Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rekurses selbst zu tragen.
Die Revisionsrekursbeantwortung der betreibenden Partei wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Aufgrund des vor dem Handelsgericht Wien am 7. Juni 2002 zu AZ 30 Cg 19/02z geschlossenen Vergleichs ist die verpflichtete Partei zur Unterlassung folgender Behauptungen in Aussendungen, Geschäftsunterlagen, Veröffentlichungen im Internet oder sonstigen Publikationen verpflichtet:
a) in Österreich würden sieben D***** Institute, davon drei in Wien, betrieben;
b) die verpflichtete Partei arbeite mit über 50 D***** Akademien in Europa zusammen und verfüge über internationale Kontakte als Mitglied des Europa Sprachen- und Managementverbands (ESV e.V.) und des internationalen SALT-Verbands (Society for accelerative learning and teaching);
c) in Salzburg, London und Krakau bestünden D***** Institute;
oder in sinngleicher Weise unrichtige Angaben über die Anzahl, den Standort und die Identität ihrer Franchisenehmer und Kooperationspartner zu machen.
Mit Beschluss vom 13. September 2002 ON 5 bewilligte des Erstgericht über Antrag der betreibenden Partei, die ein Zuwiderhandeln der verpflichteten Partei behauptete, die Exekution und verhängte über die verpflichtete Partei eine Geldstrafe von 5.000 EUR.
In ihren am 19. November 2002 und in weiterer Folge noch weiter eingebrachten Strafanträgen behauptet die betreibende Partei, die verpflichtete Partei trete in dem unter der Internetadresse www.etb.at veröffentlichten Telefonbuch der Telekom Austria als Generalbevollmächtigte des Europa Sekretärinnenverbands und des Europa Sprachen- und Managementverbands auf, wodurch sie zwar nicht wörtlich gegen die von ihr übernommene Verpflichtung, es zu unterlassen, sich als Mitglied dieses Verbands zu bezeichnen, verstoße, sehr wohl aber in sinngleicher Weise gegen das Verbot unrichtiger Angaben über ihre Kooperationspartner. Da ein Europasekretärinnenverband nicht existiere, verstoße die verpflichtete Partei ebenfalls gegen das Verbot, unrichtige Angaben über die Identität ihrer Kooperationspartner zu machen.
Das Erstgericht wies sämtliche Strafanträge mit der Begründung ab, der behauptete Verstoß, die dem Exekutionstitel widersprechende Eintragung im Telefonbuch nicht geändert zu haben, liege bereits vor dem ursprünglichen Exekutionsantrag, aufgrund dessen eine Geldstrafe über die verpflichtete Partei verhängt worden sei. Die betreibende Partei hätte aber alle Zuwiderhandlungen der verpflichteten Partei geltend machen müssen, zu denen es bis zu dem der Einbringung des Strafantrags vorangehenden Tag gekommen sei.
Das Rekursgericht verhängte über Rekurs der betreibenden Partei für jeden geltend gemachten Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung eine Geldstrafe von je 5.000 EUR, insgesamt daher 20.000 EUR (vier Strafanträge der betreibenden Partei). Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige, und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil das Rekursgericht der Rsp des Obersten Gerichtshofs gefolgt sei. Die betreibende Partei habe in ihren Strafanträgen das Zuwiderhandeln der verpflichteten Partei konkret und schlüssig behauptet. Das Verhalten der Telekom Austria sei der verpflichteten Partei gemäß § 18 UWG zuzurechnen, weil sie die Telekom Austria einerseits in die wettbewerbswidrige Handlung eingeschaltet habe und andererseits berechtigt sei, auf das Verhalten und die Verfügbarkeit dieser Eintragungen auf der in Rede stehenden Website Einfluss zu nehmen. Da die verpflichtete Partei die vorhandene Störungsquelle nicht beseitigt habe, wozu sie aber im Rahmen der sie treffenden Unterlassungspflicht verhalten sei, sei die betreibende Partei berechtigt, neuerliche Verstöße, die in der Nichtbeseitigung der vergleichswidrigen Telefonbucheintragungen liegen, in weiteren Strafanträgen nach Einbringung des Exekutionsantrags geltend zu machen. Der Zweck des Exekutionsverfahrens sei erst erfüllt, wenn die verpflichtete Partei die Entfernung der beanstandeten Eintragungen veranlasst habe.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der verpflichteten Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Zunächst wirft die verpflichtete Partei die Frage auf, ob das Rekursverfahren auch im Exekutionsbewilligungsverfahren im Hinblick auf die sich aus Art 6 MRK ergebenden Verpflichtungen zweiseitig ausgestaltet sein müsse, und behauptet eine Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens in diesem Fall, weil ihr keine Gelegenheit zur Beantwortung der Rekursausführungen der betreibenden Partei geboten worden sei. Diesfalls hätte sie darauf hinweisen können, dass die angestrebte Exekutionsführung unberechtigt sei, und eine Entscheidung zu ihren Gunsten (Abweisung der Strafanträge der betreibenden Partei) herbeiführen können.
