OGH 10Os117/77

OGH10Os117/7718.5.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Mai 1978 in einem verstärkten Senat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Neutzler und in Gegenwart des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pallin, der Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Breycha, Dr. Obauer und Dr. Racek sowie der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, Dr. Dienst, Dr. Piska, Dr. Bernardini, Dr. Friedrich und Dr. Walenta als Richter und des Richteramtsanwärters Dr. Schertler als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef S* wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20. Juni 1977, GZ 7 d Vr 1147/77‑12, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung der Vorträge der Berichterstatter, der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Friedrich und Dr. Harbich, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Szobissek, und der Ausführungen des Generalprokurators Dr. Hartmann zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:E113938

Rechtsgebiet: Strafrecht

Entscheidungsart: Verstärkter Senat

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, dass die vom Erstgericht über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 7 (sieben) Monate herabgesetzt wird.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 27. Mai 1936 geborene Postoffizial Josef S* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt, begangen dadurch, dass er am 21. Jänner 1977 in W* als Postbeamter mit dem Vorsatz, den Staat in seinem konkreten Recht auf ordnungsgemäße Beförderung von Postsendungen zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, durch das Aufreißen und Wegwerfen des Pakets Nr 5136, welches von Milan D*, aufgegeben und an die Firma Werner B*, Bundesrepublik Deutschland, adressiert worden war, wissentlich missbrauchte.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen war der Angeklagte nach einer Verurteilung wegen Missbrauchs der Amtsgewalt gemäß dem § 302 Abs 1 StGB, weil er im Sommer 1973 einen eingeschriebenen Brief spoliiert und sich daraus einen Scheck über 3.150 S angeeignet hatte, zum Postamt 1* versetzt worden und dort als Elektrokarrenfahrer bei der Paketumleitung (zum Hinausführen der mit Paketen beladenen Rollwagen auf den Bahnsteig ‑ S 33, 71) eingesetzt. Am 21. Jänner 1977 entschloss er sich zur Zueignung des im Spruch bezeichneten (auf einem Rollwagen verladenen ‑ S 34) Pakets, dessen Wert mit 3.000 S angegeben war; dabei handelte es sich um eine von der Postverwaltung wegen des wiederholten Abhandenkommens von Wertsendungen und Wertpaketen bei der betreffenden Paketumleitung mit Rodaminpulver präparierte Fangsendung. Der Angeklagte nahm ‑ nachdem er zu diesem Zweck den Rollwagen weggeführt und anderswo abgestellt hatte (S 34, 73) ‑ das Paket an sich, klemmte es unter seinen Arm, ging damit in eine WC‑Anlage und riss es auf; er wusste, dass er damit seine Befugnisse missbrauchte und die Beförderung der Sendung vereitelte. Als das Rodaminpulver seine Hände beschmutzte, warf er das Paket in einen Abfallkorb.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte, gestützt auf den § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a, 9 lit b und 10 StPO, mit Nichtigkeitsbeschwerde.

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Eine durch die erstangeführte Verfahrensbestimmung mit Nichtigkeit bedrohte Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung seiner Beweisanträge, die er in der Hauptverhandlung zum Nachweis dafür gestellt habe, dass er in Ausübung seiner Tätigkeit als Elektrokarrenfahrer beim Postamt 1* keine „Amtsgeschäfte“ verrichtet und keinerlei „Befugnisse“ im Sinn des § 302 Abs 1 StGB gehabt habe. Die Rüge geht fehl.

