OGH 2Ob207/13z

OGH2Ob207/13z9.7.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** M*****, vertreten durch Dr. Clemens Hasenauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei N***** M*****, vertreten durch Dr. Tibor Fabian, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 27. August 2013, GZ 44 R 412/13h‑46, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom 23. Oktober 2012, GZ 54 C 30/11h‑21, als nichtig aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst wird zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.100,30 EUR (darin 183,38 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist ferner zum Ersatz der Pauschalgebühr für den Rekurs der klagenden Partei verpflichtet.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Parteien schlossen am 10. 9. 2007 vor dem Standesamt Hietzing die Ehe. Der Kläger ist Österreicher, die Beklagte ist polnische Staatsangehörige.

Mit der am 16. 8. 2011 zu Protokoll gegebenen Klage begehrte der Kläger die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Beklagten. Dieser wurden sowohl die Klage als auch die Ladung zu der für den 11. 1. 2012 anberaumten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung an der in der Klage angegebenen Adresse C***** in Wien 10, zugestellt.

Zur Tagsatzung vom 11. 1. 2012 erschien nur die Beklagte, worauf der Erstrichter mit Beschluss die Klage gemäß § 460 Z 5 ZPO also ohne Verzicht auf den Anspruch zurückgenommen erklärte. Mit Beschluss vom selben Tag wurde dem Kläger auf dessen Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Tagsatzung bewilligt. Ferner wurde der die Zurücknahme der Klage aussprechende Beschluss wieder aufgehoben und die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung für den 20. 2. 2012 anberaumt. Dieser Beschluss samt der darin enthaltenen „Ladung“ (Punkt 5.) wurde der Beklagten am 25. 1. 2012 zugestellt. Zur Tagsatzung vom 20. 2. 2012 kam diesmal nur der Kläger. Der Erstrichter erstreckte die Tagsatzung auf den 11. 4. 2012, verlegte sie danach aber auf unbestimmte Zeit. Die Ladung und der Verlegungsbeschluss wurden der Beklagten am 6. 3. 2012 bzw 10. 4. 2012 zugestellt.

Am 3. 7. 2012 wurde für den 3. 10. 2012 eine Tagsatzung anberaumt. Bereits am 5. 7. 2012 wurde dieser Termin auf den 5. 10. 2012 verlegt. Die Ladung zu dieser Verhandlung wurde der Beklagten am 14. 7. 2012 durch Hinterlegung an der aktenkundigen Adresse zugestellt. Am 7. 8. 2012 wurde die Sendung mit dem Vermerk „nicht behoben“ an das Erstgericht retourniert. Die Tagsatzung vom 5. 10. 2012 blieb seitens der Beklagten unbesucht. Der Erstrichter vernahm den Kläger und schloss die Verhandlung.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. In seiner Entscheidungsbegründung hielt es ua fest, dass sich die Beklagte am Verfahren nicht beteiligt habe.

Das Urteil wurde der Beklagten am 13. 11. 2012 durch Hinterlegung an der aktenkundigen Adresse zugestellt. Am 4. 12. 2012 wurde die Sendung mit dem Vermerk „nicht behoben“ an das Erstgericht retourniert.

Am 26. 2. 2013 stellte die Beklagte den Protokollarantrag auf Aufhebung der Bestätigung der Rechtskraft und der Vollstreckbarkeit des erstinstanzlichen Urteils. Sie habe weder die Ladung zur Verhandlung vom 5. 10. 2012 noch das Urteil zugestellt erhalten. Seit Juni 2012 wohne sie nicht mehr in der C*****, sondern in der L***** in Wien 2. Der Beklagten wurde eine Ausfertigung des Scheidungsurteils ausgefolgt.

Mit Beschluss vom 19. 3. 2013 gab das Erstgericht dem Antrag der Beklagten statt. Es stellte fest, dass die Beklagte seit Juni 2012 nicht mehr in der C***** wohne. Seit 11. 6. 2012 sei sie an der Adresse L***** in Wien 2 gemeldet. Die Zustellung durch Hinterlegung an der alten Adresse sei nicht wirksam gewesen. Dieser Beschluss erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.

Das Berufungsgericht hob das erstinstanzliche Urteil als nichtig auf und trug dem Erstgericht die teilweise Neudurchführung des Verfahrens auf. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Das Berufungsgericht verneinte den gerügten Verfahrensmangel, bejahte jedoch die geltend gemachte Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO.

