OGH 1Ob79/14w

OGH1Ob79/14w17.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Doris D*****, und 2. Sebastiano D*****, beide vertreten durch Dr. Günther Egger und Dr. Karl Heiss, Rechtsanwälte in Innsbruck, und der Nebenintervenientin auf Seite der klagenden Parteien A***** Gesellschaft mbH, H*****, vertreten durch Janezic & Schmidt Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17‑19, und die Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Partei Ingrid W*****, vertreten durch Anwaltspartnerschaft Dr. Karl Krückl, Dr. Kurt Lichtl, Dr. Christoph Huber, Mag. Christian Eilmsteiner, Rechtsanwälte und Verteidiger in Strafsachen in Linz, wegen 93.812,46 EUR sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 4. Februar 2014, GZ 4 R 5/14d‑30, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 9. Oktober 2013, GZ 31 Cg 46/12v‑25, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 1.940,22 EUR und der Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Partei die mit 2.328,26 EUR (darin 388,04 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Sohn der Kläger schloss am 2. 6. 2009 mit der Nebenintervenientin auf Klagsseite (im Folgenden: Zivilluftfahrerschule) einen Schulungs‑ und Ausbildungsvertrag zur Erlangung eines Berufspilotenscheins. Dieser Ausbildungsvertrag umfasste die theoretische Ausbildung und den Praxisunterricht. Die Ausbildung erfolgte in mehreren Modulen; für jedes Modul wurde dem Sohn der Kläger von einem bei der Zivilluftfahrerschule tätigen Chief Flight Instructor ein Prüfer zugeteilt. Mit den Flugschülern wurde nicht über die Person des Prüfers geredet. Sie hätten zwar theoretisch eine Mitsprachemöglichkeit bei der Auswahl des Prüfers gehabt, de facto wurden sie dazu aber nicht gefragt.

Die Stellung als Prüfer erlangt man durch Bestellung durch die Austro Control GmbH; ein Vertragsverhältnis zwischen dem Prüfer und der Austro Control GmbH besteht nicht. Die Austro Control GmbH führt eine Liste mit den Namen der Prüfer. Sie gibt ein „Flight Examiner Manual“ heraus, das Anweisungen enthält, wie sich Prüfer bei der Prüfung verhalten sollen. Beispielsweise sind darin die Prüfungswiederholungen oder Bewertungstoleranzen geregelt. Dem Prüfer wird vorgeschrieben, welche Manöver er zu prüfen hat, außerdem die maximale Abweichung von Flugwegen, Geschwindigkeiten und Ähnliches. In seiner Beurteilung ist der Prüfer allerdings völlig unabhängig.

Der Sohn der Kläger hatte die gesamte Ausbildung erfolgreich abgeschlossen; ihm fehlte nur noch die praktische Prüfung auf einem ein‑ oder mehrmotorigen Flugzeug. Der Prüfungstermin wurde ihm von der Zivilluftfahrerschule vorgegeben. Er hatte für den Prüfungsflug an den Prüfer nichts zu zahlen, weil dessen Honorar vom Pauschalbetrag, der im Ausbildungsvertrag vereinbart war, umfasst war. Am 2. 9. 2010 absolvierte er gemeinsam mit dem Prüfer den abschließenden Prüfungsflug zur Erlangung des Berufspilotenscheins. Dabei stürzte das Flugzeug ab und beide Personen kamen ums Leben.

Die Kläger begehren von der Beklagten gestützt auf die Bestimmungen des AHG Trauerschmerzengeld und Begräbniskosten; außerdem hätten sie für einen Kredit ihres Sohnes gebürgt. Der Prüfer sei ein Organ im Sinn des AHG. Er habe von ihrem Sohn ein Flugmanöver verlangt, für das das angeflogene Flugfeld nicht geeignet gewesen sei.