Den vom Verteidiger bezeichneten Beweismitteln und Beweisthemen ‑ Einvernahme eines juristisch graduierten, mit dem Dienst‑ und Disziplinarrecht vertrauten Beamten des Verkehrsministeriums sowie Beischaffung des Personalaktes des Angeklagten darüber, ob er bei seiner Tätigkeit irgendwelche Amtspflichten zu wahren und ob er dabei die Stellung eines Beamten hatte, sowie darüber, dass dazu nur Hilfsarbeiter, vorwiegend der deutschen Sprache nicht oder nur mangelhaft mächtige Jugoslawen, herangezogen würden; Vernehmung des zuständigen Beamten der Postverwaltung darüber, dass seine Tätigkeit nicht die eines Beamten gewesen sei (S 126 ‑ 128) ‑ ist klar zu entnehmen, dass die in Rede stehenden Anträge nicht auf die Ermittlung der faktischen Tätigkeit des Beschwerdeführers und seines individuellen Aufgabenkreises abzielten, die nach den Verfahrensergebnissen ohnedies nicht in Frage standen, sondern auf deren rechtliche Beurteilung in Ansehung einzelner Tatbestandsmerkmale des § 302 StGB. Die Lösung dieser Rechtsfragen aber oblag, wie im angefochtenen Zwischenerkenntnis (S 128) sinngemäß richtig zum Ausdruck kommt, ausschließlich dem erkennenden Gericht; darauf, ob die Agenden des Angeklagten allenfalls auch durch sprachunkundige ausländische Hilfsarbeiter verrichtet werden konnten, kommt es bei der Klärung ihrer strafrechtlichen Bedeutung, wie noch zu erörtern sein wird, nicht an. Durch die Ablehnung der relevierten Beweisanträge wurden daher keine Gesetze oder Verfahrensgrundsätze hintangesetzt oder unrichtig angewendet, deren Beachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist.

In Ausführung der übrigen geltendgemachten Nichtigkeitsgründe behauptet der Beschwerdeführer der Sache nach durchwegs Fehlbeurteilungen im Sinn des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO bei der Annahme einer gerichtlichen Strafbarkeit seiner Tat. Alle diese Einwände schlagen jedoch nicht durch.

Missbrauch der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs 1 StGB hat zu verantworten, wer als Beamter mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes, eines Landes, eines Gemeindeverbands, einer Gemeinde oder einer anderen Person des öffentlichen Rechts als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht.

„Beamter“ ist nach der Legaldefinition des § 74 Z 4 StGB jeder, der entweder (1.) bestellt ist, im Namen eines der vorerwähnten Rechtsträger, ausgenommen einer Kirche oder Religionsgesellschaft, als deren Organ (allein oder gemeinsam mit einem anderen) Rechtshandlungen vorzunehmen, oder der (2.) sonst mit Aufgaben der Bundes‑, Landes‑ oder Gemeindeverwaltung betraut ist. Maßgeblich für die strafrechtliche Einstufung einer Person als Beamter ist demnach nicht die dienstrechtliche Position des Betreffenden, sondern die ihm kraft seiner Bestellung oder Betrauung zukommende Funktion (vgl 9 Os 64/77 = ÖJZ‑LSK 1977/377). Die Paketbeförderung gehört zu den im II. Abschnitt des PostG, BGBl 1957 Nr 58, geregelten Angelegenheiten des Postwesens; deren Vollziehung ist gemäß dem Art 10 Abs 1 Z 9 B‑VG Bundessache. Bei der postalischen Beförderung von Paketen als Elektrokarrenfahrer war der Angeklagte sohin (zwar nicht zur Vornahme von Rechtshandlungen bestellt ‑ § 74 Z 4 erster Fall StGB ‑, aber doch sonst) mit Aufgaben der Bundesverwaltung betraut (§ 74 Z 4 zweiter Fall StGB) und daher aus diesem Grund Beamter (vgl EvBl 1976/118).

Die Auffassung des Beschwerdeführers, der seinen Beamten‑Status nicht in Zweifel zieht, aber rechtsirrig aus seiner dienstrechtlichen Stellung als Postoffizial ableitet, dass die „primitive Tätigkeit eines Elektrokarrenfahrers“ nicht als (Erfüllung einer) Verwaltungsaufgabe im Sinn des § 74 Z 4 StGB beurteilt werden könne, ist verfehlt. Denn in Bezug auf die Beamten‑Eigenschaft einer Person macht das Gesetz (§ 74 Z 4 StGB) nach der Qualität der zur sonstigen Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, mit denen sie betraut ist (zweiter Fall), erforderlichen Verrichtungen ebensowenig einen Unterschied wie nach der Qualität von Rechtshandlungen, zu deren Vornahme sie bestellt ist (erster Fall).