Dazu führte es aus, die Beklagte sei ihrer in § 8 Abs 1 ZustG statuierten Mitteilungspflicht nicht nachgekommen, das Erstgericht habe auch nicht auf andere Weise von der Änderung der Abgabestelle Kenntnis erlangt. Für diesen Fall habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 174/01v ausgesprochen, dass die Zustellung durch Hinterlegung an der bisher bekannten Adresse wirksam sei. In der Lehre sei strittig, ob ein ausländischer Staatsbürger über die in § 8 Abs 2 ZustG normierten Rechtsfolgen ausdrücklich belehrt werden müsse. Nach polnischem Zivilprozessrecht (Art 136 § 1 kpc) sei die Partei zur Benachrichtigung des Gerichts über den Wechsel des Wohnorts verpflichtet. Gemäß Art 136 § 2 kpc habe das Schriftstück bei Pflichtverletzung im Akt zu verbleiben; die Zustellung gelte als bewirkt, es sei denn dem Gericht sei eine neue Anschrift bekannt. Nach polnischer Rechtslage habe das Gericht die Partei über diese Pflicht und die Folgen ihrer Nichtbeachtung bei der ersten Zustellung zu belehren. Im vorliegenden Fall sei keine entsprechende Belehrung erfolgt. Da aber nach der Entscheidung 4 Ob 174/01v die Hinterlegung an der bisherigen Abgabestelle zur Entsprechung des § 8 Abs 2 ZustG ausreiche, sei ein Vorgehen nach § 23 ZustG bzw Art 136 § 2 kpc nicht erforderlich.

Die Beklagte sei ihrer Meldepflicht zwar nicht gegenüber dem Gericht, wohl aber gegenüber dem Meldeamt nachgekommen. Hätte der Zusteller Anfang Juli 2012 die Ladung in Ermangelung einer Abgabestelle nicht an der bisherigen Adresse der Beklagten durch Hinterlegung zugestellt, hätte das Erstgericht nach § 8 Abs 2 ZustG eine Meldeanfrage durchführen müssen und von der neuen Abgabestelle Kenntnis erlangt. Eine Zustellung nach § 8 Abs 2 ZustG hätte nicht vorgenommen werden dürfen. Es vermöge schon im Allgemeinen „nicht gänzlich zu überzeugen“, wenn die Wirksamkeit einer Hinterlegung nach § 17 ZustG, die „ipso facto“ zu einer Zustellung gemäß § 8 Abs 2 ZustG werde, vom Wissensstand des Zustellers abhängig sein soll. Im vorliegenden Fall sei dies jedenfalls unangemessen. Im Hinblick auf die für die Beklagte unerwartete Fortsetzung des Verfahrens, die Ladung ohne Hinweis auf die „Erscheinungspflicht“ gemäß § 460 Z 1 ZPO (im Beschluss vom 11. 1. 2012), die unterbliebene „Belehrung gemäß § 8 Abs 2 ZustG“ und die oftmaligen Verlegungen der Tagsatzung, könne sich das Berufungsgericht der Auffassung nicht anschließen, dass das Erstgericht von seiner Nachforschungspflicht befreit und der von der Beklagten erbrachte „Beweis der Wirkungslosigkeit der Hinterlegung“ ohne Bedeutung sein solle. Die Zustellung der Ladung an der früheren Adresse der Beklagten habe daher keine Rechtswirksamkeit entfaltet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil es an einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu der Wirksamkeit einer Zustellung durch Hinterlegung an der bisherigen Abgabestelle fehle, wenn das Gericht bei einer Meldeanfrage die neue Abgabestelle ohne Schwierigkeiten feststellen hätte können. Im Übrigen bestünden uneinheitliche Lehrmeinungen zu der Frage, ob eine im Inland aufhältige ausländische Partei über die Rechtsfolge des § 8 Abs 2 ZustG belehrt werden müsse.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem (sinngemäßen) Antrag, das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Der Kläger macht geltend, die Beklagte habe dem Gericht die Änderung der Abgabestelle nicht mitgeteilt, wozu sie auch nach polnischem Recht verpflichtet gewesen wäre. Das Gericht sei ohne Kenntnis von einem Zustellmangel nicht verpflichtet gewesen, die Rechtmäßigkeit des Zustellvorgangs „von sich aus“ zu überprüfen.

Hiezu wurde erwogen:

1. Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde nach § 8 Abs 1 ZustG unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist nach § 8 Abs 2 ZustG, soweit die Verfahrensvorschriften nichts anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten ermittelt werden kann. § 23 ZustG regelt die Anordnung und Durchführung der Hinterlegung ohne vorhergehenden Zustellversuch.