Die Beklagte und die Nebenintervenientin auf Beklagtenseite (Alleinerbin und Witwe des Prüfers) wandten auch ein, dass es sich beim Prüfer nicht um ein Organ im Sinn des § 1 Abs 2 AHG, sondern um einen Privatsachverständigen gehandelt habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es verneinte eine Organstellung des Prüfers. Der Prüfer hätte ein Gutachten über die fliegerischen Fähigkeiten erstellen sollen, das Grundlage für die Entscheidung der Austro Control GmbH sei. Dieser sei daher als Sachverständiger tätig gewesen. Sachverständige seien in der Regel keine Organe, sofern es sich nicht um Amtssachverständige handle, weil sie üblicherweise nicht in die hoheitliche Entscheidungsfindung eingebunden seien. Ein Flugprüfer habe keine hoheitlichen Agenden. Seine Begutachtung löse keine unmittelbaren Rechtswirkungen aus, sondern bilde nur die Grundlage für die folgende Erteilung der Berechtigung durch die Austro Control GmbH.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Rechtlich führte es aus, der von der Austro Control GmbH als beliehenem Unternehmen ernannte Einzelprüfer, der die für die Beurteilung der fachlichen Fähigkeit vorgesehene praktische Prüfung abzunehmen habe, werde nicht als Organ im Sinn des § 1 Abs 2 AHG tätig. Die Austro Control GmbH habe nach § 37 Abs 2 Luftfahrtgesetz (LFG) iVm § 13 Abs 3 Zivilluftfahrt‑Personalverordnung 2006 (ZLPV 2006) mit Bescheid besonders qualifizierte Prüfer für die Abnahme des praktischen Teils der Überprüfung der fachlichen Befähigung eines Bewerbers zu ernennen und in eine öffentliche Liste einzutragen. Ein solcher Prüfer habe gemäß § 37 Abs 3 LFG iVm § 13 Abs 3 ZLPV 2006 über die von ihm abgenommene praktische Prüfung ein schriftliches Gutachten über die fachliche Befähigung des Bewerbers binnen drei Tagen nach der praktischen Prüfung an die zuständige Behörde zu übermitteln. Damit würden die praktischen Fähigkeiten der Bewerber durch besonders qualifizierte Privatpersonen, also Sachverständige, beurteilt. Ein solcher Sachverständiger habe entsprechend den Rahmenbestimmungen in Anlage 1 zur ZLPV 2006 (JAR‑FCL 1 und 2) die praktische Prüfung abzunehmen und über die Leistung des Bewerbers ein Gutachten zu erstatten. Der Prüfer sei bei der Erstellung dieses Gutachtens, also ob der Bewerber den praktischen Teil der Prüfung bestanden habe oder nicht, im Rahmen der vorgegebenen Richtlinien frei. Dieses Gutachten bilde nach § 18 ZLPV 2006 die Grundlage für die Beurteilung durch die Austro Control GmbH, ob die fachliche Befähigung des Bewerbers als eines der Kriterien für die Erteilung des Zivilluftfahrtscheins gegeben sei. Wer als Prüfer im Einzelfall einschreite, werde bei einer Prüfung für den Erwerb der Berufspilotenlizenz (CPL[A]) nicht von der Austro Control GmbH bestimmt; die Austro Control GmbH stehe auch in keinem Vertragsverhältnis zum jeweiligen Prüfer. Der Bewerber habe selbst die Möglichkeit, die Person des Prüfers zu bestimmen, auch wenn der Sohn der Kläger faktisch von der Zivilluftfahr(er)schule eingeteilt worden sei. Die Honorierung des Prüfers erfolge nicht über Prüfungstaxen und Prüfervergütungen, sondern durch die Prüfungskandidaten; hier sei das Prüferentgelt bereits in dem der Zivilluftfahr(er)schule zu bezahlenden Pauschalbetrag inkludiert gewesen. Einem Flugprüfer seien weder vom LFG noch der ZLPV 2006 behördliche Befugnisse übertragen worden. Sein Gutachten zeitige keine unmittelbaren Rechtswirkungen; vielmehr sei das Gutachten durch den vom Bewerber beigezogenen Sachverständigen der Behörde vorzulegen, die zwar auf Grundlage dieses Gutachtens als Beweismittel, aber alleine zu beurteilen habe, ob die fachliche Befähigung des Bewerbers als gegeben erachtet werde. Der Prüfer habe keine gesetzlich vorgesehene Mitwirkungsmöglichkeit bei der von der Behörde durchzuführenden Beurteilung der fachlichen Befähigung. Ein positives Gutachten des Sachverständigen führe auch nicht unmittelbare Rechtsfolgen im Sinn einer Erteilung des Zivilluftfahr(er)scheins oder eine ex lege vorgesehene Bejahung der fachlichen Befähigung herbei, sondern diese Beurteilung obliege allein der Behörde. Selbst bei nicht bestandener praktischer Prüfung obliege die Beurteilung der fachlichen Befähigung der Behörde, welche mittels Bescheids zu entscheiden habe und die ‑ ohne Mitspracherecht des Prüfers ‑ im Hinblick auf die fachlichen Mängel auch einen Zeitraum zu bestimmen habe, innerhalb dem ein neuerlicher Antrag auf Ausstellung eines gleichen Scheins unzulässig sei. Der Prüfer sei im Verfahren zur erstmaligen Erlangung eines Zivilluftfahr(er)scheins nicht Organ der Beklagten, sondern er erstelle lediglich als Sachverständiger im Auftrag des Bewerbers ein als Beweismittel zu qualifizierendes Gutachten über die praktische Eignung; dieses unterliege der freien „Bewertung“ der Behörde.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil zur Frage, ob ein nach § 37 Abs 2 LFG iVm § 13 Abs 3 ZLPV 2006 ernannter Flugprüfer, der im Verfahren auf Erlangung eines (Zivil‑)Luftfahrerscheins ein Gutachten erstelle, als Organ im Sinn des § 1 Abs 2 AHG zu qualifizieren sei, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die von den Prozessgegnern beantwortete Revision der Kläger ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