Dem ist entgegenzuhalten, dass der Rekurs im Exekutionsverfahren - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen (§§ 84 Abs 1 und 402 Abs 1 EO) - einseitig ist (zuletzt 3 Ob 20/03t; RIS-Justiz RS0116198, RS0002338 [T 2]; Jakusch in Angst, EO, § 65 Rz 30). Den aus dem in Art 6 MRK normierten Gebot für ein "fair trial" mit der Verpflichtung zur Einräumung umfassenden Parteiengehörs iS einer Stellungnahmemöglichkeit zu jedem Vorbringen der Gegenpartei, also auch zu einem Rekurs, abgeleiteten Bedenken steht der grundsätzlich einseitige Charakter des Exekutionsverfahrens, insbesondere des Exekutionsbewilligungsverfahrens entgegen. Das erklärt sich aus der Funktion des Exekutionsverfahrens, das im Gegensatz zum Erkenntnisverfahren nicht mehr der Sammlung des Prozessstoffs als Entscheidungsgrundlage, sondern allein der Durchsetzung der im Erkenntnisverfahren getroffenen Entscheidung dient. Dem Verpflichteten steht zur Wahrung seiner Rechte eine Reihe von Rechtsbehelfen zur Verfügung, um auszugleichen, dass die Exekutionsbewilligung als Ergebnis eines reinen Akten-(Urkunden-)verfahrens ausschließlich auf den Angaben des Betreibenden beruht (stRsp; insbes zu Strafanträgen: RIS-Justiz RS0004692; Jakusch aaO § 3 Rz 13 und 15; vgl auch Meinhart in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 1 Rz 2).
Die ausgehend von der Entscheidung des EGMR im Fall Beer (ÖJZ 2001/16 [MRK]) betreffend die Wahrung des rechtlichen Gehörs des Prozessgegners im Fall eines Kostenrekurses entwickelten Überlegungen zu der aufgrund veränderten Grundrechtsverständnisses festgestellten Gesetzeslücke im Verfahrensrecht, soweit Rechtsmittelverfahren einseitig gestaltet sind, und deren Schließung durch Anordnung der Zweiseitigkeit zur Wahrung der Waffengleichheit zwischen Rechtsmittelwerber und -gegner (RIS-Justiz RS0074920), etwa im Außerstreitverfahren über die Bestellung des Heiratsguts (JBl 2003, 57), im Konkurseröffnungsverfahren (JBl 2002, 737; RIS-Justiz RS0116129) oder im Verfahren über den Auftrag zum Erlag einer aktorischen Kaution (Rkv 1/01; vgl RIS-Justiz RS0115999), lassen sich nicht ohne weiteres auf das Exekutionsverfahren übertragen. Dieses ist - insbesondere was das Bewilligungsverfahren anlangt - im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und der Förderung der Rechtsdurchsetzung zugunsten desjenigen, dessen Anspruch im Erkenntnisverfahren - unter Wahrung aller grundrechtlichen Verfahrensgarantien - bereits als berechtigt erkannt oder - wie hier im Vergleich - von ihm selbst zugestanden wurde, so gestaltet, dass die Bewilligung aufgrund der bloß in einem einseitigen Aktenverfahren geprüften Behauptungen des Betreibenden erfolgt und der den allgemeinen Grundsätzen jedes rechtsstaatlichen Verfahrens (beiderseitiges Gehör) Rechnung tragende Ausgleich durch andere, dem Verpflichteten nachträglich zur Verfügung stehende Rechtsbehelfe hergestellt wird, sodass bei gebotener Gesamtbetrachtung ein Verfahrenssystem besteht, dass den Anforderungen des Art 6 MRK genügt (Jakusch aaO § 3 Rz 13).
