OGH 16Ok9/95

OGH16Ok9/9526.2.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Birgit Langer als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr.Fidelis Bauer, Dkfm.Joachim Lamel, Hon.Prof.Dr.Walter Fremuth und Dr.Thomas Lachs in der Kartellrechtssache der Antragsteller 1. H***** Gesellschaft mbH, ***** und 2. B***** Gesellschaft mbH, ***** beide vertreten durch die Felfernig & Kreuz, Rechtsanwaltspartnerschaft KEG in Wien, wider die Antragsgegner 1. A***** ***** Gesellschaft ***** mbH *****, und 2. Republik Österreich, ***** beide vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Untersagung des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (§ 34, 35 KartG) infolge des Rekurses der Antragsteller gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Kartellgericht vom 10.August 1995, GZ 2 Kt 370/95-9, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Von einer Anrufung des Europäischen Gerichtshofes und der Einholung einer Vorabentscheidung über die Auslegung der Art 86 und 90 EG-Vertrag im Hinblick auf den Tätigkeitsbereich und die Kosten der Erst- und Zweitantragsgegner sowie deren Monopolstellung wird abgesehen;

2. von einer Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof iSd § 140 Abs 1 B-VG auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit des Austro-Control-Gesetzes wird abgesehen;

3. dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragsteller begehrten, das Kartellgericht möge den Antragsgegnern auftragen, den Mißbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung abzustellen, dh lediglich Gebühren (wie etwa TP 42, TP 23, TP 28, TP 29, TP 30 und TP 48 ACG-V) in solcher Höhe vorschreiben, die im Verhältnis zum wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistungen der Antragsgegner stehen. Hiezu brachten die Antragsteller vor, sie seien als Hersteller von Luftfahrzeugen bzw von Flugzeugmotoren gezwungen, die Tätigkeit der Erstantragsgegnerin in Anspruch zu nehmen. Es handle sich dabei um Dienstleistungen gemäß §§ 32, 37 und 40 ff ZLLV (Musterprüfungen, Stückprüfungen und Nachprüfungen). Die Erstantragsgegnerin sei für diese Dienstleistungen Monopolistin und mißbrauche die ihr dadurch zukommende marktbeherrschende Stellung, indem sie als Anbieterin von Dienstleistungen unangemessen hohe Verkaufspreise durchsetze. Die Zweitantragsgegnerin habe eine Gebührenordnung für die Zweitantragsgegnerin in Form einer Verordnung festgesetzt, welche gegenüber der zuvor geltenden Kostensituation Kostensteigerungen bis zu 1.637 % erbracht habe. Da die Antragsgegner für Dienstleistungen Gebühren einheben, die außer Verhältnis zum wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistungen stünden, gleichzeitig für die Antragsgegner ein gesetzlich festgelegtes Monopol bestehe, handle es sich um die Ausnützung einer marktbeherrschenden Stellung, welche der Mißbrauchsaufsicht des Kartellgerichtes iSd § 35 KartG unterliege.

Die Antragsgegner beantragten, den Antrag wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen, in eventu ihn abzuweisen. Die von den Antragstellern inkriminierte Vorschreibung von Gebühren für die Vornahme von Musterprüfungen, Stückprüfungen und Nachprüfungen beruhten auf einer vom BMöWV erlassenen und im Bundesgesetz kundgemachten Rechtsverordnung. Die Erstantragsgegnerin trete bei den gebührenbegründenden Amtshandlungen im übrigen auch nicht als Dienstleistungsunternehmen auf einem Markt Nachfragern gegenüber und könne die Gebühren gar nicht nach wettbewerbsorientierten Kriterien selbst festsetzen, sondern hätte eine ihr zwingend vorgegebene Verordnung anzuwenden. Eine Prüfungskompetenz des Kartellgerichtes bestehe nicht. Die Stattgebung des Antrages würde eine Verletzung des Verfassungsprinzips der Trennung von Justiz und Verwaltung bedeuten. Es lägen Akte hoheitlicher Verwaltung und nicht privatrechtliches Handeln vor.

Die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte unterstützt die Ausführungen der Antragsgegner; es greife die Ausnahmebestimmung des § 5 KartG.