1. Rechtslage zum Unfallszeitpunkt:

Die für die Erteilung der Berufspilotenlizenz im Unfallszeitpunkt am 2. 9. 2010 maßgebenden Bestimmungen finden sich im Luftfahrtgesetz (BGBl 1957/253 idF BGBl I 2008/83; LFG) und in umfangreichen Detailbestimmungen in der Zivilluftfahrt‑Personalverordnung 2006 (BGBl II 2006/205 idF BGBl II 2009/71; ZLPV 2006). In diesen Rechtsvorschriften wurden die Regelungen der Joint Aviation Authorities (Vereinigte Europäische Luftfahrtbehörden) betreffend die Lizenzierung und die Tauglichkeit von Piloten („Joint Aviation Requirements ‑ Flight Crew Licensing“; „JAR‑FCL“) in das österreichische Recht eingegliedert (vgl ErläutRV 1191 BlgNR XXII. GP 1 und 3 zum Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird, BGBl I 2006/27).

Nach § 27 LFG ist unter anderem Zivilluftfahrer, wer die Erlaubnis besitzt, ein Zivilluftfahrzeug im Fluge zu führen oder technisch zu bedienen. Diese Erlaubnis ist von der Austro Control GmbH durch schriftlichen Bescheid zu erteilen (§§ 26, 29 LFG; §§ 1, 140 Abs 1 ZLPV 2006). Zu den Aufgaben der Austro Control GmbH zählen neben der Aufgabe der Flugsicherung (§ 120 Abs 1 LFG) verschiedene andere behördliche Aufgaben (darunter die Erteilung von Zivilluftfahrerscheinen), in denen sie zur Führung von Verwaltungsverfahren und zur Bescheiderlassung berufen ist. Sie ist in diesem Zusammenhang ein mit behördlichen Aufgaben beliehener Rechtsträger (VfGH B 2113/94 ua = VfSlg 14.473; G 213/98 = VfSlg 15.351; ErläutRV 1247 BlgNR XVIII. GP 11 zum Bundesgesetz über die Austro Control Gesellschaft mit beschränkter Haftung ..., BGBl 1993/898 [ACG‑G]; vgl 16 Ok 9/95 = SZ 69/44). Die der Austro Control GmbH als beliehenem Unternehmen gemäß § 2 Abs 1 ACG‑G übertragenen Aufgaben nach dem Luftfahrtgesetz und dessen Durchführungsverordnungen sind hoheitlicher Natur (16 Ok 9/95 = SZ 69/44). § 10 Abs 1 ACG‑G normiert ausdrücklich die unverändert fortbestehende Amtshaftung des Bundes für Vollzugsfehler der Dienstnehmer der Austro Control GmbH in Wahrnehmung insbesondere des in § 2 Abs 1 ACG‑G übertragenen Aufgabenbereichs.