Gleichfalls unstichhältig ist die weitere Ansicht des Angeklagten, er habe nicht die Befugnis gehabt, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen. Aus diesem Anlass wurde die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs einem verstärkten Senat vorbehalten, weil eine im zuständigen einfachen Senat in Betracht gezogene Auslegung der Begriffe „Befugnis“ dahin, dass dazu ein gewisser Verhaltensspielraum erforderlich sei, und „Amtsgeschäfte“ dahin, dass solche die Entfaltung einer gewissen intellektuellen Tätigkeit voraussetzen, ein Abgehen von der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung bedeutet hätte (§ 8 Abs 1 Z 1 OGHG). Dazu wurde erwogen:

1. „Befugnis“ bedeutet nicht mehr als „Erlaubnis“.

Im § 302 Abs 1 StGB wird damit (ebenso wie im § 153 StGB und ebenso wie vormals im § 101 StG 1945 mit den Worten „anvertraute Gewalt“ ‑ vgl ErlBem zur RV des StGB, 30 d Beil zu den sten Prot des NR, XIII. GP, S 455) der Gegenstand des strafbedrohten Missbrauchs bezeichnet, ohne dass die Wortbedeutung des in Rede stehenden Begriffs allein irgendeinen Schluss auf den Inhalt der betreffenden Erlaubnis zuließe; die Beschwerdebehauptung, dass nach allgemeinen Sprachgebrauch unter einer Befugnis nur die Berechtigung zu einem über bloß tatsächliche Verrichtungen hinausgehenden Verhalten verstanden werden könne, trifft nicht zu. Desgleichen kann weder dem Wortlaut, noch dem Sinn des Gesetzes irgendeine Einschränkung dahin entnommen werden, dass von einer dem Beamten eingeräumten Befugnis nur dann gesprochen werden könnte, wenn ihm dadurch mehrere oder doch wenigstens zwei verschiedene Möglichkeiten pflichtgemäßen Verhaltens eröffnet würden: auch Beamte mit genau determinierten Agenden sind zu deren Erledigung „befugt“ und können folglich dabei (durch pflichtwidriges Tun oder Unterlassen) Missbrauch der Amtsgewalt begehen.

2. „Amtsgeschäfte“ im Sinn des § 302 Abs 1 StGB sind alle Verrichtungen, die zur unmittelbaren Erfüllung der Vollziehungsaufgaben eines der dort bezeichneten Rechtsträger dienen, die also zum eigentlichen Gegenstand des jeweiligen Amtsbetriebs ‑ zu den „Geschäften (Agenden) des (betreffenden) Amtes“; vgl terminologisch „Geschäfte der Regierung“ (§ 101 StG 1945) ‑ gehören und damit für die Erreichung der amtsspezifischen Vollziehungsziele sachbezogen relevant sind.

