OGH 2Ob73/15x

OGH2Ob73/15x16.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** S*****, vertreten durch Mag. Bernd Trappmaier, Rechtsanwalt in Korneuburg, gegen die beklagte Partei K***** P*****, vertreten durch Mag. Claus Marchl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 25.396,03 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Jänner 2015, GZ 11 R 239/14v‑26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30. September 2014, GZ 57 Cg 30/14x‑22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0020OB00073.15X.1216.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.470,24 EUR (darin 245,04 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Klägerin ist das einzige Kind der am 24. 12. 2010 verstorbenen Erblasserin. Diese hatte in ihrem Testament vom 6. 4. 2010 die Klägerin und die Beklagte, eine Nachbarin der Erblasserin, zu gleichen Teilen zu Erben eingesetzt und mehrere weitere letztwillige Anordnungen getroffen.

Abgesehen von diesem Testament hinterließ die Erblasserin noch drei ältere letztwillige Verfügungen, nämlich vom 28. 4. 1976 und vom 6. 4. 1995, worin sie jeweils ‑ auch der Klägerin ‑ diverse Legate ausgesetzt, aber keine Erbseinsetzung angeordnet hatte. Der Inhalt der letztwilligen Verfügung vom 19. 1. 2004 ist nicht feststellbar.

Der Gerichtskommissär übernahm am 25. 1. 2011 das Testament vom 6. 4. 2010 und errichtete am selben Tag das Übernahmeprotokoll. Die Klägerin behauptete im Verlassenschaftsverfahren die Ungültigkeit des Testaments. In weiterer Folge gab sie unter Berufung auf ihr gesetzliches Erbrecht zum gesamten Nachlass die bedingte Erbantrittserklärung ab; nur hilfsweise stützte sie sich ‑ zur Hälfte des Nachlasses ‑ auf das Testament. Die Beklagte gab ihrerseits aufgrund des Testaments vom 6. 4. 2010 zur Hälfte des Nachlasses die bedingte Erbantrittserklärung ab. Der vom Gerichtskommissär am 14. 7. 2011 unternommene Einigungsversuch scheiterte. Das daran anschließende Verfahren über das Erbrecht endete mit dem unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Ausspruch des Abhandlungsgerichts vom 3. 8. 2012, dass das Erbrecht der nunmehrigen Streitteile je zur Hälfte aufgrund des Testaments vom 6. 4. 2010 festgestellt wird. Die Entscheidung wurde den Parteien am 7. 8. 2012 zugestellt. Am 28. 4. 2014 wurde ihnen der Nachlass je zur Hälfte eingeantwortet.

Am 2. 5. 2014 erhob die Klägerin gegen die Beklagte eine Pflichtteilsergänzungsklage, deren Zahlungsbegehren sie später teils einschränkte, teils um einen Schenkungspflichtteil ausdehnte.

Die Beklagte wandte ua Verjährung ein.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Sie beurteilten den geltend gemachten Pflichtteilsanspruch übereinstimmend als verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1487 ABGB habe mit der Errichtung des Übernahmeprotokolls zu laufen begonnen und sei bei Einbringung der Klage bereits verstrichen gewesen. Der Streit über das Erbrecht bewirke nur eine Ablaufhemmung, die im vorliegenden Fall aber nicht zum Tragen gekommen sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es begründete diesen Ausspruch damit, dass der Oberste Gerichtshof noch nicht klargestellt habe, ob seit dem Inkrafttreten des neuen Außerstreitgesetzes ein vom Pflichtteilsberechtigten eingeleiteter Erbrechtsstreit eine Ablaufhemmung bewirke oder ob die Verjährungsfrist erst mit der rechtskräftigen Beendigung des Erbrechtsstreits einsetze.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist entgegen diesem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Weder in der Begründung des zweitinstanzlichen Zulassungsausspruchs noch im Rechtsmittel der Klägerin wird eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt:

1. Die Klägerin stellt nicht in Frage, dass ihr Pflichtteilsanspruch der kurzen Verjährungsfrist des § 1487 ABGB unterliegt (vgl RIS‑Justiz RS0012962, RS0034392 [T3, T6]). Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Verjährungsfrist zur Geltendmachung des gesetzlichen Pflichtteilsanspruchs seit dem Inkrafttreten des Außerstreitgesetzes 2005 mit der in § 152 Abs 1 AußStrG vorgesehenen Errichtung des Übernahmeprotokolls beginnt (1 Ob 159/10d SZ 2010/133 = JBl 2011, 388 [ Minderock ]; 1 Ob 139/12s; 7 Ob 226/13f; RIS‑Justiz RS0126541).