Es gibt verschiedene Arten von Zivilluftfahrt‑Scheinen, darunter auch die vom Sohn der Kläger angestrebte Berufspilotenlizenz (Flugzeug), die CPL(A) [Commercial Pilot Licence] (siehe § 1 Abs 2 Z 1 lit b und Abschnitt D in Anlage 1 der ZLPV 2006). Materielle Voraussetzungen für die Erteilung eines Zivilluftfahrerscheins sind das Erreichen des erforderlichen Mindestalters (§ 31 LFG), die Verlässlichkeit (§ 32 LFG), die Tauglichkeit (§§ 33 ff LFG; §§ 5 f ZLPV 2006) und die fachliche Befähigung (§ 36 LFG). Die für die Erteilung eines Zivilluftfahrerscheins erforderliche fachliche Befähigung ist nach der entsprechenden Ausbildung in einer Zivilluftfahrerschule durch Ablegung einer Prüfung nachzuweisen, die aus einem theoretischen und einem praktischen Teil besteht (§ 36 Abs 1 LFG).

Die praktische Prüfung dient dem Nachweis fliegerischer Befähigung für den Erwerb der angestrebten Lizenz. Dazu sind bestimmte Flüge inklusive Abflüge und Landungen durchzuführen; die Prüfungsinhalte sind entsprechend der Verordnungsermächtigung nach § 36 Abs 2 LFG im Detail in der ZLPV 2006 festgelegt, wobei § 23 ZLPV 2006 bezüglich der Berufspilotenlizenz für Flugzeuge auf die Bestimmungen der Anlage 1 (JAR‑FCL 1) verweist. Die praktische Prüfung ist vor einem Einzelprüfer nach Abschluss der entsprechenden Flugausbildung und nach bestandener theoretischer Prüfung abzulegen (dazu Riccabona‑Zecha , Die „Führerschein‑Familie“ [Teil IV], ZVR 2006/75, 270 [272]). Praktische Prüfungen zur Erlangung von Scheinen und Berechtigungen gemäß § 23 ZLPV 2006 sind von einem durch die Austro Control GmbH ernannten und von dieser in eine öffentliche Liste eingetragenen Prüfer abzunehmen (§ 37 Abs 2 LFG; § 13 Abs 3 ZLPV 2006). Der Prüfer hat ein entsprechendes schriftliches Gutachten über die fachliche Befähigung des Bewerbers binnen drei Tagen nach Durchführung der praktischen Prüfung der Austro Control GmbH zu übermitteln (§ 37 Abs 3 LFG; § 13 Abs 3 ZLPV 2006). Die Austro Control GmbH als zuständige Behörde hat aufgrund der durchgeführten Prüfung zu beurteilen, ob die fachliche Befähigung des Bewerbers gegeben ist. Ist die fachliche Befähigung nicht gegeben, so hat sie den Antrag auf Ausstellung eines Scheins oder auf Erteilung einer Berechtigung durch Bescheid abzuweisen. In diesem Bescheid ist unter Bedachtnahme auf die fachlichen Mängel des Bewerbers ein Zeitraum zu bestimmen, innerhalb dessen ein neuerlicher Antrag auf Ausstellung eines gleichen Scheins oder die Erteilung der gleichen Berechtigung unzulässig ist (§ 18 Abs 1 ZLPV 2006).

