OGH 4Ob174/01v

OGH4Ob174/01v12.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** AG, *****, vertreten durch Dr. Norbert Scherbaum und andere Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Leopold S*****, vertreten durch Dr. Willibald Rath und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen 6,004.812 S sA, infolge Revisionsrekurses beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 7. Juni 2001, GZ 2 R 94/01p-11, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 30. April 2001, GZ 22 Cg 180/96m-6, teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I.

1. Der Revisionsrekurs des Beklagten wird zurückgewiesen.

2. Der Revisionsrekurs der Klägerin wird, soweit er sich gegen Punkt 1 der angefochtenen Entscheidung richtet, zurückgewiesen.

II.

Dem Revisionsrekurs der Klägerin wird, soweit er sich gegen Punkt 2 der angefochtenen Entscheidung richtet, nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt 6,004.812 S sA. Sie habe dem Beklagten einen Abstattungskredit von zuletzt 200.000 S eingeräumt; darüber hinaus habe der Beklagte sein Gehaltsgirokonto um 5,707.198 S überzogen.

Die Klage und der Auftrag zur Klagebeantwortung wurden dem Beklagten am 21. 10. 1996 eigenhändig zugestellt. Am 11. 12. 1996 beantragte die Klägerin die Fällung eines Versäumungsurteils, weil der Beklagte keine Klagebeantwortung erstattet hatte. Das Versäumungsurteil wurde am 12. 12. 1996 erlassen und dem Beklagten unter der in der Klage angeführten Anschrift am 19. 12. 1996 durch Hinterlegung zugestellt.

Am 19. 4. 2001 beantragte der Beklagte, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Klagebeantwortung zu gewähren; eventualiter beantragte er, ihm die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Widerspruchs zu gewähren; schließlich erhob er Widerspruch gegen das Versäumungsurteil. Der Beklagte habe das Kuvert, mit dem er die Klage erhalten habe, nicht geöffnet. Grund dafür seien sein Alkohol- und Drogenkonsum und seine Belastung durch das bevorstehende Scheidungsverfahren gewesen. Es sei nicht mehr in der Lage gewesen, behördliche Schriftstücke in der üblichen Form zu bearbeiten und zu behandeln. Seine Krankheitssituation im Zeitraum Oktober bis Dezember 1996 sei derart massiv und gravierend gewesen, dass ihm "in diesem Zeitraum keine Geschäftsfähigkeit im üblichen Sinn" zugekommen sei. Die Behebung des Versäumungsurteils sei ihm schon deshalb nicht möglich gewesen, weil er sich zum Zustellzeitpunkt nicht mehr an der Zustellanschrift aufgehalten habe. Er sei bereits im November 1996 aus dem Haus seiner geschiedenen Ehegattin endgültig ausgezogen. Von der Klage und von dem gegen ihn ergangenen Versäumungsurteil habe der Beklagte erstmals am 4. 4. 2001 durch Erhebungen seiner Anwälte erfahren.

