OGH 2Os49/49 (RS0096604)

OGH2Os49/4924.11.2014

Rechtssatz

Bloße Absicht des Beamten, eine Dienstvorschrift zu verletzen, genügt zum Verbrechen nach § 101 StG noch nicht. Zu diesem Verbrechen ist die Absicht erforderlich, den Zweck, den der Staat durch die Erlassung einer Vorschrift erreichen wollte, zu schädigen.

Normen

StGB §302

2 Os 49/49OGH21.02.1950

Veröff: SSt XXI/25

10 Os 400/62OGH17.12.1963
9 Os 210/63OGH28.04.1964

nur: Zu diesem Verbrechen ist die Absicht erforderlich, den Zweck, den der Staat durch die Erlassung einer Vorschrift erreichen wollte, zu schädigen. (T1) <br/>Veröff: ÖVA 1965,161

9 Os 142/68OGH25.06.1970

Veröff: EvBl 1971/89 S 153

9 Os 129/68OGH11.05.1970
10 Os 157/70OGH18.12.1970

nur T1; Veröff: EvBl 1971/290 S 528 = RZ 1971,119 = SozM VIB,11

9 Os 63/72OGH02.11.1972

nur T1; Veröff: EvBl 1973/96 S 214

9 Os 41/72OGH14.11.1972

Veröff: JBl 1973,381

12 Os 200/72OGH23.01.1973

Veröff: EvBl 1973/169 S 359 = RZ 1973/99 S 69

11 Os 26/74OGH07.06.1974

Veröff: EvBl 1975/9 S 19

10 Os 90/74OGH16.09.1974

Veröff: EvBl 1975/82 S 160

13 Os 60/76OGH10.06.1976

Beisatz: § 302 StGB (T2) <br/>Veröff: EvBl 1977/35 S 82

10 Os 117/77OGH18.05.1977

Verstärkter Senat; Beisatz: Das allgemeine Recht des Staates auf pflichtgemäße Amtsausübung ist kein konkretes Recht. (T3) Veröff: EvBl 1978/136 S 403 = SSt 49/32 = RZ 1978,134

9 Os 16/78OGH02.10.1978

Veröff: EvBl 1979/82 S 243 = SSt 49/48

15 Os 52/07xOGH11.10.2007

Auch; Beisatz: Hier: Durch Warnung vor einer „Razzia" wird eine unbeeinflusste und somit allein Sinn machende Überprüfung der Einhaltung der Normen der angeführten Gesetze per se vereitelt. (T4)

13 Os 99/11zOGH13.10.2011

Auch; Beisatz: § 302 Abs 1 StGB verlangt (ua), dass der Täter mit dem Vorsatz handelt, einen anderen an seinen Rechten zu schädigen. Steht dabei ein öffentliches Recht in Rede, ist es nach ständiger Judikatur und dem überwiegenden Teil der Lehre erforderlich, dass sich der Schädigungsvorsatz darauf bezieht, jenen Zweck zu beeinträchtigen, den der Staat mit der Erlassung der jeweiligen Vorschrift erreichen will. Soweit ein Teil der Lehre diesbezüglich einwendet, diese Sicht führe dazu, dass in Bezug auf öffentliche Rechte jeder wissentliche Befugnismissbrauch mit Schädigungsvorsatz erfolge, weil hinter jeder Rechtsvorschrift ein Zweck stehe (Bertel in WK-StGB - 2 § 302 Rz 93; Kienapfel/Schmoller, StudB BT III² § 302 Rz 59), wird übersehen, dass nicht auf das objektive Verhältnis zwischen der verletzten Ordnungsvorschrift und deren Zweck, sondern auf die subjektive Tatseite abzustellen ist. (T5)

17 Os 20/12pOGH10.12.2012

Vgl; Beisatz: Der Vorsatz, „den Bund in seinem Recht darauf zu schädigen, dass Abfragen im zentralen Melderegister (ZMR) von Beamten ausschließlich zu dienstlichen Zwecken durchgeführt werden, bezieht sich per se (sofern nicht etwa Vermögensrechte oder ein besonderer vom Staat durch eine Nutzungsregelung verfolgter Zweck betroffen sind) nicht auf ein (im Sinn des § 302 Abs 1 StGB) konkretes staatliches Recht. (T6)

17 Os 19/12sOGH25.02.2013

Vgl; Beisatz: Wenn durch die Anweisung, (mit den Akten und den tatsächlichen Verfahrensständen nicht übereinstimmende und die Beendigung der Ermittlungsverfahren nach dem 10. bis 12. Hauptstück der StPO tatsachenwidrig bescheinigende) Verfahrensschritte im Register der Verfahrensautomation Justiz einzutragen, der in § 80 Abs 2 dritter Satz GOG, § 34a Abs 2 dritter Satz StAG normierte Anspruch des Staates auf korrekte Wiedergabe des Akteninhalts zur Dienstaufsicht (vgl §§ 73 ff GOG, § 36 StAG iVm § 4 Abs 1 und 2 BMG) behindert werden sollte, ist ein konkretes Recht im Sinn des § 302 Abs 1 StGB nicht betroffen. Der Anspruch ist vielmehr nur Ausdruck allgemeinen staatlichen Kontroll- und Aufsichtsrechts, mit anderen Worten eines allgemeinen Rechts des Staates gegenüber Beamten, Richtern und Staatsanwälten auf pflichtgemäße Berufs- und Dienstausübung im Sinn der ständigen Rechtsprechung zu § 302 StGB. Subjektive Rechte werden mit den angeführten Vorschriften nicht begründet, das (subjektive) Recht auf Akteneinsicht (vgl §§ 51 ff StPO) übrigens nicht berührt. (T7)