Hervorzuheben ist im vorliegenden Fall, dass die Verhängung der Geldstrafe wegen neuerlichen Zuwiderhandelns in erster Instanz versagt worden ist, sodass der die Erlassung dieses Strafbeschlusses in zweiter Instanz anstrebende Rekurs nicht anders zu behandeln ist als der an das Erstgericht gerichtete Strafantrag; erst die Verhängung der Geldstrafe greift in die Rechtsposition der verpflichteten Partei ein und eröffnet ihr Verteidigungsmöglichkeiten (Revisionsrekurs, bzw die weiteren gegen eine Exekutionsbewilligung zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe). Im Übrigen wendet sich die verpflichtete Partei im vorliegenden Fall in ihrem Revisionsrekurs gar nicht gegen die Höhe der verhängten Geldstrafe, sondern ausschließlich gegen die Berechtigung des Strafantrags an sich, die als Rechtsfrage nach dem Vorbringen der betreibenden Partei zu beurteilen ist, sodass die Argumentation der verpflichteten Partei auch in dritter Instanz nicht beschränkt ist (3 Ob 20/03t).
Darüberhinaus ist festzuhalten, dass die Behauptung der verpflichteten Partei, ein Europasekretärinnenverband existiere entgegen dem Vorbringen der betreibenden Partei in ihren Strafanträgen doch, eine im Rekursverfahren unzulässige Neuerung darstellt; derartiges vorzubringen bliebe einer Impugnationsklage der verpflichteten Partei vorbehalten. Auch bei einer - im übrigen nicht zwingend vorgeschriebenen (SZ 68/151, SZ 72/194, je mwN; RIS-Justiz RS0004533) - Einvernahme des Verpflichteten nach § 358 EO ist die Frage, ob der Verpflichtete gegen den Titel verstoßen habe, nicht Gegenstand (zuletzt 3 Ob 92/98w; RIS-Justiz RS0004522; Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 358 Rz 5 ff mwN) ebensowenig dient sie dazu, Einwendungen gegen den Anspruch vorzubringen (RIS-Justiz RS0004536). Lediglich in jenen Fällen, in denen im Verfahren über die Strafhöhe Feststellungen zu Lasten des Verpflichteten ohne seine Äußerungsmöglichkeit vorher oder Rechtsmittelbefugnis (im weiteren Sinn) nachher (also unter Einbeziehung etwaiger Klagemöglichkeiten) getroffen werden, wird eine Ausnahme vom Neuerungsverbot anerkannt (SZ 68/151 ua; RIS-Justiz RS0085144, RS0110233; Jakusch aaO § 65 Rz 34; Höllwerth aaO Rz 4). Von einer im Exekutionsverfahren unzulässigen Beschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten der verpflichteten Partei kann daher hier keine Rede sein.
Auch dem Vorbringen der verpflichteten Partei, das von der betreibenden Partei zum Gegenstand der Strafanträge gemachte Verhalten stelle gar keinen Titelverstoß dar, vermag sich der Oberste Gerichtshof nicht anzuschließen. Ist nach dem Exekutionstitel die (unrichtige) Behauptung verboten, Mitglied eines bestimmten Verbands zu sein, sowie sinngleiche unrichtige Angaben über Kooperationspartner, so ist davon auch die Behauptung umfasst, Generalbevollmächtigter des genannten Verbands zu sein.
Dem insgesamt unberechtigten Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO iVm § 40, 50 ZPO.
Die betreibende Partei hätte ihre Revisionsrekursbeantwortung gemäß §§ 508a Abs 2, 528 Abs 3 ZPO iVm § 78 EO beim Obersten Gerichtshof einbringen müssen. Da sie sie aber beim Erstgericht einbrachte, ist für die Rechtzeitigkeit der Tag des Einlangens beim Obersten Gerichtshof (2. Juli 2003) maßgebend. Dieser liegt aber nach Ablauf der für die Revisionsrekursbeantwortung offenstehenden Frist, weshalb sie verspätet (stRsp; RIS-Justiz RS0043729) und daher zurückzuweisen ist.
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