OGH 4Ob169/13a

OGH4Ob169/13a19.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** G***** F*****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach I*****, vertreten durch die erbserklärte Erbin M***** E***** F*****, vertreten durch HBA Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 190.179,27 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. Juli 2013, GZ 13 R 250/12y‑118, (Revisionsinteresse 109.349,07 EUR), den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. In einem Streit über die Höhe des Pflichtteils stellten die Vorinstanzen nach aufwendigem Beweisverfahren aufgrund verschiedener Indizien fest, dass der Erblasser bei seinem Tod über ein Vermögen von 1.467.975,47 EUR verfügt habe, davon 860.000 EUR auf einem Schweizer Konto; ein Vorbringen der Klägerin zu weiterem Vermögen sahen sie nicht als erwiesen an. In ihrer außerordentlichen Revision macht die Klägerin geltend, dass die Beweislast zum Nichtvorliegen dieses weiteren Vermögens die beklagte Verlassenschaft getroffen habe.

2. Weder Beweisschwierigkeiten noch die „Nähe“ zum Beweis rechtfertigt allerdings eine Verschiebung der objektiven Beweislast (RIS-Justiz RS0040182 [T12, T13]). Anderes gilt zwar allenfalls bei „tief in die Sphäre einer Partei reichenden Umständen“ (RIS-Justiz RS0013491, RS0121528). Dies setzt aber voraus, dass die nach allgemeinen Grundsätzen beweispflichtige Partei ihrer eigenen Beweispflicht im zumutbaren Maß nachkommt (4 Ob 1638/95 mwN; RIS-Justiz RS0037797 [T17]; zuletzt etwa 10 Ob 21/08y = JBl 2009, 708 und 4 Ob 199/10h = SZ 2010/157). Im vorliegenden Fall hätte eine solche Beweislastumkehr für die weitere Entwicklung des Schweizer Vermögens erwogen werden können, wenn der Klägerin der (aufgrund einiger Indizien theoretisch mögliche) Beweis gelungen wäre, dass der Erblasser dort tatsächlich zu einem früheren Zeitpunkt 24 Mio Schilling angelegt hatte. Genau das hat das Erstgericht aber nicht als erwiesen angenommen, führte es doch aus, dass es sich bei der Nennung dieses Betrags durch die Witwe um eine „ungefähre Schätzung aller Vermögenswerte beider Ehegatten“ (also nicht nur des in der Schweiz angelegten Vermögens des Erblasser) gehandelt habe. Unter diesen Umständen ist die Annahme des Berufungsgerichts vertretbar, dass die (plausibel begründete) Negativfeststellung des Erstgerichts zu weiterem Vermögen des Erblassers im Todeszeitpunkt nach allgemeinen Grundsätzen der Klägerin zur Last fällt.

3. Da die Verlassenschaft nach § 786 zweiter Satz ABGB bis zur „wirklichen Zuteilung“ als ein den „Haupt- und Noterben verhältnismäßig gemeinschaftliches Gut“ anzusehen ist, nehmen die Noterben bis dahin an deren wirtschaftlicher Entwicklung teil. Es gebührt ihnen daher ein verhältnismäßiger Anteil an den Erträgen und am Wertzuwachs (7 Ob 596/76 = SZ 49/92; 6 Ob 12/76 = SZ 49/118, RIS-Justiz RS0012933 [insb T2]; vgl zur Möglichkeit einer Teileinklagung 3 Ob 315/05b = SZ 2006/45). Das hilft der Klägerin im vorliegenden Fall aber nicht weiter: Sie hat ihren Anspruch in erster Instanz ausschließlich auf das von ihr behauptete Vermögen im Todeszeitpunkt gestützt. Ein Vorbringen zu Erträgen oder einer Werterhöhung hat sie nicht erstattet. Daher brauchte das Erstgericht dazu keine Beweise aufnehmen, noch durfte es dazu Feststellungen treffen und darauf einen (weiteren) ‑ vom Begehren nicht gedeckten ‑ Zuspruch gründen. Eine Erörterungspflicht und damit einen Mangel des Verfahrens erster Instanz hat das Berufungsgericht ‑ zutreffend (RIS‑Justiz RS0108818, RS0037052) ‑ verneint; diese Frage kann daher in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963).

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