17 Os 3/13iOGH27.05.2013

Vgl; Beisatz: In Fällen (ausschließlich) missbräuchlicher Beschaffung von Daten (ohne deren Weitergabe oder Verwertung) bildet in aller Regel das Recht des Betroffenen auf Geheimhaltung seiner personenbezogenen Daten gegenüber dem ermittelnden (vgl § 4 Z 8 und 9 DSG) Beamten den Bezugspunkt des vom Tatbestand des § 302 Abs 1 StGB geforderten Schädigungsvorsatzes. Ein solcher Anspruch auf Geheimhaltung (vgl § 1 Abs 1 und 2 DSG) scheidet aber begrifflich aus, wenn die ermittelten Daten dem Beamten bereits vor der Abfrage bekannt sind und diese nicht auf Gewinnung weiterer (ihm unbekannter) Daten gerichtet ist. (T8)

17 Os 6/13fOGH27.05.2013

Vgl; Beisatz: Die Verletzung allgemeiner staatlicher Kontroll‑ oder Aufsichtsrechte sowie bloß interner Dienstvorschriften kommt als Gegenstand der Rechtsschädigung so lange nicht in Frage, als hierdurch kein dahinter stehender gesetzlicher Zweck in einem konkreten Fall gefährdet wird. Das vom Schädigungsvorsatz umfasste Recht des Staats darf nämlich nicht allein jenes sein, das den Täter verpflichtet, seine Befugnis den Vorschriften entsprechend zu gebrauchen, somit keinen Befugnismissbrauch zu begehen. Es muss weiter als jenes Recht sein, das darin besteht, die Vorschrift einzuhalten, die bereits den Missbrauch der Befugnis bildet. Das allgemeine Recht des Staats gegenüber dem Beamten auf pflichtgemäße Berufs‑ und Dienstausübung, der abstrakte staatliche Anspruch auf eine korrekte und saubere Verwaltung, allgemeine staatliche Kontroll‑ und Aufsichtsrechte und bloß interne Dienstvorschriften sind demnach keine (konkreten) Rechte, die der Schädigungsvorsatz verlangt. Täuschung (bloß) der Dienstaufsicht ist daher nicht gerichtlich strafbar. Das ist Sache des Disziplinarrechts. Für den Bereich des Strafrechts erübrigen sich damit auch Abgrenzungsprobleme zwischen informeller Befragung über Aktenrückstände und schriftlichen Berichtsaufträgen. Werden diese durch Fehleintragungen unterlaufen, liegt Missbrauch der Amtsgewalt (deshalb allein noch) nicht vor. Will der Täter aber konkrete Schritte eines (Verwaltungs-)Strafverfahrens beeinflussen, kommt Missbrauch der Amtsgewalt ins Spiel. (T9)<br/>Beisatz: Auch subjektive Rechte von Parteien eines Verwaltungsstrafverfahrens als Bezugspunkt von Schädigungsvorsatz bedürfen konkreter (unter Umständen auch bloß verfassungs-)gesetzlicher Verankerung. Diese (unter dem Aspekt von Z 5 erster Fall des § 281 Abs 1 StPO deutlich anzusprechende) Verortung muss vom Täter ‑ zumindest nach Art einer Parallelwertung in der Laiensphäre ‑ erkannt werden, um Gegenstand von Verletzungsvorsatz zu sein. (T10)

17 Os 7/13bOGH30.09.2013

Vgl; Beisatz: Missbrauch einer Verfahrensvorschrift begründet (nicht anders als bei materiellrechtlichen Bestimmungen) dann Missbrauch der Amtsgewalt, wenn er wissentlich vorgenommen wird und der begleitende Schädigungsvorsatz nicht nur auf Verletzung eines ‑ bloß abstrakten ‑ Rechts auf dieser Vorschrift entsprechenden Gebrauch der Befugnis (mit anderen Worten: auf ordnungsgemäße Führung des Verfahrens, sondern auf Vereitelung des von dieser Vorschrift verfolgten (Schutz‑)Zwecks gerichtet ist. (T11)

17 Os 18/13wOGH30.09.2013

Vgl; Ähnlich Beis wie T11; Beisatz: Hier: Die Feststellungen zum Schädigungsvorsatz, dieser habe sich auf das Recht der „Antragsteller“ auf „eine ordnungsgemäße Entscheidung über ihre Exekutionsanträge und auf Erhalt einer Drittschuldnererklärung“ bezogen, genügen nicht. Dass der Angeklagte jeweils mit dem Vorsatz handelte, den betreibenden Gläubiger in seinem von § 301 EO garantierten Informationsanspruch zu beeinträchtigen, haben die Tatrichter nicht festgestellt. (T12)

17 Os 17/13yOGH26.11.2013

Vgl auch; Beis wie T8;Beisatz: Hier: Schädigungsvorsatz gegeben, weil nach den Urteilsannahmen der Vorsatz beider Angeklagter auf Gewinnung weiterer (ihnen unbekannter und nicht allgemein zugänglicher) Daten gerichtet war. (T13)

17 Os 30/13kOGH06.03.2014

Vgl; Beisatz: Hier: Beim vom Erstgericht als Bezugspunkt des Schädigungsvorsatzes konstatierten Recht des Staates auf „ordnungsgemäße Führung des Melderegisters“ handelt es sich aber in diesem Sinn um einen bloß abstrakten Anspruch gegenüber dem Beamten auf pflichtgemäße Berufsausübung. Als Bezugspunkt des Schädigungsvorsatzes kommt hier primär das Recht des Staates auf Richtigkeit des Melderegisters in Betracht. (T14)

17 Os 29/14iOGH24.11.2014

Vgl; Beis wie T14

Dokumentnummer

JJR_19500221_OGH0002_0020OS00049_4900000_001

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