Die Antragsteller replizierten, daß die inkriminierten Nach-, Muster- und Stückprüfungen nicht als Hoheitsverwaltung zu qualifizieren seien. Sie stellten auch die Anregung und das Ersuchen, das Kartellgericht möge iSd Art 177 EG-Vertrag den Europäischen Gerichtshof anrufen und eine Vorabentscheidung über die Auslegung der Art 86 und 90 EG-Vertrag im Hinblick auf den Tätigkeitsbereich und die Kosten der Antragsgegner sowie deren Monopolstellung einholen.

Das Erstgericht wies den Antrag zurück und begründete dies im wesentlichen mit folgenden Argumenten:

Das Wettbewerbsrecht (UWG und KartG) sei Privatrecht, sodaß es nur anwendbar sei, soweit es sich um privatrechtlich geordnete Beziehungen handle. Für die Anwendung des Wettbewerbsrecht auf öffentlich-rechtliche Beziehungen bestehe kein Raum. Als bestimmte Ware (Leistung) im Sinn des Kartellgesetzes würden daher nur solche Leistungen gelten, die im privatwirtschaftlichen Bereich, nicht aber im hoheitlichen Bereich erbracht würden. Die Antragsgegner seien im hier inkriminierten Bereich nicht unternehmerisch tätig, sondern funktionell als Behörde aufgetreten. Es gehe um die Prüfung und Gewährleistung der technischen Sicherheit der Luftfahrt, also um eine hoheitliche und verwaltungspolizeiliche Aufgabe, vergleichbar der wiederkehrenden Begutachtung eines Kraftfahrzeuges gemäß § 57a KFG zwecks Überprüfung von dessen Verkehrs- und Betriebssicherheit. Dabei spiele es für die Abgrenzung zwischen Privatwirtschaftsverwaltung und Hoheitsverwaltung keine Rolle, ob die behördliche Aufgabe von der Behörde selbst oder durch Unternehmen erbracht werde, welche als beliehene Unternehmen mit der Wahrnehmung der entsprechenden öffentlichen Aufgabe betraut worden seien. Die Auslegung der Antragsteller, die in § 140 b LFG genannten Angelegenheiten stellten nicht solche der Hoheitsverwaltung dar, sei unrichtig; werde doch in dieser Bestimmung ausdrücklich auch die Zulassung, Feststellung der Lufttüchtigkeit bzw Nachprüfung für bestimmte Arten von Luftfahrzeugen oder Betriebstüchtigkeit von Luftfahrgeräten geregelt. Am hoheitlichen Charakter dieser Agenden bestünde keine Zweifel. Damit seien sie aber einer Überprüfung durch das Kartellgericht entzogen. Art 90 EG-Vertrag gehe von dem Grundsatz aus, daß die Wettbewerbsregeln des Vertrages sowohl auf private wie auch öffentliche Unternehmen angewandt werden könnten; er finde aber keine Anwendung, soweit die öffentlichen Unternehmen hoheitlich tätig würden. Die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art 177 EG-Vertrag sei demnach nicht erforderlich.

Zusammenfassend ergebe sich daher, daß mangels Anwendbarkeit des Kartellgesetzes auf den vorliegend aufgezeigten Sachverhalt der Antrag zurückzuweisen sei.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Antragsteller wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie regen an bzw ersuchen, der Oberste Gerichtshof möge als Rekursgericht in Kartellrechtssachen iSd Art 177 EG-Vertrag den Europäischen Gerichtshof anrufen und eine Vorabentscheidung über die Auslegung der Art 86 und 90 EG-Vertrag im Hinblick auf den Tätigkeitsbereich und die Kosten der Erst- und Zweitantragsgegner sowie deren Monopolstellung einholen, bzw iSd Art 140 Abs 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit des Austro Control-Gesetzes stellen. Im übrigen beantragen sie den angefochtenen Beschluß dahingehend abzuändern, daß dem Antrag iSd § 35 KartG stattgegeben werde; hilfsweise stellen sie auch einen Aufhebungsantrag.

Der Antragsgegner und die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte beantragen, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Mit Art I § 1 BG über die Austro Control Gesellschaft mbH (ACG-G), BGBl 898/1993, wurde der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr (BMöMV) ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen eine an die Stelle des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (BAZ) tretende Gesellschaft mbH zu gründen. Aufgrund dieser Ermächtigung wurde die Erstantragsgegnerin Austro Control GmbH (ACG) - gegründet und ins Firmenbuch eingetragen.