Nach der im Unfallszeitpunkt in Kraft stehenden Verordnung BGBl II 2006/205 hatte die zuständige Behörde den Bewerbern den entsprechenden Prüfer zur Abnahme einer Prüfung zuzuweisen und jeden Bewerber über den Prüfer, der von ihr für die Durchführung der praktischen Prüfung bestimmt wurde, zu informieren (JAR‑FCL 1.030 Prüfungsangelegenheiten lit c Abs 1 und 2 in Anlage 1 der ZLPV 2006). Nach der aktuellen Verordnung BGBl II 2012/260 hat die zuständige Behörde demgegenüber den Prüfer (nur noch) betreffend die Prüfung für den Erwerb einer MPL(A) [Lizenz für Flugzeuge mit zwei Piloten] oder ATPL(A) [Linienpilotenlizenz ‑ Flugzeug] zu bestimmen (JAR‑FCL 1.030 Prüfungsangelegenheiten lit c Abs 2 in Anlage 1 der ZLPV 2006) und daher nicht mehr für den Erwerb einer CPL(A).

2. Die Flugsicherung fällt in den Bereich der Hoheitsverwaltung (RIS‑Justiz RS0050214). Nichts anderes gilt für die Erteilung von Zivilluftfahrerscheinen (§§ 26, 29 LFG iVm ZLPV 2006), die ‑ soweit dies nicht für bestimmte Kategorien nach § 140b LFG anderen Beliehenen übertragen ist ‑ zu den behördlichen Aufgaben der Austro Control GmbH zählt (VfGH B 2113/94 ua = VfSlg 14.473).

Nach jüngerer Rechtsprechung des erkennenden Senats fallen auch juristische Personen unter den Organbegriff des AHG, soweit diese für hoheitliches Handeln beliehen wurden (vgl 1 Ob 176/08a = SZ 2009/30 ua; RIS‑Justiz RS0124590). Im Fall der Beleihung privater (oder ausgegliederter) Rechtsträger mit der Befugnis zur Setzung von Hoheitsakten haftet jener Rechtsträger, aus dessen Vollzugsbereich die Aufgabe nach den verfassungsrechtlichen Kompetenzbestimmungen stammt und für die der Beliehene tätig wird ( Kucsko‑Stadlmayer , Art 23 B‑VG Rz 16, in: Korinek/Holoubek [Hrsg], Bundesverfassungsrecht [2013]; vgl B. Raschauer , Allgemeines Verwaltungsrecht³ [2009] Rz 1326, jeweils mwN insbesondere zur Rechtsprechung). Da die Austro Control GmbH im Rahmen ihrer behördlichen Aufgaben als beliehener Rechtsträger tätig ist und das „Verkehrswesen bezüglich ... der Luftfahrt“ in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache ist (Art 10 Abs 1 Z 9 B‑VG), haftet im Rahmen der Amtshaftung der Bund. Zwar wurde in § 10 Abs 1 ACG‑G nur die Amtshaftung des Bundes für Vollzugsfehler der Dienstnehmer der Austro Control GmbH ausdrücklich geregelt und damit begründet, dass diese Bestimmung lediglich als Anknüpfung für eine von § 3 AHG abweichende Regelung des Regressanspruchs in § 10 Abs 3 ACG‑G dienen soll (ErläutRV 1247 BlgNR XVIII. GP 13). Dem Gesetzgeber war aber ‑ wie den Materialien (aaO) zu entnehmen ist ‑ bewusst, dass für die Organstellung nach § 1 AHG nur ausschlaggebend ist, dass eine Person zur Wahrnehmung von Agenden der Hoheitsverwaltung berufen worden ist, und nicht maßgeblich ist, auf welche Art und Weise diese Berufung erfolgt. Ein Dienstverhältnis zum beliehenen Unternehmen ist keine Voraussetzung für die Begründung einer Organstellung; besorgt eine physische Person hoheitliche Aufgaben ist sie Organ, unabhängig davon, ob sie dauernd oder vorübergehend oder für den einzelnen Fall bestellt, gewählt, ernannt oder sonst wie herangezogen wurde und ob ihr Verhältnis zum Rechtsträger nach öffentlichem oder privatem Recht zu beurteilen ist (RIS‑Justiz RS0087679). Gehaftet wird daher etwa auch für die Ausübung hoheitlicher Hilfsfunktionen durch Private ( Kucsko‑Stadlmayer aaO Rz 15).

