OGH 1Ob93/22s

OGH1Ob93/22s22.6.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*, vertreten durch Dr. Siegfried Sieghartsleitner und andere, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagten Parteien 1. H*, 2. M*, 3. T*, und 4. C*, vertreten durch Dr. Peter Pfeil, Rechtsanwalt in Garsten, wegen Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts (Streitwert 31.500 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 29. März 2022, GZ 4 R 44/22a‑41, mit dem das Urteil des Landesgerichts Steyr vom 13. Jänner 2022, GZ 4 Cg 130/20f‑37, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00093.22S.0622.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag der beklagten Parteien auf Zuspruch der Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger begehrt die Einwilligung in die Abschreibung zweier im Miteigentum der Beklagten stehender Grundstücke von einer bestimmten Liegenschaft, in die Eröffnung einer neuen Grundbuchseinlage hiefür sowie in die Einverleibung des Eigentumsrechts zur Gänze für den Kläger. Die Eltern der Beklagten hätten ihm als damalige (Mit-)Eigentümer der Liegenschaft die unbefristete Option eingeräumt, die Grundstücke zu einem bestimmten Preis zu erwerben. Der Kläger habe sein Optionsrecht nunmehr ausgeübt.

[2] Das Berufungsgericht bestätigte die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts.

[3] Die vier Beklagten erbten jeweils 1/8 Miteigentumsanteile an den streitgegenständlichen Grundstücken von ihrer Mutter als vormaliger Hälfteeigentümerin. Von ihrem Vater als zweitem Hälfteeigentümer erhielten sie jeweils weitere 1/8 Miteigentumsanteile geschenkt, sodass sie nunmehr zu jeweils 1/4 Miteigentümer sind. Da die Verpflichtung des Vaters aus der mit dem Kläger (hinsichtlich seines Hälfteanteils) abgeschlossenen Optionsvereinbarung im Rahmen der Schenkung seines Miteigentumsanteils an die Beklagten nicht auf diese übergegangen sei, könnten sie nur als Gesamtrechtsnachfolger nach ihrer Mutter an die von ihr abgeschlossene Optionsvereinbarung (hinsichtlich deren Hälfteanteils) gebunden sein, sofern diese wirksam zustande gekommen wäre, was die Beklagten bestreiten. Dem Kläger könnte somit höchstens halbes Miteigentum an den Grundstücken übertragen werden, was im Vergleich zum angestrebten Alleineigentum keinen bloßen Minderzuspruch, sondern ein vom Klagebegehren nicht umfasstes aliud darstellen würde. Die Klage sei daher insgesamt unberechtigt, die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[4] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist nicht zulässig. Sie zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

Rechtliche Beurteilung

[5] 1. Der Revisionswerber wendet sich gegen die Rechtsansicht, wonach die (auch) vom Vater der Beklagten eingegangene Optionsverpflichtung nicht auf die Beklagten (als Einzelrechtsnachfolger) überbunden worden sei (vgl zu diesem Erfordernis RIS‑Justiz RS0011871 [insb T14]). Ob ein Vertrag (hier der Schenkungsvertrag zwischen den Beklagten und ihrem Vater) richtig ausgelegt wurde, könnte aber nur dann eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründen, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936 ua). Ein solches vermag der Revisionswerber mit dem Argument, aus der im Schenkungsvertrag enthaltenen Bestimmung, wonach „Besitz, Genuss, Vorteile, Lasten, Zufall und Gefahr“ mit dem Tag der Vertragsunterfertigung auf die Geschenknehmer übergehen, ließe sich eine Übertragung der Optionsverpflichtung auf die Beklagten ableiten, aber nicht darzulegen (vgl RS0042776 [T2, T23]), zumal feststeht, dass diese zum Zeitpunkt der Schenkung keine Kenntnis von der Optionsvereinbarung hatten. Auch die nicht näher konkretisierte Behauptung, es seien keine Feststellungen „zum Willen der Parteien des Schenkungsvertrages“ getroffen worden, lässt eine solche Rechtsfrage nicht erkennen.

[6] 2.1. Nach § 405 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was sie nicht beantragt hat. Diese Bestimmung spiegelt die negative Seite des Dispositionsgrundsatzes wider: der Sachantrag steckt den Entscheidungsbereich des Gerichts ab (4 Ob 93/13z). Ob ein aliud oder ein Minus anzunehmen ist, ergibt sich aus einem Vergleich zwischen dem gestellten Begehren und dem unter Berücksichtigung der rechtserzeugenden Tatsachen für berechtigt erachteten Anspruch (RS0041023). Ein aliud liegt vor, wenn die zugesprochene Rechtsfolge eine andere ist als die begehrte (RS0041027 [T1]).