Das Erstgericht wies die Wiedereinsetzungsanträge gegen die Versäumung der Klagebeantwortungsfrist und die Widerspruchsfrist ab und wies den Widerspruch zurück. Erkrankungen könnten zwar einen Wiedereinsetzungsgrund bilden; die Folgen übermäßigen Drogen- und Alkoholkonsums hätten dem Beklagten aber bewusst sein müssen, so dass die Versäumung der Fristen weder unvorhergesehen noch unabwendbar gewesen sei. Sollte der Beklagte überhaupt nicht geschäftsfähig und damit nicht prozessfähig gewesen sein, so wäre der Zustellvorgang gesetzwidrig gewesen. Ein gesetzwidriger Zustellvorgang sei kein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund. Der Beklagte wäre verpflichtet gewesen, jede Änderung der Abgabestelle dem Gericht unverzüglich mitzuteilen. Dass die Änderung der Abgabestelle für das Gericht nicht erkennbar gewesen sei, gehe zu Lasten des Beklagten. Das Versäumungsurteil sei daher wirksam zugestellt worden; der Widerspruch sei verspätet.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten gegen die Abweisung seiner Wiedereinsetzungsanträge mit der Maßgabe nicht Folge, dass die Wiedereinsetzungsanträge zurückgewiesen werden, hob den Beschluss über die Zurückweisung des Widerspruchs auf, trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig seien. Ob von einem unabwendbaren und unvorhergesehenen Ereignis ausgegangen werden könne, wenn der Beklagte in dem von ihm behaupteten Zustand Gerichtsbriefe ungeöffnet lässt, lasse sich anhand seiner Behauptungen allein nicht prüfen. Schließlich sei von leichter Fahrlässigkeit auszugehen, wenn jemandem ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Es bedürfe aber keiner Verschuldensprüfung, weil der Beklagte behaupte, seinerzeit nicht geschäftsfähig gewesen zu sein. Die fehlende Geschäftsfähigkeit sei kein Wiedereinsetzungsgrund; der Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Klagebeantwortungsfrist sei daher zurückzuweisen. Die - zweifelhafte - Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrags brauche nicht mehr geprüft zu werden. Das Versäumungsurteil sei unter der in der Klage genannten Anschrift am 19. 12. 1996 durch Hinterlegung zugestellt worden. Der Beklagte habe das Gericht von der behaupteten Änderung der Abgabestelle nicht verständigt. Die Hinterlegung nach § 17 Abs 1 ZustG habe keine Zustellungswirkung, weil das Gericht die Hinterlegung hätte anordnen müssen. Nur das Gericht könne nach § 8 Abs 2 ZustG anordnen, die Sendung im Sinne des § 23 Abs 1 ZustG ohne weiteren vorherigen Zustellversuch beim Postamt zu hinterlegen. Es könne daher unabhängig davon, ob der Beklagte bei Zustellung des Versäumungsurteils ortsabwesend oder geschäfts- und prozessunfähig gewesen sei, nicht von einer wirksamen Zustellung durch Hinterlegung ausgegangen werden. Damit fehle es auch an einer Fristversäumung, die Voraussetzung eines Wiedereinsetzungsantrags sei. Insoweit gelte daher auch für den Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Widerspruchs das Gleiche wie für den Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Klagebeantwortungsfrist. Ohne Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse könne aber noch nicht angenommen werden, dass der Widerspruch verspätet sei. Sei der - nunmehr nach seinen eigenen Angaben offenbar wieder insoweit gesunde - Beklagte seinerzeit ortsabwesend gewesen, so sei das Versäumungsurteil nicht wirksam zugestellt worden. In diesem Fall wäre der Widerspruch rechtzeitig. Die nachträgliche Kenntnis vom Versäumungsurteil ersetze die Zustellung nicht. Dem Erstgericht sei eine neuerliche Entscheidung über den Widerspruch nach Prüfung der Ortsabwesenheit des Beklagten im Zeitpunkt der Urteilszustellung aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Beschluss über die Zurückweisung der Wiedereinsetzungsanträge (Punkt 1 des angefochtenen Beschlusses) gerichteten Revisionsrekurse des Beklagten und der Klägerin sind unzulässig; der Revisionsrekurs der Klägerin gegen den Beschluss über die Aufhebung des Beschlusses über die Zurückweisung des Widerspruchs (Punkt 2 des angefochtenen Beschlusses) ist zulässig, weil Rechtsprechung zu einem gleichartigen Sachverhalt fehlt; der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

I.

Zu den Revisionsrekursen beider Parteien gegen Punkt 1 des angefochtenen Beschlusses

In Punkt 1 des angefochtenen Beschlusses hat das Rekursgericht dem Rekurs des Beklagten gegen Punkt 1a und b des erstgerichtlichen Beschlusses (Abweisung der Wiedereinsetzungsanträge des Beklagten) mit der Maßgabe nicht Folge gegeben, dass die Wiedereinsetzungsanträge zurückgewiesen werden. Begründet hat das Rekursgericht seine Entscheidung damit, dass der Beklagte behauptet habe, seinerzeit nicht geschäftsfähig gewesen zu sein. Dies begründe keinen Wiedereinsetzungsfall, so dass die Wiedereinsetzungsanträge zurückzuweisen seien.

Das Rekursgericht hat die Wiedereinsetzungsanträge demnach zurückgewiesen, weil es der Auffassung war, dass der Beklagte einen Wiedereinsetzungsgrund nicht schlüssig behauptet habe. Dieser Auffassung war auch das Erstgericht. Es hat ausgeführt, dass der Beklagte gar nicht behauptet habe, durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert gewesen zu sein, die versäumten Prozesshandlungen vorzunehmen.