3. Strittig ist, ob im Verfahren zur erstmaligen Erlangung eines Zivilluftfahrerscheins der von der Austro Control GmbH ernannte Prüfer, der die für die Beurteilung der fachlichen Fähigkeit vorgesehene praktische Prüfung abzunehmen hat, als Organ im Sinn des § 1 Abs 2 AHG tätig wird oder dieser (im vorliegenden Fall im Auftrag des Sohnes der Kläger) als Privatsachverständiger einschritt.

3.1. Die Kläger leiten ihren Amtshaftungsanspruch gegenüber dem Bund nur aus einem rechtswidrigen und schuldhaften Verhalten des Prüfers ab. Sie werfen diesem vor, beim Prüfungsflug von ihrem Sohn ein Manöver verlangt zu haben, für das das angeflogene Flugfeld nicht geeignet gewesen sei. Ein rechtswidriges Verhalten der Austro Control GmbH behaupten sie nicht.

3.2. Bei der Organstellung von Sachverständigen differenziert die Rechtsprechung zwischen Amtssachverständigen in Verwaltungsverfahren einerseits und nichtamtlichen oder gerichtlichen Sachverständigen andererseits. Den beiden letzteren wird die Organstellung abgesprochen, weil ihre Tätigkeit auf die Feststellung des Sachverhalts beschränkt (Beweismittel) und nicht als Mitwirkung an der Entscheidung zu qualifizieren ist. Sie haften daher persönlich (vgl RIS‑Justiz RS0049801 [T2]; RS0050099; 4 Ob 306/86 = SZ 60/245 = MR 1987, 208 [ M. Walter ] = RIS‑Justiz RS0049749 = RS0049751; RS0026337 [besonders T3, T4, T5]; RS0026353; Schragel , AHG 3 Rz 41 mwN; Kucsko‑Stadlmayer aaO Rz 19). Diese Beurteilung wird von den Klägern nicht in Frage gestellt. Der Prüfer wurde zwar von der Austro Control GmbH mit Bescheid ernannt und in der öffentlichen Liste als Prüfer geführt (JAR‑FCL 1.030 Prüfungsangelegenheiten lit a und lit c Abs 1 in Anlage 1 der ZLPV 2006), er war jedoch unstrittig kein Amtssachverständiger im Sinn des § 52 Abs 1 AVG.

3.3. Die Durchführung der praktischen Prüfung für Berufspiloten hat durch einen von der Behörde bestellten Prüfer zu erfolgen, der ein diesbezügliches Gutachten in schriftlicher Form an die zuständige Behörde (Austro Control GmbH) zu erstellen hat. Er übt damit eine Sachverständigentätigkeit in einem behördlichen Verfahren aus. Von einer eine Amtshaftung nicht begründenden Sachverständigentätigkeit kann immer nur dann gesprochen werden, wenn der Sachverständige eine bloß beratende Funktion ausübt oder das Ergebnis seiner Tätigkeit in einem Verfahren ein der freien Beweiswürdigung unterliegendes Beweismittel ist. In solchen Fällen steht dem Sachverständigen keine hoheitsrechtliche Entscheidungsbefugnis zu (1 Ob 34/80 = SZ 54/19). Das vom Prüfer anlässlich der praktischen Prüfung zu erstellende Gutachten ist lediglich ein Beweismittel; seine Aufgabe ist es, an der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts in der Form mitzuwirken, dass er zunächst Tatsachen erhebt (Befund) und sodann aufgrund seiner besonderen Fachkenntnisse aus diesen Tatsachen die entsprechenden Schlüsse zieht (Gutachten). Wenn die Kläger ausführen, dass die Überprüfung der praktischen Befähigung bereits ein Hoheitsakt sei, der als „behördeninterne Handlung“ nicht gegenüber dem Bewerber oder sonstigen Dritten in Erscheinung trete, so spricht gerade eine gar nicht nach außen tretende Handlung gegen die Erfüllung einer hoheitlichen Aufgabe. Mit der Behauptung, der Behörde komme zur Beurteilung der praktischen Fähigkeiten über das Gutachten des Prüfers hinaus „kein etwaiger Entscheidungsspielraum“ zu und eine freie Beweiswürdigung finde nicht statt, verkennen die Kläger die der zuständigen Behörde nach § 18 Abs 1 ZLPV 2006 obliegende Beurteilung der fachlichen Befähigung des Bewerbers. Eine solche Bindung an das Gutachten des Prüfers ist nicht gegeben. Vielmehr hat die Austro Control GmbH das Gutachten auf Schlüssigkeit, Vollständigkeit und seinen „inneren Wahrheitsgehalt“ zu prüfen. Es unterliegt nach den Regeln des Verwaltungsverfahrens der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs 2 AVG; Hengstschläger/Leeb , AVG online [2. Ausgabe 2014] § 45 Rz 11, § 52 Rz 61 f).