2.1 Die Rechtsansicht des Beschwerdeführers, dass darunter nur Rechtshandlungen zu verstehen seien, ist nach dem Gesagten abermals verfehlt. Die Gesetzesmaterialien bestätigen, dass dem in Rede stehenden Begriff die vorerwähnte einschränkende Bedeutung nicht zu unterstellen ist. Schon bei der Novellierung des § 104 StG 1945 durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1971 (BGBl Nr 273) war der in der Regierungsvorlage vorgesehen gewesene Ersatz des Ausdrucks „Amtsgeschäfte“ durch den Terminus „Amtshandlungen“, die als „Rechtshandlungen“ definiert wurden, vom Justizausschuss ausdrücklich abgelehnt worden, weil „darin eine Einschränkung gegenüber dem geltenden Recht gelegen gewesen wäre, das nicht von Amtshandlungen, sondern von der Führung der Amtsgeschäfte spricht, worunter nicht bloß Rechtshandlungen, sondern auch Verrichtungen tatsächlicher Art zu verstehen sind“ (JA‑Bericht zum StRÄG 1971, 512 d Beil zu den sten Prot des NR, XII. GP, S 1/2). Unter direkter Bezugnahme darauf wurde vom Gesetzgeber auch die in der Regierungsvorlage zum Strafgesetzbuch vorgeschlagen gewesene Einschränkung der Strafbestimmung gegen den Missbrauch der Amtsgewalt dahin, dass solcher nur von Beamten, die zur Vornahme von Rechtshandlungen berufen sind, und dementsprechend nur durch die Vornahme von Rechtshandlungen begangen werden könnte, eliminiert, weil sie „zu unerwünschten Strafbarkeitslücken führen oder doch zu schwierigen Konstruktionen nötigen würde, um zu rechtspolitisch vertretbaren Ergebnissen zu gelangen“; aus diesem Grund wurde mit voller Absicht an die Stelle des Ausdrucks „Rechtsträger“ ‑ womit der zu Rechtshandlungen berufene Beamte gemeint war ‑ der Ausdruck „Beamter“ und an die Stelle des Ausdrucks „Rechtshandlung“ wieder das Wort „Amtsgeschäft“ gesetzt (JA‑Bericht zum StGB, 959 d Beil zu den sten Prot des NR, XIII. GP, S 15, 16, 36).

2.2 Die weitere Rüge des Beschwerdeführers, er sei in seiner Funktion als Elektrokarrenfahrer mit keiner „Amtsgewalt“ ausgestattet gewesen, basiert erkennbar auf der Vorstellung, dazu seien obrigkeitliche Befugnisse nach Art eines „imperium“ erforderlich; dem ist jedoch nicht so. Denn der beim § 302 StGB nur in der Überschrift vorkommende Begriff „Amtsgewalt“ bedeutet nach dem Inhalt dieser Strafbestimmung nicht mehr als eben die Befugnis, unter bestimmten (noch zu erörternden) Umständen „Amtsgeschäfte“ vorzunehmen; darunter aber sind, wie dargelegt, nicht nur Rechtshandlungen, sondern auch Verrichtungen rein tatsächlicher Art zu verstehen, mit denen keine Befehls‑ oder Zwangsgewalt verbunden ist.

2.3 Eine verschiedene Wertigkeit von Agenden, die im oben beschriebenen Sinn zur unmittelbaren Erfüllung amtlicher Vollziehungsaufgaben dienen, in Ansehung ihrer Beurteilung als Amtsgeschäfte ist dem Gesetz, speziell im § 302 StGB, ebenso fremd wie (nach dem eingangs Gesagten) eine unterschiedliche Einstufung von Rechtshandlungen und von sonstigen Tätigkeiten zur Erledigung von Verwaltungsaufgaben in Bezug auf den Beamten‑Status (§ 74 Z 4 StGB). Nicht deshalb sind bloße Hilfstätigkeiten ‑ wie etwa die einer Putzfrau, eines Heizers, aber auch eines Portiers in einem Amt ‑ keine „Amtsgeschäfte“ nach der Strafbestimmung des § 302 StGB (vgl EvBl 1977/34), weil es sich dabei um Verrichtungen untergeordneter Art handelt, sondern deswegen, weil sie lediglich die äußeren Voraussetzungen für den eigentlichen Amtsbetrieb schaffen, ohne selbst direkt zur Bewältigung der spezifischen Vollziehungsaufgaben des betreffenden Amtes beizutragen. Demgemäß kann auch von einer Minderwertigkeit manueller Arbeit in dem Sinn, dass solcherart keine Amtsgeschäfte verrichtet werden könnten ‑ wie dies der Angeklagte mit seinem Einwand, bei den Agenden eines Elektrokarrenfahrers handle es sich um „eine völlig untergeordnete, rein manuelle Tätigkeit unterster Kategorie, die in der Regel nur von Hilfsarbeitern, ja häufig sogar von Fremdarbeitern, die nicht einmal der deutschen Sprache mächtig sind, verrichtet“ werde, im Auge zu haben scheint ‑, keine Rede sein; die Beurteilung derartiger Agenden als Amtsgeschäfte von der Intensität des mit ihnen verbundenen intellektuellen Einsatzes abhängig zu machen, wodurch zudem die erforderliche gesetzliche Bestimmtheit der Strafdrohung (§ 1 Abs 1 StGB) in Frage gestellt würde, wäre daher bei der gegebenen Rechtslage ganz unangebracht.

