben wurden, betrifft vor allem das quantitative Element des Markengebrauchs. Für die Zurechnung der Markenbenutzung an die Antragsgegnerin ist aber wesentlich, dass die T***** GmbH die Marke als Kennzeichen für den Absatz der Fugendichtbänder auf dem relevanten inländischen Markt (hier mit Lieferung der Fugendichtbänder an die I***** GmbH) verwendet hat.

4.  Die Beurteilung, ob ein angemessener Gebrauch iSd § 33a MSchG vorliegt, hängt typisch von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (4 Ob 91/00m). Bei der Prüfung sind neben Umfang, Häufigkeit und Dauer der Markenbenutzung auch die wirtschaftliche Potenz des Markeninhabers, die Besonderheiten der Branche und des inländischen Markts, die Art der Ware und die lokalen Verhältnisse sowie das Interesse des Markeninhabers an der Aufrechterhaltung seiner Marke gegenüber dem Zweck des Gebrauchszwangs zu berücksichtigen (vgl RIS‑Justiz RS0123519; RS0066797).

Dass das Berufungsgericht seinen Entscheidungsspielraum überschritten hätte, vermag die Antragstellerin in der außerordentlichen Revision nicht darzulegen. Dies gilt für den Hinweis, dass die I***** GmbH die Fugenbänder zuerst als „weiße Ware“ an die Fertigteilhaus‑Branche geliefert habe. Die Antragstellerin führt dazu nur aus, dass „daher“ eine ernsthafte Benutzungshandlung nicht angenommen werden könne. Diese Schlussfolgerung ist aber keineswegs zwingend, weil eine günstige Marktbeeinflussung auch durch die Festigung oder Stärkung des Marktes möglich ist.

5.  Ein Beweismittelzwang oder feste, sich etwa auf den Beweiswert beziehende Beweisregeln sind der österreichischen Zivilverfahrensrechtsordnung fremd. Eine Zeugenaussage kann auch nicht mit einer eidesstattlichen Erklärung gleichgesetzt werden. In Verfahren nach der ZPO gilt der Unmittelbarkeitsgrundsatz. Aus diesem Grund sind schriftliche Aussagen von Zeugen und Parteien, deren persönliche Vernehmung möglich ist, im Allgemeinen nicht vorgesehen (vgl RIS‑Justiz RS0040532 [T3]).

Die Antragstellerin kann auch die Entscheidung des Europäischen Gerichts (erster Instanz) zu T‑278/12, Inter‑Union Technohandel , die zum Beweiswert einer eidesstattlichen Erklärung eines leitenden Mitarbeiters einer Markeninhaberin Stellung nimmt, nicht für sich ins Treffen führen. Die Ausführungen in Rn 51 dieser Entscheidung beziehen sich auf Art 78 Abs 1 lit f der Verordnung 207/2009/EG (schriftliche Erklärungen, die unter Eid oder an Eides statt abgegeben werden oder nach den Rechtsvorschriften des Staates, indem sie abgegeben werden, eine ähnliche Wirkung haben). Die Vernehmung von Beteiligten (lit a) und von Zeugen (lit d) ist in dieser Bestimmung gesondert als zulässiges Beweismittel vorgesehen.

Die ebenfalls zitierte Entscheidung des Europäischen Gerichts zu T‑86/07, Deichmann , spricht im vorliegenden Zusammenhang in Rn 49 lediglich aus, dass eidesstattliche Versicherungen zulässige Beweismittel für die Benützung einer Marke sind (vgl auch EuG zu T‑278/12 Rn 49).

6.  Der Hinweis in der außerordentlichen Revision auf angebliche Erinnerungslücken des einvernommenen Zeugen betrifft die Beweiswürdigung, die im Revisionsverfahren nicht mehr angefochten werden kann (RIS‑Justiz RS0043371).

7.  Insgesamt gelingt es der Antragstellerin nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Anregung zur Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs war nicht aufzugreifen, weil es auf die dazu angestellten Überlegungen der Antragstellerin nicht ankommt. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

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