§ 2 ACG-G verpflichtet die ACG zur Wahrnehmung sämtlicher dem BAZ im Luftfahrtgesetz (LFG), BGBl 253/1957, und den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen bisher übertragenen Aufgaben; für diese Aufgaben besteht Betriebspflicht. Von dieser Regelung ausgenommen sind gemäß § 2 Abs 1 ACG-G jene Aufgaben, welche durch Verordnung gemäß § 140 b LFG übertragen sind. Die ACG ist dadurch mit der Wahrnehmung umfangreicher luftfahrtrechtlicher Vollzugsagenden beliehen. Dazu zählt neben beispielsweise dem großen Bereich der Flugsicherung (§§ 119 ff LFG) und dem Regelungskomplex betreffend das Luftfahrtpersonal (§§ 25 ff LFG) auch der Bereich "Luftfahrzeuge und Luftfahrgerät" (§§ 11 ff LFG). Die ACG vollzieht hier die luftfahrtrechtlichen Bestimmungen betreffend die Zulassung der Zivilluftfahrzeuge und die Führung des Luftfahrzeugregisters, die Feststellung der Lufttüchtigkeit der Luftfahrzeuge und die in diesem Zusammenhang erforderlichen - vor allem technischen - Überprüfungen. Die näheren Bestimmungen dazu sind in der Zivilluftfahrzeug- und Luftfahrtgerätverordnung 1995 (ZLLV 1995), BGBl 191/1995, getroffen; diese Verordnung trat anstelle der Zivilluftfahrzeug- und Luftfahrt-Gerät-Verordnung 1983 (ZLLV 1983), BGBl 415/1983.

Die ACG unterliegt der Aufsicht durch den BMöWV (§ 3 ACG-G), ist diesem gegenüber weisungsgebunden (§ 139 LFG) und im Instanzenzug untergeordnet (§ 140 LFG). Die ACG ist kraft Gesetzes ein Luftfahrtunternehmen (§ 1 Abs 2 ACG-G) und unterliegt (auch) der Aufsicht des BMöWV als Aufsichtsbehörde im Sinn des § 141 LFG (§ 3 Abs 4 ACG-G). All dies gilt unbeschadet der überdies bestehenden Rechte des BMöWV als Vertreter des Alleingesellschafters Bund (§ 3 Abs 1 ACG-G).

Aus den Erläuterungen (AB 1354 BlgNR 18. GP) ist zu entnehmen, daß Anlaß für diese gesetzlichen Regelungen der Umstand war, daß das zuvor bestehende Bundesamt für Zivilluftfahrt im Rahmen einer Gesamtausgliederung aus dem Bundesbudget ausgegliedert werden sollte. Zur Durchführung der dem BAZ bisher obliegenden behördlichen Aufgaben wurde die in der österreichischen Rechtstradition bekannte Form eines beliehenen Unternehmers gewählt, die durch eine entsprechende Aufsichtsführung des BMöWV ergänzt wird.

Zu prüfen ist, ob die Erstantragsgegnerin in dem hier strittigen Bereich (Musterprüfungen, Stückprüfungen und Nachprüfungen sowie die hiefür eingehobenen Gebühren) durch Beleihung übertragene Aufgaben der Hoheitsverwaltung wahrnimmt, also funktionell als Behörde auftritt und insbesondere auch Bescheide erläßt, und ob derartige Tätigkeiten der Hoheitsverwaltung der Kontrolle durch das Kartellgericht entzogen sind.