[7] 2.2. Das Klagebegehren ist so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit der Klagserzählung vom Kläger ersichtlich gemeint ist (RS0037440). Bei Prüfung des Urteilsantrags ist nicht nur vom Wortlaut des Begehrens auszugehen, maßgeblich ist vielmehr, welchen Ausspruch der Kläger im Zusammenhalt mit dem Sachvorbringen seinem Sinngehalt nach anstrebt (RS0041165 [T3]). Die Auslegung des Klagevorbringens im Zusammenhalt mit der Klageerzählung hat stets aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu erfolgen und wirft – sofern sie nicht mit dem Wortlaut des Parteivorbringens unvereinbar ist oder gegen Denkgesetze verstößt (vgl RS0042828 [T7, T11, T31]; 4 Ob 24/22s) – keine erhebliche Rechtsfrage auf (RS0042828 [T16, T25]; RS0037440 [T6]).

[8] 2.3. Das Berufungsgericht traf seine Entscheidung auf Grundlage der dargestellten Rechtsprechung. Seine Beurteilung, dass der Zuspruch bloß eines ideellen Miteigentumsanteils an den Grundstücken der Beklagten anstatt der in erster Instanz begehrten Übertragung des Alleineigentums nicht bloß ein zulässiges Minus sondern ein vom Klagebegehren nicht umfasstes aliud darstelle, hält sich im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums (vgl 4 Ob 24/22s).

[9] 2.4. Unter Miteigentum versteht man die Teilung des Rechts an der ungeteilten Sache nach Bruchteilen dergestalt, dass jedem Miteigentümer die gleichen Befugnisse an der Sache zustehen, er aber über seinen Anteil nach Belieben verfügen kann (RS0044145). Es ist nicht die Sache, sondern das Recht geteilt. Die Eigentümerrechte an der gemeinsamen Sache (insbesondere ihre Benutzung und Verfügung) können grundsätzlich nur gemeinsam ausgeübt werden (Eccher/Riss in KBB6 § 361 ABGB Rz 1). Selbständig verfügt werden kann nur über den ideellen Anteil. Zwar steht jedem Miteigentümer grundsätzlich das Recht auf Benutzung der gemeinsamen Sache zu, bei beschränkter Gebrauchsmöglichkeit darf er sie aber nur gebrauchen, soweit er den tatsächlichen Gebrauch der anderen nicht stört. Im Übrigen bedarf die Festlegung von Art und Umfang der Benutzung der Regelung durch die Miteigentümer (1 Ob 533/95). Demgegenüber umfasst das Alleineigentum gemäß § 354 ABGB die grundsätzlich unbeschränkte Befugnis, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkür zu schalten und jeden anderen davon auszuschließen.

[10] 2.5. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach es sich bei der Übertragung eines (50%igen) Miteigentumsanteils an den Grundstücken der Beklagten an den Kläger gegenüber dem von ihm angestrebten Alleineigentum um keinen bloßen Minderzuspruch handeln würde, begegnet schon deshalb keinen Bedenken, weil sich Allein- und Miteigentum aufgrund der dargestellten unterschiedlichen Nutzungs- und Verfügungsmöglichkeiten hinsichtlich der Sache nicht bloß „quantitativ“ unterscheiden. Allein- und Miteigentum können vielmehr rechtlich nicht gleichgestellt werden (vgl 5 Ob 162/15g). Auch die Auslegung des Klagebegehrens dahin, dass der Kläger nur das Alleineigentum an den Grundstücken angestrebt hatte, bedarf keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof, bezog er sich in erster Instanz doch stets auf „das Eigentum“ an diesen, was das Berufungsgericht ohne Fehlbeurteilung dahin verstehen durfte, dass damit nur Alleineigentum gemeint war. Der Kläger berief sich in erster Instanz auch bloß darauf, dass durch die Ausübung der Option ein Kaufvertrag über 100 % der Anteile an den beiden Grundstücken zustandegekommen sei; einen Titel über lediglich 50 % der Anteile hat er nie dargelegt.

[11] 3. Da der Oberste Gerichtshof die Beantwortung der Revision nicht freigestellt hat, war die dennoch erstattete Revisionsbeantwortung gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Für diese steht daher kein Kostenersatz zu (vgl RS0043690 [T6, T7]).

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