Mit seiner Maßgabebestätigung hat das Rekursgericht demnach die Entscheidung des Erstgerichts in Wahrheit nicht abgeändert, sondern nur verdeutlicht. In einem solchen Fall liegt eine zur Gänze bestätigende Entscheidung vor (s Kodek aaO § 528 Rz 4 mwN).

Zur Gänze bestätigende Entscheidungen sind gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO - mit einer hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme - nicht anfechtbar. Das gilt auch für Beschlüsse, mit denen das Rekursgericht die Zurück- oder Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags bestätigt (Gitschthaler in Rechberger, ZPO**2 § 153 Rz 4).

Der Revisionsrekurs des Beklagten und der (auch) gegen Punkt 1 des angefochtenen Beschlusses gerichtete Revisionsrekurs der Klägerin sind demnach schon aus diesem Grund unzulässig. Damit kann offenbleiben, ob die Klägerin durch den angefochtenen Beschluss überhaupt beschwert ist; eine Beschwer durch die Begründung allein genügt nach ständiger Rechtsprechung nur bei Rekursen gegen Aufhebungsbeschlüsse und bei Berufungen gegen Zwischenurteile (Kodek aaO vor § 461 Rz 10 mwN). Nicht einzugehen ist auch auf die Ausführungen des Beklagten, mit denen er darzulegen versucht, dass die Rekursfrist vier Wochen betrage und sein erst am 20. 7. 2001 zur Post gegebener Revisionsrekurs gegen den am 22. 6. 2001 zugestellten Beschluss rechtzeitig sei. Da sein Rechtsmittel unzulässig ist, ist die Rechtzeitigkeit nicht mehr zu prüfen.

II.

Zum Revisionsrekurs der Klägerin gegen Punkt 2 des angefochtenen Beschlusses

In Punkt 2 des angefochtenen Beschlusses hat das Rekursgericht den Beschluss des Erstgerichts über die Zurückweisung des Widerspruchs aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach "Prüfung der Ortsabwesenheit des Beklagten anlässlich der Urteilszustellung" aufgetragen. Nicht aufgetragen hat das Rekursgericht dem Erstgericht, die Prozessfähigkeit des Beklagten zu prüfen. Die gegenteilige Annahme der Klägerin beruht offensichtlich auf den Ausführungen auf Seite 10 des angefochtenen Beschlusses (AS 65). An dieser Stelle befasst sich das Rekursgericht mit den Behauptungen des Beklagten zum Wiedereinsetzungsgrund und führt aus, dass kein Wiedereinsetzungsfall vorliege, wenn das Gericht nach § 6a ZPO vorzugehen (gehabt) hätte und nunmehr das Prozessgericht gegebenenfalls die allfällige seinerzeitige Prozessfähigkeit oder den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 5 ZPO zu prüfen hätte.

Die vom Rekursgericht erwähnte Überprüfung setzt ein zulässiges Rechtsmittel voraus; andernfalls verhindert die Rechtskraft der Entscheidung jede Überprüfung der Prozessfähigkeit des Beklagten. Soweit daher die Wiedereinsetzungsanträge rechtskräftig zurückgewiesen sind, kann im Zusammenhang damit die Prozessfähigkeit des Beklagten nicht mehr überprüft werden.

Was den Widerspruch des Beklagten gegen das Versäumungsurteil betrifft, so hat der Beklagte behauptet, dass ihm das Versäumungsurteil bisher nicht wirksam zugestellt worden sei und sein Widerspruch daher rechtzeitig sei. Im Zeitpunkt der Zustellung durch Hinterlegung habe er an der in der Klage angegebenen und damals auch zutreffenden Zustelladresse nicht mehr gewohnt, weil er bereits Ende November 1996 die frühere Ehewohnung endgültig verlassen habe. Der Beklagte behauptet damit, seine Abgabestelle während des Verfahrens geändert zu haben.

Diesen Fall regelt § 8 ZustG. Nach § 8 Abs 1 ZustG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Unterlässt sie die Mitteilung, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann (§ 8 Abs 2 ZustG). Nicht ausdrücklich geregelt ist der Fall, dass das Gericht von der Änderung der Abgabestelle auch nicht durch die Post erfährt und sich daher nicht veranlasst sieht, Nachforschungen nach der nunmehrigen Abgabestelle der Partei anzustellen, um, sollten die Nachforschungen ergebnislos bleiben, eine Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch anordnen zu können.