Die Antragsteller vermeinen nämlich, daß sich aus dem Kartellgesetz ein ausschließliches Abstellen auf eine privatwirtschaftliche Tätigkeit nicht ergebe. Nach § 1 KartG sei für die Beurteilung eines Sachverhalts in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht dessen äußere Erscheinungsform maßgebend. Wäre die Rechtsansicht des Kartellgerichtes zutreffend, wonach hoheitliche Tätigkeiten ex lege von der Überprüfung des Kartellgerichtes ausgenommen werden, bestünde für die Ausnahmebestimmung in § 5 KartG, insb in dessen Abs 1 Z 4, kein Bedarf; ein unnötiger Regelungskomplex sei dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen. Im übrigen wiederholen sie im wesentlichen ihre schon bisher vertretene Ansicht, daß es sich bei den verfahrensgegenständlichen Tätigkeiten der Antragsgegner nicht um hoheitliche Tätigkeiten handle, weil sie nicht im öffentlichen Interesse lägen; dies wollen sie daraus ableiten, daß eine Übertragung nach § 140 b LVG möglich sei. Sie meinen, es handle sich vielmehr um Sachverständigentätigkeiten; die Feststellung der Lufttüchtigkeit müsse nicht in hoheitlicher Form erfolgen. Auch im EG-Vertrag werde die hoheitliche Tätigkeit der jeweiligen Mitgliedstaaten nicht aufgrund der Tätigkeitsform (Bescheid, Verordnung etc.) beurteilt, sondern materiellrechtlich. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ergäbe sich, daß keine solche hoheitliche Tätigkeit, welche die Anwendung des Art 90 EG-Vertrages ausschließe, vorliege. Deshalb möge die angeregte Vorabentscheidung eingeholt werden. Sollte das Kartellobergericht der Auffassung des Kartellgerichtes folgen, daß tatsächlich eine hoheitliche Tätigkeit der Antragsgegner vorliege, sei die durch das ACG-G durchgeführte Übertragung der Besorgung der Bundesverwaltung auf eine Kapitalgesellschaft in der vorliegenden Form verfassungswidrig. Insbesondere sprenge die Ersetzung eines Amtes durch eine im selben Umfang beliehene Kapitalgesellschaft den (engen) Rahmen zulässiger Beleihung.

Dieser Argumentation ist entgegenzuhalten, daß die in § 1 KartG (der § 21 BAO nachbildet ist) angeordnete wirtschaftliche Betrachtungsweise den Normadressaten die Möglichkeit nehmen soll, die kartell(- bzw steuer)rechtlichen Rechtsfolgen durch gezielte Wahl bestimmter Geschäftsformen oder wirtschaftlicher Verhaltensweisen auszuschließen, jedoch keinerlei Anhaltspunkt für die Unterscheidung zwischen hoheitlichen und privatwirtschaftlichen Maßnahmen und insbesondere für die Frage der Anwendbarkeit des Kartellrechts auf hoheitliche Tätigkeiten bildet. Das war und ist nicht Ziel dieser Bestimmung.

Im Hinblick auf die oft schwierige Beantwortung der Frage, ob eine vom Staat wahrgenommene Aufgabe "inhaltlich" dem hoheitlichen Staatsbereich oder dem Bereich dessen privater Tätigkeit zuzuordnen ist, wird gerade bei der Unterscheidung zwischen Hoheits- und Privatwirtschaftsverwaltung vornehmlich an die Form des Staatshandelns angeknüpft. Daher ist das Staatshandeln in den typischen, im B-VG vorgesehenen Formen der Ausübung von "Imperium", also in Form des Bescheides oder der Verordnung Hoheitsverwaltung (so die Judikatur aller Höchstgerichte, zusammenfassende Nachweise hiezu bei Schragel, Komm AHG2 Rz 75 zu § 1; siehe dort (Rz 72-92) auch die Zusammenstellung der in der Literatur vertretenen wesentlichen Theorien). Die Anknüpfung an die hoheitlichen Handlungsformen findet ihre wichtigste Rechtfertigung im Rechtsschutzsystem des B-VG, das konkrete Rechtszüge zur Überprüfung von Bescheiden und Verordnungen vorsieht. Die verfassungsrechtlich zwingend vorgegebene Trennung zwischen Justiz und Verwaltung und die sich hieraus ergebenden Kompetenzen zur Prüfung von Bescheiden und Verordnungen durch Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof rechtfertigen es nicht, gerade im Kartellrechtsbereich und nur wegen der ganz andere Zwecke verfolgenden Bestimmung des § 1 KartG Verwaltungshandeln in Verordnungs- und Bescheidform auch einer inhaltlichen Prüfung durch ein anderes Gericht als den Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof zu unterwerfen.