3. Bei der Paketbeförderung durch die Post wird der Bund als Träger öffentlich-rechtlicher Befugnisse (vgl die §§ 8, 28 und 30 PostG ‑ Entscheidung über die Einhaltung der Beförderungsbedingungen und über die Höhe der zu entrichtenden Postgebühren im Einzelfall durch die Postbehörde, Einbringung nicht entrichteter Postgebühren durch Bescheid im Verwaltungsweg) und Pflichten (vgl den § 6 PostG ‑ postalische Beförderungspflicht) tätig, die im Postgesetz und in der (gemäß dem § 7 PostG) zu dessen Durchführung erlassenen Postordnung (BGBl 1957 Nr 110) determiniert werden; auch die Erledigung dieser ‑ dementsprechend in den Bereich der Hoheitsverwaltung fallenden (vgl ZVR 1970/15 ua) -Angelegenheit des Postwesens (§ 1 PostG) erfolgt demnach „in Vollziehung der Gesetze“ (vgl Art 23 Abs 1 und Abs 5 B‑VG).

Als mit dem Transport von Paketen im Verlauf ihrer postalischen Beförderung betrauter Elektrokarrenfahrer des Postamts 1* war der Angeklagte folglich Beamter mit der Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ ‑ das heißt mit einer Zurechenbarkeit seines Verhaltens an diese Person öffentlichen Rechts ‑ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen. Seine Auffassung, die bezeichnete Tätigkeit habe bloß zur Schaffung der Voraussetzungen für den eigentlichen Amtsbetrieb beigetragen, trifft nach dem Gesagten nicht zu: die Paketbeförderung dient eindeutig bereits unmittelbar zur Erfüllung der im II. Abschnitt des Postgesetzes geregelten Beförderungsaufgaben der Post und gehört demnach ihrerseits direkt zum spezifischen Aufgabenkreis der Postämter. Ob die betreffenden Agenden vordem außerhalb seines Kompetenzbereichs gelegen waren und aus welchen Gründen er nachmals mit ihnen betraut worden war, ist für die sich daraus ergebende Konsequenz, dass ihm damit jedenfalls die Befugnis zur Vornahme von Amtsgeschäften eingeräumt war, ohne Belang.

Nach Inhalt des Urteils hat der Beschwerdeführer diese Befugnis dadurch missbraucht, dass er bei seiner Tätigkeit als Elektrokarrenfahrer einen Rollwagen mit dem von Milan D* aufgegebenen Paket in der Absicht, die darin enthaltenen Werte zu stehlen, wegführte und an einer ihm für sein Vorhaben als geeigneter erschienenen Örtlichkeit, an der er sodann die Sendung an sich brachte, abstellte; da ihm klar war, dass er durch sein beschriebenes Verhalten, mit dem er in jener Phase des Diebstahlsversuchs objektiv ein der Art nach in seine funktionelle Kompetenz fallendes Amtsgeschäft vornahm und sohin als Organ des Bundes im Bereich der Hoheitsverwaltung handelte (vgl nochmals EvBl 1977/34 sowie EvBl 1977/185), die Beförderung des Pakets vereiteln werde, wusste er, dass er damit seine oben erörterten Befugnisse missbrauchte. Soweit er mit dem Einwand, er habe als Nichtjurist nicht wissen können, dass ein Paketdiebstahl allenfalls als Missbrauch der Amtsgewalt gewertet werden könnte, in Ansehung der subjektiven Tatseite des § 302 Abs 1 StGB sein festgestelltes Wissen von der Missbräuchlichkeit seiner Amtsausübung negiert, bringt der Angeklagte demnach die Rechtsrüge nicht zu prozessordnungsgemäßer Darstellung, weil er solcherart nicht von dem im Urteil als erwiesen angenommenen Sachverhalt ausgeht. Sofern er sich damit aber ‑ inhaltlich bezogen auf den § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO ‑ auf einen Rechtsirrtum beruft, ist die Beschwerde verfehlt, weil bei der (diesfalls in seinem Vorbringen zu erblickenden) Geltendmachung eines bloßen Subsumtionsirrtums von einem zur Annahme des Schuldausschließungsgrundes nach dem § 9 Abs 1 StGB erforderlichen Mangel an Unrechtsbewusstsein keine Rede sein kann.