3.4. In den Anhängen 1 und 2 zu JAR‑FCL 1.170 (in Anlage 1 der ZLPV 2006) sind Regelungen über die praktische Prüfung für den Erwerb einer CPL(A), die Durchführung der Prüfung, die Prüfungstoleranzen und der Inhalt der praktischen Prüfung für den Erwerb einer CPL(A) geregelt. Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass damit nur Richtlinien für die Durchführung der praktischen Prüfung vorgegeben sind und letztlich der Prüfer bei der abschließenden Beurteilung, ob der Bewerber die praktische Prüfung bestanden hat oder nicht, unabhängig ist. Diese Vorschriften bilden Beurteilungskriterien, innerhalb derer der Prüfer in seiner Bewertung frei ist. Dafür sprechen schon die in Punkt 13. des Anhangs 1 zu JAR‑FCL 1.170 genannten Toleranzen. Nach Punkt 5. Anhang 1 zu JAR‑FCL 1.170 gibt die zuständige Behörde dem Prüfer Sicherheitshinweise für die Durchführung der Prüfung. Auf dieser Grundlage veröffentlichte die Austro Control GmbH auf ihrer Website am 20. 5. 2009 das „Flight Examiner Manual“ Version 18, das sie den Prüfern zur Anwendung vorschrieb. Entgegen der Ansicht der Kläger dürfte es sich dabei nicht um eine Verordnung handeln, wofür schon das Wort Sicherheits hinweise spricht. Auch vermögen die Kläger keine gesetzliche Grundlage (Art 18 Abs 2 B‑VG) für eine solche Verordnungsermächtigung der Austro Control GmbH zu nennen.

3.5. Nicht jeder, der zur Erfüllung einer hoheitlichen Aufgabe beiträgt, ist Organ im Sinn des § 1 Abs 2 AHG. Die Bestellung einer physischen oder juristischen Person ist nur dann eine Beleihung mit der Ausübung einer hoheitlichen Funktion, wenn mit ihr der Auftrag verbunden ist, selbst für den Hoheitsträger hoheitliche Handlungen zu setzen bzw solche mitzuvollziehen; es muss also die Erfüllung der hoheitlichen Aufgabe selbst übertragen werden. Nun gibt es Aufgaben, die zwar eindeutig der Vollziehung dienen, aber durch hoheitlichen Akt, durch ein Gesetz oder eine Verordnung aus der Vollziehung ausgeschieden und Außenstehenden unter eigener Verantwortung, aber ohne Einräumung der Möglichkeit, selbst Hoheitsakte zu setzen, übertragen werden. Die Außenstehenden sind dann nicht Organe im Sinn des § 1 Abs 2 AHG (RIS‑Justiz RS0049954; zuletzt 1 Ob 103/99z mwN [Facharzt, an den ein Wehrpflichtiger von der Stellungskommission zur Klärung der Tauglichkeit verwiesen wurde]).