Es ist zwar zutreffend, daß die Erstantragsgegnerin nicht ausschließlich hoheitliche Tätigkeiten vornimmt oder vornehmen darf. So ermächtigt § 2 Abs 4 ACG-G die Erstantragsgegnerin bestimmte Leistungen national und international anzubieten und zu erbringen. In diesem Rahmen nimmt sie auch am Wirtschaftsleben teil und unterliegt in diesem Rahmen der kartellrechtlichen Kontrolle. Dies ist aber für dieses Kartellverfahren ohne Belang. Ausschlaggebend ist einzig, ob die verfahrensgegenständlichen Tätigkeiten solche hoheitlicher Natur ("in Vollziehung der Gesetze") sind oder nicht. Daß die der Erstantragsgegnerin als beliehenem Unternehmen gemäß § 2 Abs 1 ACG-G übertragenen Aufgaben nach dem Luftfahrtgesetz und dessen Durchführungsverordnungen, insbesondere die hier verfahrensgegenständlichen Lufttüchtigkeits-Prüfungen hoheitlicher Natur sind, stand für den Gesetzgeber ganz offensichtlich außer Frage, wie sich schon aus § 10 Abs 1 dieses Gesetzes ergibt, in dem die unverändert fortbestehende Amtshaftung des Bundes für Vollzugsfehler der Dienstnehmer der Erstantragsgegnerin normiert ist.

Auch die Existenz des § 140 b LFG und dessen Erwähnung in § 2 Abs 1 ACG-G stehen der Qualifikation von Stück-, Muster- und Nachprüfungen als Akt hoheitlicher Vollziehung nicht entgegen, sondern belegen diese geradezu. Nach § 140 b Abs 1 LFG (idF BGBl 898/1993) kann der BMöWV im Interesse der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit und, sofern die Sicherheit der Luftfahrt nicht beeinträchtigt wird, durch Verordnung die Wahrnehmung von Aufgaben einschließlich der Entscheidungsbefugnis von im Luftfahrtgesetz oder in den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen geregelten Angelegenheiten, insbesondere die Zulassung, Feststellung der Lufttüchtigkeit bzw Nachprüfung für bestimmte Arten von Zivilluftfahrzeugen an Personen mit entsprechender Ausbildung, geeignete Gesellschaften, Unternehmen oder Organisationen übertragen. Nach Abs 2 dieser Bestimmung sind von diesen das allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz sowie das Gebührengesetz anzuwenden. Der BMöWV ist die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde und im Instanzenzug unmittelbar übergeordnet. Angesichts dieser gesetzlichen Regelung ist auszuschließen, daß die in § 140 b LFG vorgesehenen Übertragungsgegenstände, insbesondere auch die Stück-, Muster- und Nachprüfungen von Luftfahrzeugen, keine Aufgaben der Hoheitsverwaltung sind. Daß die Überprüfung der technischen Sicherheit von Luftfahrzeugen, die gewerblich produziert, verkauft und in der allgemeinen Luftfahrt eingesetzt werden, öffentliche Interessen nicht tangiere, kann im Hinblick auf die damit verbundene Verantwortung für die allgemeine Sicherheit nicht ernsthaft behauptet werden. Die etwas unglückliche Formulierung in den Erläuternden Bemerkungen (RV 1247 BlgNR 18. GP, 15) meint offensichtlich, daß entsprechende Zuständigkeitsübertragungen dann und nur dann erfolgen dürfen, wenn die öffentlichen Interessen nicht beeinträchtigt oder gar verletzt werden. Zutreffend hat schon das Kartellgericht darauf hingewiesen, daß die Erwähnung des § 140 b LFG in § 2 Abs 1 ACG-G nur klarstellt, daß die Erstantragsgegnerin jene individuellen Aufgaben nicht wahrzunehmen hat, die mit einer Verordnung nach § 140 b LFG bereits an andere übertragen wurden bzw noch übertragen werden; der Gesetzeswortlaut bezieht sich daher nur auf jene Fälle, in denen anstelle der Erstantragsgegnerin jemand anderer beliehen wurde bzw wird.