Im vorliegenden Fall wurde das Übernahmeprotokoll am 25. 1. 2011 errichtet. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Verjährungsfrist an diesem Tag zu laufen begann, steht mit der zitierten Rechtsprechung im Einklang und wirft keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

2. Die Klägerin meint, aus der Entscheidung 1 Ob 200/06b sei abzuleiten, dass die Verjährungsfrist erst mit der rechtskräftigen Beendigung des Erbrechtsstreits zu laufen begonnen habe. Erst zu diesem Zeitpunkt sei für sie nämlich klar gewesen, dass sie auf die Geltendmachung ihres Pflichtteilsergänzungsanspruchs verwiesen sei. Sie wiederholt damit ihre schon in der Berufung vorgetragenen Argumente, die das Berufungsgericht bereits ausführlich und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs behandelt hat:

2.1 Der Entscheidung 1 Ob 200/06b lag der besondere Fall zugrunde, dass die in mehreren aufeinanderfolgenden letztwilligen Verfügungen als Alleinerbin Bedachte nach erfolgreicher Anfechtung dieser Verfügungen durch den in einem (noch) früheren Testament eingesetzten Alleinerben auf die Geltendmachung ihres Pflichtteilsanspruchs verwiesen war. Der Oberste Gerichtshof führte aus, dass unter den konkreten Umständen eine Pflichtteilsergänzungsklage vor Beendigung der Erbrechtsstreitigkeiten „auch nach objektiven Gesichtspunkten unvernünftig“ gewesen wäre, weshalb die Verjährungsfrist gar nicht erst zu laufen begonnen habe.

2.2 Im davon zu unterscheidenden gegenständlichen Fall war die Klägerin nicht als vermeintliche Alleinerbin einer Testamentsanfechtung ausgesetzt, sondern sie bekämpfte als Miterbin und Pflichtteilsberechtigte selbst die Gültigkeit des Testaments. Wie der Oberste Gerichtshof bereits klargestellt hat, obliegt in solchen Fällen allein dem Noterben die Entscheidung, ob er seine Zweifel an der Gültigkeit der letztwilligen Verfügung hintanstellt und sich von vornherein auf die Geltendmachung „sicherer Pflichtteilsansprüche“ beschränkt, oder ob er die letztwillige Verfügung anficht. Es liegt kein objektives Hindernis für die Einbringung der Pflichtteilsklage vor (vgl RIS‑Justiz RS0034248), weshalb die Verjährungsfrist bereits mit der Fälligkeit des Pflichtteilsanpruchs zu laufen beginnt (4 Ob 511/93; 5 Ob 164/00d; RIS‑Justiz RS0012227). Das ist, wie erörtert, nach der geltenden Rechtslage der Tag der Errichtung des Übernahmeprotokolls (vgl auch Minderock , JBl 2011, 389).

2.3 In der Entscheidung 4 Ob 511/93 hat der Oberste Gerichtshof auch dem Umstand Rechnung getragen, dass ein Noterbe, der zunächst mit Erbrechtsklage gegen den Testamentserben sein gesetzliches Erbrecht geltend macht, nicht gleichzeitig auch gegen den Nachlass die Pflichtteilsklage erheben kann, weil diese ja gerade zur Voraussetzung hat, dass er nicht zum Erben berufen ist. Erhebe daher, so der vierte Senat, ein Noterbe die Erbrechtsklage, so bedeute dies ‑ ähnlich wie Vergleichsverhandlungen ‑ für die Verjährung der Pflichtteilsansprüche einen Hemmungsgrund eigener Art. Der Ablauf der Verjährungsfrist werde für die Dauer des Erbrechtsstreits gehemmt. Die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs trete dann nicht ein, wenn ‑ bei entsprechender Dauer des Erbrechtsstreits ‑ nach rechtskräftiger Abweisung der Erbrechtsklage unverzüglich (dh in angemessener Frist) die Pflichtteilsklage erhoben wird (ebenso 5 Ob 164/00d; RIS‑Justiz RS0012227; Minderock , JBl 2011, 389).

2.4 Das Berufungsgericht ist auch diesen Grundsätzen gefolgt. Gründe, aus denen sie im neu geregelten Verfahren über das Erbrecht, in dem nun das Abhandlungsgericht die Entscheidung über das beste Erbrecht trifft (§§ 161 ff AußStrG; zur Rechtsentwicklung vgl Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 161 Rz 1 ff), nicht weiterhin aktuell sein sollten, werden in der Revision nicht genannt. Die von der Klägerin statt dessen vertretene These, der Erbrechtsstreit begründe in analoger Anwendung des § 1494 ABGB keine Ablaufs‑, sondern eine Fortlaufshemmung, vermag sich weder auf Rechtsprechung noch auf Literaturstimmen zu stützen, entbehrt somit jeglicher Grundlage und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf.

3. Da es somit zur Verjährungsfrage der Lösung von Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht bedarf, ist die Revision zurückzuweisen. Auf die von den Vorinstanzen mit unterschiedlicher Begründung bezweifelte Schlüssigkeit des Anspruchs ist nicht mehr einzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

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