Das Rekursgericht hat § 8 ZustG dahin verstanden, dass trotz Änderung der Abgabestelle und ohne Kenntnis der neuen Abgabestelle nur dann wirksam zugestellt werden könne, wenn das Prozessgericht von der Änderung erfährt und verfügt, die Zustellung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen. Bleibe die Änderung dem Prozessgericht unbekannt, so sei die Zustellung nur wirksam, wenn sich die Partei trotz Änderung der Abgabestelle nach wie vor an der früheren Abgabestelle aufhalte. In diesem Sinn trägt das Rekursgericht dem Erstgericht auf, die Ortsabwesenheit des Beklagten bei der Urteilszustellung zu prüfen.

Die Klägerin bekämpft diese Auffassung und verweist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt ausgesprochen, dass es zu Lasten der Partei geht, wenn sie die Abgabestelle während des Verfahrens ändert, die Änderung der Behörde nicht mitteilt und die Behörde die Änderung auch aufgrund des postalischen Vermerks nicht erkennen kann. Mit der Unterlassung der ihr obliegenden Mitteilung der Änderung der Abgabestelle trage die Partei die Gefahr, dass an der früheren Abgabestelle zugestellt wird und die Behörde die Änderung nicht ohne Schwierigkeiten erkennen kann. In einem solchen Fall habe die Unterlassung der Mitteilung der Aufgabe der Abgabestelle zur Folge, dass an diese Abgabestelle zugestellt werden kann, gleichgültig wo sich die Partei befunden hat und welche Abgabestelle für sie zu diesem Zeitpunkt sonst in Betracht gekommen wäre (ÖAMTC-LSK 1998/170 = ZfVB 1999/1920 mwN).

Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs an. Für diese Auffassung und gegen die - vom OLG Graz auch in AnwBl 1996/6150 (Grill) vertretene - Meinung des Rekursgerichts spricht, dass kein Grund ersichtlich ist, warum die Partei die nachteiligen Folgen einer Unterlassung der ihr obliegenden Mitteilung nicht treffen sollen, wenn die Meldung einer Änderung der Abgabestelle nicht nur von ihr unterlassen wird, sondern die Änderung dem Gericht auch nicht auf andere Weise bekannt wird. Die in § 8 Abs 2 ZustG vorgesehene Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch unterscheidet sich - von der Notwendigkeit einer Anordnung durch die zustellende Behörde abgesehen (s Gitschthaler aaO § 87 [§ 23 ZustG] Rz 1 mwN) - von der Hinterlegung nach § 17 ZustG nur dadurch, dass eine Hinterlegungsanzeige entfällt; sie kann daher auch nicht gewährleisten, dass die Partei von der Hinterlegung eher Kenntnis erlangte als bei einer Hinterlegung nach § 17 ZustG.

Erlangt das Gericht von der Änderung der Abgabestelle keine Kenntnis, so ist ihm die - in § 8 Abs 2 ZustG vor Anordnung der Zustellung durch vorausgehenden Zustellversuch aufgetragene - Feststellung der nunmehrigen Abgabestelle regelmäßig schon deshalb nicht "ohne Schwierigkeiten" möglich, weil es gar keinen Grund hat, Nachforschungen anzustellen. Im vorliegenden Fall kommt noch hinzu, dass weder das Vorbringen des Beklagten noch der sonstige Akteninhalt einen Anhaltspunkt für die Annahme bilden, dass der - nach seinen Behauptungen damals alkohol- und drogenabhängige - Beklagte nach dem behaupteten Verlassen der Ehewohnung über eine Abgabestelle verfügt hätte, deren Feststellung dem Gericht - hätte es von der Änderung erfahren - möglich gewesen wäre.

