European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00008.16I.1219.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung
Rechtliche Beurteilung
1. Verjährung:
1.1 Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1487 ABGB gilt nach ständiger Rechtsprechung nicht für den im Testament ohnehin berücksichtigten, auf den Pflichtteil gesetzten oder in anderer Form, etwa durch Legate bedachten Noterben, der die Ausfolgung des Pflichtteils begehrt (6 Ob 189/98g SZ 71/166; 3 Ob 223/99m; 6 Ob 89/10x). Hier hat der Erblasser zugunsten der Klägerin mehrere Legate angeordnet, die deren (Nachlass-)Pflichtteil nur teilweise decken. Für die Vorinstanzen stellte sich die für die Anwendung der langen oder der kurzen Verjährungsfrist entscheidende Frage, ob die Geltendmachung des Ergänzungsanspruchs in Geld dem durch Auslegung des Testaments erschließbaren letzten Willen des Erblassers entspricht, oder ob die Klägerin ihren Anspruch gegen diesen letzten Willen durchzusetzen versucht.
1.2 Auf die angeblich unrichtige Auslegung eines Testaments kann – wenn die Verletzung der Testamentsauslegungsgrundsätze nicht dargetan wird –mangels Vorliegens einer in dieser Beziehung erheblichen Rechtsfrage im Rahmen der außerordentlichen Revision nicht näher eingegangen werden (RIS-Justiz RS0042896). Die Auslegung eines Testaments stellt regelmäßig eine Beurteilung im Einzelfall dar (RIS-Justiz RS0042555 [T12]) und begründet daher – abgesehen von einer auffallenden und somit korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung der zweiten Instanz – im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (2 Ob 17/16p).
1.3 Das Berufungsgericht meinte, im Testament komme der Wille des Erblassers zum Ausdruck, dass die Klägerin (insgesamt) den ihr gesetzlich zustehenden Pflichtteil erhält. Diese Auffassung ist vertretbar:
(a) Die einleitende Formulierung in Punkt III des Testaments „Zur Abgeltung ihres Pflichtteils“ lässt zunächst offen, ob der Pflichtteil der Klägerin mit den ihr ausgesetzten Legaten ganz oder nur teilweise abgegolten sein soll.
(b) Anders als etwa in der Entscheidung 5 Ob 602/84 SZ 57/170 wird die Möglichkeit einer weiteren Pflichtteilsforderung ausdrücklich dem Ermessen der Klägerin überlassen und dafür eine Anrechnungsregelung getroffen.
(c) Hält man sich die ratio des § 1487 ABGB vor Augen, dem Testamentserben möglichst rasch Gewissheit über mögliche Ansprüche zu verschaffen (vgl 4 Ob 214/06h; RIS‑Justiz RS0034392), so spricht auch dieser Aspekt für die Auslegung des Berufungsgerichts. Aufgrund des Wortlauts der Verfügung mussten die Beklagten mit solchen Ansprüchen rechnen.
1.4 Dass unter Umständen auch eine andere Auslegung, nämlich die der beklagten Parteien, vertretbar wäre, begründet noch keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (7 Ob 244/13b mwN). Von der vertretbaren Auslegung des Berufungsgerichts ausgehend, ist diesem aber jedenfalls keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Verjährungsfrage, soweit eine solche in der Revision releviert wurde, vorwerfbar.
2. Bewertung der Legate:
2.1 Die Vorinstanzen bewerteten einige der ausgesetzten Legate nach versicherungsmathematischen Grundsätzen, was von den beklagten Parteien grundsätzlich nicht beanstandet wird. Sie versuchen aber aus der Entscheidung 2 Ob 60/99h abzuleiten, dass ihre bisherigen (nicht festgestellten, jedoch für einen bestimmten Zeitraum behaupteten) Zahlungen zu berücksichtigen und nur die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung zu erbringenden wiederkehrenden Leistungen zu schätzen seien.