In subjektiver Hinsicht setzt ein Missbrauch der Amtsgewalt zudem voraus, dass der Täter mit dem Vorsatz handelt, einen anderen an seinen Rechten zu schädigen; der tatsächliche Eintritt dieses Schadens ist zur Tatbestandsverwirklichung nicht notwendig (vgl SSt 43/35). Aus sinngemäßer Anwendung des § 15 Abs 3 StGB folgt allerdings, dass nur tatsächlich existente Rechte als Ziel eines tatbestandsmäßigen Schädigungsvorsatzes in Betracht kommen (vgl Rittler I2 S 229 bei Anm 2). Desgleichen sind zwar auch konkrete öffentliche Rechte Schutzobjekt der erörterten Strafbestimmung, nicht jedoch das allgemeine Recht des Staates gegenüber dem Beamten auf pflichtgemäße Amtsausübung; denn dessen vorsätzliche Schädigung ist schon begrifflich Voraussetzung eines jeden wissentlichen Befugnismissbrauchs, sodass es der Normierung des zusätzlichen Tatbestandsmerkmals eines Schädigungsvorsatzes des Beamten nicht bedurft hätte, wenn damit nicht ausschließlich das Vorhaben einer darüber hinausgehenden Schadenszufügung hätte erfasst werden sollen (vgl EvBl 1971/89).

Demgemäß rügt der Beschwerdeführer an sich zutreffend, dass ihm das Erstgericht den Vorsatz, den Staat an seinem „konkreten Recht auf ordnungsgemäße Beförderung von Postsendungen“ zu schädigen, als nach dem § 302 Abs 1 StGB tatbestandsmäßig zur Last legte. Tatsächlich äußert sich nämlich in jenem Anspruch in Wahrheit nur das vorerwähnte allgemeine Recht des Staates gegenüber dem Beamten auf pflichtgemäße Amtsausübung; ein Vorsatz, den Staat bloß „an seinem in den für den Postbetrieb erlassenen Vorschriften vielfach konkretisierten Recht auf eine bestimmungsgemäße Postbeförderung“ (EvBl 1971/130) zu schädigen, allein würde daher zur Tatbestandsverwirklichung nicht ausreichen. Als geschützte Rechte kommen hier vielmehr nur jene des Absenders und des Empfängers der Sendung in Betracht (vgl EvBl 1973/169), im gegebenen Fall insbesondere die des Absenders auf ordnungsgemäße postalische Behandlung des Pakets (vgl § 19 PostG), vor allem durch dessen Beförderung (§ 6 PostG) und Rücksendung im Fall einer Unzustellbarkeit (§ 208 PostO). Damit ist jedoch für den Angeklagten nichts gewonnen. Denn die Urteilsfeststellung, dass er wissentlich die Beförderung des von Milan D* aufgegebenen vermeintlichen Wertpakets vereitelte, deckt jedenfalls die in diesem Zusammenhang entscheidende rechtliche Beurteilung, dass sein Vorsatz bei der Tat auch darauf gerichtet war, einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, und zwar den genannten Absender an seinem mit der Gebührenentrichtung bei der Postaufgabe der Sendung (vgl § 19 PostO; S 65, 83/84, 87 dA) existent gewordenen Recht auf deren ordnungsgemäße postalische Behandlung; soweit der Beschwerdeführer diese Feststellung übergeht, führt er die Rechtsrüge abermals nicht gesetzmäßig aus.