Als „bisherige Abgabestelle“ iSd § 8 Abs 1 ZustG ist jene Abgabestelle anzusehen, die nach dem Kenntnisstand der Partei im konkreten Verfahren der Behörde als ihre Abgabestelle bekannt ist (vgl RIS‑Justiz RS0006044; Gitschthaler in Rechberger, ZPO4 § 87 [§ 8 ZustG] Rz 9). Die Behörde hat Erhebungen zur Ermittlung einer neuen Abgabestelle durchzuführen, wobei sie allerdings nur verpflichtet ist, einfache, zumutbare Hilfsmittel heranzuziehen (9 Ob 296/00w; 10 Ob 79/06z). Sie entspricht in der Regel ihrer Ausforschungspflicht, wenn sie bei natürlichen Personen eine entsprechende Anfrage an die Meldebehörde richtet (RIS‑Justiz RS0115026; Gitschthaler aaO § 87 [§ 8 ZustG] Rz 14).

2. § 8 ZustG lässt allerdings den Fall ungeregelt, dass das Gericht von der Änderung der Abgabestelle auch durch die Zustellbehörde keine Kenntnis erlangt und sich daher zu Nachforschungen über die Abgabestelle des Empfängers nicht veranlasst sehen kann.

In der Entscheidung 4 Ob 174/01v (= RIS‑Justiz RS0115725, RS0115726), der eine solche Fallkonstellation zugrunde lag, widersprach der Oberste Gerichtshof der Meinung des damaligen Rekursgerichts, dass bei fehlender Kenntnis des Prozessgerichts von der Änderung der Abgabestelle nur dann wirksam zugestellt werden könne, wenn sich die Partei tatsächlich noch an der früheren Abgabestelle aufhalte. Er folgte hingegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach die Partei mit der Unterlassung der ihr obliegenden Mitteilung der Änderung der Abgabestelle die Gefahr trage, dass an der früheren Abgabestelle zugestellt werde und die Behörde die Änderung nicht ohne Schwierigkeiten erkennen könne. In einem solchen Fall könne an dieser Abgabestelle zugestellt werden, gleichgültig, wo sich die Partei befunden habe und welche Abgabestelle für sie zu diesem Zeitpunkt sonst in Betracht gekommen wäre (VwGH 19. 6. 1998, 96/02/0253). Der 4. Senat argumentierte, dem Gericht sei die Feststellung der nunmehrigen Abgabestelle schon deshalb nicht „ohne Schwierigkeiten“ möglich, weil es gar keinen Grund habe, Nachforschungen anzustellen. Im (damals) vorliegenden Fall komme noch hinzu, dass dem Gericht die Feststellung einer neuen Abgabestelle auch dann nicht möglich gewesen wäre, wenn es von der Änderung erfahren hätte. Die Hinterlegung nach § 17 ZustG habe demnach die Wirkung der Zustellung.

An dieser Rechtsprechung hat in der Folge sowohl der Verwaltungsgerichtshof (vgl etwa VwGH 15. 3. 2006, 2003/18/0019) als auch der Oberste Gerichtshof (vgl 8 Ob 103/03k; 1 Ob 282/03g) festgehalten.

3. In der Lehre wird sie teils ablehnend (Raschauer/Riesz in Frauenberger‑Pfeiler/Raschauer/ Sander/Wessely, Zustellrecht² [2012] § 8 ZustG Rz 12c mwN aus dem verwaltungsrechtlichen Schrifttum), teils differenziert (Stumvoll in Fasching/Konecny² ErgBd § 8 ZustG Rz 13 ff) und teils ohne kritische Anmerkungen (Gitschthaler aaO § 87 [§ 8 ZustG] Rz 12) kommentiert.

Stumvoll (aaO Rz 14) weist zwar darauf hin, dass die ‑ von ihm als „Wirksamkeitslösung“ bezeichnete ‑ Rechtsprechung wegen ihres den Säumigen treffenden aleatorischen Charakters „nicht voll überzeugen“ könne, räumt aber ein, dass auch die Alternative („Unwirksamkeitslösung“), bei welcher die Säumigkeit sanktionslos bliebe, nicht befriedigend sei.

Raschauer/Riesz (aaO) sind der Ansicht, die ratio legis erfordere spätestens nach dem ersten fehlgeschlagenen Zustellversuch, dass die Behörde die ihr zumutbaren Ermittlungen dahingehend anstrenge, ob die Abgabestelle noch den Kriterien des § 2 Z 4 und des § 8 ZustG entspreche (idS auch Thienel/Schulev‑Steindl, Verwaltungsverfahrens-recht5 [2009] 364). Diese Forderung, so richtig sie im Grundsätzlichen auch sein mag, zielt jedoch an der erörterten Problematik vorbei, da sich bei dieser eben nicht „im Zuge eines erfolglosen Zustellversuchs herausstellt“, dass der Adressat die Abgabestelle geändert hat (so aber Thienel/Schulev‑Steindl aaO).