Die Hinterlegung des gegen den Beklagten ergangenen Versäumungsurteils nach § 17 ZustG hat demnach die Wirkung der Zustellung, wenn der Beklagte vom Verfahren Kenntnis hatte, es aber dennoch unterlassen hat, die Änderung der Abgabestelle dem Gericht mitzuteilen. Der Beklagte hat behauptet, das von ihm am 21. 10. 1996 eigenhändig übernommene Kuvert mit der Klage und dem Auftrag zur Klagebeantwortung nicht geöffnet zu haben. Seine psychische Belastungssituation sei seinerzeit derart groß gewesen, dass ihm die "Bearbeitung" der Klage im üblichen Sinn nicht möglich gewesen sei. Der Beklagte sei in diesem Zeitraum durch Alkohol- und Drogenkonsum und eine extreme Belastungssituation im Rahmen des bevorstehenden Scheidungsverfahrens derart beeinflusst bzw in seiner Entscheidungsfähigkeit derart beeinträchtigt gewesen, dass er nicht in der Lage gewesen sei, behördliche Schriftstücke oder eben gerichtliche Schriftstücke in der üblichen Form zu bearbeiten bzw zu behandeln. Seine Krankheitssituation im Zeitraum Oktober bis Dezember 1996 sei derart massiv und gravierend gewesen, dass ihm in diesem Zeitraum "keine Geschäftsfähigkeit im üblichen Sinn" zugekommen sei. Der Umstand, dass er sich nicht um das Kuvert mit der darin enthaltenen Klage gekümmert habe, sei ihm daher nicht als Verschulden anzulasten bzw handle es sich dabei nur um einen minderen Grad des Versehens, der bei der gegebenen Situation "entschuldbar" scheine. Zum Beweis seines Vorbringens hat sich der Beklagte auf die Vernehmung seiner geschiedenen Ehegattin, seines Rechtsvertreters, auf Parteienvernehmung und auf den Scheidungsakt berufen.

Aus dem Scheidungsakt geht hervor, dass die Scheidungsklage dem Beklagten am 16. 12. 1996 durch Hinterlegung zugestellt, die Ehe in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 13. 1. 1997 einvernehmlich geschieden und ein Vergleich geschlossen wurde. In der Scheidungsklage wird behauptet, dass der Beklagte im Übermaß dem Alkohol und auch Drogen zuspreche und in einem solchen Zustand randaliere und "exzediere" sowie dass er Vermögensgegenstände der Klägerin veräußere und verpfände. Die Klage enthält kein Vorbringen zur Geschäfts- und Prozessfähigkeit des Beklagten.

(Voll) geschäftsfähig ist, wer die Tragweite und Auswirkungen seines Handelns abschätzen und dieser Einsicht gemäß disponieren kann (RZ 1994/54 mwN; Schwimann/Apathy, ABGB2 § 865 Rz 1). Die Prozessfähigkeit richtet sich - von den hier nicht Betracht kommenden Ausnahmen des §§ 2, 2a ZPO abgesehen - nach dem bürgerlichen Recht (Fucik in Rechberger, ZPO2 § 1 Rz 1); prozessunfähig ist daher, wer geschäftsunfähig ist.

Der Beklagte behauptet, durch Alkohol- und Drogenkonsum und die extreme Belastungssituation im Zusammenhang mit seiner bevorstehenden Scheidung derart beeinträchtigt gewesen zu sein, dass er nicht in der Lage gewesen sei, behördliche Schriftstücke "in der üblichen Form zu bearbeiten bzw zu behandeln". Er habe sich daher nicht um das Kuvert mit der darin enthaltenen Klage gekümmert. Der Beklagte behauptet damit, außerstande gewesen zu sein, die ihm zugestellte Klage zur Kenntnis zu nehmen und die zur Wahrung seiner Rechtsposition notwendigen Maßnahmen zu treffen. Zu diesen Maßnahmen gehört auch die Verständigung des Gerichts von einer Änderung der Abgabestelle.

Treffen die Behauptungen des Beklagten zu, dann hat er nicht im Sinne des § 8 Abs 1 ZustG Kenntnis von dem gegen ihn geführten Verfahren gehabt. In diesem Fall wäre die Zustellung durch Hinterlegung unwirksam gewesen.

Ob die Behauptungen des Beklagten zutreffen, wird das Erstgericht durch Aufnahme der beantragten Beweise und durch Vernehmung eines medizinischen Sachverständigen zu prüfen haben. Es hat daher bei der vom Rekursgericht verfügten Aufhebung zu bleiben; nur der dem Erstgericht erteilte Auftrag war zu ändern.

Der Revisionsrekurs der Klägerin musste erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO.

Stichworte