Der Umstand, dass das Paket mit Rodaminpulver präpariert war, änderte am Bestand der Absender‑Rechte des (schon vorher mehrmals durch den Verlust von Wertpaketen betroffenen ‑ S 61) Milan D* nichts (vgl § 5 PostG, §§ 48 ‑ 52 PostO samt Anhang 1 zur Postordnung). Ebenso waren die mit der Postaufgabe verbundenen Absichten des Absenders für dessen Rechtsanspruch auf eine den Bestimmungen des Postgesetzes und der Postordnung entsprechende, also in diesem Sinn „bestimmungsgemäße“ ‑ besser: „ordnungsgemäße“ (vgl nochmals § 19 PostG) ‑ Behandlung des Pakets durch die Post ohne jeden Belang. Die insoweit der Rechtsrüge des (einen „Versuch am untauglichen Objekt“ ‑ gemeint: die Nichtexistenz eines geschützten Rechts ‑ behauptenden) Angeklagten beipflichtende, primär auf das nach dem Gesagten hier nicht relevante, oben erörterte Recht des Staates bezogene, irrig auf die Zweck‑„Bestimmung“ von Postsendungen anstatt auf die gesetzlichen „Bestimmungen“ über die Postbeförderung abgestellte Auffassung der Generalprokuratur, im Fall einer ausschließlich der Täterermittlung dienenden Postaufgabe einer „Fangsendung“ bestehe für den in die Kontrollaktion eingeschalteten Absender kein Rechtsanspruch auf „bestimmungsgemäße“ Postbeförderung, findet im Gesetz keine Stütze (vgl nochmals §§ 5, 6 PostG, §§ 48 ‑ 52 PostO samt Anhang 1 zur Postordnung). Insbesondere ein Verzicht des Milan D* auf sein mit der Gebührenentrichtung bei der Postaufgabe regulär erworbenes Recht auf ordnungsgemäße postalische Behandlung des präparierten Pakets kann aus seiner Mitwirkung an einer auf die Überführung des Täters früherer Paketdiebstähle abzielenden Kontrollaktion allein genausowenig abgeleitet werden, wie in der Errichtung irgendeiner anderen Diebsfalle durch einen Berechtigten ein Verzicht auf dessen Recht gelegen ist.

War aber der Vorsatz des Beschwerdeführers (zudem) auf die Schädigung dieses ‑ sohin existenten ‑ Beförderungsrechts des Milan D* gerichtet, wie das Erstgericht als erwiesen annahm, dann sind die Fragen nach der Relevanz seines (tateinheitlichen) Diebstahlsvorsatzes und des Umstands, dass in dem Paket die darauf angegebenen Werte nicht enthalten waren, worauf er seine Annahme einer absoluten Untauglichkeit (auch) des Diebstahlsversuchs stützt, unaktuell.

Denn zur Tatbestandsverwirklichung nach dem § 302 Abs 1 StGB reichte der vorerwähnte Schädigungsvorsatz des Angeklagten in Ansehung der postalischen Rechte des Absenders aus, auf die Beeinträchtigung von Vermögensrechten musste er nicht gerichtet sein (vgl EvBl 1977/35). Eine Beurteilung der inkriminierten Tat bloß als Diebstahlsversuch aber kam, da sie nach dem Gesagten jedenfalls allen objektiven und subjektiven Kriterien eines Missbrauchs der Amtsgewalt entsprach, nach den Grundsätzen der Gesetzeskonkurrenz von vornherein nicht in Betracht.