Keine eigene Begründung für seine die Rechtsprechung ablehnende Ansicht liefert Ritz (BAO5 [2014] 993).

4. Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte Kenntnis von dem gegen sie anhängigen Verfahren, weshalb sie gemäß § 8 Abs 1 ZustG zur unverzüglichen Mitteilung der Änderung ihrer Abgabestelle (an der ihr zuvor mehrmals zugestellt worden war) an das Erstgericht verpflichtet war. Wegen der Verletzung der Mitteilungspflicht wurde ihr die Ladung zur Tagsatzung vom 5. 10. 2012 an der früheren Abgabestelle durch Hinterlegung zugestellt. Diese Zustellung war im Sinne der erörterten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs rechtswirksam. Weder die vom Berufungsgericht dagegen ins Treffen geführten Umstände, noch der aktuelle Stand der Diskussion in der Lehre bieten Argumente, die ausreichenden Anlass geben könnten, um von dieser Rechtsprechung wieder abzugehen. Dass dem Gericht selbst bei Kenntnis der Änderung der Abgabestelle die Feststellung einer neuen Abgabestelle nicht möglich gewesen wäre, bildete in der Entscheidung 4 Ob 174/01v keine tragende, sondern nur eine zusätzliche Begründung für das dort erzielte Ergebnis. Es vermag daher an der Beurteilung des gegenständlichen Sachverhalts nichts zu ändern, dass die Beklagte der Meldebehörde den Wechsel ihres Wohnsitzes angezeigt hat. Im Übrigen war die Beklagte schon vor diesem Wechsel zur Tagsatzung vom 20. 2. 2012 nicht erschienen. Umso weniger musste das Erstgericht Nachforschungen im Zusammenhang mit ihrem neuerlichen Nichterscheinen anstellen.

5. Der Oberste Gerichtshof hat in zwei Entscheidungen (8 Ob 507, 508/92; 10 Ob 2148/96x) die Ansicht vertreten, die Anwendung des § 8 ZustG gegenüber einer ausländischen Prozesspartei setze voraus, dass sie ihr (entweder) mit Rechtsbelehrung bekannt gemacht werde oder das Prozessrecht ihres Heimatstaats eine gleichartige Zustellvorschrift kenne (vgl RIS‑Justiz RS0083832; krit Stumvoll aaO § 8 ZustG Rz 12). In beiden Fällen hatte der Empfänger seine „bisherige Abgabestelle“ (§ 8 Abs 1 ZustG) im Ausland gehabt (England bzw Frankreich). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Aus den (nur) mit einem Hinweis auf § 2 ABGB begründeten Bedenken Gitschthalers, es sei fraglich, ob eine Zustellung nach § 8 Abs 2 ZustG nicht auch bei einer bisherigen Abgabestelle im Inland einer Bedachtnahme auf das Heimatrecht des Empfängers oder einer entsprechenden Belehrung bedürfte, wenn es sich tatsächlich um eine ausländische Partei handle (aaO § 87 [§ 8 ZustG] Rz 4), ist für die Beklagte ‑ eine polnische Staatsangehörige ‑ nichts zu gewinnen. § 2 ABGB bringt gerade zum Ausdruck, dass gehörig kundgemachte Gesetze ohne Rücksicht auf die Kenntnis der Normadressaten anzuwenden sind (F. Bydlinski in Rummel, ABGB³ § 2 Rz 1; P. Bydlinski in KBB4 § 2 Rz 2). Die Frage, ob und inwieweit die Beklagte ein „Verschulden“ an der Unkenntnis treffen könnte, ihr allfällige Rechtsunkenntnis also vorwerfbar wäre, stellt sich im gegebenen Zusammenhang nicht (vgl F. Bydlinski aaO § 2 Rz 2; P. Bydlinski aaO § 2 Rz 3).

6. Da die Beklagte zur Tagsatzung vom 5. 10. 2012 ordnungsgemäß geladen wurde, liegt der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO nicht vor (vgl RIS‑Justiz RS0042216). Das Vorliegen des in der Berufung gerügten Verfahrensmangels erster Instanz hat bereits das Berufungsgericht verneint. Die Rechtssache ist daher im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils spruchreif.

Ob der Protokollarantrag vom 26. 2. 2013 in einen (allenfalls verbesserungsbedürftigen) Wiedereinsetzungsantrag umgedeutet werden kann und ob ein solcher rechtzeitig wäre, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO, der Ausspruch über die Verpflichtung zum Ersatz der Pauschalgebühr auf § 70 ZPO.

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