OGH 4Ob197/13v

OGH4Ob197/13v17.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** Fund, *****, vertreten durch Broich Partnerschaft von Rechtsanwälten in Wien, wider die beklagte Partei Dipl.‑Dolm. Dr. F***** K*****, vertreten durch Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1.429.520,48 EUR sA und Feststellung (Streitwert 100.000 EUR), infolge Revisionen der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Juli 2013, GZ 2 R 81/13s‑36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 1. Februar 2013, GZ 16 Cg 120/11p‑32, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.216,50 EUR (darin 702,75 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

II. Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung, die in ihrem abweisenden Teil zufolge Zurückweisung der Revision der klagenden Partei unberührt bleibt, wird im Übrigen dahin abgeändert, dass das Klagebegehren insgesamt abgewiesen und damit das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 16.187,40 EUR (darin 1.400,90 EUR USt und 7.782 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war Vorsitzender eines Schiedsgerichts in einem vom Kläger als Schiedskläger geführten Schiedsverfahren. Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 21. 4. 2011, 17 Nc 10/10h, wurde der Beklagte für befangen erklärt; in diesem Zeitpunkt war noch kein Schiedsspruch gefällt und das Schiedsverfahren noch nicht beendet.

Mit Klage vom 16. 9. 2011 begehrte der Kläger 1.429.520,48 EUR sA an Schadenersatz und die Feststellung, der Beklagte sei dem Kläger dem Grunde nach zum Ersatz sämtlicher Schäden verpflichtet, die ihm aufgrund seines rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens als Schiedsrichter und Vorsitzender des Schiedsgerichts im näher bezeichneten Schiedsverfahren entstehen. Das Leistungsbegehren schlüsselte er auf wie folgt: Kosten der anwaltlichen Vertretung 582.751,50 EUR, Kostenvorschüsse 120.000 EUR, Honorar der anderen Schiedsrichter 225.000 EUR, Kosten der selbst beigezogenen Experten 351.768,96 EUR, dem Beklagten bereits ausgezahltes Schiedsrichter(‑teil-)honorar 150.000 EUR.

Der Beklagte habe seine Pflichten als unparteilicher Schiedsrichter grob schuldhaft verletzt und sei deshalb mittels Gerichtsbeschluss für befangen erklärt worden. Er habe im Sinne seiner bereits vor Beginn des Beweisverfahrens gefassten Meinung die Auswahl des im Schiedsverfahren letztlich beigezogenen Sachverständigen beeinflusst und so eine Auswahl anhand der fachlichen Qualifikation der Kandidaten verhindert und er habe die Offenlegung seiner dadurch verwirklichten Befangenheit verhindert, nämlich insbesondere durch Manipulation von E‑Mail-Korrespondenz gegenüber den anderen Schiedsrichtern, durch Manipulation der Entscheidungsgrundlagen der anderen Schiedsrichter, durch mangelhafte Information oder Verschweigen von Tatsachen und durch die Verweigerung der Akteneinsicht gegenüber dem Kläger. Aufgrund dieses Verhaltens des Beklagten verstoße das bisherige Schiedsverfahren gegen die Mindestvoraussetzungen des ordre public und die Beschlüsse des Schiedsgerichts gründeten sich auf eine unvollständige, teilweise auch bewusst manipulierte Aktenlage. Der Beklagte hafte deshalb für den durch sein Verhalten eingetretenen Schaden, zumal die vereinbarte Haftungsbeschränkung mangels ergangenen Schiedsspruchs nicht anwendbar und überdies sittenwidrig sei. Auch habe er keinen Honoraranspruch und sei verpflichtet, die Honorarvorauszahlung von 150.000 EUR zurückzuzahlen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Schiedsgericht habe den bestellten Sachverständigen nicht beeinflusst, er habe das Schiedsverfahren unparteilich geführt. Der Kläger verfüge über einen vollständigen Schiedsakt; dadurch, dass dem Kläger einzelne E-Mails nicht übermittelt worden seien, sei ihm die Akteneinsicht nicht verweigert worden. Dass der Beklagte als befangen abgelehnt worden sei, bedeute noch nicht, dass das bis dahin durchgeführte Schiedsverfahren ganz oder teilweise wiederholt werden müsse; eine Entscheidung des neu zusammengesetzten Schiedsgerichts darüber sei noch nicht getroffen worden. Das Schadenersatzbegehren sei schon in Ansehung der Kausalität unschlüssig. Die Haftung des Beklagten sei aufgrund des vereinbarten Haftungsausschlusses einerseits betraglich auf das Schiedsrichterhonorar, andererseits auf Vorsatz und krass grobe Fahrlässigkeit eingeschränkt; beides liege nicht vor. Das erhaltene Teilhonorar von 150.000 EUR sei angesichts des vereinbarten Gesamthonorars von 600.000 EUR für die vom Beklagten erbrachten Leistungen angemessen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte zur Honorarrückzahlung aus, der Schiedsrichtervertrag sei Werkvertrag mit Geschäftsbesorgungselementen. Für eine Minderung des ausbezahlten Honorars bestehe keine Grundlage. Die Vorsitzführung des Beklagten habe bis zu den vorbereitenden Tätigkeiten zur Erlassung des Schiedsspruchs angedauert und daher beginnend mit der Einleitung des Verfahrens dessen gesamte Aufbereitung, die Einarbeitung in die Materie, das Studium der von den Parteien eingebrachten Schriftsätze und Unterlagen, die Ausarbeitung von Fragen an zu bestellende Sachverständige, deren Auswahl und Bestellung, die Gutachtenseinholung, die Vorbereitung und Abhaltung der mündlichen Verhandlung sowie zuletzt die Vorbereitung der Fassung des Schiedsspruchs umfasst. Diese Tätigkeiten rechtfertigten ‑ unabhängig von den zur Abberufung führenden Umständen ‑ die Auszahlung der Hälfte des dem Beklagten vertraglich zustehenden Honorars, das Rückzahlungsbegehren gehe somit fehl. Die Schadenersatzansprüche scheiterten am vereinbarten Haftungsausschluss, der die Haftung des Beklagten zulässig auf krass grobe Fahrlässigkeit beschränke. Eine solche liege nicht vor, weil der Beklagte den Mit-Schiedsrichtern seine Korrespondenz samt ergänzender Fragestellung an den später bestellten Sachverständigen offen gelegt und den Parteien zwar nicht den ersten Kurzbericht des Kandidaten, wohl aber dessen wesentlichen Inhalt samt einer weiteren, vor Bestellung zum Sachverständigen abgegebenen inhaltlichen Meinungsäußerung zugänglich gemacht habe, aus der bereits unschwer auf dessen erste fachliche Meinung habe geschlossen werden können. So wäre der Beklagte gerade nicht vorgegangen, wenn er (nach dem Prozessstandpunkt der Klägerin) eine Abklärung des Ergebnisses der Begutachtung vor eigentlicher Bestellung des Gutachters mit dem Zweck angestrebt hätte, seiner vorgefassten Meinung zum Durchbruch zu verhelfen. Es sei nicht an sich rechtswidrig, die Expertise eines zu bestellenden Sachverständigen abzuklären, wobei außerdem die Komplexität und die nur knapp verfügbare Verfahrensdauer („fast track“-Verfahren binnen sechs Monaten) zu berücksichtigen sei. Der Beklagte stehe auf dem zutreffenden Standpunkt, dass ein Sachverständiger nach Abgabe von gutachterlichen Äußerungen dann nicht befangen sei, wenn er offen für eine Änderung seiner Erkenntnisse sei. Folgerichtig sei auch die Erörterung inhaltlicher Fragen zwischen Gericht und Kandidaten vor der Bestellung eines Sachverständigen nicht grundsätzlich verboten. Gegen das Vorliegen krass grober Fahrlässigkeit beim Beklagten spreche auch, dass allen Mitgliedern des Schiedsgerichts sowohl die Limitierungen des später bestellten Sachverständigen als auch seine vor Bestellung zum Gutachter abgegebenen fachlichen Äußerungen bekannt gewesen seien und sich das Schiedsgericht im Wissen um all das zu einer Begutachtung durch einen ersten Sachverständigen und einer Überbegutachtung durch den später bestellten weiteren Sachverständigen entschlossen habe. Auch in Hinblick auf die Möglichkeit, im Rahmen einer mündlichen Verhandlung dessen gutachterliche Aussagen zu hinterfragen, sei krass grob fahrlässiges Verhalten des Beklagten nicht erkennbar. Letztlich seien die auf den Kläger und seine Rechtsvertretung gemünzten negativen Äußerungen des Beklagten im Gesamtkontext, insbesondere vor dem Hintergrund des informellen Stils der Kommunikation zwischen dem Beklagten und dem Kandidaten, zu bewerten; sie gereichten dem Beklagten zwar nicht zur Ehre, begründeten allerdings auch nicht den Vorwurf krass groben Verschuldens. Das Feststellungsbegehren sei zu unbestimmt gefasst.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es dem Begehren auf Rückzahlung von 150.000 EUR Honorarvorschuss samt Zinsen stattgab; im Übrigen bestätigte es die abweisende Entscheidung. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels Rechtsprechung zum Honoraranspruch eines infolge Befangenheit abberufenen Schiedsrichters zulässig sei.

Die Entscheidung im Ablehnungsverfahren des Handelsgerichts Wien entfalte Bindungswirkung nur insoweit, als dadurch feststehe, dass berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Beklagten vorlägen; die darüber hinausgehende eigenständige Würdigung der subjektiven Einstellung des Beklagten im Schiedsverfahren durch das Erstgericht verstoße nicht gegen § 411 ZPO.

An der Verfahrensdurchführung allein ohne letztliche Streitbeilegung hätten Parteien in aller Regel kein Interesse. Der erfolgreich abgelehnte Beklagte sei nicht mehr imstande, das von ihm geschuldete Ergebnis ‑ einen Schiedsspruch ‑ zu liefern. Die dazu führenden Umstände, nämlich die Art seiner Verfahrensführung, lägen allein in seiner Sphäre, sodass ihm § 1168 Abs 1 ABGB nicht zugute komme. Somit bestehe keine Rechtsgrundlage für einen auch nur anteiligen Werklohnanspruch. Der diesbezügliche Rückforderungsanspruch von 150.000 EUR sA betreffend zu Unrecht bezogenes Schiedsrichterhonorar sei damit berechtigt.

Anderes gelte für den Schadenersatzanspruch. Der Kläger unterstelle unzutreffend, dass das Schiedsverfahren gänzlich gescheitert und der gesamte Aufwand hiefür frustriert sei. Diese Konsequenz trete aber keineswegs ein, wenn nur einer von mehreren Schiedsrichter auszutauschen und das Verfahren in anderer Besetzung weiterzuführen sei. Welcher dadurch allenfalls verursachte Mehraufwand entstanden sei, sei dem Klagsvorbringen nicht ausreichend konkret zu entnehmen. Unzutreffend sei die Auffassung, das vereinbarte Haftungsprivileg komme nur für den Schiedsspruch selbst zum Tragen und gelte nicht für die beanstandete Verfahrensführung des Beklagten. Aus einem Größenschluss ergebe sich vielmehr eine Haftungseinschränkung auch hinsichtlich des zum Schiedsspruch führenden Verfahrens: Redlichen Parteien könne nach den Auslegungskriterien des § 914 ABGB nicht die Absicht unterstellt werden, ein Haftungsprivileg zwar für das „Endprodukt“ Schiedsspruch vorzusehen, die daraus resultierende Gewähr des Schiedsrichters, sein Amt in aller Regel ohne Gefahr einer eigenen Vermögensbeeinträchtigung ausführen zu können, aber tiefgreifend dadurch zu unterlaufen, dass jegliches Fehlverhalten bei den Ausführungshandlungen letztlich doch wieder unabsehbare Schadenersatzverbindlichkeiten nach sich ziehen könne. Eine Haftung des Beklagten komme daher nur dann in Betracht, wenn ihm vorzuwerfen sei, seine Befangenheit krass grob fahrlässig herbeigeführt zu haben. Solches habe das Erstgericht hinsichtlich der Sachverständigenkontakte vor Bestellung mit zutreffender Begründung verneint. Auf die als bewusste Verschleierungsmaßnahmen beanstandeten späteren Aspekte (verändertes E-Mail; unzureichende Akteneinsicht) komme es mangels Kausalität aber gar nicht mehr an, habe doch der Beklagte durch seine „ungeschickte“, jedoch noch nicht qualifiziert fahrlässige Vorgehensweise seine (objektive) Befangenheit schon zuvor herbeigeführt. Nachträgliches Verhalten mit dem Ziel, dass diese Umstände unentdeckt blieben, änderten nichts mehr an einer schon verwirklichten Befangenheit. Einen allein durch die behaupteten Verschleierungsmaßnahmen verursachten Schaden habe die Klägerin nicht konkretisiert.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist unzulässig; die Revision des Beklagten ist zulässig und berechtigt.

I. Zur Revision der Klägerin

1. Die Revision der Klägerin nimmt nicht zu jener Rechtsfrage Stellung, zu der das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, sondern enthält umfangreiche Ausführungen zu behaupteten Verfahrensmängeln im Schiedsverfahren, die der Beklagte krass grob fahrlässig verschuldet habe und die seine Befangenheit begründeten. Beide Themenkomplexe hängen ‑ wie nachfolgend ausgeführt ‑ nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen ab, weshalb die Revision trotz Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen ist (vgl RIS‑Justiz RS0102059, RS0048272).

2. Einer neuerlichen Überprüfung der Befangenheit des Beklagten im vorliegenden Verfahren steht die Bindungswirkung der Entscheidung im Vorverfahren 17 Nc 10/10h des Handelsgerichts Wien entgegen. Ob der Klägerin aus der Befangenheit des Beklagten ein Schaden entstanden ist, und ob der Beklagte schuldhaft gehandelt hat, ist hingegen im Schadenersatzprozess selbständig zu beurteilen (vgl 1 Ob 3/92 zum Anspruch aus Amtshaftung auf Kostenersatz eines nach Befangenheit eines Richters für nichtig erklärten Verfahrens). Als Schaden kommen in diesem Zusammenhang vor allem durch die Befangenheit entstandene Mehrkosten und frustrierte Aufwendungen in Betracht (vgl RIS‑Justiz RS0038794, RS0124312; 1 Ob 3/92; 6 Ob 238/12m).

3. Die Klägerin macht frustrierte Aufwendungen betreffend nicht verwertbare Teile des Schiedsverfahrens geltend. Nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen steht nicht fest, dass irgendein Verfahrensaufwand des bisherigen schiedsgerichtlichen Verfahrens frustriert wäre. Solange aber nicht feststeht, dass überhaupt ein Schaden eingetreten ist oder eintreten wird, fehlen auch die Voraussetzungen für eine Feststellung der Ersatzpflicht (vgl RIS-Justiz RS0038944 [T8]).

4. Soweit die Klägerin den Ersatz der Kosten des Ablehnungverfahrens als zusätzliche Mehrkosten begehrt, die durch die vom Beklagten selbst herbeigeführte Befangenheit verursacht seien, macht sie einen nach allgemeinen Grundsätzen ersatzfähigen Schaden geltend. Insoweit stellen sich demnach zwar die in der Revision aufgeworfenen Fragen nach dem Umfang des vereinbarten Haftungsausschlusses und dem Verschulden des Beklagten an der eigenen Befangenheit. Beide Fragen sind allerdings nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen; eine grobe, in dritter Instanz korrekturbedürftige Fehlbeurteilung ist dem Berufungsgericht insoweit nicht unterlaufen.

5. Die vertragliche Haftung eines Schiedsrichters setzt voraus, dass sie auf eine erfolgreiche Anfechtung des Schiedsspruchs gestützt werden kann. Weist ein Schiedsspruch einen Fehler auf, der nicht zu seiner erfolgreichen Anfechtung führt, haften die Schiedsrichter für einen solchen Fehler nicht. Zum Verfahrensverstoß muss also auch noch die Aufhebung des Schiedsspruchs hinzukommen, damit ein Schiedsrichter zur Haftung herangezogen werden kann (9 Ob 126/04a; 8 Ob 4/08h; vgl auch Hausmaninger in Fasching/Konecny ² § 594 ZPO Rz 122 mwN).

6. Ob diese Rechtsprechung auch im hier gegebenen Fall gilt, dass ein Schiedsrichter wegen Befangenheit noch vor Fällung des Schiedsspruchs aus dem Schiedsgericht ausscheidet, muss nicht näher geprüft werden: Dass der Beklagte nach der Vertragslage nur im Fall von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit haftet, stellt das Rechtsmittel der Klägerin nicht in Frage; entgegen der dort vertretenen Auffassung haben die Vorinstanzen allerdings grobes Verschulden des Beklagten an seiner Befangenheit in vertretbarer Weise verneint.

7. Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn eine außergewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht vorliegt und der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich voraussehbar ist (RIS-Justiz RS0030644, RS0038120).

8. Grobes Verschulden läge vor, wenn die Verfahrensführung durch den Beklagten im Schiedsverfahren in derart krassem Widerspruch zur dort geltenden Verfahrensordnung gestanden wäre, dass sie für einen typischen Schiedsrichter (§ 1299 ABGB) eine auffallende Vernachlässigung seiner Pflichten wäre, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Abberufung wegen Befangenheit führt.

9. Die Beurteilung der Vorinstanzen, der Beklagte habe seine Funktion als Vorsitzender des Schiedsgerichts zwar ungeschickt ausgeübt, er sei jedoch nicht parteilich eingestellt gewesen und habe weder durch seine ‑ der Bestellung des Sachverständigen vorausgehenden ‑ Besprechungen mit der als Sachverständiger in Aussicht genommenen Person noch durch das Unterlassen einer (unverzüglichen oder gänzlichen) Weiterleitung von Dokumenten an die Parteien qualifiziert (krass grob) fahrlässig gehandelt und dadurch seine Abberufung verursacht, ist nach den Umständen des Einzelfalls vertretbar. Die Beurteilung des Verschuldensgrades ist im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0030644 [T47]).

10. Die Revision der Klägerin ist daher mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

11. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Da der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente sein Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

II. Zur Revision des Beklagten

12. Bei nicht institutionellen Schiedsgerichten kommt ‑ allenfalls konkludent ‑ ein Schiedsrichtervertrag zwischen (allen) Schiedsrichtern und (allen) Parteien des Schiedsverfahrens zustande. Dabei handelt es sich um einen Werkvertrag mit Elementen der Geschäftsbesorgung, der, soweit dem nicht seine Eigenart entgegensteht oder die Zivilprozessordnung abweichende Regelungen enthält, nach den Regeln der §§ 1165 ff, 1002 ff ABGB zu beurteilen ist. Hauptpflichten dieses Vertrags sind die Durchführung des Schiedsverfahrens und ‑ bei im Zweifel anzunehmender Entgeltlichkeit ‑ die Zahlung des Honorars (4 Ob 30/12h mwN).

13.1. Der Honoraranspruch eines Schiedsrichters beruht primär auf privatrechtlicher Vereinbarung im Schiedsrichtervertrag; mangels vertraglicher Vereinbarung gilt gemäß § 1152 ABGB ein angemessenes Entgelt als bedungen ( Hausmaninger in Fasching/Konecny ² IV/2 § 587 ZPO Rz 214 mwN).

13.2. Der Honoraranspruch entsteht im vertraglich festgesetzten Zeitpunkt, im Zweifel zufolge § 1170 ABGB mit der Beendigung des Schiedsverfahrens; er wird auch in diesem Zeitpunkt fällig ( Hausmaninger in Fasching/Konecny ² IV/2 § 587 ZPO Rz 220 mwN).

13.3. Die Vergütung wird auch geschuldet, wenn sich nach Beginn des Schiedsverfahrens die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung oder irgendwelche Mängel des Schiedsverfahrens herausstellen sollten ( Hausmaninger in Fasching/Konecny ² IV/2 § 587 ZPO Rz 220 mwN). Der Vergütungsanspruch entfällt daher nicht etwa wegen irgendwelcher Mängel des Schiedsverfahrens. Ob der Schiedsspruch oder Schiedsvergleich materiell rechtsbeständig ist, ob ihnen die Vollstreckbarkeitserklärung versagt ist oder ob der Schiedsspruch auf Antrag hin aufgehoben wird, ist für den Vergütungsanspruch belanglos ( Schwab/Walter , Schiedsgerichtsbarkeit 7 Kap 12 Rz 15 unter Hinweis auf Rsp des BGH und dt. Schrifttum).

14.1. Die erfolgreiche Ablehnung eines Schiedsrichters gemäß § 589 ZPO führt zum Erlöschen des Schiedsrichtervertrags ( Hausmaninger in Fasching/Konecny ² IV/2 § 587 ZPO Rz 241 mwN).

14.2. Die für begründet erklärte Ablehnung eines Schiedsrichters wirkt nur für die Zukunft. Die vor Geltendmachung der Ablehnung vorgenommenen Amtshandlungen des abgelehnten Schiedsrichters sind und bleiben wirksam ( Hausmaninger in Fasching/Konecny ² IV/2 § 588 ZPO Rz 146 mwN; Schwab/Walter , Schiedsgerichtsbarkeit 7 Kap 14 Rz 3).

15.1. Das rechtliche Schicksal des Honoraranspruchs eines vor Beendigung des Schiedsverfahrens erfolgreich abgelehnten Schiedsrichters haben die Parteien im Schiedsrichtervertrag nicht geregelt, ist dort doch nur ein „Gesamthonorar“ der Schiedsrichter bestimmt, dessen Höhe davon abhängt, ob ein endgültiger und rechtsverbindlicher Schiedsspruch in der Sache ergeht oder nicht; in letzterem Fall gebührt nur das halbe Honorar (Beil ./A5 Punkt III.2 und III.3).

15.2. Auch im österreichischen Recht, dessen zwingende Bestimmungen die Parteien des Schiedsrichtervertrags als maßgebliche Verfahrensregeln bestimmt haben (vgl Beil ./A4 Punkt V.2.2), ist das rechtliche Schicksal des Honoraranspruchs für den hier in Ansehung des Beklagten eingetretenen Fall des vorzeitigen Erlöschens des Schiedsrichtervertrags nicht geregelt.

15.3. Hier haben die Parteien des Schiedsrichtervertrags eine Vergütung der Schiedsrichter nur für die Gesamtleistung vereinbart; damit fehlt eine Regelung für den Fall der vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses in Ansehung eines Schiedsrichters. Diese ‑ auch durch dispositives gesatztes Recht nicht ausfüllbare ‑ Vertragslücke ist daher im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu füllen.

16.1. Treten nach Abschluss eines Geschäfts Konfliktfälle auf, die von den Parteien nicht bedacht und daher auch nicht ausdrücklich geregelt wurden, so ist unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen und des von den Parteien verfolgten Zwecks zu fragen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten (4 Ob 28/09k; RIS‑Justiz RS0017758, RS0017899). Die Lücke ist daher durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen (RIS‑Justiz RS0017829).

16.2. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ‑ wie zuvor aufgezeigt ‑ der Vergütungsanspruch des Schiedsrichters weder wegen irgendwelcher Mängel des Schiedsverfahrens entfällt noch davon abhängig ist, ob der Schiedsspruch materiell rechtsbeständig ist oder auf Antrag hin aufgehoben wird.

16.3. Im Lichte dieser Rechtslage ist daher redlichen und vernünftigen Parteien, die eine Vergütung der Schiedsrichter für deren Gesamtleistung vereinbart haben, die Vereinbarung zu unterstellen, bei Bedachtnahme auf den Fall vorzeitiger Beendigung des Vertragsverhältnisses das Entgelt nicht gänzlich entfallen zu lassen, sondern auf einen der bisherigen Leistung entsprechenden Anteil zu kürzen (der notfalls nach § 273 ZPO der Schätzung unterliegt).

16.4. Dass die vom Beklagten bis zu seinem Ausscheiden als Schiedsrichter erbrachten Leistungen wertlos gewesen wären, ist nach dem festgestellten Sachverhalt, der allein auf den Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz (8. 10. 2012) abzustellen hat, nicht erwiesen. In diesem Zeitpunkt war bereits der (Zwischen-)Schiedsspruch vom 3. 2. 2012 gefällt, in dem das (seit 15. 9. 2011 mit einem neuen Vorsitzenden wieder vollständig besetzte) Schiedsgericht den Antrag der Klägerin auf Beendigung des Schiedsverfahrens abgelehnt und seine Zuständigkeit bestätigt hat; auch eine Neudurchführung des gesamten Schiedsverfahrens oder von Teilen davon hat das Schiedsgericht in seiner neuen Zusammensetzung bis dahin nicht beschlossen (zur Berechtigung dazu siehe Hausmaninger in Fasching/Konecny ² IV/2 § 591 ZPO Rz 29 mwN; Rechberger/Melis in Rechberger , ZPO³ § 591 Rz 2). Damit kann mangels Relevanz hier dahingestellt bleiben, ob die zuvor entwickelte ergänzende Vertragsauslegung auch für den hier nicht gegebenen (Spezial-)Fall der (gänzlichen oder teilweisen) Wertlosigkeit der Tätigkeit des ausgeschiedenen Schiedsrichters zu gelten hat.

16.5. Dass die Leistungen des Beklagten im Schiedsgerichtsverfahren bis zu seinem Ausscheiden aus dem Schiedsgericht wertlos gewesen wären, hat die Klägerin im Übrigen vor Überweisung des (nunmehr strittigen) Teilhonorars vom Treuhandkonto an den Beklagten nicht behauptet. Sie hat gegen die vom Schiedsgericht am 27. 5. 2010 vorgeschlagene Vorschusszahlung auf das Honorar in Höhe von 50 % (Beil ./A11) zwar am 28. 5. 2010 Einspruch erhoben (Beil ./A12), diesen aber allein mit der „noch offenen Ablehnung des Schiedsrichters“ [damit gemeint: der Beklagte] begründet. In der Folge hat das Schiedsgericht diese als ausständig beanstandete Zwischenentscheidung mit Beschluss vom 18. 6. 2010 (abweislich) erledigt, sodass dieser Einwand der am selben Tag beschlossenen Überweisung des Honorarvorschusses an die Schiedsrichter (Beil ./A13) nicht mehr entgegengehalten werden kann. Auch war der Beklagte nach den vom Erstgericht getroffenen und vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen nicht parteilich eingestellt (Ersturteil S 43 erster Absatz; Berufungsurteil S 12 letzter Satz).

17. Die von der Klägerin in der Revisionsbeantwortung zitierte Entscheidung 6 Ob 207/06v (= RIS-Justiz RS0021668 [T3]) ist nicht einschlägig. Sie behandelt den ‑ hier nicht gegebenen ‑ Fall eines Schiedsrichters, bei dem Befangenheitsgründe schon vor seiner Bestellung vorlagen und der die Parteien des Schiedsverfahrens bzw das Schiedsgericht vor seiner Bestellung nicht über eine Befangenheit informiert und damit seine „Warnpflicht“ verletzt hat, was ihm seinen Anspruch auf ein Schiedsrichterhonorar nimmt.

18. Der Revision des Beklagten ist Folge zu geben und das abweisliche Ersturteil auch in Ansehung des Honorarvorschusses von 150.000 EUR sA wiederherzustellen.

19. Die Kostenentscheidung ist in den § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO begründet.

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