Der praktische Prüfer nach § 37 Abs 2 LFG hat zwar ein Gutachten über die fachliche Eignung des Bewerbers anlässlich der Durchführung der praktischen Prüfung zu erstellen, ihm sind aber keine behördlichen Befugnisse übertragen. Sein Gutachten führt zu keinen unmittelbaren Rechtswirkungen. Das Gutachten ist der Behörde vorzulegen, die auf der Grundlage dieses Beweismittels eigenständig zu beurteilen hat, ob die fachliche Befähigung des Bewerbers als gegeben erachtet wird oder nicht. Der Prüfer hat in diesem Rahmen keine gesetzlich vorgesehene Mitwirkungsmöglichkeit. Ein positives Gutachten des Prüfers (Sachverständigen) führt nicht unmittelbar zur Erteilung des Zivilluftfahrerscheins oder einer ex lege vorgesehenen Bejahung der fachlichen Befähigung. Damit unterscheidet sich der Prüfer von zur wiederkehrenden Begutachtung gemäß § 57a KFG nach dessen Abs 2 vom Landeshauptmann Ermächtigten (RIS‑Justiz RS0049956) und auch von der Kesselprüfstelle (1 Ob 25/01k = SZ 74/55 = ÖZW 2002, 59 [krit Kucsko‑Stadlmayer ], dazu Schragel aaO und krit Raschauer aaO Rz 1331). Einem (Flug‑)Prüfer kommen keine hoheitlichen Befugnisse zu. Selbst bei nicht bestandener praktischer Prüfung obliegt die Beurteilung der fachlichen Befähigung der Behörde, die mit Bescheid zu entscheiden hat und die ‑ ohne Mitsprache des Prüfers ‑ im Hinblick auf fachliche Mängel auch einen Zeitraum zu bestimmen hat, innerhalb dessen ein neuerlicher Antrag auf Ausstellung eines gleichen Scheins unzulässig ist (§ 18 Abs 1 ZLPV 2006). Da dem Prüfer keine hoheitlichen Aufgaben übertragen wurden, ist dieser nicht Organ der Beklagten. Er erstellt lediglich als Sachverständiger ein Gutachten über den Bewerber, das als Beweismittel im Verwaltungsverfahren dient. Der Prüfer trifft bei der Erteilung der Berufspilotenlizenz weder Entscheidungen, die die Rechtsstellung des Bewerbers unmittelbar verändern, noch ist er mit Befehls‑ und Zwangsgewalt ausgestattet.

3.6. Da hier nur die Stellung des Prüfers im Verfahren zur erstmaligen Erlangung eines Zivilluftfahrerscheins zu beurteilen ist, braucht auf die Befugnisse eines Prüfers im Rahmen der Verlängerung der Gültigkeitsdauer einer mit einem Schein gemäß § 23 bzw § 25 ZLPV 2006 verbundenen Berechtigung um einen Monat (§ 8 Abs 2 ZLPV 2006) nicht eingegangen werden. Ob einem Prüfer im diesem Zusammenhang Organstellung zukommt, ist hier nicht zu beurteilen.

4. Zusammenfassung:

Im Rahmen der erstmaligen Erteilung der Berufspilotenlizenz ist der Prüfer für die Durchführung der praktischen Prüfung (bezogen auf den Unfallszeitpunkt 2. 9. 2010) kein Organ im Sinn des § 1 Abs 2 AHG.

5. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Für die Revisionsbeantwortungen steht nur ein Streitgenossenzuschlag von 10 % zu, weil die Revisionsgegner jeweils von einem eigenen Anwalt vertreten werden und ihnen im Revisionsverfahren nur die beiden Kläger gegenüberstehen (§ 15 RATG). Für die Nebenintervenientin auf Seite der klagenden Parteien, die sich am Revisionsverfahren nicht beteiligte, steht kein Streitgenossenzuschlag zu (RIS‑Justiz RS0036223).

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