Missbrauch der Amtsgewalt kann nämlich durchaus auch durch ein Verhalten begangen werden, welches (zudem) den Tatbestand einer allgemein strafbaren Handlung ‑ wie etwa des Diebstahls ‑ erfüllt, vorausgesetzt, dass es sich in irgendeiner von deren Strafdrohung erfassten Entwicklungsstufe bis zur materiellen Vollbringung, sohin mindestens phasenweise, als Ausübung der (damit missbrauchten) Befugnis zur Vornahme von Amtsgeschäften ‑ hier: zur Beförderung von Postpaketen mit dem Elektrokarren darstellt. Ist diesfalls das allgemein strafbare Delikt nicht weiter beschwert, also (in seiner Gesamtauswirkung ‑ § 61 StGB) nicht mit einer strengeren Strafe bedroht (§ 28 StGB) als der Missbrauch der Amtsgewalt, dann wird sein Unwertgehalt schon, aber auch nur, durch die Anwendung des § 302 StGB voll erfasst; niemals kann das strenger strafbedrohte Delikt durch das geringer strafbare ‑ wie das im vorliegenden Fall in Betracht kommende Vergehen des versuchten Diebstahls nach den §§ 15, 127 Abs 1, Abs 2 Z 2 und Z 3 StGB ‑ konsumiert werden (vgl RZ 1977/44). Der die Begehung allgemein strafbarer Handlungen durch einen Beamten unter Ausnützung der ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit erfassende § 313 StGB normiert lediglich eine (dem § 39 StGB ähnliche) Strafschärfungsvorschrift in Ansehung solcher Delikte (vgl 9 Os 134/77 = ÖJZ‑LSK 1977/334), jedenfalls aber nicht deren Spezialität für den (dadurch nicht ausgeschlossenen) Fall, dass das betreffende Verhalten auch den Tatbestand des § 302 StGB erfüllt; einer in der Literatur (Liebscher, JBl 1976 S 382 f und JBl 1977 S 501) vertretenen These zuwider schaltet er dementsprechend weder das oben erörterte Konkurrenzproblem aus, noch führt er in Bezug auf die diesem zugrundeliegende Beurteilung, dass allgemein strafbedrohte Handlungen auch durch Missbrauch der Amtsgewalt begangen werden können, zu einer anderen Lösung.

Ein Rechtsirrtum haftet dem bekämpften Schuldspruch daher gleichfalls nicht an, sodass die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach dem § 302 Abs 1 StGB zu einem Jahr Freiheitsstrafe. Dabei wertete es sein Geständnis als mildernd, seine einschlägige Vorstrafe und seinen Rückfall innerhalb der Probezeit hingegen als erschwerend.

Der Berufung des Angeklagten, mit der er eine Strafherabsetzung und die Verhängung einer Geldstrafe anstatt der Freiheitsstrafe anstrebt, kommt teilweise Berechtigung zu.

Unberechtigt ist das Begehren des Berufungswerbers, ihm auch die leichte Gelegenheit zum Paketdiebstahl als mildernd zugutezuhalten; denn gerade auf dem Missbrauch eben dieses Gelegenheitsverständnisses bei der Vornahme seiner Amtsgeschäfte beruht der spezielle Unrechtsgehalt seiner Tat. Wohl aber ist der Umstand, dass aus der Tat ein materieller Schaden nicht entstanden ist (§ 34 Z 13 StGB), als weiterer Milderungsgrund zu berücksichtigen. Dementsprechend erscheint unter Bedacht auf die tat‑ und persönlichkeitsbezogene Schuld des Angeklagten (§ 32 StGB) eine Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe auf die Dauer von sieben Monaten als gerechtfertigt.

Dahin war folglich der Berufung stattzugeben; die Verhängung einer Geldstrafe anstatt einer Freiheitsstrafe hingegen kam gemäß dem § 37 StGB schon mit Rücksicht auf die als angemessen erkannte Strafdauer nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte