European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0240DS00008.21T.0706.000
Spruch:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde * des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt schuldig erkannt.
[2] Danach hat er sich am 27. September 2019 in * in einer für Dritte wahrnehmbaren Weise gegenüber dem Staatsanwalt Mag. * K* mehrfach beleidigend und ehrverletzend geäußert, indem er ihn im Erdgeschoss des Landesgerichtes * mit der Bezeichnung „Arschloch“ und „so ein Arschloch“ beschimpfte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der dagegen erhobenen Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen der Aussprüche über die Schuld (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen in deren Rahmen vgl RIS‑Justiz RS0128656 [T1]) und die Strafe kommt – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – keine Berechtigung zu.
[4] Die Behauptung der Subsumtionsrüge (Z 10), die vom Disziplinarrat vorgenommene rechtliche Beurteilung des inkriminierten Verhaltens als Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt sei verfehlt, weil diese Subsumtion einen – hier nicht vorliegenden – in eigener Sache, also außerhalb der beruflichen Tätigkeit gesetzten Verstoß gegen Bestimmungen der RAO oder der RL‑BA 2015 voraussetze, orientiert sich nicht am Gesetz. Denn nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt begeht ein (hier) Rechtsanwaltsanwärter (§ 4 DSt) ein Disziplinarvergehen, wenn er inner‑ oder außerhalb seines Berufs durch sein Verhalten die Ehre oder das Ansehen des Standes beeinträchtigt (vgl auch § 10 Abs 2 RAO; RIS‑Justiz RS0055904).
[5] Soweit die Tatbestandsmäßigkeit nach dieser Bestimmung auch mit der Begründung in Abrede gestellt wird, die vom Schuldspruch umfassten Äußerungen seien keinem größeren Personenkreis zur Kenntnis gelangt, kommt es darauf vorliegend nicht an, weil die festgestellten vulgären Beschimpfungen ein schwerwiegendes Fehlverhalten darstellen, sodass bereits eine auf wenige Personen beschränkte Kenntnis (vgl dazu die Konstatierungen auf S 4 der angefochtenen Entscheidung) die Gefahr einer Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes mit sich brachte (Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 1 DSt Rz 13; RIS‑Justiz RS0055086, RS0054927, RS0054876).
[6] Auch die Schuldberufung versagt.
[7] Der Disziplinarrat hat sich mit sämtlichen Verfahrensergebnissen ausführlich auseinandergesetzt und schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen er die Angaben des Zeugen Mag. * K*, nicht aber jene der Zeugen * L* und * Ke* für glaubwürdig erachtete und auf dieser Basis zur Überzeugung gelangte, dass der Beschuldigte die ihm angelasteten Äußerungen – entgegen seiner leugnenden Verantwortung – tatsächlich tätigte.
[8] Indem die Berufung diesen Ausführungen eigene beweiswürdigende Erwägungen gegenüberstellt, jene des Disziplinarrats als willkürlich und (sinngemäß) nicht überzeugend kritisiert, dem Zeugen Mag. K* unlautere Motive für die Anzeigeerstattung unterstellt und mehrmals auf den Zweifelsgrundsatz (in dubio pro reo) verweist, zeigt sie weder einen – nominell geltend gemachten – Begründungsmangel iSd Z 5 vierter Fall des § 281 Abs 1 StPO auf, noch vermag sie Zweifel an der – auch auf den in der Disziplinarverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck gestützten – Einschätzung der (Un‑)Glaubwürdigkeit der vernommenen Personen durch den Disziplinarrat oder Bedenken gegen die Richtigkeit dessen Feststellungen zu wecken.
[9] Soweit der Berufungswerber die Beurteilung der Verlässlichkeit der Aussagen des Zeugen Mag. K* zudem unter Berufung auf den Einstellungsbeschluss vom 5. Februar 2020 (OZ 10 Punkt II./) als inkonsistent erachtet, verkennt er, dass die Einstellung aus rechtlichen Gründen erfolgte und nicht auf beweiswürdigenden Überlegungen basiert (OZ 10 S 8 f; vgl dazu auch RIS‑Justiz RS0056973). Im Übrigen wäre selbst die Annahme bloß partieller Glaubwürdigkeit eines Zeugen zulässig (RIS‑Justiz RS0098372).
[10] Schließlich hat der Disziplinarrat dem Beschuldigten keine (disziplinarrechtlich relevanten) Taten angelastet, die Gegenstand der Einstellung waren, sondern bloß unbedenklich dessen – von den Zeugen Mag. * R* und Mag. * A* als emotional, unprofessionell, flapsig und angriffig geschildertes – Verhalten in der Hauptverhandlung vom 27. September 2019 vor dem Landesgericht * in seine Einschätzung von seiner Persönlichkeit einbezogen (ES 3 f). Ein von der Berufung behaupteter Verstoß gegen „rechtsstaatliche Prinzipien“ liegt daher gleichfalls nicht vor.
[11] Da demnach keine Bedenken gegen die Richtigkeit der Lösung der Schuldfrage bestehen und eine Außerachtlassung aktenkundiger Beweisergebnisse, die sich mit dem festgestellten Sachverhalt nicht in Einklang bringen ließen, gar nicht behauptet wird, bedurfte es auch der im Rahmen der Berufung beantragten Beweiswiederholung (durch „neuerliche“ Vernehmung der Zeugen L* und Ke*) nicht (vgl dazu auch RIS‑Justiz RS0132214, RS0131763).
[12] Auch der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe kommt keine Berechtigung zu.
[13] Der Disziplinarrat verhängte über den Beschuldigten gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt eine Geldbuße von 1.500 Euro und wertete dessen bislang ordentlichen Lebenswandel sowie die längere Verfahrensdauer als mildernd, als erschwerend dagegen keinen Umstand.
[14] Bei der Strafbemessung sind im anwaltlichen Disziplinarverfahren die entsprechenden Bestimmungen des Strafgesetzbuches (§§ 32 ff StGB) sinngemäß anzuwenden (RIS-Justiz RS0054839).
[15] Die Strafzumessungsgründe bedürfen insofern einer Ergänzung, als dem Beschuldigten die Wiederholung der beleidigenden und ehrverletzenden Äußerung zum Nachteil gereicht.
[16] Ausgehend davon entspricht die im untersten Bereich des Strafrahmens von bis zu 45.000 Euro (§ 16 Abs 1 Z 2 DSt) bemessene Geldbuße Tatunrecht und Täterschuld sowie Präventionserfordernissen und trägt – auch unter Berücksichtigung der (erstmals) in der Berufung dargestellten Kreditverbindlichkeiten – den Einkommens‑ und Vermögensverhältnissen des Berufungswerbers angemessen Rechnung (§ 16 Abs 6 DSt). Sie ist daher nicht korrekturbedürftig.
[17] Ein schriftlicher Verweis (§ 16 Abs 1 Z 1 DSt) kommt ebenso wenig in Betracht wie ein Vorgehen nach § 39 DSt idF vor BGBl 2020/19 (vgl § 80 Abs 6 letzter Satz DSt; vgl auch RIS‑Justiz RS0133799), weil die dem Beschuldigten zur Last liegenden vulgären Beschimpfungen nicht bloß geringfügige disziplinäre Verfehlungen darstellen (vgl RIS‑Justiz RS0075487 [T1]) und die Verhängung einer Geldbuße auch aus spezial‑ und generalpräventiven Gründen geboten ist.
[18] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.
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