Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 2.485,80 EUR (darin 414,30 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 4.126,02 EUR (darin 298,17 EUR Umsatzsteuer und 2.337 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Ehe der Parteien, der vier Kinder entstammen, wurde am 30. September 2005 aus dem Alleinverschulden des Oppositionsklägers geschieden. Mit dem am 19. Juli 2006 geschlossenen prätorischen Vergleich hatte der Kläger sich zur Leistung eines monatlichen Unterhalts von 1.358,80 EUR an die Beklagte verpflichtet, danach aber keine Zahlungen geleistet. Zur Hereinbringung des Unterhaltsrückstands und des laufenden Unterhalts wurde der Beklagten am 18. September 2006 die Forderungs- und Fahrnisexekution bewilligt. Mit seiner am 2. Oktober 2006 beim Erstgericht eingelangten Oppositionsklage beantragte der Kläger die Feststellung des Ruhens seiner Unterhaltsverpflichtung mit der Begründung, die Frau lebe „seit längerer Zeit" in einer Lebensgemeinschaft. Dies gehe u.a. aus der Anmeldung eines Hauptwohnsitzes durch den Lebensgefährten der Beklagten an ihrer Adresse hervor. In der letzten Tagsatzung ergänzte der Oppositionskläger sein Vorbringen dahin, dass sich die Lebensgemeinschaft der Frau erst durch eine (nach der Klageerhebung erfolgte) Observierung „erhärtet" hätte.
Die Beklagte bestritt eine Lebensgemeinschaft. Sie habe nur eine nähere Bekanntschaft mit einem anderen Mann, mit dem sie sich gut verstehe. Dieser sei in ihrer Wohnung nur als Untermieter eingezogen. Im Übrigen stütze sich die Oppositionsklage nicht auf Tatsachen, die nach Schaffung des Exekutionstitels entstanden seien. Das Erstgericht wies die Oppositionsklage ab, weil die Lebensgemeinschaft der Beklagten schon vor Abschluss des Unterhaltsvergleichs bestanden habe. Von seinen Feststellungen ist zusammengefasst Folgendes hervorzuheben:
Zwischen der Beklagten und Ralph Z***** sei seit Mai 2005 eine freundschaftliche Beziehung entstanden, weil beide damals „in Scheidung lebten". Im Juli 2005 hätten sie einen gemeinsamen Urlaub mit dem Sohn der Beklagten verbracht. Seit September 2005 sei eine nach wie vor andauernde sexuelle Beziehung aufgenommen worden. Im Februar 2006 sei der Freund endgültig und mit Hauptwohnsitzmeldung in die Wohnung der Beklagten gezogen. Er habe monatlich 350 EUR als Beitrag für die Wohnungskosten bezahlt. Die Einkäufe würden gemeinsam gemacht, aber getrennt verrechnet werden. Auch die zwei jüngsten Kinder des Freundes der Beklagten seien in die Wohnung der Beklagten gezogen, die die Kinder versorgt habe. Im August 2006 sei der Partner der Beklagten aus der Wohnung wieder ausgezogen, weil der Kläger seine Unterhaltszahlungen eingestellt hatte. Die Beklagte und ihr Freund sähen aber „einander weiterhin täglich". Er übernachte immer wieder in der Wohnung der Beklagten und halte sich dort auch tagsüber auf. Die Beklagte bereite für ihn Mahlzeiten. Der Kläger habe seit längerer Zeit von der Beziehung der Beklagten gewusst, unter anderem auch über den mit dem Freund gemeinsam verbrachten Urlaub im Juli 2005. Der Kläger habe auch gewusst, dass die Kinder des Freundes in der Wohnung der Beklagten wohnten und dass der Freund in der Wohnung gemeldet gewesen sei. Nicht feststellbar sei, zu welchem Zeitpunkt der Kläger von der Wohnsitzmeldung erfahren habe.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass der Unterhaltsanspruch nur bei einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft ruhe. Dies setze eine Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft voraus. Diese drei Merkmale müssten aber nicht stets gleichzeitig vorhanden sein. Der Begriff der Lebensgemeinschaft beschränke sich nicht auf die rein materielle Seite. Es müsse eine aus seelischer Gemeinschaft und aus Zusammengehörigkeitsgefühl heraus entstandene Bindung vorliegen. Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Der Partner der Beklagten sei nur deshalb aus ihrer Wohnung ausgezogen, weil der Kläger wegen dieser Beziehung die Unterhaltszahlungen verweigert habe. Zumindest zwischen Februar und August 2006 habe eine eheähnliche Lebensgemeinschaft bestanden. Dieser Zustand sei aber auch nach dem 19. Juli 2006 fortgesetzt worden. Aus der Tatsache, dass der Kläger nach dem Unterhaltsvergleich kein einziges Mal Unterhalt geleistet und eine Exekutionsführung in Kauf genommen habe, sei abzuleiten, dass ihm mit schon bei Abschluss des Unterhaltsvergleichs die Lebensgemeinschaft der Frau bekannt gewesen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und dem Oppositionsbegehren in Ansehung eines Unterhaltsrückstands von 1.358,80 EUR und des laufenden monatlichen Unterhalts statt und stellte fest, dass der Unterhaltsanspruch ruhe. Nach stRsp müssten die den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen nach Entstehen des Exekutionstitels eingetreten sein. Dies gelte auch für einen Vergleich als Exekutionstitel. Hier sei aber zu berücksichtigen, dass der prätorische Unterhaltsvergleich der Umstandsklausel unterliege. Nach ständiger oberstgerichtlicher Judikatur liege eine Änderung der Verhältnisse auch dann vor, wenn seit der Entscheidung eines Gerichts schon damals vorliegende Umstände später zutage getreten seien. Hier liege ein Oppositionsgrund dann vor, wenn der Kläger vor Abschluss des Unterhaltsvergleichs von der Lebensgemeinschaft der Beklagten keine Kenntnis gehabt habe. Im vorliegenden Fall habe der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren zunächst eine seit längerer Zeit bestehende Lebensgemeinschaft behauptet und in der letzten Tagsatzung vorgebracht, dass die Tatsache der Lebensgemeinschaft erst durch einen Detektivbericht vom November 2006 „erhärtet" worden sei. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts verstoße dieses Vorbringen nicht gegen die Eventualmaxime. Der Kläger habe sein Prozessvorbringen zulässigerweise nur ergänzt. Wenn das Erstgericht festgestellt habe, dass der Kläger seit längerer Zeit von der Beziehung der Beklagten gewusst habe, so müsse dem die Negativfeststellung entgegengehalten werden, wonach nicht festgestellt werden könne, zu welchem Zeitpunkt der Kläger von der amtlichen Meldung des Freundes der Beklagten in deren Wohnung erfahren habe. Es sei nicht anzunehmen, dass der durch einen Rechtsanwalt vertretene Kläger dem Erstgericht einen Vergleichsentwurf in dem Wissen unterbreite, einen geschlossenen Vergleich von Anfang an nicht erfüllen zu wollen.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil es von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung nicht abgewichen sei.
Mit ihrer außerordentlichen Revision beantragt die Beklagte die Abänderung dahin, dass das Klagebegehren abgewiesen werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.