Aus diesen und den folgenden Erwägungen ergibt sich, daß die hier verfahrensgegenständlichen Tätigkeiten der Erstantragsgegnerin auch unter dem Gesichtspunkt der Abgrenzung hoheitlicher und privatwirtschaftlicher Tätigkeit nach der Zielsetzung (vgl hiezu Schragel aaO Rz 84 mwN) dem hoheitlichen Bereich zuzuordnen sind.

Zwar enthält § 17 LFG keine unmittelbare Anordnung zur Erlassung eines Bescheides über die Lufttüchtigkeit; das macht aber die Feststellung der Lufttüchtigkeit nicht zu einer privatwirtschaftlichen Angelegenheit. Unzweifelhaft hat nämlich die Verweigerung der Ausstellung eines solchen Zeugnisses über die Lufttüchtigkeit mangels Vorliegens der Lufttüchtigkeitsvoraussetzungen als abweisende Erledigung eines Parteiantrages in Bescheidform zu erfolgen; gleiches gilt für den Widerruf der Zulassung (Halbmayer/Wiesenwasser, Das österreichische Luftfahrtrecht Anm 2 zu § 19 LFG). Daß es sich bei den Lufttüchtigkeits-Prüfungen um eine der Natur der Sache nach im öffentlichen Interesse liegende (und daher keine "private") Angelegenheit handelt, kann - wie schon erwähnt - im Hinblick auf die mit untüchtigen Luftfahrzeugen verbundene Gefahr für die Allgemeinheit nicht zweifelhaft sein.

Die weitere Rekursausführung, die "streitgegenständlichen Dienstleistungen" der Antragsgegner seien als bloße Sachverständigentätigkeit der Antragsteller zu bewerten, gibt kein Argument für die Qualifikation als hoheitlich oder privatwirtschaftlich. Auch im Rahmen der Hoheitsverwaltung ("in Vollziehung der Gesetze" iSd § 1 AHG) können Sachverständigentätigkeiten zu erbringen sein. Die Tätigkeit eines Sachverständigen im Verwaltungsbereich wird als Handeln in Vollziehung der Gesetze gewertet, und zwar sowohl beim sogenannten Amtssachverständigen im engeren Sinn als auch bei beliehenen Unternehmen, wie etwa den mit der Begutachung nach § 57 a KFG 1967 Betrauten (Schragel, KommAHG2 Rz 38 mwN).

Die Antragsteller haben nach ihren eigenen Angaben einen "Gebührenbescheid" der Erstantragsgegnerin, der auf der auf gesetzlicher Grundlage vom zuständigen Bundesminister in Verordnungsform erlassenen Gebührenordnung beruht, bereits - offenbar erfolglos - beim Verfassungsgerichtshof einer Überprüfung im Hinblick auf das Äquivalenzprinzip (§ 6 Abs 2 letzter Satz ACG-G: Der Höhe der Gebühren ist das Kostendeckungsprinzip zugrunde zu legen) unterziehen lassen (ON 7 S. 7 unten). Ihre offensichtlich daraus resultierende Meinung, daß die Kontrolle der hoheitsverwaltungsrechtlichen Tätigkeit der Antragsgegner insbesondere auf dem Preissektor durch die öffentlichen Gerichte (Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof) nicht ausreichend sei, rechtfertigt nicht die Durchbrechung des sich aus Art 94 B-VG ergebenden Grundsatzes der Trennung von Justiz und Verwaltung und des daraus sich ergebenden unterschiedlichen Rechtszugssystems.

Die Rekurswerber wiederholen ihre Anregung auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens, ohne die vorzulegenden Fragen näher zu bezeichnen und ohne die von ihnen behauptete Rechtsprechung des EuGH zu belegen, aus der sich ergäbe, die hier gegenständlichen Tätigkeiten fielen nicht in den hoheitlichen Bereich.Bereits das Kartellgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, daß Art 90 des EG-Vertrages nicht anzuwenden ist, soweit öffentliche Unternehmen hoheitlich tätig werden (Grill in Lenz EG-Vertrag Rz 4 zu Art 90 mwH auf die Judikatur des EuGH). Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes ist die Frage des Anwendungsbereiches der Art 86, 90 des EG-Vertrages, soweit es die hoheitliche Tätigkeit betrifft, in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes ausreichend geklärt, sodaß es Sache der innerstaatlichen Behörde bleibt, die vom Europäischen Gerichtshof judizierten Grundsätze im Einzelfall anzuwenden.