2.2 Nach dem Sachverhalt der genannten Entscheidung starb die pflichtteilsberechtigte Legatarin vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz. Der Oberste Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass in einem derartigen Fall für die Pflichtteilsdeckung nicht der nach versicherungsmathematischen Grundsätzen ermittelte fiktive Wert des Vorausvermächtnisses des Wohnrechts, sondern vielmehr nur jener Wert maßgebend sei, welcher der tatsächlichen Inanspruchnahme des Wohnrechts durch die verstorbene Klägerin im Zeitpunkt der wirklichen Zuteilung entsprach.
Die Meinung des Berufungsgerichts, der vorliegende Fall sei mit dem damals beurteilten Sachverhalt nicht vergleichbar, ist unbedenklich, hat doch hier die Klägerin den Schluss der Verhandlung erster Instanz überlebt.
2.3 Auch mit ihren weiteren Überlegungen zu diesem Thema zeigen die beklagten Parteien keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Haben sie, wie sie in der Revision behaupten, für die wiederkehrenden Leistungen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung schon mehr ausgegeben als die versicherungsmathematische Bewertung ergibt, läge eine Überzahlung auf die Legate vor, die sie zur– nicht prozessgegenständlichen – Rückforderung oder Aufrechnung berechtigen könnten. Wieso aber diese behaupteten Leistungen ohne entsprechende Widmung auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch anzurechnen sein sollen, bleibt ebenso unerfindlich, wie die Behauptung, dass mehr zu zahlen wäre als der Pflichtteil beträgt. Rechnerisch wird dies jedenfalls nicht belegt.
3. Zinsen:
3.1 Die Klägerin hat entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung im erstinstanzlichen Verfahren Vorbringen zur Wertsteigerung des Nachlasses erstattet, ohne diese selbst geltend zu machen (vgl Bd III ON 84 AS 73; Bd V ON 171 AS 133 f). Durch dieses Vorbringen unterscheidet sich die Aktenlage ganz grundsätzlich von jener, die der in der Revision zitierten Entscheidung 4 Ob 169/13a zugrunde lag. Die beklagten Parteien haben das erwähnte Vorbringen der Klägerin jeweils nur unsubstanziiert bestritten (Bd III ON 86 AS 80; Bd V ON 173 AS 146).
3.2 Tatsachen, die nicht zugestanden, aber auch nicht ausdrücklich bestritten worden sind, bedürfen grundsätzlich eines Beweises (RIS-Justiz RS0039955). Ausnahmsweise ist aber bloßes „unsubstanziiertes Bestreiten“ als Geständnis anzusehen, wenn nämlich die vom Gegner aufgestellte Behauptung offenbar leicht widerlegbar sein musste, dazu aber nie konkret Stellung genommen wird (RIS‑Justiz RS0039927, RS0039977 [T1]). In 8 ObA 80/15w wurde dazu ausgeführt, dass eine inhaltliche Bestreitungspflicht der Parteien besteht, zum Tatsachenvorbringen des Gegners somit konkrete Gegenbehauptungen aufgestellt werden müssen, es sei denn, dass von der Partei – etwa weil sie in die Sphäre des anderen keinen Einblick hat – konkrete Tatsachenbehauptungen nicht erwartet werden können.
3.3 Im vorliegenden Fall sind es die beklagten Parteien, die Kenntnis über die Entwicklung des ererbten Vermögens haben müssen, sodass im Sinne der obigen Rechtsprechung konkretes Gegenvorbringen von ihnen zu erwarten gewesen wäre. Nicht einmal in der Revision wird der Eintritt einer Wertsteigerung in Abrede gestellt, sondern nur– insoweit jedoch unzutreffend – entsprechendes Vorbringen der Klägerin.
Unter diesen Umständen konnte das Berufungsgericht von einem Tatsachengeständnis wegen unsubstanziierten Bestreitens ausgehen. Es begründet dann aber auch keine Verkennung der Rechtslage, wenn es sich der in der Entscheidung 9 Ob 204/00s als vertretbar bezeichneten Lösung anschloss und die gesetzlichen Zinsen (statt der nicht begehrten Wertsteigerung) zusprach, zumal auch hier keine „entgegenstehenden Behauptungen“ zur Wertentwicklung erstattet wurden.
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