Mit der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, beantragt der Kläger, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig und berechtigt:
I. Unter dem Titel der Nichtigkeit (§ 477 Abs 1 Z 9 ZPO), der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit bekämpft die Revisionswerberin - allerdings zu Unrecht - die Ansicht des Berufungsgerichts über das Bestehen einer Lebensgemeinschaft der Beklagten ab Februar 2006 und auch nach dem September 2006. Nach den Feststellungen bestand jedenfalls bis August 2006 (Zeitpunkt des Auszugs des Freundes der Beklagten aus deren Wohnung) eine Wohn- und Geschlechtsgemeinschaft und zumindest teilweise auch eine Wirtschaftsgemeinschaft. Die Bejahung einer eheähnlichen Gemeinschaft steht mit den in stRsp vertretenen Grundsätzen in Einklang, dass es nicht nur auf materielle Aspekte, sondern auch auf die innere Einstellung der Partner zueinander ankommt (RIS-Justiz RS0047069, RS0047064), die Freud und Leid teilen, gemeinsam Erholung suchen und sich Beistand leisten (RS0047035). Diese Voraussetzungen liegen hier nach den Feststellungen auch für die Zeit nach August 2006 vor. Festgestellt wurde, dass der Partner der Beklagten zwar aus ihrer Wohnung ausgezogen ist, dies aber nur wegen der Nichtleistung von Unterhaltszahlungen durch den Kläger und dass sich an den zuvor bestandenen näheren Kontakten im Wesentlichen ansonsten nichts geändert hat. Die wesentlichen Kriterien einer Geschlechts-, Wohnungs- und Lebensgemeinschaft müssen nicht stets und gleichzeitig vorhanden sein (RIS-Justiz RS0047000). Die nach den Feststellungen richtigerweise bejahte Lebensgemeinschaft führte zwar grundsätzlich zu einem zeitweiligen Ruhen (Erlöschen) des Unterhaltsanspruchs der Beklagten (RIS-Justiz RS0047130; so schon SZ 7/116; Jakusch in Angst, EO, § 35 Rz 19).
II. Die Oppositionsklage ist hier dennoch aus folgenden Überlegungen nicht berechtigt:
1. Die den betriebenen Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen müssen nach dem klaren Wortlaut des § 35 Abs 1 EO nach Entstehung des Exekutionstitels (hier der Unterhaltsvergleich vom 19. Juli 2006) entstanden sein. Anders als bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit und Zulässigkeit von Einwendungen iSd in § 35 Abs 3 EO angeordneten Eventualmaxime kommt es für die Bejahung eines Oppositionsgrundes nicht auf die Kenntnis des Verpflichteten an. § 35 Abs 1 EO ist im objektiven Sinn zu verstehen (RIS-Justiz RS0001285). Eine Oppositionsklage kann auf Tatsachen, die vor Entstehung des Exekutionstitels eingetreten sind, nur gestützt werden, wenn sie zu diesem Zeitpunkt nach den bestehenden Gesetzen nicht mehr geltend gemacht werden konnten, nicht aber schon dann, wenn sie dem Oppositionskläger, wenn auch ohne sein Verschulden, erst später bekannt wurden. Für letzteren Fall besteht die Möglichkeit einer Wiederaufnahmsklage (RIS-Justiz RS0001411), für den Fall, dass der Unterhaltstitel aber ein Vergleich ist, kann der Unterhaltsverpflichtete diesen wegen Irrtums anfechten, der vom Unterhaltsberechtigten wegen Verschweigens eines unterhaltshemmenden Umstands veranlasst wurde (§ 871 ABGB). Die subjektive Unkenntnis eines rechtsaufhebenden Umstands, die den Verpflichteten hinderte, diesen Umstand schon im Titelverfahren geltend zu machen (nova reperta), ist im Oppositionsprozess grundsätzlich nicht relevant (Jakusch, aaO Rz 60 mwN). Demgemäß wäre hier die Oppositionsklage schon deshalb unberechtigt, weil die Lebensgemeinschaft der Frau schon vor dem Abschluss des Unterhaltsvergleichs bestand, ohne dass es auf die Kenntnis des Klägers darüber ankäme.
2. Zu fragen ist allerdings, ob die von den Vorinstanzen unterschiedlich beurteilte Kenntnis des Oppositionsklägers über die Lebensgemeinschaft der Beklagten dennoch eine neue Tatsache iSd § 35 Abs 1 EO darstellen kann, weil eine spätere Kenntnis nach der vom Berufungsgericht richtig zitierten Unterhaltsjudikatur eine Änderung der Verhältnisse darstellen soll, die zu einer Abänderung der Unterhaltsentscheidung berechtigt (RIS-Justiz RS0007148). Die Motive für diese überwiegend im außerstreitigen Titelverfahren ergangene Judikatur lagen vermutlich in der nach der früheren Rechtslage des AußStrG alt fehlenden Wiederaufnahmemöglichkeit. Im Zivilprozess, also auch im Unterhaltsprozess von Ehegatten, bestand und besteht jedoch kein Rechtsschutzdefizit, kann doch ein Unterhaltsverpflichteter ihm erst später bekannt gewordene Umstände (nova reperta) mit Wiederaufnahmsklage (§ 530 Abs 1 Z 7 ZPO) bzw. mit der Anfechtung des Vergleichs wegen Irrtums geltend machen, sodass grundsätzlich keine Notwendigkeit besteht, einen solchen Umstand entgegen dem Wortlaut des § 35 Abs 1 EO auch als Oppositionsgrund gelten zu lassen. Der erkennende Senat hat aber dennoch erst jüngst und ebenfalls im Zusammenhang mit der Betreibung eines Unterhaltsanspruchs eines Ehegatten ausgesprochen, dass eine in der Unkenntnis eines erheblichen Umstands liegende Änderung der Verhältnisse (dort die Unkenntnis über das Eigeneinkommen der unterhaltsberechtigten betreibenden Gläubigerin) zumindest für den laufenden Unterhalt mit Oppositionsklage geltend gemacht werden könne (3 Ob 102/06f).
III. Damit ist aber hier aus Gründen der Eventualmaxime für den Oppositionskläger nichts zu gewinnen, weil er seine Klage auf den Umstand der Lebensgemeinschaft der Beklagten stützte, die „seit längerer Zeit" bestanden habe und sich dazu begründend auf persönliche Wahrnehmungen von Bekannten und den Umstand der Wohnsitzanmeldung des Lebensgefährten der Frau berief. Dieses Vorbringen über den Beginn der Lebensgemeinschaft der Beklagten kann nur so verstanden werden, dass der Kläger nicht eine erst nach dem Unterhaltsvergleich von der Beklagten eingegangene Lebensgemeinschaft als Oppositionsgrund geltend macht. Daher könnte von einem erst nach der Titelschaffung entstandenen Oppositionsgrund erst dann die Rede sein, wenn der Kläger von der Lebensgemeinschaft erst nachträglich Kenntnis erlangt hätte. Erst mit dem in der letzten Tagsatzung ergänzten Vorbringen, dass sich die Tatsache der Lebensgemeinschaft der Beklagten erst durch eine während des Prozesses erfolgte Observierung „erhärtet" hätte, relevierte der Kläger erstmalig und nur kursorisch seine mangelnde nähere Kenntnis über die bestehende Lebensgemeinschaft zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses und damit den zu II. 2. referierten Oppositionsgrund der Änderung der Verhältnisse wegen eines schon zum Zeitpunkt der Titelschaffung bestehenden, anspruchshindernden, aber damals noch nicht bekannten Umstands. Das ergänzende Vorbringen verstößt jedoch - wie das Erstgericht richtig erkannte - gegen die Eventualmaxime des § 35 Abs 3 EO, weil nicht ersichtlich ist und vom Kläger auch nicht begründet wurde, warum er seine mangelnde Kenntnis über die schon länger und schon zum Vergleichszeitpunkt bestandene Lebensgemeinschaft nicht schon in der Klage behauptete. Dies wäre aber für die Schlüssigkeit der Klage und zur Erfüllung der Behauptungslast iSd Eventualmaxime erforderlich gewesen.
Die Entscheidung über die Kosten beider Rechtsmittelverfahren beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.
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