Im übrigen geht es im vorliegenden Fall aber gar nicht um die Frage des materiellen Anwendungsbereiches des EG-Vertrages, sondern um die (innerstaatlich zu lösende) Frage, ob die dem Kartellgericht übertragenen Aufgaben und Kompetenzen die Kontrolle hoheitlichen Handelns von Verwaltungsbehörden (Erlassen einer Gebührenverordnung durch den zuständigen Bundesminister; Erlassung von Gebührenbescheiden durch die Erstantragsgegnerin) umfassen, oder ob dieses hoheitliche Handeln der Verwaltungsbehörden nach dem innerstaatlichen Rechtsschutzsystem nicht auf anderem Wege zu prüfen ist. Diese Frage hat mit der unmittelbaren Wirkung gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen in den Mitgliedstaaten nichts zu tun. Welche innerstaatlichen Institutionen die Sache zu entscheiden haben, wird auch bei unmittelbar wirksamen Gemeinschaftsnormen durch das Gemeinschaftsrecht nicht geregelt. Dieses verlangt lediglich, daß der Rechtschutz gewährleistet ist, der sich aus dem unmittelbaren Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts ergibt.

Eine Anrufung des Europäischen Gerichtshofes im Vorabentscheidungsverfahren scheidet daher schon deshalb aus, weil Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, die dem Gerichtshof zur Auslegung oder Gültigkeitskontrolle vorgelegt werden sollen, konkret nicht anwendbar sind, weil kein Zusammenhang zwischen ihnen und dem Gegenstand des Ausgangsstreites besteht (Kohlegger, Einwirkungen des "Vorabentscheidungsverfahrens" auf das österreichische Zivilverfahren, ÖJZ 1995, 761 [768]). Den Antragstellern steht ein ausgebildetes Rechtsschutzsystem zur Bekämpfung der ihrer Auffassung nach überhöhten Gebührenvorschreibungen frei, im Zuge dessen sie die öffentlichen Gerichte anrufen können. Es ist ihnen unbenommen, dort ihre Bedenken gegen die Gebührenordnung (ACG-V) auch mit dem Hinweis auf einen (vermeintlichen) Widerspruch zu gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen zu begründen.

Zur Behauptung der Rekurswerber, die im ACG-G erfolgte Beleihung (hiezu für alle Schragel aaO Rz 27 ff mwN) der Antragsgegnerin mit Vollzugsaufgaben sprenge den - auch von ihr grundsätzlich, wenn auch nur in engen Grenzen, anerkannten (Rekurs S. 6) - zulässigen Rahmen, ist zu bemerken, daß diese Frage für das gegenständliche Verfahren nicht präjudiziell ist. Die von den Antragstellern kartellrechtlich inkriminierten Sachverhalte betreffen ausschließlich die Stück-, Muster- und Nachprüfungen zur Feststellung der Lufttüchtigkeit und die Vorschreibung der dafür zu entrichtenden Gebühren. Die Übertragung dieser Aufgaben auf ein beliehenes Unternehmen sprengt keinesfalls die zulässigen Grenzen des in der österreichischen Rechtsordnung wohl bekannten und anerkannten Rechtsinstituts der Beleihung; hiezu genügt es auf § 57 a KFG 1967 zu verweisen, wonach die (gleichfalls "in Vollziehung der Gesetze" erfolgende) Prüfung der Verkehrs- und Betriebssicherheit hinsichtlich praktisch aller Kraftfahrzeuge auf beliehene Unternehmer übertragen wird. Mangels Präjudizialität ist daher die Frage, in welchem Umfang darüber hinaus Kompetenzen auf die Erstantragsgegnerin als beliehenes Unternehmen übertragen werden durften, nicht von Relevanz.

Zusammenfassend ergibt sich daher, daß die Zurückweisung des Antrages durch das Erstgericht mangels Anwendbarkeit des Kartellgesetzes auf den aufgezeigten Sachverhalt zutreffend war. Von der angeregten Anrufung des Europäischen Gerichtshofes zur Einholung einer Vorabentscheidung und einer Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des ACG-G war aus den angeführten Gründen abzusehen.

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